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Die grundlegende Entscheidung

Die grundlegende Entscheidung

Ob Umwelt-, Friedens- oder Digitalisierungspolitik — wir müssen heute wählen, ob wir die fortschreitende Entmenschlichung hinnehmen oder uns ihr entgegenstellen.

„Wenn die Macht der Liebe über die Liebe zur Macht siegt, wird die Welt Frieden finden.“

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Dieses hoffnungsvolle Bildnis von Utopia skizzierte dereinst der Ausnahmegitarrist, Komponist, Sänger und unter mysteriösen Umständen leidlich jung verblichene Club 27-Debütant James Marshall Hendrix alias Jimi Hendrix. Damit fasste der legendäre Musiker eine der wichtigsten zivilisatorischen Tatsachen in prägnante Worte: dass Gewalt immer von jenen ausgeht, die Macht besitzen. Dass die ultimative Form von Gewalt — der Krieg — stets der Absicherung oder Ausweitung bestehender Machtverhältnisse dient. Obwohl im Grunde niemand das Recht hat — und haben kann — einem anderen Menschen Gewalt anzutun.

Nähme man Naturrecht, nähme man universelle und unveräußerliche Menschenrechte auf politischer Ebene ernst, gäbe es längst keine militärischen Auseinandersetzungen mehr auf diesem Planeten. Wären die Vereinten Nationen (UN) eine friedliebende Vertretung befreundeter Völker, die sich für das globale Gemeinwohl über die Interessen einzelner Staaten hinwegsetzt, würde heutzutage jeder Konflikt am Verhandlungstisch gelöst. Denn der moderne Mensch, die aufgeklärte Gesellschaft, ja die gesamte Spezies hat das blutige Wesen des Krieges nach Jahrhunderten eines sinnlosen Gemetzels verstanden und hinter sich gelassen. Barbarei war gestern. Zumindest, wenn es nach uns, den einfachen Menschen geht, deren schlichtes Ziel es ist, jeden Tag nach ein bisschen Glück zu streben und in friedlicher Koexistenz mit ihrem Umfeld zu leben. Künstlich vitalisiert wird das inhumane wie lukrative Geschäft mit dem Tod ausschließlich von Machtkonglomeraten, die davon profitieren. Dahingehend hat sich im Verlauf der vergangenen 1.000 Jahre kaum etwas geändert.

„Was man mit Gewalt gewinnt, kann man nur mit Gewalt behalten.“ (Mahatma Ghandi)

Auf philosophischer Ebene ist schon das Gewaltmonopol des Staates fragwürdig. Denn wenn das Individuum nicht das Recht besitzt, Gewalt auszuüben oder gar zu töten, wie kann ein politischer Repräsentant jenes Individuums dieses Recht dann durch Wahl erwerben?

Warum ist Töten legal und der Schießbefehl rechtens, wenn Volksvertreter ihn erteilen, deren Volk dieses Recht nicht hat? Ist nicht bereits das neofeudale Herrschaftsmodell, das sie installiert haben oder vertreten, kriminell? Worin unterscheidet sich denn eine korrupte Funktionärskaste, die sich mit zunehmend totalitären Mitteln und Methoden an der Macht hält, von einem international operierenden Mafia-Clan oder einem skrupellos-ausbeuterischen Großkonzern? Genau.

Dabei könnte es so einfach sein. Denn eine friedliche, offene, faire, freiheitlich organisierte Gesellschaft fußt im Grunde auf einem einzigen, sehr simplen Grundsatz:

Jeder Mensch hat das Recht, in Ruhe gelassen zu werden.

Diese Faustregel genügt. Würde dieses fundamentale Recht von allen Mitgliedern einer Gemeinschaft respektiert und rigoros auf alle Lebensbereiche angewandt, bedürfe es kaum noch anderweitiger Jurisdiktion, um die Autonomie des Individuums in einem dennoch konstruktiven wie produktiven Miteinander zu gewährleisten. Gewalt wäre passé. Krieg ein Relikt dunkler Vergangenheit — und Globalisierung vielleicht wirklich ein Akt der Völkerverständigung, anstatt Panoptikum geostrategischer Rochaden.

