Zündfunke im Pulverfass

Die Ermordung Ismael Haniyas in Teheran war eine bewusste Provokation Benjamin Netanjahus, um die USA in einen potenziellen israelisch-iranischen Krieg hineinzuziehen.

Frieden ist für bestimmte Kreise lästig. Nicht nur lässt er die Rüstungsindustrie darben, auch die Möglichkeiten von Machthabern Krieg führender Staaten, sich als „starke Männer“ zu positionieren, von innenpolitischen Verfehlungen abzulenken und die öffentliche Meinung gleichzuschalten, sind eingeschränkt, wenn Friedenspolitik allzu erfolgreich zu werden droht. Selbst in dem festgefahrenen israelisch-palästinensischen Konflikt, der in dem Bombardement von Gaza gipfelte, keimten in den letzten Wochen Friedenshoffnungen. Damit ist es jetzt vorbei. Israels Premier Benjamin Netanjahu provozierte seine Gegner auf derart brutale Weise, dass mit einer Entspannung der Situation bis auf Weiteres nicht zu rechnen ist. Die Ermordung von Hamas-Führern auf nichtisraelischem Territorium, in Teheran und Beirut, dürfte, wie ein ins Wasser geworfener Stein, weite Kreise ziehen und weitere Nationen mit in den Krieg hineinziehen. Neben dem Iran ist da vor allem an die USA zu denken, was durchaus in Netanjahus Absicht liegen könnte.

von Phyllis Bennis

Im gesamten Nahen Osten ist eine neue Serie von Mordanschlägen gegen Israels Gegner ausgebrochen, die die ohnehin bereits wackeligen Waffenstillstandsgespräche für Gaza gefährden und die Gefahr einer noch größeren regionalen Ausweitung des Krieges mit sich bringen.

Während Israel seinen völkermörderischen Angriff auf die verzweifelten Bewohner von Gaza fortführt und allein in den letzten Tagen zig, wenn nicht Hunderte von ihnen getötet hat, zielten die jüngsten Maßnahmen zweifellos darauf ab, Israels Krieg in Gaza zu eskalieren und die militärischen Spannungen, die bereits an seiner Grenze zum Libanon sowie in Syrien, im Irak, im Jemen und andernorts schwelen, zu einem umfassenden Krieg auszuweiten und möglicherweise sowohl den Iran als auch die USA direkter mit einzubeziehen.

Die in Beirut und Teheran innerhalb von 24 Stunden verübten tödlichen Anschläge auf hochrangige militärische und politische Funktionäre der Hisbollah und der Hamas zeigen die zentrale Bedeutung von Attentaten — und die Irrelevanz der Diplomatie — in Tel Avivs strategischem Kalkül.

Die New York Times berichtet, Israel habe sich zu einem dritten Anschlag bekannt.

Am Dienstagabend traf ein israelischer Luftangriff das Dahiyeh-Viertel in der libanesischen Hauptstadt und zerstörte ein in unmittelbarer Nähe zu einem großen Krankenhaus gelegenes Wohngebäude, wobei eine noch unbestätigte Zahl von Menschen getötet und verletzt wurde.

Israel behauptete, Fuad Shukr ermordet zu haben, einen hochrangigen Militärfunktionär der Hisbollah und engen Berater Hassan Nasrallahs, Kopf der politisch-militärischen Widerstandsgruppe im Libanon. Die Hisbollah bestätigte Shukrs Tod.

Nur wenige Stunden vor dem israelischen Angriff erklärte Vadent Patel, Sprecher des US-Außenministeriums, dass US-Funktionäre „nicht glauben, dass ein umfassender Krieg unvermeidlich ist, und wir noch immer glauben, dass er vermieden werden kann.“

Dies erfolgte nach seiner Erklärung, dass „unser Einsatz für die Sicherheit Israels eisern und felsenfest ist gegen alle vom Iran unterstützten Bedrohungen, einschließlich der Hisbollah, und wir an einer diplomatischen Lösung arbeiten“.

Wenngleich manche Politiker sich rhetorisch für ein Ende des Krieges aussprechen, haben die USA durch ihre Taten verdeutlicht, dass sie das eine, das einen dauerhaften Waffenstillstand zur Folge hätte, nicht zu tun bereit sind: eine Einstellung der Waffenlieferungen an Israel, die den Krieg in Gaza ermöglichen.

Im Gegenteil, die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung wurde nur wenige Stunden nach dem Angriff auf Beirut erneut schwer untergraben, als ein weiterer Luftangriff, von dem weithin vermutet wird, dass er von Israel ausging, den politischen Anführer der Hammas, Ismael Haniya, in einem Gästehaus in Teheran tötete.

