Zu Tode reglementiert

Das neue EU-Lieferkettengesetz zwingt Unternehmen, Klimapläne zu erstellen. Diese Form der Planwirtschaft kann auch den Verbrauchern teuer zu stehen kommen.

Das EU-Parlament hat das umstrittene Lieferkettengesetz angenommen. Durch das neue Gesetz können Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden, wenn Menschenrechtsverstöße bei ihren Vorlieferanten und Zulieferern, also in ihrer gesamten Lieferkette festgestellt werden. Offizielles Ziel des nun beschlossenen Gesetzes ist der Kampf gegen Kinderarbeit und gegen Zwangsarbeit in jeglicher Form. Natürlich ist jeder gegen diese Formen der Ausbeutung. Aber warum werden größere Unternehmen ab tausend Mitarbeitern jetzt auch gezwungen, Klimapläne zu erstellen? Wollen die EU-Kommissare und ihre Lobbyisten tatsächlich das Klima, also die durchschnittlichen Wetterwerte eines längeren Zeitraums, ändern? Was steckt dahinter? Der Autor hat zehn Jahre, von 2010 bis zur Coronakrise 2020, an einer Fachhochschule „Green Economy“ und “Nachhaltigkeits-Marketing“ unterrichtet. Vor diesem Hintergrund analysiert er die Entwicklung des Nachhaltigkeitskonzepts in diesem Zeitraum.

Das „Cradle to Cradle“-Konzept

Ende der 1990er-Jahre entwickelten der deutsche Chemiker Michael Braungart und der US-amerikanische Architekt William McDonough ein innovatives Nachhaltigkeitskonzept, welches sie „Cradle to Cradle“ nannten.

Cradle to Cradle (englisch „von Wiege zu Wiege“, sinngemäß „vom Ursprung zum Ursprung“; abgekürzt auch C2C) ist ein Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft, welche Produkte als biologische Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückführt.

Die dahinterstehende Überlegung: Wenn man die Auswirkungen von Produkten auf die natürliche und soziale Umwelt objektiv bewerten will, muss man den gesamten physischen Produktlebenszyklus berücksichtigen.

Dieser komplette Lebenszyklus besteht aus 6 Phasen:

Phase 1: Exploration der Rohstoffe
Phase 2: Transport
Phase 3: Herstellung des Fertigproduktes
Phase 4: Vertrieb des Fertigproduktes
Phase 5: Nutzung des Fertigproduktes
Phase 6: Entsorgung nach Ablauf der Nutzungsdauer

Eine nachhaltige Entwicklung umfasst also 6 Phasen: Rohstoffe, Transport, Herstellung, Vertrieb, Verwendung und Entsorgung.

Das Modell des kompletten Produktlebenszyklus ist nicht zu verwechseln mit dem Modell des Produktlebenszyklus, das im konventionellen Marketing üblich ist und aus 5 Phasen besteht: Entwicklung, Einführung, Wachstum, Reife, Rückgang.

Der Unterschied der beiden Konzepte: Das komplette 6-phasige Life-Zyklus-Konzept betrachtet den Produktlebenszyklus aus sozial-ökologischer Sicht, während das konventionelle Marketingkonzept den Lebensweg eines Produkts ausschließlich aus wirtschaftlicher Sicht darstellt.

„Nachhaltigkeit light“ — als der 6-phasige Lebenszyklus 2017 auf eine Phase reduziert wurde

Die Erfassung, Analyse und Evaluierung des ökologischen und sozialen Impacts aller 6 Phasen für jeden Produktlebenszyklus bei einer Vielzahl von Parametern ist komplex und führt nicht immer zu den Ergebnissen, die von gewinnorientierten Architekten des Geschäftsmodells „Nachhaltigkeit“ gewünscht wurde.

Um das „Nachhaltigkeitsmodell“ als profitables Geschäftsmodell implementierbar und die Ziele einfach und operativ zu machen, wurden ab 2017 im Zuge der Greta-Thunberg-Inszenierung wesentliche „Vereinfachungen“ des Nachhaltigkeitsmodells durchgeführt:

  • Als erster Schritt wurde CO2 in der Öffentlichkeit als alleiniger Verursacher des Treibhauseffekts definiert, indem man das stärkste Treibhausgas, den Wasserdampf und die übrigen Spurengase, wie Methan und Stickoxide, einfach aus dem Nachhaltigkeitskonzept entfernt hat.
  • CO2 hat den Vorteil, dass man den CO2-Gehalt überall leicht mit einem einfachen Messgerät messen kann. Diese Carbon-Dioxide-Detektoren gibt es bereits um 20 Euro im Handel.
  • Von insgesamt 6 Phasen des Produktlebenszyklus wurden 5 Phasen eliminiert, sodass seitdem nur mehr der CO2-Impact während der Verwendungsphase gemessen werden muss. Durch das Ignorieren der vier Vorstufen der Nutzung — Rohstoffextraktion, Transport, Herstellung, Vertrieb — und der Nachstufe des Produktlebenszyklus — Entsorgung — wurde das Modell des kompletten Produktlebenszyklus auf das derzeitige 1-Phasen-Modell verkürzt, welches lediglich den Zeitraum der Verwendung der fertigen Produkte — bei Windrädern maximal 25 Jahre — umfasst und den Impact aller Phasen, die vor der Nutzung und am Ende der Nutzung ignoriert. 5 von 6 Phasen des Produktlebenszyklus wurden also aus dem Geschäftsmodell „Nachhaltigkeit“ entfernt. Übrig blieb nur mehr die Nutzungsphase.
  • Hinzu kam, dass die Messung der ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Produktes, als die propagandagetriebene Dämonisierung von CO2, dem Gas des Lebens, begann, nur mehr auf Basis dieses einzigen Parameters, des CO2, erfolgte. Wohlgemerkt jenes CO2, welches eine Voraussetzung für den wichtigsten Stoffwechselprozess der Erde, die Fotosynthese, bildet.
  • Diese monokausale, einphasige, grob verkürzende Darstellung der ökosozialen Wirkung von „nachhaltigen Produkten“ hat mit nachhaltiger Entwicklung nichts mehr gemein. Das ursprüngliche Nachhaltigkeitskonzept, welches die Auswirkungen eines Produktes während des kompletten Lebenszyklus berechnet, wurde — aus Gründen der Reduktion von Komplexität — auf ein Sechstel geschrumpft und die Ideen der Nachhaltigkeitspioniere damit still und heimlich begraben.

Konventionelles Marketing im leichten Nachhaltigkeitskleid

Das um 5 Phasen verkürzte, fast vollständig entkernte „nachhaltige Life-Cycle-Modell“ ist nichts anderes als das herkömmliche Modell im Propaganda-Kleid der „Nachhaltigkeit“. Ein Konzept „Nachhaltigkeit light“, vielleicht ein kleiner Etikettenschwindel, um das Geschäftsmodell „Nachhaltigkeit“ überhaupt umsetzen zu können.

Denn in Wirklichkeit besteht der Lebenszyklus nicht nur aus einer einzelnen Produktkette, sondern aus ganzen Netzwerken. Lebensmittelverarbeitende Unternehmen werden beispielsweise von der Landwirtschaft, Verpackungsunternehmen, Herstellern von Lebensmittelzutaten und anderen beliefert. Außerdem erstrecken sich viele Produktlebenszyklen über Länder und Märkte hinweg. Ein Auto zum Beispiel besteht aus Tausenden von verschiedenen Teilen und Rohstoffen wie Eisen, Stahl und Kunststoffen, die aus der ganzen Welt stammen.

Die Batterieautos und Windräder, von denen die meisten Bestandteile importiert werden, können heute nur deshalb als „nachhaltig“ bezeichnet werden, weil das ursprüngliche Konzept der nachhaltigen Entwicklung, welches die Analyse des kompletten Lifecycles umfasst, nicht mehr angewendet wird.

Bei „nachhaltigen Produkten“ wie Windrädern mit einem Auslastungsgrad von etwa 25 Prozent müssen für jedes Windrad Löcher in den Boden mit mindestens 650 Tonnen Beton und Stahlverankerungen gegraben werden, und es gibt bis dato kein Recyclingkonzept für die aus Asien importierten Rotorblätter. Hinzu kommen die Schäden an der Umwelt, Fauna und Flora. Der Beton, der in den Waldboden gegossen wird, ist aus Zement hergestellt. Die Zementherstellung gehört ausgerechnet zu jenen Industriesparten, welche bei der Herstellung die höchste Menge an CO2 emittieren. Kann man mit Zementproduktion die Umwelt schützen?

Das neue EU-Lieferkettengesetz — das nächste Geschäftsmodell

Natürlich ist jeder verantwortungsbewusste Unternehmer gegen Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Aber wenn die EU-Regierung sich selbst beim Wort nehmen würde, dann würde sie den gesamten Lebenszyklus für ihre sogenannten nachhaltigen Produkte untersuchen, etwa für Batterieanlagen in Elektrofahrzeugen und Smartphones. Dann würde sie rasch feststellen, dass die Rohstoffe für die angeblich nachhaltigen Produkte, wie zum Beispiel Kobalt für die Batterieautos im Kongo und Lithium in Bolivien, Chile und Argentinien, durch Kinderarbeit ausgebuddelt und meistens aus Asien, Afrika oder Südamerika importiert werden. Zu einem wesentlichen Teil aus Ländern, die sich um Nachhaltigkeit und „Klimaschutz“ wenig bis gar nicht scheren.

Mit dem Lieferkettengesetz wurde ein einzelner Aspekt aus der Nachhaltigkeitsagenda herausgegriffen, um damit ein neues Geschäftsmodell zu schaffen.

