Zukunft muss sich wieder lohnen!
Gedanken zum diesjährigen 1. Mai.
In den Nachrichten hieß es, dass im Vergleich zum Vorjahr weniger Menschen an den aktuellen Mai-Demos teilgenommen hätten. Sollten diese Angaben zutreffen, wäre dies zunächst einmal eine betrübliche und zugleich nicht auf Anhieb verständliche Entwicklung.
Schließlich gäbe es Gründe genug, um gerade am 1. Mai auf die Straße zu gehen: Für immer mehr Menschen geht es in immer mehr zentralen Bereichen des Lebens (Arbeit, Wohnen, soziale Teilhabe) bergab.
Feste Arbeitsplätze werden zunehmend ersetzt durch zeitlich befristete und schlecht bezahlte Arbeitsplätze, das Renteniveau befindet sich im Sinkflug, Verdrängungen alteingesessener Mieter sind an der Tagesordnung und auf die Teilnahme an kulturellen und/oder sonstigen Freizeitveranstaltungen muss aus finanziellen Gründen oft gleich ganz verzichtet werden.
Verschlechterungen dieser Art werden selbst in der Mittelschicht immer spürbarer, sodass auch hier der Glaube an eine sichere Existenz allmählich verloren geht. Besonders bitter ist das für diejenigen Angehörigen der Mittelschicht, die sich im Vertrauen auf die von der Politik beständig vorgetragenen Leistungsverheißungen schier zerrissen und trotzdem das anvisierte Ziel verfehlt haben.
Und doch bleibt es überwiegend ruhig im Land. Das Machtvollste, das wir derzeit erleben, ist ein Einschwenken in das AfD-Lager, das heißt, in das Lager derjenigen, deren völlig untaugliche Scheinlösungen auf einer Vermischung von Ewiggestrigem und Fremdenhass beruhen.
Nun könnte man sagen, dass es sich bei diesem Zulauf um ein ziemlich irrationales, nicht im eigenen Interesse liegendes Verhalten handelt. Das wäre aber nur die halbe Wahrheit, da sich die Neuorientierung oft genug auf eine bodenlose Enttäuschung über das Versagen der (auf Bundes- und Landesebene) regierenden Parteien zurückführen lässt.
Vor allem die SPD, die sich einst für die Belange der "kleinen Leute" stark gemacht hat, ist (meines Erachtens zu Recht) in den Augen vieler Wähler/innen zu einer "Bonzenpartei" verkommen und eine vergleichbare Entwicklung zeichnet sich inzwischen auch bei den Grünen ab.
Vor diesem Hintergrund wären Linke und Gewerkschaften gut beraten gewesen, ihre eigene Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Genau dies ist aber aus (hier nicht näher zu erläuternden Gründen) in beiden Fällen nicht ausreichend geschehen, sodass für viele der verunsicherten und enttäuschten Menschen am Ende nur noch zwei Optionen in Frage kamen: Resignation oder Pegida/AfD.
Was ich speziell den Linken vorwerfe, ist das Nichterkennen dessen, was die aus der Bahn geworfenen Menschen am meisten fertig macht. Anders ausgedrückt: Natürlich spielen Armut und Ungerechtigkeit eine große Rolle, aber weitaus erniedrigender ist das mit dem Verlust der Perspektive aufkommende Gefühl, nutzlos, überflüssig und wertlos zu sein.
Im Gegensatz zu den Linken haben die Rechten (schon immer) sehr gut verstanden, wie wichtig die daraus resultierende Sehnsucht nach Anerkennung ist und bieten ihren Mitgliedern und Sympathisanten den Stolz auf das Deutschsein als Ausgleich an.
Ein derartiger Pseudo-Ausgleich käme für die Linken natürlich niemals in Frage, aber dafür könnte sich die Partei als "Zukunftspartei" präsentieren, indem sie sämtliche Politikbereiche (Armutsbekämpfung, Bildungs- und Umweltpolitik, Friedenssicherung etc.) unter das Motto stellt: Zukunft muss sich wieder lohnen!