Zu Risiken und Nebenwirkungen

Nebenwirkungen von Arzneimitteln werden zentral auf europäischer Ebene gesammelt und sind öffentlich zugänglich — auch jene der Covid-19-Impfstoffe.

„Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!“ Das klingt gut. Damit sich der Endverbraucher bei Medikamenten und Impfstoffen sicher fühlen kann, müssen Arzt und Apotheker aber erst einmal gut informiert sein. Das ist gerade bei neuen Wirkstoffen nicht so leicht, denn Nebenwirkungen werden nur erkannt und registriert, wenn Patienten diese melden. Gerade bei langfristigen Nebenwirkungen ist es aber schwer, diese einem Wochen oder Monate vorher eingenommenen Medikament zuzuordnen. Statistiken über Risiken und Nebenwirkungen bleiben also notgedrungen immer lückenhaft. Angesichts des gesundheitlichen und politischen Gewichts der Covid-19-Impfstoffe ist es dennoch gut, zu wissen, welche Erkenntnisse es bisher über diese gibt.

Die Europäische Union (EU) unterhält mit der EudraVigilance-Datenbank eine zentrale Sammelstelle für Meldungen von Nebenwirkungen von in der EU zugelassenen Arzneimitteln. Diese Datenbank ist in weiten Teilen öffentlich zugänglich, was leider kaum bekannt ist. Dieser Artikel stellt dem Leser, neben den Links zur Datenbank, noch einige Grundinformationen zur Verfügung, um diesem ein Mittel an die Hand zu geben, sich über den aktuellen Stand der Nebenwirkungsmeldungen selbstständig aus erster Hand informieren zu können. Des Weiteren werden einige Daten über gemeldete Nebenwirkungen des Pfizer/Biontech Covid‑19 Impfstoffes (Stand 7. Februar 2021) präsentiert.

Wie sind Nebenwirkungen definiert?

Im deutschen Arzneimittelgesetz wird eine Nebenwirkung als schädliche, unbeabsichtigte Reaktion, die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftritt, definiert. Bestimmungsgemäßer Gebrauch bedeutet hierbei entsprechend der Fachinformation, welche Bestandteil der Marktzulassung ist und in etwa einer Gebrauchsinformation entspricht. Des Weiteren muss ein Zusammenhang zwischen dem Arzneimittel und der Nebenwirkung zumindest vermutet werden. Daraus folgt im Umkehrschluss allerdings auch, dass nicht jede gemeldete Nebenwirkung zwangsweise wirklich durch das Arzneimittel ausgelöst wurde.

Eine Nebenwirkung muss nicht unbedingt durch den Wirkstoff des Arzneimittels hervorgerufen werden. Auch unerwünschte Reaktionen auf Hilfsstoffe und Verunreinigungen im Arzneimittel gelten als Nebenwirkungen des jeweiligen Arzneimittels.

Bei Impfstoffen kommt noch hinzu, dass auch eine mangelnde Effektivität, sprich Unwirksamkeit, als Nebenwirkung gemeldet werden muss.

Als „schwerwiegend (serious)“ werden Nebenwirkungen bezeichnet, wenn diese tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung oder Invalidität führen oder eine angeborene Anomalie beziehungsweise einen Geburtsfehler darstellen. Auch wenn eine Nebenwirkung, welche behandelt wurde, ohne diese Behandlung sehr wahrscheinlich zu einem der obengenannten Ergebnisse geführt hätte, wird diese als schwerwiegend eingestuft.

Die Einstufung als „schwerwiegend“ oder „nicht-schwerwiegend“ basiert also auf den klinischen Folgen der Nebenwirkung und ist nicht zu verwechseln mit dem Schweregrad von Symptomen, der in der Regel in 4 Stufen eingeteilt wird: Grade 1 = mild, Grade 2 = moderat, Grade 3 = schwer, Grade 4 = potenziell lebensbedrohlich (1).

