„Als der Krieg begann, waren Alma und Mathis noch Kinder.“ „Was fängt man mit einem Mann an, den man eigentlich gar nicht treffen will?“ „Luise hatte keine Chance, an mir vorbeizukommen. Ich bin ihr förmlich vor die Füße gefallen. Mitten ins Gestrüpp, im tiefsten Osten.“
So fangen sie an, die verschiedenen Geschichten, die das Leben schrieb. Sie sind alltäglich und großes Kino zugleich. Die älteste Erzählung von Alma und Mathis ereignete sich vor mehr als einhundert Jahren, die jüngste vor knapp zwei Jahren. Mitten in der Coronazeit verlieben sich Tim und Lizzi, beide schon jenseits der fünfzig, ineinander, und dass die Liebe auch vor dem hohen Alter nicht Halt macht, erzählt Ida im Kapitel „Winterschmetterlinge“, das dem Buch seinen Namen gab:
„Es war der 4. Januar 2006, als mir in unserer Gartenkolonie in der Kurve ein Mann entgegenkam. Was heißt entgegenkam? Es war Blitzeis und der Mann hing festgekrallt im Gartenzaun und hangelte sich Stück für Stück vorwärts. ‚Wo wollen Sie denn hin?‘, fragte ich ihn besorgt. ‚In meinen Garten, antwortete er.‘“
So unverfänglich trifft ein Witwer im Alter von fünfundachtzig Jahren auf die Frau, die er sechs Jahre später heiratet.
„Als ich im Standesamt anrief, warnte mich die Beamtin, als sie hörte, dass Erwin schon neunzig sei: ‚Wir sitzen im zweiten Stock, wir haben keinen Fahrstuhl. Wie will Ihr Mann hier hochkommen?‘ Wir sind gelaufen. Erwin freihändig, ich mit Stock.“
Während Erwin seine erste Frau nach sechzig Ehejahren verloren hatte, erlitten Anna und Paul schon in jungen Jahren den Verlust ihrer großen Liebe und blieben jeweils allein mit Kind zurück.
„Ich erkannte Paul schon von Weitem. Er schob einen Buggy vor sich her, in dem dick eingemummelt die kleine Emilia saß. Neben ihm lief ein großer Hund. Kurzum: Paul war das männliche Pendant zu mir. (…) Es war alles andere als eine leichte und unbeschwerte Verliebtheit. Es schwang viel Schmerz mit. (…) Paul trägt mich auf Händen. Ich denke, das hätte Freddy für mich gewollt.“
Von Hollywood erzählte Liebesgeschichten wecken die Sehnsucht nach der großen Liebe und schenken Pseudoerholung in einer Traumwelt. In der Uckermark erlebte Liebesgeschichten erfüllen die Sehnsucht nach Geborgenheit und zeigen, wie schön die reale Welt sein kann, auch wenn Kriege und Krisen wüten. Eintauchen, Aufatmen, Innehalten.
Medien sind allgegenwärtig und lenken viele Menschen vom Wesentlichen ab: vom Leben selbst. Die meiste Zeit zieht der Alltag im Automatikmodus an ihnen vorbei, während sie die kleinen magischen Augenblicke des Lebens verpassen.
„Was nützt der schönste Ausblick, wenn du nicht aus dem Fenster schaust“, lautet ein Buchtitel von John Strelecky. Was nützt all die Liebe, wenn wir sie nicht wahrnehmen?
„Winterschmetterlinge“ ist mehr als eine schöne Auszeit. Doreen Mechsner hat den Mut, nicht in den Krisenkanon einzustimmen, sondern den Fokus auf echte Geschichten aus dem realen Umfeld zu lenken. Egal, ob die Katastrophe eintritt oder nicht, das Leben nimmt seinen Gang. Menschen werden geboren, Menschen sterben. Menschen erfahren Glück, Menschen leiden. All dies geschieht gleichzeitig und fortwährend.
So unscheinbar das Cover anmutet, so beachtenswert ist der Inhalt — trotz oder gerade wegen der alltäglichen Kulissen, nostalgisch und wärmend, mit einer leichten, schlichten Sprache, die nichts beschönigt, und dennoch anrührt, ohne kitschig zu sein.
Hier können Sie das Buch bestellen: „Winterschmetterlinge“
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