Er befand sich anlässlich der Amtseinführung des gerade gewählten iranischen Präsidenten Massud Peseschkian auf Besuch in der Hauptstadt des Iran. Haniya, der kurzzeitig Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde war, nachdem die Hamas die ursprünglich von den USA begrüßten Wahlen in Palästina gewonnen hatte, lebte in Katar im Exil.

In den letzten Monaten spielte er eine Schlüsselrolle bei den von Katar und den USA geförderten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas, die darauf abzielen, Israels Angriff auf Gaza zu beenden, den Zugang zu humanitärer Hilfe sicherzustellen und illegal festgehaltene palästinensische Häftlinge und israelische Geiseln freizulassen.

All das Gerede darüber, dass Washington und Tel Aviv einen Waffenstillstand unterstützen oder die Geiseln zurückhaben wollen, spielt kaum eine Rolle, wenn ein Spitzenunterhändler der anderen Seite ungestraft ermordet werden kann.

Haniya galt weithin als pragmatisch und als Befürworter von Verhandlungen. Er schrieb 2006, nur drei Monate nach den Wahlsiegen der Hamas in Gaza und im Westjordanland, dem damaligen Präsidenten George W. Bush und forderte Verhandlungen zwischen den USA und der Hamas, wobei er bereit war, eine Zweistaatenlösung und einen langfristigen Waffenstillstand mit Israel zu akzeptieren.

Die aktuelle Situation, so schrieb er damals, „wird Gewalt und Chaos in der gesamten Region anfeuern“. Bush antwortete nicht.

Die Verhandlungen, an denen der Hamasführer beteiligt war, werden nach der Ermordung Haniyas mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ins Stocken geraten, wenn nicht sogar vollkommen entgleisen. Die daraus resultierende Fortsetzung des völkermörderischen Krieges in Gaza entspricht dem Ziel von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, der sich bisher Bemühungen um einen Waffenstillstand widersetzt hat und gelobt hat, bis zur Zerstörung der Hamas weiter zu kämpfen.

Die Wahrscheinlichkeit eines sich ausweitenden regionalen Krieges ist nun exponentiell höher — mit der Gefahr eines viel direkteren Konflikts zwischen Israel und dem Iran sowie der Möglichkeit einer noch größeren direkten Beteiligung der USA.

Die Ermordung Haniyas in Teheran war eine bewusste Provokation, die eine Reaktion des Irans erzwingen sollte.

Jede Regierung, deren Geheimdienste mächtig genug waren, genau zu wissen, wo sich der Hamasführer während eines vorübergehenden Aufenthaltes in der iranischen Hauptstadt aufhielt, hätte auch gewusst, wo er in Katar lebte, wo ein Attentat, wenngleich noch immer illegal, nicht dieselben Folgen nach sich gezogen hätte.

Den Iran in Zugzwang zu bringen, — insbesondere zum symbolträchtigen Zeitpunkt der Amtseinführung —, wird die Optionen des neuen Präsidenten stark einschränken, der zu erneuten Verhandlungen mit den USA über Atomfragen aufgerufen und die mögliche Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Nuklearabkommens mit dem Iran in Aussicht gestellt hat.

Dies zu verhindern, entspräche Netanjahus langjährigem Ziel, auch nur die kleinste Annäherung zwischen den USA und dem Iran zu untergraben und die USA direkt in einen potenziellen Krieg zwischen Israel und dem Iran hineinzuziehen.

Während noch keine Details über die Art der bei den beiden Attentaten verwendeten Raketen oder sonstigen Projektile veröffentlicht wurden, ist davon auszugehen, dass eine oder beide von ihnen in den USA hergestellt und/oder von den USA finanziert wurden.

Unter diesen Umständen könnte sich die Mittäterschaft der USA am Völkermord durch Bereitstellung der von Israel in Gaza verwendeten Waffen zu einer direkten Beteiligung an etwas ausweiten, das zu einem großen regionalen Krieg eskalieren könnte — zu genau dem Krieg, den US-Funktionäre angeblich zu verhindern versuchen.

Die Arbeit der Bewegung für einen dauerhaften Waffenstillstand — ein Waffenstillstand, der ein Ende des Tötens, die Wiederaufnahme humanitärer Hilfe und der Finanzierung der UNRWA sowie ein Ende der US-Waffenlieferungen an Israel einschließt — wird um einiges schwieriger und um einiges dringlicher werden.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Middle East a Tinderbox After Assassinations“. Er wurde von Gabriele Herb ehrenamtlich übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratteam lektoriert.