Detaillierte Informationen zur Meldung von Nebenwirkungen finden sich in der 5. Bekanntmachung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Anzeige von Nebenwirkungen und Arzneimittelmissbrauch (2).

Durch wen und wann werden Nebenwirkungen gemeldet?

Gesammelt werden in der EudraVigilance-Datenbank Nebenwirkungen, oder auch „Unerwünschte Arzneimittelwirkung“ — englisch „adverse drug reaction“ — genannt, von Arzneimitteln, die im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zugelassen sind. Diese können im EWR oder aber auch außerhalb aufgetreten sein.

Im Regelfall werden Nebenwirkungen vom Arzt oder Apotheker an den Inhaber der Marktzulassung gemeldet und von diesem in die EudraVigilance-Datenbank eingetragen. Aber auch Patienten können Nebenwirkungen direkt an den Marktzulassungsinhaber melden. Weiterhin besteht für Patienten auch die Möglichkeit, Nebenwirkungen an die nationale Arzneimittelbehörde zu melden. Ein Link zum Meldeformular der deutschen Arzneimittelbehörden befindet sich unten im Quellenverzeichnis (3). Die Behörde wird die Meldung dann an die EudraVigilance-Datenbank weiter leiten.

Zusätzlich zu der Meldung von diesen als Spontanberichten bezeichneten Nebenwirkungen sind Inhaber von Marktzulassungen aber auch verpflichtet, weitere Informationen zur Sicherheit ihrer Arzneimittel aktiv zu sammeln. Dies erfolgt zum Beispiel durch klinische Überwachungsstudien oder durch Literatursuche.

Gemeldet werden im Allgemeinen schwerwiegende Nebenwirkungen aus dem EWR oder von außerhalb. Nicht-schwerwiegende Nebenwirkungen werden nur gemeldet, wenn sie innerhalb des EWR aufgetreten sind. Die Meldefrist für schwerwiegende Nebenwirkungen ist 15 Tage, für nicht-schwerwiegende beträgt sie 90 Tage. Die Meldefrist beginnt an dem Tag, an dem die Meldung den Marktzulassungsinhaber oder die Behörde erreicht.

Wie vollständig ist diese Sammlung von Nebenwirkungen wirklich?

Lorna Hazell und Saad A.W. Shakir haben 2012 mehrere Studien zur Meldung von Nebenwirkungen ausgewertet (4). Hierbei kamen sie zum Ergebnis, dass nur circa 5 Prozent der Nebenwirkungen gemeldet werden. Studien, die speziell die Meldung von schwerwiegenden Nebenwirkungen untersucht haben, ergaben eine etwas höhere Meldequote, die aber immer noch bei erschreckend niedrigen 15 Prozent liegt.

Wie dieses Ergebnis zeigt, werden Nebenwirkungen leider nur sehr unzureichend gemeldet. Dies liegt insbesondere an einem mangelnden Bewusstsein in der Ärzteschaft und unter Apothekern.

Insbesondere leichte und moderate Nebenwirkungen werden in der Regel nicht gemeldet, oft auch aus Zeitmangel. Vielen Ärzten ist leider aber auch nicht bekannt, dass auch Nebenwirkungen, die in der Fachinfo/Patienteninfo bereits gelistet sind, gemeldet werden müssen. So werden auch viele schwere Nebenwirkungen nicht ordnungsgemäß gemeldet. Ein weiterer Faktor ist auch, dass oft Nebenwirkungen nicht dem Medikament zugeschrieben werden, sondern irgendwelchen Grunderkrankungen.

