Wir sind Frieden

Wir stellen unbekannte Friedensaktivisten vor, die im Kleinen einen wichtigen Beitrag leisten. Teil 1.

„Ein Baum, der fällt, macht mehr Krach als ein Wald, der wächst“, heißt ein tibetisches Sprichwort. Unsere Aufmerksamkeit ist meist auf dramatische und negative Ereignisse fokussiert. Auch verleiten uns die Medien, Politik als „Königsdrama“ zu interpretieren, in dem mächtige und prominente Akteure unsere Geschicke lenken. Dabei sehen wir nicht, wie viele „kleine“ Initiativen und engagierte, ganz unprominente Einzelpersonen Tag für Tag Zeichen der Hoffnung setzen. Sie halten das Gemeinwesen „mit ihrem Mut am Leben“, wie Reinhard Mey sang. Andrea Drescher wird ab jetzt einige von ihnen porträtieren. Zuerst Silvia Donninger, die über den Wiederstand gegen TTIP zur Friedensbewegung kam und sich auf Kritik am herrschenden Finanzsystem spezialisiert hat.

Andrea Drescher: Ist TTIP der Grund deines Einstiegs in die Friedensbewegung?

Silvia Donninger: Erst kamen TTIP und der Hypo-Skandal in Österreich und kurz darauf die Ukraine-Krise. Ich habe gespürt: Irgendwas stimmt nicht mehr. Weiter wie bisher machen weder Mensch noch Erde mit. Das wurde dann das Motto für mein Tun.

Wo engagierst du dich?

Durch Facebook habe ich seit 2013 zahlreiche Kontakte aufgebaut. Werner Nosko schrieb mich an, ob wir nicht gemeinsam etwas machen sollten. So entstand das TTIP-Aktionsbündnis Österreich. Zeitgleich ging es mit der ersten Friedensmahnwache Anfang Juni in Salzburg los, die ich mit Unterstützung ins Leben gerufen habe. Die zweite habe ich dann allein organisiert, Flyer gedruckt, angemeldet ... Was eben ansteht. Und obwohl das Wetter schlecht war, kamen immerhin 25 Personen.

Aus dieser Gruppe entstand unsere Salzburger Montags-Info. Sechs Aktive haben sich zusammengetan und eine Zeitlang monatlich Informationsveranstaltungen in Salzburg organisiert.

Um was für Informationen ging es?

Eigentlich um alle Systemfragen. So war zum Beispiel Dr. Otmar Pregetter zum Thema Geldsystem, Geldschöpfung und Zinseszins vertreten. Andere Themen waren Bildung, Agrar-Industrie, Wirtschaft oder Medien. Heute treffen wir uns noch sporadisch zum Stammtisch und tauschen uns aus. Aktionen laufen im Moment keine, aber jeder ist weiterhin aktiv.

Wie denn?

Eine von uns lebt und arbeitet mittlerweile am Anastasiahof, wo gerade eine Aus- und Weiterbildungsstätte unter anderem zur ökologischen Landwirtschaft aufgebaut wird. Ich betreue die TTIP-Seite und unterstütze Werner bei unserem Blog NPR-News. Damals haben wir auch die Bürgerinitiative gegen CETA gestartet. Das war sehr viel weiter fortgeschritten als TTIP.

Während unserer Aktion „Nein zu CETA“ im September 2014 lag TTIP noch in weiter Ferne. CETA war ausverhandelt, aber fast keiner kannte es. Trotzdem konnten wir knapp 1.000 Unterstützungserklärungen an die Bundesregierung übergeben und Werner wurde dann auch zu einem Hearing mit einem Vertreter der EU-Kommission und ExpertInnen im Petitionsausschuss eingeladen.

Tut sich bei TTIP überhaupt noch etwas?

Natürlich. Es gibt die TTIP Aktionsbündnis-Seite mit ihren zugehörigen Gruppen. Auf der Seite haben wir rund 47.000 Follower, in den Gruppen sind circa 2.000 Mitglieder. Obwohl TTIP auf Eis zu liegen scheint, da Trump Freihandelsabkommen ja ablehnt, liest man von Nachverhandlungen. CETA und TISA sind mindestens ebenso kritisch zu betrachten. Auch wenn man von TISA, dem Dienstleistungsabkommen, fast nichts mitbekommt, im Hintergrund wird weiter verhandelt.

Wie schätzt du den Widerstand in Österreich gegen die Abkommen ein?

