Zwei Drittel der AfD-Wähler sind "modernisierungsskeptisch"
So lautet der Befund einer Studie der Bertelsmann Stiftung zum Wahlverhalten verschiedener sozialer Milieus.
Doch bei sogenannten Studien der Bertelsmann Stiftung ist immer Vorsicht vor Meinungsmache und Verschleierung der gesellschaftlichen Verhältnisse geboten. So wird auch in deren jüngster Wahlanalyse die beliebte neoliberale Propagandafloskel von der Überholtheit des politischen Rechts-links-Schemas kolportiert. Stattdessen müsse man heute zwischen jenen differenzieren, die der sozialen und kulturellen Modernisierung positiv, und jenen, die ihr skeptisch gegenüberstehen.
Sieht man im politischen Gegensatz von Rechts und Links allerdings die Manifestation des grundsätzlichen gesellschaftlichen Antagonismus zwischen Arm und Reich, stellt sich die Frage, was daran überholt sein soll. Dass eine neoliberalisierte SPD nicht mehr als politisch links gelten kann, ist kein Beleg dafür, dass das politische Rechts-links-Schema obsolet ist. Die politische Entwicklung in anderen Ländern (Großbritannien, Frankreich, Spanien, USA), in welchen Politiker mit dezidiert linken Positionen erfolgreich sind, belegt das genaue Gegenteil. Wobei die Terminologie der Modernisierungsbefürworter und -skeptiker auch nur eine Metapher für Arm und Reich ist.
Aber natürlich ist es der Bertelsmann Stiftung als größtem und einflussreichstem neoliberalen Think Tank Deutschlands ein Anliegen, keinen politischen Diskurs über die soziale Polarisierung entstehen und die soziale Frage mittels der Setzung entsprechender Semantik aus dem öffentlichen politischen Bewusstsein verschwinden zu lassen. Wobei sich zu erinnern gilt, dass die Bertelsmann Stiftung wesentlich an der Ausgestaltung der Agenda 2010 und ihres Kernelements, des Hartz-IV-Systems, beteiligt war. Was zur Frage überleitet, was eigentlich im Sprachgebrauch der Neoliberalen als soziale Modernisierung zu verstehen ist. Betrachtet man die Auswirkungen der Agenda 2010, kann dies nur heißen:
Abbau von Arbeitnehmerrechten, Ausweitung des Niedriglohnsektors, Zunahme von prekärer und atypischer Beschäftigung, Lohnstagnation, Einführung eines Repressionsregimes gegen Erwerbslose, soziale Polarisierung, und so weiter.
Wenn sich junge Menschen von befristeter Stelle zu befristeter Stelle hangeln und dafür noch von Stadt zu Stadt ziehen dürfen, dann ist das ein Ausdruck von Modernität und Flexibilität, das Verlangen nach Sicherheit und einer planbaren Lebensperspektive dagegen ist der Ausdruck einer negativen Einstellung gegenüber der sozialen und kulturellen Modernisierung. Die Bertelsmann Stiftung liefert damit wieder ein Musterbeispiel manipulativer Umdeutung positiver Begriffe in fast schon orwellschem Format.
Interessanterweise konterkariert die Analyse der Wählermilieus auch ein zentrales Element neoliberaler Meinungsmache, auf das gerade die SPD immer noch hereinfällt, dass nämlich die Wahlen in der sogenannten Mitte gewonnen würden und man sich um die gesellschaftlichen Ränder nicht zu scheren brauche. Wie man nun sehen konnte, wählen die Menschen dann eben jene, die ihnen vorgaukeln sich ihrer Interessen anzunehmen. Dazu zeigt sich ebenso, dass eine Wahlmobilisierung der vermeintlich Abgehängten durchaus gelingt, wie die gestiegene Wahlbeteiligung hier zeigt, die allerdings so gesehen in den „unteren Milieus“ immer noch erschreckend gering ist. Dies ist dann eine ziemliche Ohrfeige für „DIE LINKE“, da die gestiegene Wahlbeteiligung offenbar fast ausschließlich der AfD zugutekam.
Der Linken ist es augenscheinlich nicht gelungen, die Wähler aus dem betreffenden Milieus für sich zu mobilisieren, was unzweifelhaft mit Tendenzen in großen Teilen der Partei „DIE LINKE“ zusammenhängt, lieber abgehobene intellektuelle Diskurse über Gender und kulturelle Identität zu führen, als die Angst ernst zu nehmen, dass Flüchtlinge eine Arbeitskräftereservearmee für Billigjobs in Industrie und den Dienstleistungssektor sein könnten – ein Schelm, wer nun glaubt, mindestens Teile der herrschenden Eliten würden dies nicht so sehen –, beziehungsweise als eine ehrliche Integrationsdebatte zu führen.