Unternehmen werden jetzt gezwungen, Klimapläne zu erstellen

Es soll sichergestellt werden, dass die Geschäftspläne der Unternehmen mit den Klimazielen harmonieren, die Erderwärmung auf 1,5 Grad auf das vorindustrielle Niveau zu reduzieren. Das Ziel ist also eine Temperaturreduktion auf das vorindustrielle Niveau im 18. Jahrhundert. Irritierend ist nur, dass es damals wesentlich wärmer war als heute. Aber das interessiert kaum jemand.

Das Dogma der Religion vom menschengemachten Klimawandel wird also weiterhin konsequent durchgezogen, und das damit verknüpfte Geschäftsmodell fordert weitere Ablasszahlungen von den produzierenden Unternehmen in Westeuropa, vor allem von den Unternehmen, die ihre Produkte trotz der permanenten Verschlechterung der Umfeldbedingungen noch immer in der EU herstellen.

Jede Form der CO2-Abgabe, und Emissionszertifikate reduziert schon jetzt nicht eine einzige Tonne CO2, aber sie wandert mit Sicherheit auf klimaneutrale Offshore-Konten.

Es geht nicht um CO2, sondern ums Geld — es ist ein Geschäftsmodell

Wenn es einen objektiven Maßstab für Nachhaltigkeit gäbe: Würde man dann über den Impact der gesprengten Nord-Stream-Pipelines reden? Oder darüber, warum der Impact von Militär und Krieg auf CO2 vom Kyoto-Abkommen und sämtlichen anderen Abkommen über den Klimawandel ausdrücklich ausgenommen ist? Wenn der „menschengemachte Klimawandel“ tatsächlich für die Proponenten des Geschäftsmodells ein Thema wäre, dann würden sie mit den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten sofort aufhören müssen. Nicht nur aus Gründen der Menschenrechte und der Ethik, sondern auch deshalb, weil es keine klimaneutralen Bomben gibt.

Das Lieferkettengesetz gilt nur für größere Unternehmen — aber was machen Sie, wenn Ihr Unternehmen ein Vorlieferant ist?

Wer ist von der Lieferkettenverordnung betroffen? Zunächst soll die Verordnung nur für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz gelten, nach einer Übergangsfrist von 5 Jahren.

Aber was machen Sie, wenn Ihr kleines oder mittleres Unternehmen ein Vorlieferant für ein großes Unternehmen ist, für welches das Lieferkettengesetz gültig ist? Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind nicht direkt betroffen, wohl aber indirekt. Denn auch sie sind ein Teil der Lieferkette und müssen ihre Vorlieferanten evaluieren, damit sie selbst weiterhin an ihren großen Kunden liefern können. Dieses Lieferkettengesetz ist also mit einem riesigen bürokratischen Dokumentationsaufwand verbunden.

KMU können sich einen weiteren Bürokratie-Aufbau nicht leisten

Im globalen Wettbewerb haben sich die Dimensionen verändert. Denn was heute ein Mittelbetrieb ist, das war früher ein Großbetrieb. In den Siebzigerjahren war ein Unternehmen mit 5.000 Mitarbeitern ein Konzern, und ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern war ein klassischer mittelständischer Betrieb. Heute zählt ein Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern nicht einmal als Mittelbetrieb. Ein Mittelbetrieb beginnt anno 2024 bei 5.000 Personen.

Fazit

Der Großteil der Unternehmen hat in der ersten Phase die Klima-PR gern mitgemacht. Denn es ist gut fürs Image, „klimaneutral“ zu sein, selbst wenn man dafür Ablasszahlungen in Form von Klimazertifikaten und CO2-Abgaben — Besteuerung eines Bestandteils unserer Atemluft! — zahlen muss. Klimaneutralität rechnet sich, wenn die Mehrkosten der Zertifikate, der Administration und Werbung auf den Produktpreis umgelegt werden können.

Aber mit dem Lieferkettengesetz wurde die zweite Stufe des Klimamodells gezündet. Wenn man die Postings von Unternehmen in den sozialen Netzwerken wie LinkedIn zu dem Thema „Lieferkettengesetz“ liest, dann wird klar: Es geht vielen „klimaneutralen“ Unternehmen ein Licht auf, denn es wird offensichtlich, was da auf die zukommt.

Dieses Lieferkettengesetz ist eine planwirtschaftliche Wahnsinnsregel mit enormem administrativen Aufwand, die einen riesigen, teuren Bürokratenturm aufbaut. Wer das zahlt? Natürlich wieder die Verbraucher. Die nächste Teuerungswelle ist angestoßen.

Der Mittelstand sollte beginnen, sein Vermögen zu sichern, denn er steht weiterhin im Fokus der Planwirtschaftskommissare und der Konzern- und NGO-Lobbyisten.