Zeit, zu springen
Nach einer Zeit des Niedergangs ist eine Wiedergeburt Europas möglich — wenn wir die Kraft haben, unsere ausgehöhlten Werte wieder mit Inhalt zu füllen.
Mitten in Sturm und Chaos, angesichts der Schrecken und auch der Hoffnungen geopolitischer Veränderungen ist der Kern der Entwicklung nicht leicht wahrzunehmen: Fünfhundert Jahre europäischer Dominanz gehen zu Ende. Während Donald Trump „America is back“ proklamiert, muss er in Wahrheit zur Kenntnis nehmen, dass der unipolare Traum eines vereinten Westens unter Führung der USA zu Ende ist. Den Europäern, die über Jahrhunderte an koloniale Ausbeutung und imperiale Macht gewöhnt waren, erscheint Trumps lautstark kaschiertes Eingeständnis der Niederlage katastrophal. Unter Kriegskreditgetöse greifen die Eliten kopflos nach dem Sattel des gestürzten Pferdes und versuchen damit heldenhaft alleine weiterzureiten. So wird der alte Kontinent noch schwächer werden. Aber der Moment (1) naht, sich auf die Wiedergeburt jenes Europas zu besinnen, um das die Menschen jahrhundertelang visionär und tapfer kämpften. Dann geht es um echte Werte: für wirkliche Aufklärung, für echte Demokratie, für die positiven Aspekte des Sozialismus, für wirkliche Marktfreiheit ohne monopolistische Dominanz arroganter Milliardärsoligarchien und vor allem für Frieden und Verständigung der Völker. Hic Europa hic salta (2). Jetzt ist es Zeit, zu springen. Da der Weltdominanz-Anspruch der Eliten seinem Zusammenbruch entgegengeht — von außen erzwungen, von innen erlitten —, wird ein neuer Weg sichtbar werden. Jedenfalls, wenn die Bürger Deutschlands und Europas sich nicht der gefährlich lächerlichen Kriegsgeilheit hingeben, der Verblödung und Unterwerfung, der Propaganda und dem Geschwätz, der Angstmache und der Einschüchterung; wenn sie vielmehr nach offener Diskussion und nach Klarheit suchen.
Die westliche Welt-Bereicherungsdominanz hat verloren
In dem, vor allem von ihr selbst provozierten Krieg um den Sieg der Unipolarität (3) hat die westliche Welt-Bereicherungsdominanz verloren. Die gescheiterte mörderische „Idee“ war: Zuerst gegen Russland, bis es daniederliegt, und dann gegen China, um endlich das „Ende der Geschichte“ (4) zu erreichen, in dem das Schlaraffenland der ewigen neoliberalen Ausbeutung der ganzen Welt durch eine unbesiegbare Bereicherungselite existiert. Das Modell der Unipolarität ist mit dem verlorenen Krieg gegen Russland jedoch gescheitert. Auch wenn es noch keinen tatsächlichen Frieden in der Ukraine gibt, kann die USA, selbst dann, wenn es zu keinem Frieden kommen solle, ihr altes neokonservatives Ansinnen nicht wieder aufnehmen.
Das Prinzip des Bereicherungs-Steigerungsspiels ist jedoch bisher nicht gebrochen. Nicht gebrochen ist die Herrschaft einer Klasse der Reichen (5) in ihrem „finanzialisierten“ Ausbeutungsparadies. Allerdings spaltet sich der kollektive Westen zusehends angesichts seiner Niederlage. Die USA versuchen, auf einem eigenen Weg „great again“ zu werden. Europa schlägt mit dem Kopf gegen die Wand und wundert sich über die Kopfschmerzen und den berauschenden Schwindelanfall, an dem „natürlich“ die Russen und nun — welch Aberwitz der Geschichte — auch die verräterischen USA schuldig sind. Nur die europäischen Eliten haben mit der Sache nichts zu tun, weshalb auch der künftige deutsche Kanzler heroisch nachäfft: „Deutschland ist zurück“ (6), und im Chor mit Ursula von der Leyen und BlackRock suggeriert, in vier Jahren — wie einst 1936 (7) — wieder zum Krieg gegen Osten bereit sein zu müssen (8).