Besonders schwierig ist auch die Zuordnung von spät eintretenden Nebenwirkungen. Je größer der Abstand zwischen Verabreichung des Arzneimittels und Auftreten der Nebenwirkung ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass diese dann auch wirklich dem Arzneimittel zugeordnet und gemeldet wird. Daher werden gerade Spätschäden oft erst sehr verzögert und eher im Rahmen von Überwachungsstudien erkannt. Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang der Plan von Pfizer, den Probanden, die im Rahmen ihrer Studien Placebo erhalten haben, nun die Impfung anzubieten. Die Studien haben einen zweijährigen Beobachtungszeitraum, um mögliche Spätschäden zu identifizieren. Eine Auflösung des Placeboarms würde dies weitestgehend unmöglich machen.

Inwiefern der Einsatz von Impfteams bei den Covid‑19-Impfungen einen Einfluss auf die Melderate von Nebenwirkungen hat, sollte auch im Auge behalten werden. Hier ist zu befürchten, dass durch die Aufteilung in Impfarzt und behandelnder Arzt eventuell Nebenwirkungsmeldungen untergehen könnten. In der Praxis scheint eine Kommunikation zwischen beiden nur sehr begrenzt oder gar nicht stattzufinden. Neben der Tatsache, das die Impfärzte ihre Patienten zum Zeitpunkt der Impfung in der Regel zum ersten und zum letzten Mal sehen, könnte auch der extreme Zeitdruck unter dem die Impfteams arbeiten, sich negativ auf die Melderate auswirken.

Zugang zur EudraVigilance Datenbank

Der öffentlich zugängliche Teil der EudraVigilance-Datenbank kann über die Webseite adrreports erreicht werden. Hier finden sich zahlreiche Informationen und man kann von dort auch zur Suchfunktion gelangen. Um die Informationen zu den Covid‑19 Impfstoffen abzurufen, kann man einfach unter „C“ die entsprechenden Covid‑19 Impfstoffe anklicken und es öffnet sich das entsprechende Dashboard. Ab hier geht es leider nur auf Englisch weiter.

Im Dashboard befinden sich mehrere Seiten, die über die Reiter oben ausgewählt werden können.

  • Tab 1 — Number of individual cases
  • Tab 2 — Number of individual cases received over time
  • Tab 3 — Number of individual cases by EEA countries
  • Tab 4 — Number of individual cases by Reaction Group
  • Tab 5 — Number of individual cases for a selected Reaction Group
  • Tab 6 — Number of individual cases for a selected Reaction
  • Tab 7 — Line Listing

Tab 4 „Number of individual cases by Reaction Group“ besitzt 5 Unterseiten, die wiederum über die Reiter oben ausgewählt werden können:

  • By Age Group
  • By Sex
  • By Seriousness
  • By Reporter Group
  • By Geographic Origin

Im Tab 7 „Line Listing“ kann man Filter anwenden und sich individuelle Listen erstellen. Über Links in diesen Listen kann man auch die Details der Nebenwirkungsberichte aufrufen.

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat eine detaillierte Anleitung zur Benutzung des Dashboards herausgegeben (5).

Nebenwirkungen des Pizer/Biontech Covid‑19 Impfstoffes

Im Folgenden werden einige Daten aus der EurdraVigilance-Datenbank für den Pizer/Biontech Covid‑19-Impfstoff mit Stand vom 16. Februar 2021 aufgezeigt. Unter Berücksichtigung der Verzögerungen bei den Meldungen handelt es sich also um einen Zeitraum der Anwendung von weniger als einem Monat. Informationen darüber, wie viele Dosen an Covid‑19-Impfstoffen zu welcher Zeit verimpft waren, finden sich auf der „ourworldindata“-Webseite (6).

Tab 1: 54.828 Fälle wurden bisher gemeldet; 82,4 Prozent davon in der Altersgruppe 18 bis 64 Jahre; 77,2 Prozent Frauen (Dies ist auffällig, da ja vorrangig Personen über 64 Jahre geimpft werden, könnte aber daran liegen, dass das Immunsystem von jüngeren Personen stärker ist. Hier würden dann nicht nur die gewünschten Reaktion des Immunsystems stärker ausfallen, sondern auch die unerwünschten. Eine andere Möglichkeit wäre aber auch, dass gerade bei älteren und pflegebedürftigen Menschen Nebenwirkungen auf den schlechten Gesundheitszustand der Geimpften geschoben werden und man sich die Mühen einer Meldung erspart. Der hohe Frauenanteil könnte auf den hohen Frauenanteil im Pflegebereich zurückzuführen sein.)

