Nun, was ist das Problem am Palmöl? Fertigprodukte und damit schnelle, für uns oft leckere Kost, Süßigkeiten sind doch super. Außerdem können sich viele nicht einmal ansatzweise vorstellen, auf ihre täglichen Süßigkeiten zu verzichten. Doch die Liste der problematischen Folgen des Palmöl-Konsums ist schier endlos. Es folgt ein Versuch, sie zusammenzufassen.
Zunächst einmal wachsen die Ölpalmen fast immer auf Flächen, auf denen vorher Regenwald stand, dessen Wichtigkeit für die Artenvielfalt und fürs Klima unermesslich ist. Die Artenvielfalt Indonesiens ist immens, wie oben aufgeführt. Auf der indonesischen Insel Sumatra sind jedoch beispielsweise zwei Drittel mit Palmöl-Monokulturen bepflanzt, auf Borneo wurde in den letzten 40 Jahren ein Drittel des Regenwaldes vorwiegend für Palmölplantagen zerstört.
Besonders in Indonesien entstanden die Plantagen zudem vorwiegend auf Torfmoorböden. Diese sind noch stärkere CO2-Speicher als „normale“ Regenwaldböden, sie speichern bis zu 50 Prozent mehr CO2. Um darauf Palmöl-Plantagen anlegen zu können, werden diese Böden zunächst verbrannt. Dabei wird eine ungeheure Menge Methan ausgestoßen, das sogar noch klimaschädlicher ist als das allen bekannte CO2.
Vielen dürften die Bilder bekannt sein, auf denen Orang-Utans völlig entkräftet und verängstigt von Palmölplantagen gerettet werden müssen oder dort verendet sind. Diese Primaten teilen übrigens 99 Prozent ihrer Gene mit uns Menschen und sind damit unsere nächsten Verwandten in der Tierwelt. „Orang“ bedeutet auf indonesisch übrigens Mensch und „Utan“ Wald, die Orang-Utans sind also die Wald-Menschen. Die letzten ihrer Art sind vom Aussterben bedroht. Nur noch 40.000 sind übrig. Ein Orang-Utan braucht etwa einen Quadratkilometer Wald für sein Überleben. Da die Wälder durch die Palmölplantagen in immer kleinere Reste zerschnitten werden, reicht der Lebensraum für sie nicht mehr aus. Die vielen Orang-Utan-Auffangstationen können die große Zahl an zu rettenden Tieren gar nicht mehr bewältigen und gleichen eher einem Knast für die Menschenaffen als einer Rettung.
Aber nicht nur die Menschenaffen sind von den Palmölplantagen bedroht, auch Menschen werden dadurch aus ihrer Heimat, in der sie jahrhundertelang im Einklang mit der Natur lebten, vertrieben.
80 Prozent der biologisch vielfältigsten Flächen sind gleichzeitig Heimat indigener Gemeinden. Nun werden die indigenen Gemeinden Indonesiens aus den Wäldern vertrieben, da sie keine Papiere oder Verträge nachweisen können, dass das Land ihnen gehört. Wer im Einklang mit der Natur mitten im Regenwald lebt, der hat nun mal mit Verträgen und Urkunden wenig am Hut.
So ist es für die Palmölkonzerne ein Leichtes, die Menschen zu vertreiben. Mithilfe der Polizei und des Militärs werden ihre Dörfer niedergebrannt, die Menschen verprügelt, massakriert und sehr oft sogar getötet. Wer nicht gewalttätig vertrieben wird, dem wird durch die Zerstörung der Wälder und die Vergiftung der Flüsse und Seen durch die vielen Pestizide und die Abwässer der Palmöl-Mühlen die Lebensgrundlage entzogen. In Indonesien toben an die 5000 ungelöste Landkonflikte zwischen Einheimischen und Großkonzernen. Viele der Indigenen sitzen aufgrund ihres Kampfes für ihre Heimat und ihr pures Überleben im Gefängnis.
Kümmerliches Dasein in Reservaten
Laut einer UN-Richtlinie über die Rechte indigener Völker müssten die Gemeinden eigentlich gefragt werden, bevor irgendetwas auf dem von ihnen bewohnten Land gebaut oder angelegt wird. In der Praxis findet das so gut wie nie statt, da die indigenen Gemeinden ihre Rechte oft gar nicht kennen. Allerdings werden die Pläne oft im Internet veröffentlicht. Dass Menschen, die im Regenwald wohnen, vermutlich nicht ins Internet gehen, um solche Sachen nachzuschauen, steht wohl außer Frage. 2012 behauptete die indonesische Regierung gar, es gäbe in Indonesien gar keine indigenen Gemeinden. Diese Menschen werden nicht nur ihrer grundlegendsten Rechte beraubt, sie werden ihnen sogar gänzlich abgesprochen.