Wir tanzen für die Reichtumskaste
Seit Jahrtausenden geht es darum, dass eine sich bereichernde Kaste „ihre“ Welt gestaltet. Mit der Entstehung dessen, was Karl Marx als „Kapitalismus“ definierte, begann vor rund fünfhundert Jahren ein europäischer Siegeszug rund um die Welt. Es war wohl auch ein Siegeszug von Innovation, Erkenntnis und Gestaltung der Welt zugunsten eines guten Lebens, aber weder in Europa noch auf der Welt ging es dabei um die Menschen, die alles erarbeiteten. Vielmehr ging es bei dem ungleichen Tanz immer nur um das gute Leben der Gewinner des neuen Steigerungsspiels.
Die europäischen Jahrhunderte waren daher begleitet von einem gewaltsamen Siegeszug der Konquistadoren, der Kolonisatoren, der imperialistischen Weltaufteilung und der verheerenden Kriege und Weltkriege. (9) Alles abgestützt auf der Umwandlung von Sklaverei und Fronarbeit in Lohnsklaverei und einem allumfassenden Geld-Betrug, der uns heute eine „finanzialisierte“ Geisterwelt des arbeitslosen Reichtumsanspruchs von Milliardären (11) beschert.
Doch gegen diese Entwicklungen gab es vielfältigen Widerstand und Revolutionen. Zuerst, zur Abschüttelung der Feudalherrschaft, die aufgeklärten demokratischen Revolutionen, vor allem die Französische und die Amerikanische Revolution. Diese ließen sich jedoch von Anfang an in den Zug des „kapitalistischen“ Steigerungsspiels setzen, das die bestimmenden Kräfte in Amerika direkt aus der Sklaverei und in Europa direkt aus der Feudalherrschaft des Ancien Régimes entwickelten. Das erneute Erblühen und der Schutz einer Reichen-Kaste waren wichtiger als die Demokratie. Dann die sozialistischen Revolutionen, die Oktoberrevolution in Russland 1917 und die Revolution in China mit ihrem Sieg 1949.
Diese Revolutionen jedoch beendeten das Steigerungsspiel und „das Eigentum an Produktionsmittel“ so radikal und diktatorisch, und ohne demokratische Abstützung, dass schließlich doch der „Kapitalismus“ weltweit obsiegte. Als „Sieger“ des Kalten Krieges setzten in der Folge die westlichen Bereicherungs-Oligarchen (11) vor allem auf einen auserwählten Staat und seine Medien-, Geheimdienst- und Militärmacht: auf „God‘s own country“, auf die exzeptionale Unipolarität des Imperiums USA. (10)
Die Unipolarität ist beendet
Aber die USA als Mutterland der „goldenen Milliarde“ (11) und mit ihr der ganze „kollektive Westen“ haben im selbst angezettelten Stellvertreterkrieg (20) in der Ukraine, der alles andere als „unprovoziert“ war (12), verloren. Damit ist die Chance auf Exzeptionalität, auf die weltdominierende westliche Machtentfaltung und auch schon das Ansinnen auf Unipolarität nicht mehr aufrechtzuerhalten. Es müsste schon sehr Unerwartetes passieren, dass diese These vor der Geschichte nicht standhält (13). Alles war jedoch im alten Europa entstanden, das nun an sein imperiales Ende kommt. Fünfhundert Jahre Weltvorherrschaft des europäischen Bereicherungs-Spiels gehen zu Ende. Wir stehen mitten in diesem Prozess und erkennen ihn, oder auch nicht.
Und Russland, China und die BRICS?
Russland und China wiederum haben aus ihren Versuchen, den westlichen Kapitalismus, Kolonialismus und Imperialismus durch ein sozialistisches Modell zu ersetzen, gelernt. Vornehmlich wohl, dass es so nicht geht. Aber trotzdem wollen sie aus gutem Grunde nicht erneut den über fünfhundert Jahre ausgetretenen Weg des völlig zügellosen „Kapitalismus“ gehen (14). Sie wissen noch, vor allem China, dass sie selbst auf diesem leidvollen Weg auf das Schwerste misshandelt wurden. Und das wissen auch — in der einen oder anderen Form — die weiteren Staaten, die sich als BRICS oder in vergleichbaren Organisationen zusammengeschlossen haben.