Krieg ist seit jeher ein dreckiges Geschäft. Es basiert auf Lügen, Täuschung, Verrat, Betrug und Agitation. Deswegen blasen die Propaganda-Posaunen derzeit im Fortissimo. Der Bundeswehrverband sieht nach Meldungen bei nt-tv vom 28. Februar 2023 schon einem „Kriegsjahrzehnt“ entgegen. Unglaublich. Da entscheiden Leute über Krieg und Frieden, die selbst nie Gefahr laufen werden, auf dem Schlachtfeld zu sterben. Siehe Robert Habeck, der diesen Umstand sogar noch mit dem dummdreisten Stolz herrschaftlicher Arroganz garnierte, als er am 24. Februar 2022 in der Talkshow von Sandra Maischberger sagte: „Ich muss da nicht kämpfen und ich werde auch nicht sterben in diesem Krieg.“ Oder Funktionäre, deren Kinder im Ausland studieren und Nobelkarossen fahren, während an der heimischen Front die Söhne ihrer Untergebenen in Schützengräben krepieren. Siehe Andrij Melnyk, ehemaliger Botschafter der Ukraine in Deutschland und bekennender Nazi.

Unter militärischen Konflikten leidet immer und zuvorderst die Normalbevölkerung. Kein Krieg in der Geschichte, der den Bürgern einer Kriegspartei ausschließlich zum Vorteil gereicht hätte. Ob wirtschaftliche Turbulenzen, Verlust der Lebensleistung, Armut und Hunger, Krankheiten oder Tod — den Kriegstreibern und Profiteuren an der Spitze bleiben diese Schicksale meist erspart.

So wurden bei den Nürnberger Prozessen insgesamt 185 hochrangige Mitglieder des NS-Regimes angeklagt. Von diesen 185 Personen wurden 35 freigesprochen, gegen 24 wurde die Todesstrafe verhängt, 20 wurden zu lebenslanger Haft und 98 zu Freiheitsstrafen zwischen 18 Monaten und 25 Jahren verurteilt. Am 31. Januar 1951 setzte man jedoch zahlreiche Strafen herab. Und von den 24 zum Tode Verurteilten, für die sich unter anderem Konrad Adenauer eingesetzt hatte, wurden zwölf hingerichtet. Elf wurden zu Haftstrafen begnadigt und einer an Belgien ausgeliefert, wo er später eines natürlichen Todes starb.

185 Angeklagte. In Anbetracht eines Staatsapparates von abertausenden Tätern, Mittätern, Mitwissern und Mitläufern ein Tropfen auf den heißen Stein. Gleichzeitig holten die USA im Zuge von „Operation Paperclip“ still und heimlich über 1.600 hochrangige Entscheider, Knowhow-Träger, Funktionäre, Ingenieure und Wissenschaftler aus Nazi-Deutschland nach Amerika, wo diese in Geheimdiensten, Konzernen, Universitäten oder bei der NASA reüssierten. In Deutschland gruben sich zu diesem Zeitpunkt noch Trümmerfrauen durch die Reste früherer Existenzen.

Wer sich von einseitiger Propaganda beeinflussen, sich gegen einen von oben verordneten Gegner aufbringen lässt, zu dem er keinerlei realen Bezug hat, wer konstruierte Feindbilder unreflektiert verinnerlicht, um sich blindlings in den Dienst einer Fahne zu stellen, die von korrupten Marionetten über einem eskalierenden Mob geschwenkt wird, hat die allgemeinen Menschenrechte nie verstanden.

Denn Krieg beginnt nicht mit dem ersten Schusswechsel an der Frontlinie, einer Invasion im Morgengrauen oder der ersten Rakete, sondern mit der Verrohung von Sprache. Das gilt in gleichem Maße für Faschismus.

Und Sprache bereitet die Bevölkerung schon seit Ende letzten Jahres auf kriegerische Zeiten vor. Als Nils Dampz in einem ARD-Kommentar unliebsame Social-Media-Nutzer als „rassistische oder verschwörerische Ratten“ bezeichnete, die man in ihre „Löcher zurückprügeln“ müsse. Mit derlei Spaltpilzen konstruiert der polit-mediale Komplex die innerstaatlichen Feindbilder, die benötigt werden, um jedwede Opposition zu diskreditieren und die Debatte um Sachfragen zu emotionalisieren. Schon Hermann Göring gab im „Nürnberger Tagebuch — Gespräche der Angeklagten mit dem Gerichtspsychologen“ (G.M. Gilbert, 1962, S. 270) auf die Frage nach strukturellen Unterschieden zwischen Nazi-Deutschland und Amerika zu Protokoll:

„(...) Das Volk kann mit oder ohne Stimmrecht immer dazu gebracht werden, den Befehlen der Führer zu folgen. Das ist ganz einfach. Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land.“

Umso befremdlicher ist es gerade aus deutscher Sicht, wenn hierzulande ein vergessen geglaubter Duktus Raum greift, ein dehumanisierender Neusprech, bei dem man nicht umhinkommt, sich an die Hetz- und Propaganda-Sprechblasen der NSDAP erinnert zu fühlen. Galt es bis anhin bereits als unpopulär oder blasphemisch, sich differenziert zu Corona oder dem vermeintlichen „Klimawandel“ zu äußern, rangiert nun quasi jede vom offiziellen Narrativ abweichende Meinung zur Ukraine-Krise unter Hochverrat.

Talkshows wie „Hart aber fair“ verkommen vollends zu Tribunalen für Andersdenkende. Der Moderator wird zum Scharfrichter. Auch wenn die der Häresie bezichtigten „Abweichler“ inhaltlich vollumfänglich im Recht sind. Wer sich erdreistet, nicht kritiklos der Doktrin des Wertewestens zu folgen, nicht die dunkelgrüne Polarisierungsdialektik bedienen will, wer die schleichende NATO-Osterweiterung ins Spiel bringt oder — wie Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh — berechtige Nachfragen zur augenscheinlich von Washington beauftragten Sprengung der Nord Stream Pipelines stellt, gilt als Vaterlandsverräter, Volksfeind, Schädling, Abschaum. Ad hominem, statt Argumente.

Sascha Lobo, mehrfach gescheiterter Unternehmer, systemkonformer Blogger, willfähriger Werbetexter und Spiegel-Kolumnist mit geradezu abstoßendem Geltungsdrang, bezeichnete Menschen, die sich für Frieden engagieren, in einem Artikel vom 22. Februar 2023 abfällig als „Friedensschwurbler“. Keine sonderlich kreative Wortschöpfung für jemanden, der sich als Guru der Werbebranche und literarische Avantgarde der „digitalen Bohème“ geriert. Ein plumper Abklatsch der Corona-Diffamierungen. Aber genau deswegen publikumswirksam. Und eine orwellsche Vergewaltigung von Sprache, die ihresgleichen sucht.

Dabei hat die pseudo-subversive Kunstfigur Lobo, dessen berechnend-provokante Irokesen-Frisur bei der kultur-cancelnden „Woko Haram“ übrigens längst als kulturelle Aneignung hätte gerügt werden müssen, nicht nur diese eine Stilblüte im Gepäck. In seinem als Journalismus feilgebotenen Machwerk bietet er einen ganzen Strauß an haltlosen Vorwürfen. So bezichtigt Lobo die Initiatoren eines Friedensmanifestes, das zum jetzigen Zeitpunkt, also dem 3. März 2023, 23:19 Uhr, mehr als 731.476 Unterstützer unterzeichnet haben — Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer — der „Selbstbesoffenheit“ sowie des „Egoismus“, unterstellt ihnen, sie wollten sich mit „Mördern und Vergewaltigern arrangieren“, weil sie Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland fordern.

Lobo negiert die Tatsache, dass Wagenknecht und Schwarzer diese Verhandlungen fordern, um dem professionalisierten Massenmord eines Krieges Einhalt zu gebieten. Verhandlungen, die im Übrigen längst hätten stattfinden können, hätte der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson sie nicht im Frühjahr 2022 aktiv sabotiert. Vielleicht sollte der Establishment-Punk Lobo noch einmal nachlesen, was kognitive Dissonanz bedeutet? Möglicherweise erhält er aber auch ganz profan Geld für sein Programm und es fehlt ihm schlicht die charakterliche Stärke, es abzulehnen.

Während die Framing-Farce um das Friedensmanifest munter mediale Wellen schlägt, kostet jeder verstrichene Tag weitere Menschenleben. Auf beiden Seiten. Und auch in jedem anderen der vielen bewaffneten Konflikte weltweit, die Lobo offenbar nicht im Geringsten tangieren. Keines dieser Menschenleben ist mehr oder weniger wert als ein anderes, nur weil der jeweilige Soldat auf gegnerischer Gemarkung stirbt. Denn alle Menschen sind gleich. Ausnahmslos alle! Dieser Auffassung scheint der Inklusion heuchelnde Coffee-Shop-Söldner Lobo offensichtlich nicht zu sein. Denn er will augenscheinlich mehr Leichen sehen, mehr Verstümmelte und Tote. Mehr Zerstörung.

