Zwei schändliche Vokabeln
Die Bezeichnungen „Leugner“ und „Verschwörungstheoretiker“ dienen einzig der Polemik gegen Kritiker der momentanen Notstandspolitik.
Mit dem Begriff „Corona-Leugner“ sollen Menschen, die nicht verlernt haben, selbst zu denken, in die Nähe von Antisemiten gerückt werden — praktischerweise, ohne dass dieser implizite Vorwurf nachgewiesen werden müsste. Was die „Verschwörungstheorien“ betrifft, so liegt auf der Hand, dass in der Geschichte immer wieder Machtgruppen ihre Ziele mit allen Mitteln zu erreichen versuchten und dabei ihre wahren Motive und Strategien im Verborgenen hielten. Solche Vorgänge aufzudecken, ist klug und notwendig, die Existenz solcher geheimen Agenden der Politik zu leugnen, dagegen dumm oder manipulativ.
In den Polemiken während des Gesundheitsnotstands sind zwei schändliche Vokabeln aufgekommen, die allem Anschein nach einzig dem Ziel dienten, diejenigen zu diskreditieren, die angesichts der Angst, die die Geister gelähmt hatte, weiterhin darauf beharrten zu denken: „Leugner“ und „Verschwörungstheoretiker“.
Über die erste lohnt es nicht, viele Worte zu verlieren, insofern, als sie in unverantwortlicher Weise die Judenvernichtung und die Epidemie auf eine Ebene stellt.
Wer sie benutzt, beweist damit, bewusst oder unbewusst diesem Antisemitismus anzuhängen, der gegenwärtig sowohl im rechten als im linken Lager in unserer Kultur so verbreitet ist. Wie zu Recht gekränkte jüdische Freunde vorschlagen, wären es angemessen, dass sich die jüdische Gemeinschaft zu diesem unwürdigen terminologischen Missbrauch äußerte.
Hingegen lohnt es sich, beim zweiten Begriff zu verweilen, der von einer wirklich überraschenden Unkenntnis der Geschichte zeugt. Wer mit der Forschungstätigkeit der Historiker vertraut ist, weiß sehr wohl, dass die Ereignisse, die diese rekonstruieren und erzählen, notwendigerweise die Frucht geplanter und sehr oft konzertierter Aktionen von Individuen, Gruppen und Parteien sind, die mit allen Mitteln ihre Ziele verfolgen.
- Drei Beispiele unter Tausenden anderen Möglichkeiten, von denen jedes das Ende einer Epoche markiert und den Beginn einer neuen historischen Periode eingeläutet hat: Im Jahr 415 vor Christus setzt Alkibiades sein Ansehen, seine Reichtümer und jede erdenkliche List ein, um die Athener zu überzeugen, eine Expedition nach Sizilien zu unternehmen, welche sich später als desaströs erweisen und mit dem Ende der Macht Athens einhergehen soll. Seine Feinde nutzen ihrerseits die Verstümmelung der Hermesstatuen, die sich ein paar Tage vor dem Aufbruch der Expedition ereignet hatte, heuern falsche Zeugen an und verschwören sich gegen ihn, damit er wegen Gottlosigkeit zum Tode verurteilt werde.
- Am 18. Brumaire (9. November) 1799 stürzt Napoleon Bonaparte — der doch seine Treue zur Verfassung der Republik erklärt hat — mittels eines Staatsstreichs das Direktorium und lässt sich zum Ersten Konsul mit allen Befugnissen erklären, womit er der Revolution ein Ende setzt. In den vorangehenden Tagen hatte sich Napoleon mit Josef Emmanuel Sieyès, Joseph Fouché und Luciano Bonaparte getroffen, um die Strategie zu planen, die es erlaubt hätte, die erwartete Opposition des Rats der Fünfhundert zu überwinden.
- Am 28. Oktober 1922 findet der Marsch auf Rom von etwa 25.000 Faschisten statt. In den Monaten, die dem Ereignis vorausgehen, nimmt Benito Mussolini, der es mit den zukünftigen Triumviren Cesare Maria De Vecchi, Emilio De Bono und Michele Bianchi vorbereitet hat, Kontakt zu Luigi Facta, dem Präsidenten des Ministerrats, zu Gabriele D’Annunzio und zu Vertretern der Geschäftswelt auf — einigen zufolge habe er sich sogar heimlich mit dem König getroffen —, um mögliche Allianzen und eventuelle Reaktionen auszuloten. Als eine Art Generalprobe besetzen die Faschisten am 2. August militärisch Ancona.