Ähnlich wie die Orang-Utans fallen sie der Profitgier der Konzerne zum Opfer. Nur, dass es für sie keine millionenschweren Tierschutzorganisationen gibt, die versuchen, sie zu retten, oder zumindest ihr Leid öffentlich machen. So sind sie den Vertreibungen hilflos ausgeliefert und enden entweder in bitterster Armut, die zum Tode führt, in der Sklaverei auf den Plantagen für einen Hungerlohn oder in der Prostitution für die Wanderarbeiter auf den Plantagen. Einige fristen ein kümmerliches Dasein in Reservaten, die dann von Touristen besucht werden, die meinen, dort „ursprüngliches“ Leben indigener Gemeinden zu sehen.
Selbst die geschützten Flächen in den Nationalparks sind bei genauerer Betrachtung für die Indigenen zur Hölle geworden. In den Wäldern, in denen sie jahrhundertelang im Einklang mit dem Wald lebten, dürfen sie nun nicht mehr leben, da sie „geschützt“ sind. Gleichzeitig dürfen aber täglich Tausende Touristen durch diese „geschützten“ Wälder spazieren, um sich die letzten lebenden Orang-Utans und die letzten bestehenden Regenwälder anzuschauen. Aber selbst in diesen Nationalparks wird weiter illegal gerodet, um Tatsachen zu schaffen und auf den zerstörten Flächen Ölpalmen zu pflanzen.
Der größte Palmöl-Verarbeiter der Welt ist Unilever, unter anderem mit Knorr, Langnese, Dove, Lipton. Der größte Konsumgüterkonzern der Welt mit weltweit über 400 Marken hat zusammen mit der angeblichen Umweltschutzorganisation WWF aufgrund vieler Proteste gegen und Kritik am Palmöl den roundtable for sustainable palmoil (RSPO) gegründet. Dieser betreibt nichts außer sogenanntes Greenwashing von Konzernen, die Palmöl nutzen. Mitglieder sind neben Unilever Nestle, Coca-Cola, Shell, Rewe, Ferrero und viele, viele andere. Das Siegel soll vorgaukeln, das benutzte Palmöl komme aus nachhaltigen Quellen.
Das Problem: Nachhaltiges Palmöl gibt es nicht.
Denn wo Palmöl-Plantagen stehen, da war vorher einmal Regenwald. Zudem sind Mitglieder des RSPO nicht verpflichtet, die ohnehin schon völlig nichtssagenden Kriterien für angeblich nachhaltiges Palmöl einzuhalten, sondern sie nur anzustreben. Der WWF, die größte „Umweltschutzorganisation“ der Welt, verleiht diesen mörderischen Konzernen damit eine grüne Weste und ein aufpoliertes Image. Zahlreiche RSPO-Mitglieder stehen in der Kritik, Menschenrechte zu verletzen, illegal zu roden, für Vertreibungen und Umweltzerstörungen verantwortlich zu sein.
Konsequenzen gibt es von Seiten des RSPO keine. Seit dem Bestehen wurden nur 2 Mitglieder ausgeschlossen. Dazu gibt es von Seiten des RSPO und der Konzerne zum Thema Palmöl weder Interviews, noch werden kritische Fragen schriftlich beantwortet. Null Transparenz ist die Devise und sie kommen damit durch, denn auch die Staaten stehen auf ihrer Seite.
Die EU-Richtlinie für „nachhaltiges“ Palmöl etwa besagt, dass nur Öl von Plantagen, die nach 2008 angelegt wurden, „nicht-nachhaltig“ ist. Zerstörung des Regenwaldes vor 2008 wird also einfach ignoriert. Zertifiziertes Palmöl und nicht-zertifiziertes Palmöl dürfen aber auch gemischt werden, um zu verhindern, „dass den Unternehmen ein nicht vertretbarer Aufwand zugemutet wird“.
Eine neuere Richtlinie sieht für Palmölplantagen die Nutzung dezidierter Flächen vor. Das Problem hierbei: 80 Prozent der Fläche Indonesiens gehören schon Konzernen, der Rest sind „geschützte“ Nationalparks. Was übrig bleibt, bewirtschaften oft die ohnehin schon Vertriebenen, um sich irgendwie ernähren zu können. Diese Flächen sollen nun also auch noch in Plantagen umgewandelt werden.
