Wir sind Frieden

Andrea Drescher stellt unbekannte Friedensaktivisten vor, die im Kleinen die Welt verbessern. Teil 7.

„Ein Baum, der fällt, macht mehr Krach als ein Wald, der wächst“, heißt ein tibetisches Sprichwort. Unsere Aufmerksamkeit ist meist auf dramatische und negative Ereignisse fokussiert. Auch verleiten uns die Medien, Politik als „Königsdrama“ zu interpretieren, in dem mächtige und prominente Akteure unsere Geschicke lenken. Dabei sehen wir nicht, wie viele „kleine“ Initiativen und engagierte, ganz unprominente Einzelpersonen Tag für Tag Zeichen der Hoffnung setzen. Sie halten das Gemeinwesen „mit ihrem Mut am Leben“, wie Reinhard Mey sang. Andrea Drescher porträtiert einige von ihnen. Heute Erik Schaldach, einen Organisatoren von Friedens-Mahnwachen.

Andrea Drescher: Seit wann bist du auf der Straße?

Erik Schaldach: Es begann 2012 mit den ACTA-Demos. Da war ich erst passiv als Teilnehmer dabei. Ich sah, dass Rechte eingeschränkt werden sollten und hohe Strafen für Lappalien drohten. Das gefiel mir nicht.

Wann wurdest du aktiv?

Das war Anfang 2014. Wir saßen in Arbeitsgruppen zusammen und beschäftigten uns mit politischen Themen. Als im März in Berlin die Mahnwachwachenbewegung entstand, führte das bei uns in Leer am 5. Mai zur ersten Mahnwache für den Frieden.

Wie lief es in Ostfriesland?

Beim ersten Mal waren wir 55, beim zweiten dann schon 70, später pendelte es sich um die 60 ein. Während der Fußball-WM waren es weniger, aber der harte Kern von 25 durchstand gemeinsam 80 Mahnwachen. In die Orga-Gruppe konnte jeder seine Stärken einbringen: Internet, Organisatorisches, Technik, Logistik. Mein Vater hat uns mit seinem Kombi immer die Sachen — Zelt, Technik, Unterlagen — gebracht. Wir waren eine fixe Crew. Besonders eng habe ich mit Marco Benotti zusammengearbeitet und verschiedene Projekte gestartet. So haben wir zum Beispiel den Ukraine-Hilfstransport von Björn Apostel von der Mahnwache Leer aus unterstützt.

Kennst du Marco schon lange?

Nein, wir haben uns erst in diesem Rahmen kennen gelernt. Wir wollten beide am selben Tag die Mahnwache beim Ordnungsamt anmelden. Er hat morgens angerufen — da war der Zuständige aber nicht da — und ich bin nachmittags gegen 15 Uhr zur Öffnungszeit aufs Amt gegangen. Da sagte man mir, dass am Morgen schon jemand Kontakt aufgenommen habe. Daraufhin bat ich die Beamten gebeten, Marco meine Daten weiterzugeben. Ich wohnte damals 400 Meter vom Amt entfernt. Ich war kaum zuhause, da klingelte schon das Telefon. Marco stellte sich vor und schlug vor, dass wir uns treffen. Ich lud ihn gleich zu unserem nächsten Arbeitsgruppentreffen zu mir nach Hause ein. Nach kurzer Zeit waren wir per Du. Wir lagen auf der gleichen Welle, uns interessierten die gleichen Themen, so dass wir die Mahnwache von Anfang an gemeinsam planten.

Wie ging es für dich weiter?

Ich war bei circa 60 Mahnwachen in Leer dabei, habe dann eine Zeitlang in Oldenburg gewohnt und war dort in der Orga aktiv.

Im Rahmen der großen Monsanto-Demo haben wir das Bündnis Nordwest — sechs Städte, eine Stimme — bei mir im Garten gegründet. Alle Orgas waren auf der Demo in Leer und haben sich anschließend bei mir getroffen. Man muss sich näher kennen lernen; der persönliche Kontakt ist wichtig, um zu wissen, wie der andere tickt. Unser Ziel war, gemeinsam mehr Leute zu erreichen, eine gemeinsame Mahnwache, einmal im Monat jeweils am Samstag, in der Rotation in diesen sechs Städten. Je mehr Menschen bewusst ist, wie krank das System ist, umso besser.

Was stört dich denn besonders?