Ob die Kräfte, die sich nun erfolgreich wider die Vorherrschaft des kollektiven Westens stellten, eine neue Zukunft erfinden können, ist offen. Keineswegs jedenfalls haben sie schon gänzlich gesiegt. Dafür fehlt ihnen auch viel zu sehr eine klare gemeinsame Linie. Diese kann sich aber herausbilden — zum Beispiel bei den BRICS mit einem neuen Schritt in der Organisation eines weltweiten Geldsystems.
Jedenfalls, die Ansage an die Welt der „Goldenen Milliarde“ und ihre willkürliche „regelbasierte Ordnung“ ist ausgesprochen. Lassen wir die ehemals zu „Hauptfeinden“ erklärten (15) Präsidenten, Wladimir Putin und Xi Jinping, sprechen. Hier ein kurzer Ausschnitt aus der Erklärung nach ihrem Treffen in Peking im Mai 2024:
„Wir arbeiten gemeinsam an der Schaffung einer gerechteren und demokratischeren multipolaren Weltordnung, die auf der zentralen Rolle der UNO und ihres Sicherheitsrats, dem Völkerrecht, der kulturellen und zivilisatorischen Vielfalt sowie einem ausgewogenen Interessenausgleich aller Mitglieder der internationalen Gemeinschaft basiert“ (16).
Und Wladimir Putin formulierte bereits im Juni 2022:
„Die Wirtschaft des eingebildeten Reichtums wird unweigerlich durch die Wirtschaft der realen und harten Vermögenswerte ersetzt (werden)“ (17).
Als Marker für den, hier von Putin angesprochenen „eingebildeten Reichtum“ kann man das im Westen primär hofierte Primat der Finanzmärkte verstehen. Die „Finanzialisierung“ der Ökonomie und die uneingeschränkte Vorherrschaft der Klasse der Reichen, die sich hinter der proklamierten „Demokratie“ versteckt, ist vor allem ein westliches Muster, auf den Gipfelpunkt getrieben von BlackRock und Konsorten (18). Auch der Staat und die Politikergilde sind, anders als in Russland und China, klar an deren Gängelband.
Aber die Fassade des potemkinschen Dorfs der schrankenlosen Geldschöpfung zugunsten einer unproduktiven Reichenklasse wird in weiteren Krisen abbröckeln, wobei die Ursachen der Tendenz zum Zusammenbruch letztlich fast immer im Inneren der Systeme (19) zu finden sind.
Aufatmen vor dem Zusammenbruch?
Tatsächlich können die Menschen in Westeuropa zuerst einmal aufatmen, wenn die Gefahr eines Dritten Weltkrieges, die von der Haupt-Konfrontationsstellung USA-Russland ausging, in den Hintergrund tritt.
Trump scheint bereit zu sein, zu einem anderen Konzept überzugehen: Sei die Welt nunmehr aufgeteilt in Machtblöcke, Hauptsache, die USA werden dabei der stärkste Block sein — am besten mit einem einverleibten Grönland, Kanada und Panama und weiterer Teile Lateinamerikas und ja, auch mit einem staatsterroristisch planierten Nahen Osten. Das ist unverkennbar in Wahrheit der alte Imperialismus und es ist keine grundsätzliche Aufgabe von Herrschaftsanspruch zu sehen — aber eben bei Anerkennung, dass der Anspruch auf Unipolarität nicht haltbar ist (21).
Immerhin, mit dem Eingeständnis, dass die Exzeptionaliät nicht aufrechterhalten werden kann, geht einher anzuerkennen, dass Russland auch seine Existenzberechtigung hat. China, dem einst der Westen aus reiner kapitalistischer Profitgier (70 Cent pro Arbeitsstunde) selbst half, groß zu werden, bleibt zwar der Hauptkonkurrent, aber auch dieses China ist als eigenständige Größe anzuerkennen. Es kann noch weniger ruiniert werden, ebenso wie Russland. China kann und soll über Zölle eingedämmt werden. Aber Krieg? Ja, damit kann weiter gedroht werden, aber nicht mehr zur Sicherstellung der Unipolarität.