Die Waffenlobby zelebriert. Der korrupte, betrügerische, kriminell und moralfrei operierende Rüstungskonzern „Rheinmetall“ twitterte zum Jahrestag des russischen Einmarsches: „We stand with Ukraine“. Wen wundert es? Jeder weitere Kriegstag bringt Geld. Der Konzern stünde auch auf Seiten jedes anderen Landes, Kriegstreibers oder Tyrannen, solange dieser nur entsprechendes Auftragsvolumen verspricht.

Sekundiert wird Lobos hetzerische Diskurskontamination von Clemens Wergin, Chefkorrespondent für Außenpolitik der Welt und seit 2013 Kommentator für die New York Times. Dieser bezeichnete Wagenknecht, Schwarzer und Co. in einem Welt-Beitrag vom 27. Februar 2023 als „Lumpenpazifisten“. Eine Formulierung, die er zwar billig bei Lobo geklaut hat, die aber auch gut und gerne von Joseph Goebbels hätte stammen können. Nachdem sich ob dieser menschenverachtenden Wortwahl ein veritabler Shitstorm auf den zunehmend von Geheimdiensten gemanagten Big-Tech-Plattformen entwickelte, änderte die Welt den entsprechenden Passus klammheimlich. Natürlich ohne die nachträgliche Anpassung in irgendeiner Form kenntlich oder nachvollziehbar zu machen. Entgegen aller journalistischen Standards. Jetzt liest man über Wergins entschärftem Artikel nur noch „deutsche Pazifisten“. Zum Glück gibt es www.archive.org.

Während Wergin in tradiertem NSDAP-Sprech gegen eine friedlich aufkeimende Friedensbewegung, die sich aus allen Bevölkerungsschichten speist, agitiert, bekennt er sich stolz zur pro-ukrainischen NAFO, einer vom polnischen Antisemiten Kamil Dyszewski gegründeten Organisation mit eigener Webseite, die via Crowdfunding-Aktionen Kriegsverbrecher wie die „Georgian Legion“ finanziert und auf Twitter konzertierte Social-Media-Propaganda-Aktionen fährt. Eine antisemitisch unterlegte, aggressiv auftretende, menschenverachtend kommunizierende Troll-Armee. Wergin bezeichnet sich auf seinem Twitter-Profil schamlos als „inoffizielles Mitglied der #NAFO Brigade“. Bravo @WELT!

So scheint — analog der „Lobo-Logik“ — auch der Welt-Journalist und Sofa-Soldat Clemens Wergin den Krieg als Frieden und jegliche Friedensinitiative als Kriegserklärung zu verstehen. George Orwell würde sich im Grabe umdrehen. War sein dystopischer Klassiker „1984“ doch als Warnung zu verstehen, nicht als Gebrauchsanleitung.

Vielleicht war die besagte Jahreszahl manchem ein böses Omen, gereichte dem ein oder anderen in puncto geistiger Entwicklung zum Nachteil. Denn 1984 erblickte auch Bastian Bielendorfer das Licht der Welt — ein unspektakulärer, aber selbstverliebter Autor, TV-Sidekick und C-Promi. Der spalterische Moderator einer WDR-Sendung bezeichnete Sahra Wagenknecht am 28. Februar 2023 als die „leere Hülle eines seelisch und menschlich komplett verdorbenen Zellhaufens“. Man solle sie „nicht in Talkshows einladen, sondern therapieren“. Als sein entsprechender Tweet kurz nach der Veröffentlichung für Twitter-Deutschland ausgeblendet wurde, weil er die Merkmale von „Hassrede“ erfüllt, bedauerte Bielendorfer die Zensur gar und schrieb: „Es bleibt die Wahrheit.“

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Diese zunehmend entmenschlichenden Entgleisungen und Dammbrüche sind ein mehr als deutliches Indiz dafür, dass sich im Windschatten multipler Krisen ein totalitäres System etabliert hat. Gleiches gilt für den hanebüchenen Kommentar des Spiegel vom 2. März 2023, der die — mit Verlaub — idiotische Frage zu klären sucht, „was man unter Frieden überhaupt versteht“. Man fragt sich, was der Autor dahingehend klären will. Frieden beginnt zunächst einmal da, wo keiner mehr schießt. Zu dieser Erkenntnis ist man in der Spiegel-Redaktion offenbar noch nicht vorgedrungen.

