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Alle bleiben heile

Alle bleiben heile

Wir bringen unseren Kindern bei, dass Gewalt keine Lösung sei — die Politiker, die mehrheitlich gewählt wurden, strafen diesen Grundsatz jedoch Lügen.

Das Weltgeschehen zu analysieren, ist nicht meine Sache, ebenso wenig politische, militärische und mediale Manöver zu benennen. Aktuell zeigen alle in dieselbe Richtung, sollen für die Akzeptanz und Befürwortung von Krieg sorgen und nun einen noch größeren Krieg vorbereiten, vielleicht einen Dritten Weltkrieg. Nein, das machen andere brillant, eindringlich und einige von ihnen schon seit vielen Jahren — wie der große Eugen Drewermann. Dafür bewundere ich ihn und die anderen Mahner, Zweifler und Analytiker und bin ihnen allen sehr dankbar.

Hier geht es um die Kinder, denn ich habe über 30 Jahre mit Kindern gearbeitet.

Ein inhaltlicher Schwerpunkt meiner/unserer Arbeit in der KiTa war: Wie bringe ich Kindern bei, Konflikte ohne Gewalt zu lösen?

Unsere Regel war einfach und sehr klar: Alle bleiben heile. So wussten alle, was zu tun und zu lassen war. Wer andere Kinder zu Boden reißt, beißt, ihnen Haare ausreißt oder mit Steinen bewirft, der wird aus dem Spiel genommen.

Es bedurfte keiner ständig sich wiederholenden Moralpredigt, Standpauke oder stereotyper Erklärungen, denn es war klar, dass diese Regel für alle und jederzeit gilt.

Kindern beizubringen, wie man sich angemessen wehrt gegen Übergriffe, wie man sich gewaltfrei für eigene Interessen einsetzen und sich durchsetzen kann, wie man verhandelt und ebenso lebhaft wie konstruktiv streiten kann, wie man sportlich Kräfte messen kann: Das allein hat mindestens 50 Prozent unserer Energie und Zeit gekostet. Vor allem, wenn neue Kinder kamen, und vieles neu verhandelt werden musste, dann merkte man schon, dass Kooperation nicht geläufig war. Am Ende lernten es fast alle.

Unsere Idee war, starke, mutige, friedliebende, selbstbewusste und kluge Kinder zu entlassen, die sich fair verhalten, ihre Stärken kennen und anbringen und sich mit ihren Schwächen aussöhnen können.

Kriegstüchtigkeit, das neue Erziehungsziel der aktuellen deutschen Regierung, sieht allerdings anders aus.

Wir hätten ihnen vielleicht Steine in die Hände geben sollen, dann angespitzte Stöcke, Steinschleudern dazu und Eisen in die Handschuhe. Wir hätten sie anfeuern sollen, die Freunde des einen „gut ausstatten“ und die Freunde des anderen ebenfalls „unterstützen“. Und nach der Massenschlägerei wäre dann Ruhe und Frieden gewesen. Also das, was man heute Frieden nennt: Frieden durch Krieg. Das ist natürlich Blödsinn. Niemand gibt Kindern Steine in die Hand, wenn sie sich streiten, nicht wahr?

Da gibt es andere Methoden, um Kinder zu willfährigen, abgestumpften und allzeit gehorsamen Menschen zu erziehen. Aber das ist ein anderes — allerdings nicht weniger wichtiges — Thema.

Ich habe mich gefragt, wie ich überhaupt dazu gekommen bin, der gewaltfreien Konfliktlösung so viel Raum in der sogenannten Frühpädagogik zu geben.

Ich habe es herausgefunden: Der Fall aus dem Himmel und die Landung als Höllenengel — frei nach Olaf Scholz — fand schon in meiner Kindheit statt. Damals war ich Zeugin der Kriegsfolgen weit in die nächste Generation hinein und habe darunter gelitten. Ich habe sie gesehen, die brutale Gewalt der traumatisierten Väter gegen die eigenen Kinder. Wenn die Männer von der Schicht kamen, gab es mit oder ohne Anlass Prügel ohne Ende.

Ich habe sie erlebt, die Gewalt in der Schule. Die Lehrer verhielten sich zum Teil furchtbar. Mein Bruder wurde vom Schulleiter krankenhausreif geschlagen. Ein paar Tage später saß der Mann mit meinem Vater und anderen Nachbarn beim Bier zusammen, als sei nichts gewesen. Das Schweigen der Eltern.

Ein Junge in meiner Klasse erhielt eine Ohrfeige, nachdem er aufgefordert wurde, die Brille abzunehmen, und flog durch den halben Klassenraum. Schreckensstarr waren wir in unseren ersten Schuljahren. Niemand redete darüber.

