Ich wurde selbst noch gegen Pocken geimpft und da man die letzten Bestände der echten Pockenviren immer noch nicht endgültig vernichtet hat, hätte ich auch meine Kinder impfen lassen, wenn das noch möglich wäre.
Die Entwicklung eines Impfstoffes durchläuft wie jedes Arzneimittel zahlreiche Phasen der sogenannten nicht-klinischen und klinischen Prüfung. Jeder der in diesem Bereich Tätigen weiß, dass bei der Entwicklung von Arzneimitteln der Kodex der Helsinki Deklaration des Weltärztebundes zu ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen gilt, also auch zum Schutz des Menschen in klinischen Prüfungen. Darin wird der Sicherheit die oberste Priorität eingeräumt.
Man muss es mit großen Bedenken betrachten, wenn Einrichtungen wie das Paul-Ehrlich-Institut und andere zuständige Institutionen weltweit auf einem verkürzten Weg klinische Studien zur Prüfung von Impfstoffen gegen das Virus SARS-CoV-2 zulassen.
Gemäß öffentlich zugänglicher Pressemeldungen vom 29. April 2020 (1) ist die Studienmedikation der ersten Kohorte der Studie BioNTech BNT-162-01: EudraCT: 2020-001038-36 (2) beendet. Gemäß eines Flyers von BioNTech dauerte die Phase vom Start der Entwicklung bis zur Beantragung der klinische Studie nur drei Monate, was auf eine sehr verkürzte und vereinfachte Phase zur Prüfung der Verträglichkeit in nicht-klinischen Sicherheitsstudien schließen lässt (3). SARS-CoV-2 ist nicht vergleichbar mit der Tragweite von Ebola und schon gar nicht mit der von Pocken. Seit Beginn in China vor sechs Monaten wurden am 12. Mai 2020 weltweit 288 Tausend Todesfälle (Worldometers) registriert. Diese Zahl an Sterbefällen rechtfertigt nicht, die Aspekte der Helsinki-Deklaration einfach für nichtig zu erklären.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Gibt es denn ein Risiko bei einem SARS-CoV-2-Impfstoff, welches man hätte genauer prüfen sollen in Tierstudien, bevor man Prüfungen am Menschen durchführt oder generell von einer groß angelegten Impfkampagne der gesamten Bevölkerung spricht?
Hier gibt es aus meiner Sicht berechtigte Bedenken. Jeder, der Kinder hat, kennt das Respiratorische Synzytial Virus (RSV). Als meine Kinder klein waren, lagen Info-Broschüren beim Kinderarzt aus mit Warnungen vor schweren Verläufen bei Kindern unter einem Jahr. Man kann beim Robert Koch-Institut nachlesen, dass 0,2 Prozent der Fälle bei Säuglingen ohne Vorerkrankungen tödlich verlaufen (4).
Als Mutter hätte ich wahrscheinlich meine Kinder impfen lassen, hätte es einen sicheren Impfstoff gegeben. Warum gibt es gegen dieses Virus keinen Impfstoff ? Bis heute nicht! Es gab einen Impfstoff, doch der führte zu schwerwiegenden Nebenwirkungen. Geimpfte Kinder zeigten keine unerwünschten Wirkungen auf die RSV-Impfung selbst. Doch infizierte sich ein Säugling nach der Impfung mit RSV, kam es zu einer überschießenden Immunreaktion — eine Art schwere Allergie gegen das Virus (5).
Kinder erkrankten lebensbedrohlich und zwei Säuglinge starben an dieser Impfreaktion. Nicht an dem Infekt, sondern an der überschießenden Immunreaktion gegen den Infekt basierend auf einer vorhergehenden Boosterung des Immunsystems durch die Impfung.
Man vermutet, dass die in jedem Impfstoff enthaltenen Verstärker diese überschießende Immunreaktion verursacht haben. Doch ohne Verstärker gibt es keine ausreichende Impfantwort.
Entwicklung gestoppt
Dann „tauchte“ SARS-CoV im Jahr 2002 in China auf.
Basierend auf dem Wissen um die Nebenwirkungen des RSV-Impfstoffes hat man die SARS-CoV-Impfstoffe sehr sorgfältig hinsichtlich dieser möglichen Reaktion an Tieren geprüft und diese überschießende Immunreaktion bei verschiedenen in der Entwicklung befindlichen SARS-CoV-Impfstoffen gefunden (6).
Zudem stellte sich heraus, dass alte Versuchstiere — geriatrischen Patienten vergleichbar — nur eine unzureichende Immunreaktion auf eine SARS-Impfung zeigen und dennoch diese unerwünschte Reaktion bei einer nachfolgenden Virusinfektion zu beobachten war (7).
Also lautete das Fazit: Das Risiko dieser überschießenden Immunreaktion durch eine SARS-CoV-Impfung mit nachfolgend natürlichem Infekt ist zu hoch und der Nutzen nicht sicher. Daher erfolgte keine weitere Entwicklung. Selbst Ansätze zu RNA-Impfstoffen wurden nicht weiter verfolgt, obwohl sie bereits in ersten klinischen Phasen getestet wurden.