Glaubt man Medien und NGOs, sind 80 Prozent der Österreicher gegen CETA, das ja jetzt erst vom Parlament ratifiziert werden muss. Eine Regierung, die das macht, handelt eindeutig gegen den Willen der Menschen. Die FPÖ hat ja vor der Wahl getönt, dass es mit ihnen kein CETA gäbe. Und jetzt stimmen sie alle dafür. Aber die Menschen lernen leider nicht dazu.

Trotzdem betreibst du die Seite sehr aktiv weiter?

Ja, weitestgehend im Alleingang. Im Moment beschäftige ich mich auf der Seite mit allen kritischen Themen und versuche Zusammenhänge herzustellen, die sich aus den vielen verschiedenen Informationen ergeben. Vormittags gibt es Aktuelles; nachmittags dann einen spezifischen Schwerpunkt. Das ist die wahre Arbeit. Es ist zeitaufwändiger; ein Thema durchgängig zu behandeln; als nur irgendwas zu teilen. Wichtig ist aber, dass unsere Leser einen Überblick erhalten. Aber meine Arbeit wird von Facebook nicht so sehr geschätzt.

Wurdest du auch schon durch Facebook behindert?

Leider immer öfter. Zum Beispiel werde ich für das Hochladen von Videos gesperrt, die ich wiederholen wollte, weil das Thema im Video immer noch brisant ist — doch auf einmal werden sie zensuriert. Diese Sperre dauert drei Tage. Dann wird mir nach viermaligem Teilen eines Berichts, der durch alle Medien ging, mitgeteilt, dass mein Beitrag ein Spam sei — und ich darf eine Woche lang nichts mehr teilen.

Auch Werner trifft es immer öfter mit Sperren. Sehr viele Follower berichten über die gleichen Probleme. Sie werden gesperrt, weil sie unsere Berichte teilen, oder einfach selbst etwas posten — es wird immer schlimmer.

Wofür steht denn NPR?

NPR steht für Networking-Portal-Resistance: ein Widerstandsportal. Da kann man sich direkt informieren. Es schreiben mehrere Autoren zu den verschiedenen systemrelevanten Aspekten, und es gibt eine Kolumne zu geschichtlichen Themen. Man kann sich für einen Newsletter anmelden und erhält die Informationen per Mail.

Je mehr auf Facebook zensiert wird, desto wichtiger sind diese alternativen Kanäle. Wir wollen Menschen anregen, ins Handeln überzugehen. Auf NPR findet man daher einen Artikel „Es liegt in deiner Hand“, in dem wir Vorschläge machen, was der Einzelne tun kann, ohne gleich auf die Straße zu gehen.

Hast du irgendwelche Einnahmen aus deiner Arbeit?

Nein. Wir machen das alles kostenlos. Es gibt zwar jetzt ganz neu einen Spenden-Button bei NPR News, einfach um die Kosten für Server, Flyer und ähnliches zu decken, verdienen tut man aber nichts. Wir bekamen vor einiger Zeit ein Angebot, mit unseren YouTube-Kanälen eventuell ein bisschen Geld zu verdienen. Dies lehnten wir jedoch ab, da wir unabhängig bleiben wollten.

Was treibt dich denn, das alles zu tun, das kostet doch Zeit?

Das stimmt, es sind zwei bis vier Stunden pro Tag, aber das ist es mir wert. Ich hab Sorge um die Zukunft meiner Tochter und meiner Enkelin. Ich verzweifele manchmal an der Ignoranz der Menschen. Man versucht zu vermitteln, was auf uns zukommt, wenn man keinen Widerstand leistet. Und dann wird man entweder nur belächelt, als Verschwörungstheoretiker diffamiert oder es kommen Antworten wie: „Ich weiß es eh, aber was soll ich denn machen?“

Es tut weh, dass viele an nichts außer Konsum, Shoppen und Spaß interessiert sind. Das gehört natürlich auch alles zum Leben dazu, aber ich frage mich immer, ob den Menschen die Zukunft ihrer Kinder egal ist? Die Welt gerät immer mehr aus den Fugen. Lässt man den Mächtigen freie Bahn, wird das keine schöne Zukunft für unsere Kinder. Ich kann da nicht tatenlos zuschauen.

Dir und allen Kindern dieser Welt eine schöne Zukunft!


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Silvia Donninger, geboren 1957 in München, wohnhaft seit 1960 in Salzburg, verheiratet, Mutter einer Tochter und Vollzeit-Oma einer Enkelin, Bürokauffrau bis zur Rente 2017, Hobbys: Silvia schwimmt und liest gern — und sie versucht den Menschen nahezubringen, warum wir eine komplette Änderung unseres Wirtschafts- und Finanzsystems brauchen.