Und angeblich will Trump sich sogar für Abrüstung einsetzen. Mal sehen! Mögen die Absichten zum Teil ehrlich gemeint sein, das Risiko einer unkontrollierbaren Eskalation, die sich hinter einer „bewussten“ Steuerung Bahn bricht, bleibt bestehen. Ein Mix aus Zähneknirschen, Größenwahn, Gier, Aufputsch- und Beruhigungsversuchen wird mit Sicherheit nicht reichen, die Welt dauerhaft in friedliche und kooperative Bahnen zu lenken.
Nein, der allgemeine Frieden wird noch nicht ausbrechen, leider keineswegs. Ein Faktor dabei sind auch die noch immer verrückt agierenden Politiker Europas. Ein Kampf gegen die Wahnvorstellung der Militarisierung kommt bisher nicht breit in Bewegung (33). Und zudem nimmt die Schärfe des Konkurrenzkampfs auf der Welt um Ressourcen und Absatzmärkte zu und nicht ab.
„Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“ (22),
formulierte schon vor dem Ersten Weltkrieg der französische Philosoph, Historiker und Abgeordnete Jean Jaurès (1859 bis 1914). Und dieser Kapitalismus ist nicht überwunden, auch nicht in einer neuen Form.
Und gewiss, in den Hinterköpfen der Milliardärskönige von Donald Trump über Elon Musk, abgestützt auf Peter Thiel und Konsorten, und auch gewiss in den Hinterköpfen der anderen Fraktion mit Namen wie Bill Gates, George Soros und Konsorten, wird der Traum von der finanziellen und technologischen Übermacht und der digitalen Kontrolle nicht begraben sein.
Auch kann ganz aktuell die Gefahr eines Dritten Weltkriegs schnell wieder aufflammen, wenn der westlich unterstützte Völkermord gegen die Palästinenser und das Morden in Syrien und der Krieg gegen den Jemen auf den Iran ausgedehnt werden sollte. Trump unterstützt Israel offen in seinen Verbrechen ohne Wenn und Aber. Der Iran ist mit Russland und China strategisch deutlich fester verbunden als noch vor dem Ukraine-Krieg. Es ist nicht wirklich vorstellbar, dass Russland und China den Iran als Verbündeten fallen lassen, zugunsten der USA und Israels (31).
Die Welt ist keine monokausale Wirkkette der Milliardärskaste
Mit dem erzwungenen Ende des geopolitischen Anspruchs auf Unipolarität wird auch das Ansinnen der „Globalisten“ auf der Weltbühne in Bedrängnis kommen. Universelle Macht kann totalitär angestrebt werden, aber der Widerstand ist groß. Es ist falsch, sich die Welt monokausal in einer Wirkkette vorzustellen, bei der die Kaste der Milliardäre beliebig alles zu steuern vermag (23). Ökonomische und staatliche Macht mag enorm groß sein, aber sie kann nicht alles kontrollieren und vorausschauend planen. Das ist eine gigantische Überschätzung von Macht.
Man kann das zum Beispiel leicht sehen an der Angst der Herrschenden vor der „öffentlichen Meinung“. Alleine in dem kurzen Chat in der Signal-Gruppe von US-Befehlsgebern zum militärischen Angriff auf den Jemen kommt sechsmal diese Sorge vor der Frage vor: „Wie wird es die öffentliche Meinung beeinflussen?“ (34). Es gibt weltweit großen Widerstand, es gibt nicht erkennbare innere Widersprüche, es gibt persönliches Psychopaten-Dasein, Dummheit und Unfähigkeit. Das alles macht es unmöglich, dass es ein alles dominierendes stabiles Gebäude der Unterdrückung geben kann.