Diese überschießende Immunreaktion bei einer Infektion nach einer Impfung hat man gleichermaßen in Tierstudien für einen möglichen MERS-Impfstoff festgestellt (8). MERS wird durch ein Coronavirus verursacht, welches im vorderen Orient primär bei Dromedaren auftritt. Wenn sich ein Mensch infiziert, kann es zu schweren Verläufen und Todesfällen kommen.
Muss man für SARS-CoV-2 mit dieser schwerwiegenden Nebenwirkung rechnen, dieser überschießenden Immunreaktion in Folge eines natürlichen Infektes nach einer Impfung?
Vorsichtig formuliert: Anhand der Daten, die derzeit öffentlich zugänglich vorliegen, kann man diese Reaktion nicht mit Sicherheit ausschließen.
So gibt es Gemeinsamkeiten dieser beiden Coronaviren. Insbesondere für die Eiweißbausteine, die für die Anheftung und das Eindringen in die Wirtszellen erforderlich sind. Eine Gruppe um Nisreen Okra des Erasmus Medical Center Rotterdam (9) hat bis 90 Prozent Übereinstimmungen gefunden. Genau diese Eiweißbausteine sollen die erwünschte Impfreaktion bewirken.
Kandidat der alten Schule
Bislang findet sich eine ausführliche Darstellung der Impfstoffentwicklung mit Daten zur Sicherheit eines Kandidaten von Sinovac in China: PiCoVacc. Der Impfstoffkandidat ist Old-School — das inaktivierte Virus mit einem Impfstoffverstärker auf Aluminiumbasis (10). Inaktiviert heißt umgangssprachlich abgetötet, doch da Viren nicht leben, kann man sie auch nicht töten — daher inaktiviert. Der Impfstoff wurde an Affen getestet. Nach der Impfung wurden die Tiere durch direktes Einbringen in die Luftröhre mit dem natürlichen SARS-CoV-2-Virus infiziert. Die geimpften Tiere hatten eine milde Lungenentzündung, wohingegen die nicht geimpften Tiere eine schwere Lungenentzündung entwickelten.
Somit ist ein Wirknachweis an diesen Tieren erbracht. Doch das Zeitfenster nach der Immunisierung war zu kurz gewählt, um erfassen zu können, ob diese gefährliche überschießende Immunreaktion nach der Impfung und einem nachfolgenden Infekt mit dem SARS-CoV-2-Virus auftreten kann. Da es aus früheren Studien Blaupausen zum Studiendesign zu SARS-CoV-Impfstoff-Kandidaten gibt, wäre wünschenswert, dass die Unternehmen ein Studiendesign wählen, welches es möglich macht, diese Nebenwirkung erfassen zu können. Zudem wäre es die Aufgabe der Behörden, dies zu verlangen.
Möglicherweise haben die Unternehmen in den Studien-Anträgen zu ersten klinischen Prüfungen mit SARS-CoV-2-Impfstoffen weitere Daten eingereicht, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Doch in Anbetracht des kurzen Zeitfensters ist dies eher unwahrscheinlich, da solche Studien, entsprechend der gesetzlichen Vorgaben durchgeführt, doch einen erheblichen Zeitaufwand erfordern.
So kann man nur hoffen, dass solche Daten noch sorgfältig erhoben werden, um die Sicherheit für Menschen in klinischen Studien zu gewährleisten und gleichermaßen für eine spätere Zulassung und der Anwendung in der breiten Masse, insbesondere für Kinder. Denn Kindern gilt besonderer Schutz, das sollte jeder Politiker berücksichtigen. Letztendlich geht es um das Vertrauen, dass Politiker, Unternehmen und Behörden von der Bevölkerung einfordern. Dies erfordert ein transparentes, sorgfältiges und korrektes Vorgehen.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.pharmashots.com/32018/biontech-and-pfizer-complete-dosing-of-bnt162-in-first-cohort-of-p-i-ii-study in-germany
(2) https://www.clinicaltrialsregister.eu/ctr-search/trial/2020-001038-36/DE
(3) https://investors.biontech.de/static-files/398d9bd8-e2cb-49ca-9d6d-7dfd01c66b8a
(4) https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_RSV.html
(5) Acosta et al.; 2016, Clinical and Vaccine Immunology; 23: 189-195; doi: 10.1128/CVI.00609-15
(6) Tseng et al.; 2012, PLoS ONE 2012 7(4): e35421; doi: 10.101371/journal.pone.0035421
(7) Bolles et al.; 2011, Journal of Virology, 85(23): 12201–12215; doi: 10.1128/JVI.06048-11
(8) Agrawal et al.; 2016, Human Vaccines & Immunotherapeutics, 12(9): 2351-2356; doi: 10.1080/21645515.2016.1177688
(9) Okba et al.; 2020, Emerging Infectious Diseases, 26 (7); doi: 10.3201/eid2607.200841
(10) Gao et al.; 2020, Science, eabc1932; doi: 10.1126/science.abc1932
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