Kinderarbeit an der Tagesordnung
Die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen sind die nächste Palmöl-Katastrophe. Viele der ArbeiterInnen verdienen dort heute sogar noch weniger als zur Kolonialzeit, meist circa 3 bis 4 Euro am Tag. Um über die Runden zu kommen, müssten die ArbeiterInnen circa 2,4 Millionen Rupiah im Monat verdienen, das sind etwa 160 Euro, sie verdienen aber nur 1,5 Millionen Rupiah, wenn es gut läuft. „Gut laufen“ bedeutet, dass sie am Tag 60 Früchte ernten. Das ist die Tagesvorgabe der Plantagenbesitzer. Das schafft ein Einzelner aber nicht am Tag, was dazu führt, dass die Kinder ab dem 8. Lebensjahr mitarbeiten müssen und die Frauen, die zuvor schon ihre eigentliche Arbeit, das Versprühen der Pestizide, erledigt haben, ebenfalls.
Kinderarbeit ist also an der Tagesordnung auf den Plantagen. Wer die Tagesziele nicht erreicht, kriegt oft gar keinen Lohn.
Dass die Frauen beim Versprühen der giftigen Pestizide, die meist in der EU verboten sind, nicht ausreichend geschützt sind, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Die Folge sind unzählige Erkrankungen und vor allem viele Fehlgeburten oder Missbildungen bei Neugeborenen, da es auch so etwas wie Mutterschutz nicht gibt und die Frauen sprichwörtlich bis zum Zeitpunkt der Geburt auf den Plantagen ackern.
Zudem gibt es meist nur eine Krankenstation, die kilometerweit weg ist, und Geld für die medizinische Behandlung haben sie ohnehin nicht. Da es auch keine Schulen gibt, müssen zwangsläufig auch die Kinder irgendwann auf den Plantagen arbeiten. Viele Familien sitzen seit Generationen in dieser Sklaverei auf den Plantagen fest. Sie zählen zu den 30 bis 40 Millionen Sklaven, die es heutzutage auf der Welt noch gibt.
Sie leben in schäbigen Hütten, ohne Wasser und Strom, sogar ohne Toiletten, das einzige Wasser ist das von den Ölmühlen vergiftete. Ein Leben in größtem Elend, in Hunger und Sklaverei. Wer streikt oder sich irgendwie gegen diese Zustände organisiert, wird oft rausgeschmissen und landet in der Obdachlosigkeit oder wird einfach verprügelt oder umgebracht. Die „Kontrollen“ der Plantagen werden von den Plantagenbesitzern selbst bezahlt und dementsprechend sehen dann auch die Ergebnisse aus. So verleiht der TÜV Rheinland zum Beispiel alle möglichen Zertifikate, befragt vor Ort aber nur die von den Konzernen gegründeten Gewerkschaften und kriegt nur die zur Show gebauten Hütten zu sehen. Die Realität der ArbeiterInnen hat mit diesen Kontrollen nichts zu tun.
Man kann also sagen: Für „Plastikessen“ voller Zusatzstoffe, Zucker, Palmöl und Aromen, das uns im Westen krank und dick macht, werden in Indonesien die letzten Regenwälder zerstört, die letzten Orang-Utans getötet, Menschen massakriert und getötet, ausgebeutet und in Sklaverei gehalten. Genug Gründe, seinen Konsum zu überdenken und sich beim Verzehr von Fertigspeisen und Süßigkeiten in Zukunft zurückzuhalten. Wer mit frischen Lebensmitteln kocht, verzichtet automatisch auf Palmöl, wer gar nicht vom Süßen lassen kann, der findet mittlerweile zu fast allem palmölfreie Alternativen.
Eine nicht vollständige Liste von Lebensmitteln und anderen Artikeln, die oft Palmöl enthalten:
- Süßigkeiten (von Schokolade, über Kekse bis zu Gummitieren fast alle Süßigkeiten)
- Brotaufstriche, allen voran Nutella, außerdem Butter/Margarine
- Süßgetränke
- Fertigprodukte jeder Art (Tütensuppen, Fertiggerichte, Aufbackbrötchen, Tiefkühlpizza)
- Kosmetik (Duschgele, Schminke, Seifen, Cremes)
- Babynahrung
- Fertigmüslis und Cornflakes
Der größte Palmölkonzern der Welt ist Wilmar, der zweitgrößte Golden Agri. Deren Palmöl findet seinen Weg in alle möglichen Lebensmittel. Es ist an uns Verbrauchern zu entscheiden, ob wir diese Produkte kaufen – oder auf Alternativen umsteigen. Denn die gibt es.
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