Schauen wir auf Europa: Es ist offensichtlich, dass es gemeinsam mit den USA nicht gelang, Russland zu stürzen beziehungsweise zu ruinieren — so sehr man auch die Opferung der ukrainischen Bevölkerung in den Schützengräben im Osten gesetzt hatte und den Ruin der eigenen Wirtschaft in Kauf zu nehmen bereit war. Nun will es Europa alleine versuchen.
Der Wahnsinn mag ja großspurig daherkommen, aber da ist von rationaler Planung einer „Neuen Weltordnung“, eines „Great Reset“, keine Rede — soviel man auch hektisch an den Stellschrauben drehen mag. Von der digitalen Zentralbankwährung, über erzwungene „Mobilisierung“ von privatem Vermögen, über gigantische Kreditaufnahmen und erzwungene Verarmung, über lächerlich-irre Kriegsvorbereitungen, über die Re-Definition faschistoider Herrschaftspraktiken, nichts davon wird einen „globalistischen Endsieg“ hervorbringen!
In einem Gespräch mit Pascal Lottaz, dem Herausgeber des Podcasts Neutrality Studies, hat der Europa-Abgeordnete Michael von der Schulenburg seine Einschätzung so getroffen:
„Wir (die EU) werden nur 4,5 Prozent der Bevölkerung ausmachen und nur 9 Prozent des globalen BIP erwirtschaften. (…) Wir wollen eine Supermacht werden und verhalten uns bereits so, als wären wir eine. Nein, ich denke, die Europäische Union wird an ihrer Ukraine-Politik scheitern. Ich glaube, wir stehen kurz vor dem Zusammenbruch und der Zusammenbruch wird von den Finanzen kommen. (…) Deshalb denke ich, dass die Europäische Union den Bezug zur Realität völlig verloren hat. (…) Aber, (schränkt er ein) das Beruhigende an der ganzen Sache ist, dass Europa nichts tun kann, (…), weil sie nicht die Mittel haben, irgendwelche Dummheiten zu begehen. Aber was sie tun, ist natürlich, Europa zu untergraben“ (24).
Mehr vom Gleichen — bis zum Wandel
Nehmen die inneren Krisenerscheinungen zu, so steuert alles auf Untergang oder auf einen „fulgurativen“ Sprung (25) zu: das plötzliche Umschlagen in eine neue Qualität.
Da Europa alleine das Kriegsross nicht über die Hürden zwingen können wird, wird es scheitern. Europa wird nackt dastehen, aber die wirtschaftliche Kraft, der Ideenreichtum, die Offenheit, das Streben nach besseren Lösungen, geboren aus der inneren Kraft der europäischen Bevölkerungen, wird nicht so schnell untergehen.
Zusammenarbeit der Menschen kann auch auf andere Art funktionieren, als sie die Bereicherungs-Eliten organisieren. Eine freundliche Kooperation mit China und Russland können wieder ins Lot gebracht werden. Eine faire Zusammenarbeit mit dem globalen Süden ist möglich.
Mit den heutigen Eliten ist all dies völlig unvorstellbar, aber es kann sich ändern, wenn der Souverän selbst spricht. Gewiss, dieser muss erst klar sprechen lernen. Eine wirkliche Befreiung von den Zwängen, die sich Europa selbst auferlegt hat, indem es mit der Demokratie letztlich nie ernst machte, weil es die Herrschaft der Klasse der Reichen nie zu brechen bereit war, wird es erst geben, wenn gemeinsam das Ende ebendieser Bereicherungsökonomie angestrebt wird (27).
Jedenfalls wird Europa, in welcher Zerfalls- oder Einigungsform auch immer, über seinen Schatten springen müssen. Hic Europa, hic salta (32). Wird Europas Erfahrung und Weisheit nicht mehr von gierigen, verbrecherischen, morbiden Eliten blockiert, so kann es sich auf seine reiche, kämpferische, demokratische, sozialistische, liberale (28) und vor allem auch aufklärerische Tradition besinnen (29). Daraus kann es einen neuen Weg einschlagen, einen Weg der Neutralität, der Abrüstung, von Höchsteinkommen, von Kontrolle der Geldmacht und anderes mehr. So ist die Chance auf eine Katharsis gegeben (30), die nicht wieder in eine Herrschaft der Superreichen mündet.