Tab 3: Die meisten Fälle (19.979) stammen aus Italien. Spanien ist auf Platz 2 mit 3.939 Fällen. Deutschland ist auf Platz 5 mit 2.515 Fällen. Es stellt sich hier die Frage warum aus Italien mit Abstand die meisten Meldungen kommen, obwohl die Anzahl der verimpften Dosen in diesen drei Ländern in etwa auf dem gleichen Niveau liegt.

Tab 4: Tab „by seriousness“: 39.130 der gemeldeten Fälle sind non-serious; 15.698 sind serious; Die meisten Fälle (37.741) sind „General disorders and administration site conditions“, gefolgt von „Nervous system disorders“ mit 18.804 Meldungen.

Tab 6: 1274 Fälle von Covid‑19 wurden nach der Impfung berichtet

Tab 7 Insgesamt wurden 858 Todesfälle gemeldet (unter 65 Jahre: 94; 65-85 Jahre: 276; über 85 Jahre: 485)

Abschließend seien noch jenen, die sich über die potenziellen Nebenwirkungen und deren mögliche Ursachen informieren möchten, die Videos von Dr. Vanessa Schmidt-Krüger empfohlen (7, 8).


Quellen und Anmerkungen:

(1) FDA Guidance for Industry Toxicity Grading Scale for Healthy Adult and Adolescent Volunteers Enrolled in Preventive Vaccine Clinical Trials
https://www.fda.gov/media/73679/download
(2) 5. Bekanntmachung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Anzeige von Nebenwirkungen und Arzneimittelmissbrauch nach Paragraf 63b Absatz 1 bis 8 des Arzneimittelgesetzes vom 5. Dezember 2007,
https://www2.bfarm.de/bekanntmachungen/bekanntmAnzNebenw.html
(3) Meldeformular für Nebenwirkungen:
https://www.pei.de/DE/arzneimittelsicherheit/pharmakovigilanz/meldeformulare-online-meldung/nebenwirkungsmeldung-verbraucher-inhalt.html;jsessionid=EAD50E1118E40C4ED60E52736D86DA14.intranet212
(4) Under-Reporting of Adverse Drug Reactions, A Systematic Review; Lorna Hazell und Saad A.W. Shakir; Springer Link; 20. November 2012,
https://link.springer.com/article/10.2165/00002018-200629050-00003
(5) EudraVigilance - European database of suspected adverse reactions related to medicines: User Manual for online access via the adrreports.eu portal
https://www.ema.europa.eu/en/documents/regulatory-procedural-guideline/eudravigilance-european-database-suspected-adverse-reactions-related-medicines-user-manual-online_en.pdf
(6) Ourworldindata: „cumulative-covid-vaccinations” und „COVID-19 vaccine doses administered per 100 people”
https://ourworldindata.org/grapher/cumulative-covid-vaccinations
https://ourworldindata.org/grapher/covid-vaccination-doses-per-capita?stackMode=absolute&region=World
(7) YouTube Kanal von Dr. Vanessa Schmidt-Krüger: Das Leben der Moleküle — Gesundheit verstehen!
https://www.youtube.com/channel/UCzAZi8BldCw5zllya8DkEcg
(8) Dr. Vanessa Schmidt-Krüger im Corona-Untersuchungsausschuss (37. Sitzung)
https://odysee.com/@K%C3%B6lnerKarneval:c/Stiftung-Corona-Ausschu%C3%9F-(37)---Dr.-Vanessa-Schmidt-Kr%C3%BCger-zur-mRNA-Impftechnologie31.1.:0