In einer fairen, freiheitlich-demokratisch organisierten und Menschenrechte achtenden Gesellschaft wären solch rüde Umgangsformen, Scheindebatten und Spaltpilze zu keinem Zeitpunkt akzeptabel. Doch die innerstaatlichen Fronten verhärten sich — und wir erleben Hermann Goerings vorgängig zitiertes Prozedere in Aktion. Das ist Opportunisten wie Lobo, Wergin, Klamroth, Bielendorfer, Hayali, Blome, und anderen bewusst. Propaganda ist ihr Beruf. Und an Friedensbemühungen kann es kategorisch nichts zu kritisieren geben. Von niemandem. Das ist eine Eins-Null-Entscheidung. Schwarz oder weiß. Ja oder Nein. Jeder Schuss ist einer zu viel. Egal, wer diesen abfeuert. Schon Marcus Tullius Cicero wusste: „Der ungerechteste Frieden ist immer noch besser als der gerechteste Krieg.“ Denn „100 Stunden umsonst verhandeln ist immer noch besser als eine Minute schießen“, wie Helmut Schmidt gesagt haben soll.

So gilt es dieser Tage, Menschen wie Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer, Ulrike Guérot, Oskar Lafontaine, Daniele Ganser, Roger Köppel, et cetera Respekt zu zollen. Jenen Personen, die sich massiver Diffamierung, Verleumdung und Ächtung zum Trotz nicht den Mund verbieten lassen, wenn es um eine differenzierte Sicht auf den Ukraine-Konflikt und Geopolitik geht. Wenn es um Frieden geht. Darum, dass das Sterben aufhört.

Man muss die politischen Positionen und persönlichen Überzeugungen der Friedensaktivisten nicht teilen, sie nicht mögen — aber man muss sie akzeptieren. So lange es um ein übergeordnetes Ziel wie Frieden in einem bewaffneten Konflikt geht, sind persönliche Befindlichkeiten zweitrangig. Und Gründe, den Respekt gegenüber dem Individuum vermissen zu lassen, gibt es grundsätzlich nicht.

Ja, ein System, das keinerlei Opposition aushält oder duldet, ist keine Demokratie. Dass es sich im Falle Deutschlands zwischenzeitlich mindestens um eine Kakistokratie handeln muss, zeigt die Posse um die Absage eines Konzertes von Pink-Floyd-Mitgründer Roger Waters in der Messehalle Frankfurt. Der Altrocker hatte sich unlängst mit offener Kritik am NATO-Kurs und Forderungen nach einem Waffenstillstand in der Ukraine in Misskredit bei den Leitmedien gebracht. Außerdem beschuldigt man ihn des Antisemitismus, weil er sich in der Vergangenheit gegen die umstrittene Siedlungspolitik Israels ausgesprochen hatte. Weil er der israelischen Regierung, die selbst nach Berichten der Washington Post mittlerweile „ganz rechts außen“ angekommen ist, Apartheidpolitik vorwarf.

Einen Vorwurf, den übrigens auch die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ in einer Publikation vom 27. April 2021 gegenüber der israelischen Administration erhob. Darüber hinaus habe ich selbst in Israel und Gaza gelebt und gearbeitet und kann aus erster Hand bestätigen, dass dieser gespaltene Staat keine Demokratie, sondern ein nicht-säkularer, totalitärer Militärapparat ist und der Gaza-Streifen ein Freiluftgefängnis. Meine zahlreichen israelischen Freunde und Kollegen geben das unumwunden zu — ob sie den Kurs der israelischen Regierung unterstützen oder nicht.

„Die schlimmste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie angeschaut haben.“ (Alexander von Humboldt)

Von der demnach völlig berechtigten Kritik an der israelischen Regierung abgesehen, wirft man Roger Waters vor, auf seinen Konzerten tendenziös präparierte Luftballons in der Form von Schweinen steigen zu lassen. Auf diesen prange ein Davidstern. Unterschlagen wird im Rahmen dieses Framing-Versuchs gerne, dass die rosa Schweine seit dem Jahr 1977 ein Markenzeichen von Pink Floyd sind. Seitdem eine Sau im besagten Jahr das Plattencover des Albums „Animals“ zierte. Die Schweine-Ballons auf Konzerten gibt es mindestens seit 1987. Sie sind Kult. Und sie sind stets mit verschiedensten Symbolen, Logos, Zeichen, Sprüchen und Motiven dekoriert. Der Davidstern war auch schon darunter. Das stimmt. Und auf einem anderen Schwein stand — „Religions divide“ (Religionen spalten).

