Unterschiede
Die Situation in der Ukraine entwickelt sich immer mehr zugunsten Russlands. Angesichts der Kosten des Krieges und der Ausweglosigkeit der Lage werden im politischen Westen die Rufe nach einer Verhandlungslösung stets lauter, selbst wenn diese den Verlust ukrainischer Gebiete festschreiben sollte.
Entgegen aller Voraussagen, die vor und im Verlauf des Krieges über die russischen und ukrainischen Erfolgsaussichten gemacht worden waren, entwickelt sich das Kriegsgeschehen anders, als die meisten Experten im Voraus gewusst haben wollen. Trotz aller zwischenzeitlichen Erfolgsmeldungen, die teilweise als strategische Wende dargestellt wurden, leugen nun auch die westlichen Medien immer seltener, dass die ukrainische Gegenoffensive gescheitert ist.
Wieder einmal erwiesen sich westliche Analysen über die Erfolgsaussichten der Kriegsparteien sowie die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Russland mehr vom Wunschdenken bestimmt als von der realistischen Einschätzung der Tatsachen. Das begann mit der Wirkung der Sanktionen und dürfte sich auch bei der Feststellung als fehlerhaft erweisen, dass zwischen Russland und der Ukraine ein Patt an der Front herrsche.
Das ist nur scheinbar richtig, lässt es doch außer Acht, dass Russland in seiner Militärtechnik und dessen Produktionskapazitäten der Ukraine und teilweise sogar dem Westen weit überlegen ist. Auch scheint die russische Strategie einen anderen Ansatz zu verfolgen: Schonung der eigenen Soldaten bei gleichzeitiger Schwächung der gegnerischen. Keine breit angelegten Frontalangriffe, sondern kontrollierte Offensiven dort, wo sich günstige Gelegenheiten ergeben.
Diese Fehleinschätzungen verstellen einen hoffnungsvollen Blick auf den Ausgang des Krieges. Wenn auch in den USA und einigen Staaten der Europäischen Union (EU) die Kriegsbegeisterung nachlässt und die Finanzierung immer wackeliger wird, scheinen maßgebliche Kräfte besonders in der EU alles daranzusetzen, den Krieg weiterzuführen bis zum letzten Ukrainer und bis zur vollständigen Verarmung der eigenen Bürger.
Geteiltes Leid
Uns deutsche Bürger betrifft der Krieg in der Ukraine stärker als jener im Gazastreifen. Besonders für die Armen unter uns haben sich die Lebensverhältnisse aufgrund der Sanktionen gegen Russland deutlich verschlechtert. Das macht sich unmittelbar in den stark gestiegenen Kosten für Energie bemerkbar, mittelbar in einer bisher nie gekannten Explosion der Lebensmittelpreise.
Die Sanktionen gegen die russische Wirtschaft verteuern das Leben im Westen. Die deutschen Bürger leiden mehr unter den russischen Sanktionen als die russischen. Denn offensichtlich ist es Russland besser gelungen, sich den Sanktionen zu entziehen, indem es neue Abnehmer für sein Öl und Gas fand, als Europa und Deutschland erfolgreich darin waren, für diese Energieträger neue Lieferanten aufzutun. Und wenn es gelang, dann nur zu deutlich erhöhten Preisen.
Aber damit nicht genug, haben die westlichen Notenbanken zur Bekämpfung dieser Preissteigerungen als sogenannte Inflation auch noch die Zinsen stark angehoben. Diese bedrohen nicht nur die Kreditwürdigkeit vieler Bürger, sondern auch deren Zahlungsfähigkeit. Es wächst die Zahl derer, die ihre Eigenheime nicht mehr finanzieren können, geschweige denn neue bauen.
Durch den starken Zinsanstieg und die allgemein gestiegenen Produktionskosten, besonders bei der Energie, rollt eine Insolvenzwelle auf die deutsche Wirtschaft zu. Viele Unternehmen müssen schließen oder verlagern ihre Produktion ins Ausland. Das bedroht die Arbeitsplätze. So stellt das Statistische Bundesamt fest, „die Unternehmen hätten ihre Produktion deutlich heruntergefahren“ (1).