Das ganze unfaire System, die ungerechte Besteuerung, das endlose Wachstum, das in einer endlichen Welt nicht funktionieren kann. Man muss langfristig und nachhaltig denken. Wichtige Themen werden durch Patentrecht unterdrückt, wichtige Informationen gehen verloren. Wissen sollte für alle frei verfügbar sein. Menschen sollten gleiche Start- und Lebenschancen haben. Und natürlich das Thema Krieg: Warum gibt es Krieg? Es geht doch nur darum, Machtinteressen durchzusetzen.

Es sind nur ganz wenige Menschen an wichtigen Entscheidungen beteiligt. Wir leben ja auch nicht wirklich in einer Demokratie: überall setzen sich Lobbygruppen und Konzerne durch.

Menschen, die in die Politik gehen, um etwas Gutes zu tun, werden mundtot gemacht und verschwinden wieder. Hier bestand und besteht dringender Informationsbedarf. Dafür gibt es Informationskanäle wie KenFM oder Menschen wie Eugen Drewermann oder Dr. Daniele Ganser, aber eben auch Mahnwachen und andere Protestformen.

Was gehört für dich dazu?

Zum Beispiel die Ramstein-Proteste, da war ich von Anfang an dabei. Daraus entstand unser Friedlicher Protestkonvoi. Jenny und Chris haben ihre Wohnmobile angemalt, wir haben unsere Autos bemalt, sind gemeinsam auf die Demos gefahren und haben andere Aktivisten mobilisiert. Inzwischen haben wir weit über 40 Städte angesteuert — alle großen Städte, manche mehrmals und auch schon eine Rundfahrt durch den Osten gemacht. Dann war ich bei den TTIP-Demos in Hannover und Berlin. Ich will durch Protest auf der Straße Zeichen setzen und auf wichtige Themen aufmerksam machen, möchte den Menschen bewusst machen, dass es um eine sichere Zukunft auch für ihre Kinder geht. Man muss gar nicht viel tun — es hilft schon, etwas nicht zu tun, zum Beispiel Produkte von Großkonzernen nicht mehr zu kaufen.

Am 9. Mai 2015 war unsere PeaceParade in Leer, angelehnt an die Love Parade. Da lag der Schwerpunkt mehr auf Musik als auf Redebeiträgen. Ungefähr 200 Menschen haben mitgefeiert — mit Musik spricht man Menschen leichter an. Das sieht man ja beim Pax Terra Musica.

Du bist bei Pax Terra aktiv?

2017 habe ich dort im Sani-Bereich mitgeholfen und den Sanitätsdienst mitorganisiert, nachdem die zugesagten Sanis kurzfristig abgesprungen waren. Wir mussten improvisieren, alles, was man braucht — einen Arzt, ein Zelt und ein paar qualifizierte Helfer, Sanitätskoffer, Massage-Liege — organisieren. Die Verantwortlichen vom Ordnungsamt waren aber sehr zufrieden mit dem, was wir auf die Beine gestellt haben. 2018 sollte es entspannter werden, aber als Aufbauhelfer mache ich gerne wieder mit. Wenn helfende Hände gebraucht werden, bin ich immer gerne dabei. Auch die Bärensuppe-Tour habe ich begleitet, war Kameramann, Tontechniker, Fahrer für fast die ganze Tour, solange es nicht mit meinem Job kollidierte.

Du bist also Macher?

Ja, Macher und Netzwerker. Ich bringe gerne Menschen zusammen und kann gut organisieren. Jetzt versuche ich, Human Connection zu pushen. Wir müssen noch Sponsoren finden, die regelmäßig 10 Euro im Monat zusammenbringen, um die Weiterentwicklung der Plattform zu gewährleisten. Bei den Human Connection Kamingesprächen bringe ich mich ebenfalls mit ein. Bei denen wird in lockerer Gesprächsrunde diskutiert, mit welchen Ideen wir das Projekt fördern und vorantreiben können.

Vermutlich werde ich mit Björn Apostel zusammen das Friedensmanifest 2018 organisieren, das Ende Juni in der Nähe von Hannover stattfinden soll. Die bisherigen Organisatoren sind Eltern geworden und haben dementsprechend dieses Jahr keine Zeit dafür.

Es kommt bei dir sicher keine Langeweile auf — viel Spaß dabei!


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Erik Schaldach, Jahrgang 1978, geboren und wohnhaft in Leer, bekannt als Enrico Schadali. Der gelernte Kfz-Mechaniker & Systemelektroniker war selbstständig im Vertrieb von Unterhaltungselektronik und Event-Organisation, ist jetzt als Security bei Autorennen tätig. Zu seinen Hobbys zählen Menschen, Netzwerken, Reisen und Aktivismus auf der Straße.