Bei allen drei Ereignissen haben zu Gruppen oder Parteien zusammengeschlossene Individuen mit Entschlossenheit agiert, um die Ziele zu realisieren, die sie sich gesetzt hatten, wobei sie sich von Angesicht zu Angesicht mit mehr oder weniger vorhersehbaren Ereignissen maßen und die eigene Strategie an diese anpassten. Gewiss hatte — wie bei allen menschlichen Unternehmungen — der Zufall seinen Anteil. Aber die menschliche Geschichte mit dem Zufall erklären zu wollen, entbehrt jeden Sinn — und kein ernsthafter Historiker hat es je getan.
Es ist nicht notwendig, deswegen von einer „Verschwörung“ zu sprechen, aber es ist gewiss, dass derjenige, der die Historiker als Verschwörungstheoretiker bezeichnete, die versucht haben, die zugrunde liegenden Plots und deren Durchführungen im Detail zu rekonstruieren, einen Beweis seiner Unwissenheit, wenn nicht gar Idiotie lieferte.
Deshalb ist es umso verblüffender, dass man darauf beharrt, es zu tun, in einem Land wie Italien, dessen jüngere Geschichte in einem solchen Maße das Produkt von Intrigen und geheimen Gesellschaften, Manövern und Verschwörungen aller Arten ist, dass es den Historikern nicht gelingt, vielen entscheidenden Ereignissen der vergangenen fünfzig Jahre von den Bomben auf der Piazza Fontana bis zum Fall Aldo Moro auf die Schliche zu kommen. Das ist einem solchen Maße wahr, dass selbst Francesco Cossiga als Präsident der Republik seinerzeit erklärt hat, aktiv an einer dieser Geheimgesellschaften, bekannt unter dem Namen Gladio, mitgewirkt zu haben.
Was die Pandemie angeht, zeigen Untersuchungen, dass sie gewiss nicht unerwartet gekommen ist. Wie das Buch Tempêtes microbiennes von Patrick Zylberman (1) überzeugend dokumentiert, hatte die Weltgesundheitsorganisation schon 2005 anlässlich der Vogelgrippe ein Szenario wie das gegenwärtige als einen Weg für Regierungen vorgeschlagen, sich des bedingungslosen Rückhalts der Bevölkerung zu versichern.
Bill Gates, der der wichtigste Finanzier dieser Organisation ist, hat bei mehreren Gelegenheiten seine Gedanken zu den Risiken einer Pandemie dargelegt, die gemäß seinen Voraussagen Millionen von Toten brächte und gegen die man sich wappnen müsste. So hat im Jahr 2019 das amerikanische Johns-Hopkins-Zentrum im Rahmen eines von der Bill and Melinda Gates Foundation finanzierten Forschungsprojekts eine „Event 201“ genannte Simulationsübung der Coronapandemie organisiert, die Experten und Epidemiologen zusammenbrachte, um eine koordinierte Reaktion für den Fall des Erscheinens eines neuen Virus vorzubereiten.
Wie stets in der Geschichte gibt es auch in diesem Fall Menschen und Organisationen, die ihre rechtmäßigen und unrechtmäßigen Ziele verfolgen, und sie mit allen Mitteln zu realisieren versuchen, und es ist wichtig, dass derjenige, der verstehen will, was geschieht, sie kennt und gedanklich berücksichtigt.
Von einer Verschwörung zu sprechen fügt der faktischen Realität daher nichts hinzu. Aber diejenigen als Verschwörungstheoretiker zu bezeichnen, die versuchen, die historischen Ereignisse als das zu erkennen, was sie sind, ist schlechterdings infam.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien unter dem Titel „Due vocaboli infami“ zuerst auf Quodlibet. Er wurde von Thorsten Schewe vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Patrick Zylberman, Tempêtes microbiennes: Essai sur la politique de sécurité sanitaire dans le monde transatlantique, Gallimard, 2013.