Wir als deutsche Bevölkerung stehen diesen Entwicklungen schutzlos gegenüber. Die Armut nimmt landesweit zu, ebenso das Elend an den Tafeln. Wohnungen sind knapp geworden und für viele unerschwinglich.
Überall sind die Auswirkungen des Krieges und der Sanktionen gegen Russland spürbar, wenn beide auch nicht direkt als Ursache erkannt und schon gar nicht von öffentlicher Seite so dargestellt werden.
Grenzen setzen
Die herrschenden Politiker verfolgen unbeirrt ein politisches Ziel: die Schwächung Russlands, auf Kosten der eigenen Bevölkerung. All dem stehen die Bürger hilf- und wehrlos gegenüber. Es gibt keine politische Kraft, die ihre Interessen aufgreift und zu einem kraftvollen Protest organisiert, der den Vertretern dieser volksfeindlichen Politik Grenzen setzt.
Die Gewerkschaften sind auf Regierungskurs ebenso wie die meisten Parteien. Es gibt keine Partei, die die Notwendigkeit eines politisch organisierten Protests erkennt, geschweige denn ihn in Angriff nimmt. Sie alle beschränken sich auf kämpferische Reden im Parlament und Anklagen gegenüber der Regierung. Eine Opposition außerhalb von Parlament und Internet kommt nicht zustande. Auch die Friedensbewegung als einzig, jedoch kaum wahrnehmbare Opposition zur herrschenden Politik der Kriegsbeteiligung gegenüber Russland ist politisch weitgehend wirkungslos.
Sie ist zu sehr verfangen in der Vorstellung, die Mächtigen der Welt durch ihre Appelle und gelegentlichen Demonstrationen zum Frieden bewegen zu können. Sie erkennt nicht oder will nicht wahrhaben, dass sie mit ihren seltenen Protesten von einigen wenigen Zehntausend Teilnehmern keinen Einfluss hat auf Verlauf und Ausgang des Krieges in der Ukraine. Die Friedensbewegung ist politisch isoliert und dadurch unbedeutend.
Mit ihren allgemeinen Friedensappellen gelingt es ihr nicht, größere Teile der deutschen Bevölkerung zu erreichen. Diese interessiert sich kaum noch für den Krieg in der Ukraine. Er scheint weit entfernt, und die Gefahr eines Atomkrieges hat sich entgegen der üblichen Prophezeiungen nicht bewahrheitet. Daher nimmt in der Bevölkerung die Angst davor ab. Gleichzeitig sinkt aber auch die Bereitschaft, gegen die Kriegsunterstützung der eigenen Regierung lautstark zu protestieren.
Die Friedensbewegung versucht, als neutraler Vermittler aufzutreten zwischen den am Krieg beteiligten Parteien. Sie verurteilt Russlands Einmarsch als Angriffskrieg, kritisiert aber auch gleichzeitig den politischen Westen dafür, dass er den Krieg in der Ukraine provoziert hat und durch Waffenlieferungen verlängert. Mit dieser Haltung bietet sie keinen Ausweg an. Sie überschätzt ihren Einfluss als Vermittler und vermindert gleichzeitig ihre Bedeutung als Organisatorin von Protest.
So wie die Friedensbewegung nicht eindeutig Partei ergreifen will, so will sich auch der Großteil der deutschen Bevölkerung weder auf die Seite Wladimir Putins stellen, aber auch nicht hinter den Krieg der eigenen Regierung. Für beide am Konflikt beteiligten Kräfte hat sie wenig Sympathien. Die Anteilnahme der Deutschen für die Ukraine hat nachgelassen, und für die salbungsvollen Worte der politischen Führung haben sie schon lange nichts mehr übrig. Aber all das ändert nichts an ihrer aktuellen Lage.