Kann das sensible Gemüter, Ideologen und Fanatiker provozieren? Ist das unbequem? Kann das schockieren, Diskurs, Empörung und Streit auslösen? Ja. Genau das sollte Kunst auch tun! Wenn sie nur gefällig ist, ist es keine Kunst, sondern Unterhaltung.

Der leider zu früh verstorbene Autor, Journalist und Moderator Roger Willemsen fand im Jahr 2011 im Zuge einer pointierten wie angriffslustigen Rede mit dem Titel „Angriff auf die Demokratie“ sehr treffende Worte, um sein Verständnis von Kunst und gesellschaftlichen Schutzräumen für dieselbe zu beschreiben. Er beginnt sein famoses Plädoyer für die Freiheit der Kreativen mit den Worten:

„Der Komponist Arnold Schoenberg stritt eines Tages mit einem jungen Mann über Kunst. Im Verlaufe des Gespräches sagt der junge Mann unvorsichtigerweise: Das kann ich beweisen! Daraufhin sagt Schoenberg missvergnügt: In der Kunst kann man überhaupt nichts beweisen! Dann machte er eine Pause und sagte: Und wenn, dann nicht Sie. Dann machte er nochmal eine Pause und sagte: Und wenn Sie — dann nicht mir.“

Dass man Roger Waters Unrecht tut, wenn man ihn als Antisemiten oder Hetzer gegenüber einer bestimmten Glaubensgemeinschaft bezeichnet, belegt schon seine circa 15-minütige, Völker verbindende Rede vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) in New York am 8. Februar 2023, in der er fragt: „Was haben die Millionen ohne Stimme zu sagen?“.

Roger Waters at the UN Security Council session - FULL SPEECH

Im Zuge seiner mutigen wie obrigkeitskritischen Ansprache setzte sich der Musiker unmissverständlich für Menschen aller Schichten, Hautfarben und Religionen ein. Waters fordert ein Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine und beklagt unumwunden die zweifelsohne neokolonialistische Politik der dominanten Hegemonialmächte. Dieses Recht steht nicht nur jedem freien Bürger, sondern erst recht jedem Künstler zu.

Ein dogmatisch-totalitäres System, das sich nach massiven Einschränkungen der Meinungsfreiheit jetzt auch noch offensiv an der künstlerischen Freiheit vergeht, kann sich beileibe nicht mehr als Demokratie beschreiben. Diese kurze Phase simulierter Repräsentativ-Partizipation hat Deutschland nach einem halben Jahrhundert schon wieder hinter sich gebracht. Die absolute Narrenfreiheit des Künstlers, dem es unabhängig von Form und Format gestattet sein muss, die Herrschenden zu kritisieren oder zu verspotten — und zwar ohne, dass ihm dadurch irgendwelche Nachteile entstehen — ist das charakteristischste Merkmal einer offenen Gesellschaft.

Was also wollen wir — Kunst oder seichte Unterhaltung? Information oder Propaganda? Partizipation oder Autoritarismus? Frieden oder Krieg? Einen Wertewesten ohne irgendwelche Werte? Pazifismus, der mit Waffengewalt durchgesetzt wird? Wollen wir vulnerable Gruppen schützen — oder uns nur im Angesicht von Leid selbst aufwerten? Wollen wir Mutter Natur und unsere Umwelt schützen — oder schauen wir uns einfach gerne coole Tiere an? Wer sind diese derangierten Hominiden der Postmoderne hinter ihren Bildschirmen und Displays? Sind sie noch Mensch genug, der wie ein bösartiges Krebsgeschwür wuchernden Entmenschlichung Einhalt zu gebieten?

Dieser Tage besteht die Möglichkeit — ja die dringliche Notwendigkeit — selbstkritisch Antworten auf solch elementare Fragen zu finden. Für die Zukunft. Gegen Tyrannei. Denn es gibt immer zwei Wahrnehmungen der Gegenwart, die schon in nicht allzu ferner Zukunft eine helle und eine dunkle Seite der Geschichte formen werden. Zeit, sich zu entscheiden.


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