Aber wir Kinder wussten, was in Schule und in den Elternhäusern los war. Wir mieden, so gut es ging, die schlimmen und reizbaren Männer, und wir wussten auch, dass es zwecklos war, mit unseren Müttern dieses Thema anzusprechen.

Mein Vater hatte als Jugendlicher lebt, wie sein Freund in einem Straßengraben neben seinem Elternhaus von einer Mine zerrissen wurde. Nur im Suff erzählte und erlebte er diese furchtbare Szene immer und immer wieder.

Mein Opa war Schweißer und arbeitete schwer in einem Rüstungsbetrieb, der in Friedenszeiten Landmaschinen hergestellt hatte. Er hatte gesagt, dass Hitler den Krieg nicht gewinnen wird, und dafür wollte man ihn am Arbeitsplatz abholen, abführen. Seine Kollegen haben sich vor ihn gestellt und ihn geschützt.

Später in der Realschule gab es auch noch einen sich sadistisch gebärdenden Lehrer. Er brachte im Geschichtsunterricht offen seine Frustration über das „Versagen der Wehrmacht“ zum Ausdruck. Er hatte es besonders auf einen ruhigen, freundlichen Jungen in der Klasse unter uns abgesehen und hat ihn ruiniert. Der Junge hat sich mit der Schrotflinte getötet. Für den Lehrer hatte das keine Folgen.

Das war auch ein Nazi“, haben wir oft gehört — aber nur das Geraune und wenn die Erwachsenen dachten, wir hörten das nicht.

Die Großeltern aber haben geredet vom Hunger und Mangel im Krieg und uns Enkelkinder wieder und wieder gewarnt. Sie haben die Not und das Elend in Kriegszeiten immer wieder beschrieben. Was sie durchgemacht haben, entzog und entzieht sich bis heute unserem Vorstellungsvermögen. Dass sich ein Achtjähriger zu Weihnachten nichts anderes wünscht als ein Brot für sich allein. Dass meine Mutter sich nicht daran erinnern konnte, jemals ein Spielzeug besessen zu haben, dass das Geschirr mit heißem Wasser ohne Seife gespült wurde, damit man das kostbare fette Abwasser dem Vieh geben konnte.

Vor fünf Jahren kauften Freunde ein Haus, in dem eine Witwe 20 Jahre allein gelebt hatte, nachdem ihr Mann kurz nach dessen Bau verstorben war. Sie mussten das Haus entrümpeln und fanden im Keller ein riesiges Lebensmittellager, alle Regale voller Dosen. Die Erben erklärten, sie hatte wohl Angst vor einem neuen Krieg.
„Nichts ist schrecklicher als Krieg!“ Das war die stete Warnung der Alten.

Und grundsätzlich war Krieg mit den Nazis verbunden.

Ich war als Jugendliche wirklich überrascht, als ich erfuhr, was zum Beispiel Josef Stalin, Pol Pot oder Mao angerichtet hatten.

Unsere Prägung war einfach und tief: Krieg und Nazis ist nur zusammen denkbar. Vielleicht ist das der Grund, warum alle Welt gegen „Rechts“ auf die Straße geht und gleichzeitig gleichgültig ist gegenüber den Kriegen in der Welt und der Vorbereitung auf einen großen Krieg: Es sind ja schließlich keine Nazis, die hier den Krieg vorbereiten, anzetteln und herbeieskalieren.

Es sind die guten Menschen, keine Nazis!, die vorgeben, uns schützen zu wollen, unsere „Sicherheit“ zu garantieren und unsere Werte hochzuhalten.

Nein. Nazis, das sind die anderen.

Meinen Opa wollten sie wegen „Wehrkraftzersetzung“ abholen. Dieses Wort wird man wohl in der nächsten Zeit nicht mehr benutzen. Menschen, die sich vorbehaltlos für den Frieden einsetzen, werden jetzt als Schwurbler und demnächst wahrscheinlich als charakterlos, unsolidarisch und dumm bezeichnet. Man wird behaupten, dass Friedensbewegte eigentlich Sabotage betreiben und auf jeden Fall verblendet, schuldig und parasitär sind, weil sie ihre Söhne und Töchter nicht für die totale Zerstörung hergeben wollen, während andere „solidarisch“ in den Kampf ziehen.

Höllenengel hatten wir ja schon.

Ich bin das alles gerne, wenn es den Kriegen auf dieser Welt endgültig ein Ende setzt und wenn es aufhört, dass Tausende und Abertausende Kinder im Krieg verletzt, getötet oder verschleppt werden oder einfach nur elendig verhungern.


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