Suche nach Auswegen
Diesem Dilemma kann die Friedensbewegung und auch die Bevölkerung nur entkommen, wenn sie sich aus ihrer Selbstüberschätzung befreien, Vermittler zwischen den Kräften sein zu können. Ihr fehlt die gesellschaftliche Basis, auf die sie sich stützen und von der aus sie Druck ausüben könnte. Das wird ihr nur gelingen, wenn sie Abschied nimmt von den allgemeinen Friedensappellen und dazu übergeht, die wirtschaftlichen Nöte der Menschen aufzugreifen.
Wenn die Friedensbewegung fordert: Keinen Euro für den Krieg, wir brauchen das Geld im eigenen Land, wenn sie aufzeigt, wo überall Mangel herrscht, wo überall mit dem Geld, das für Waffen verpulvert wird, Not im eigenen Land gelindert werden könnte, nur dann hat sie eine Chance, Kräfte in der deutschen Bevölkerung zu mobilisieren, die zu einem Rückzug Deutschlands aus der Kriegsbeteiligung führen könnten.
Sollte sich die Friedensbewegung zu diesem Strategiewechsel entschließen, muss sie sich vordringlich folgende Frage stellen: Wie erreichen wir diese Kräfte, die zu einer Verbreiterung des Protests gewonnen werden müssen? Wie erreichen wir die Armen an den Tafeln? Wie erreichen wir diejenigen, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben, jene, die verzweifeln auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum? Wie erreichen wir vor allem die vielen, denen die galoppierenden Preise die Lebensgrundlage rauben?
Denn die Lage ist für viele dramatisch. Hatten laut Schufa im Februar 2023 14 Prozent der deutschen Bevölkerung ihre Rücklagen aufgebraucht, so sind es ein halbes Jahr später bereits 20 Prozent. Die wirtschaftlichen Grundlagen der Gesellschaft werden brüchiger und befinden sich zum Teil in Auflösung. Diese Entwicklung kann nicht aufgehalten werden, ohne sich von der bisherigen Politik zu verabschieden.
Ein Wandel im Interesse der Bevölkerung ist nur möglich, wenn die Unterstützung der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland zurückgefahren werden. Dazu aber scheint besonders die Führung der EU in ihrer ideologischen Verblendung und ihrem rechthaberischem Starrsinn nicht bereit zu sein. Lieber verlangt man weiterhin der Bevölkerung unnötige Opfer ab, nicht nur in Deutschland und der EU, auch in der Ukraine. Als scheinbare Lösung für die gesellschaftlichen Probleme in Deutschland bieten die verantwortlichen Politiker den deutschen Bürgern nach den Wahlerfolgen der AfD nun den verschärften Kampf gegen die Migration an.
Neben den Fragen, wie die deutsche Bevölkerung zum Widerstand gegen die Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage gewonnen werden kann, muss sich die Friedensbewegung die Frage stellen, wie sie der Bevölkerung klarmachen kann, dass nicht die Migration das größte unserer Probleme ist. Nicht die Ausländer sind schuld an den katastrophalen Verhältnissen, sondern die Milliarden, die für die Waffen der Ukraine ausgegeben werden.
Sind die Migranten schuld, dass 100 Milliarden Sondervermögen geschaffen werden für die Anschaffung von Waffen, nicht aber für die Bereitstellung von dringend benötigtem Wohnraum, nicht für die Linderung der Not, nicht für die Tafeln, nicht für die Senkung der Preise von Lebensmitteln und Energie? Das sind die Fragen, die die Friedensbewegung stellen muss. Das sind aber auch die Fragen, zu der sie Erklärungen geben muss — und zwar so, dass diese Erklärungen keine nichts sagenden Parolen sind, sondern als solche von der Bevölkerung verstanden werden.
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Quellen und Anmerkungen:
(1) FAZ 11. November 2023: Industrie verbraucht wegen hoher Preise viel weniger Energie