Wir sind Frieden

Wir stellen unbekannte Friedensaktivisten vor, die im Kleinen einen wichtigen Beitrag leisten. Teil 4.

„Ein Baum, der fällt, macht mehr Krach als ein Wald, der wächst“, heißt ein tibetisches Sprichwort. Unsere Aufmerksamkeit ist meist auf dramatische und negative Ereignisse fokussiert. Auch verleiten uns die Medien, Politik als „Königsdrama“ zu interpretieren, in dem mächtige und prominente Akteure unsere Geschicke lenken. Dabei sehen wir nicht, wie viele „kleine“ Initiativen und engagierte, ganz unprominente Einzelpersonen Tag für Tag Zeichen der Hoffnung setzen. Sie halten das Gemeinwesen „mit ihrem Mut am Leben“, wie Reinhard Mey sang. Andrea Drescher porträtiert einige von ihnen. Heute Thomas Weiss, Tierrechts-, Menschenrechts- und Friedensaktivist.

Andrea Drescher: Ist Veganismus für dich Friedensarbeit?

Thomas Weiss: Ja! Tierrechte, Menschenrechte und Frieden sind für mich gleichwertig. Für diese Themen engagiere ich mich je nach Möglichkeit. Sie gehören als Trinität der wichtigen Dinge untrennbar zusammen.

Inwiefern hängt das zusammen?

Ein Beispiel: Der Großteil des weltweiten Anbaus von Soja geht als Tierfutter in die Massentierhaltung. Das bedeutet die Rodung von Regenwäldern, die Verseuchung von Böden mit Pestiziden und anderen giftigen Stoffen, die Überdüngung und daraus resultierende Umweltschäden. Das wirkt sich letzten Endes schädlich auf den Menschen aus. Gäbe es keine Massentierhaltung und würde man seltener, aber dann hochwertiges Fleisch aus tiergerechter Bio-Haltung konsumieren, wäre ein wichtiger Schritt getan, wenngleich meine Philosophie wesentlich weiter geht und Tiernutzung generell ablehnt.

Was heißt für dich Bio-Haltung?

Es gibt viele Gütesiegel, das kann man also nachlesen. Für mich heißt Bio-Haltung, dass das Futter soweit möglich aus der Region kommt, keine synthetischen Stoffe — sondern eben Bio-Futter — eingesetzt werden und regelmäßig die Einhaltung der Tierschutzgesetze kontrolliert wird. In der Realität sieht das jedoch leider manchmal anders aus.

Du bist Veganer, aber verurteilst die „Omnis“ — die Allesesser — nicht?

Das bringt doch nichts. Auf Menschen loszugehen, führt nicht zu Veränderung. Menschen können immer dazulernen. Ich war in der Vergangenheit auch anders drauf. Mensch zu sein bedeutet meiner Meinung nach viel mehr als nur eine Haltung zu einem gewissen Thema. Deshalb sollte man Menschen generell in ihrer Würde respektieren, unabhängig von unterschiedlichen Auffassungen zu diesem oder jenem Thema.

Wie engagierst du dich?

Das ist unterschiedlich. Meist sind es Aktionen, die ich im Rahmen von Total Liberation Now, Veganes Zeitalter oder VGT im Osten Österreichs durchführe. So stehen wir zum Beispiel mit Karten vor den Filialen der Fast Food Ketten und machen die Menschen auf die Auswirkungen und das Leid von Tieren und Menschen aufmerksam, die sich aus dem Fleischkonsum — hauptsächlich in der Dritten Welt, aber auch bei uns — ergeben. Ab 2013 haben wir Mahnwachen für Tierrechte abgehalten, dann gibt es Mahnwachen vor Bekleidungs- und Modehäusern. Die Aufklärung der Konsumenten ist das Wichtigste — nur durch aufgeklärte Verbraucher kann Veränderung herbeigeführt werden. Was der Konsument nachfragt, wird produziert. Und Fortschritte erkennt man ja daran, wie sehr der Anteil an veganen Produkten in den Supermärkten angestiegen ist.

Bist du auch jenseits von Veganismus aktiv?

Ich interessiere mich für Subsistenzwirtschaft in Form biologischer landwirtschaftlicher Kooperativen. Ich war 2016 Mitglied im Verein „Wilde Rauke“ in Wien, wo rund 25 Mitglieder biologische Landwirtschaft im Eigenanbau betreiben. Der Ertrag wird auf alle aufgeteilt — eigentlich ein großer Selbstversorgungsgarten für alle. Während ich im ersten Jahr aktiv mitarbeiten konnte, unterstütze ich den Verein aus Zeitgründen jetzt nur noch passiv und versorge mich aus dem Bio-Reformladen in meiner Nachbarschaft beziehungsweise mit Bio-Produkten aus dem Supermarkt.

Im Bereich Tierschutz bin ich auch konkret aktiv. Neben Patenschaften für Gnadenhöfe und Spenden für Tierschutz haben wir versucht, die Umwidmung eines Feldes zu verhindern. Dort lebt beziehungsweise lebte eine Ziesel-Population, die leider jetzt ihren Lebensraum verliert. Wir haben jahrelang gekämpft, selbst Politiker waren aktiv am Feld vor Ort, um das Ganze aufzuhalten — aber … keine Chance. Auf höherer Ebene wurde es genehmigt und jetzt wird alles betoniert. Manchmal ist es schon frustrierend. Die Menge all dieser täglichen negativen Nachrichten, diese zunehmend üble Entwicklung zehrt auch an einem. Da machen Aktionen wie die Druschba 2016 richtig Spaß!

Du meinst die Friedensfahrt Berlin-Moskau — warum bist du mitgefahren?

Es war für mich eine längst überfällige Notwendigkeit zum Völkerverständnis. In unseren Medien wird ein falsches Bild von Russland gezeichnet, ständig wird Russland als Aggressor dargestellt. Bei aller Kritikwürdigkeit: Russland ist meiner Meinung nach Opfer einer westlich-neoliberalen Politik-Agenda. Ich habe die Gelegenheit genutzt, Menschen kennen zu lernen und mir vor Ort ein eigenes Bild von Situationen und Zuständen zu machen. Das in den Medien präsentierte Bild wollte ich durch Teilnahme an dieser Fahrt überprüfen. Die Fahrt bot mir den Rahmen, der mir andere Betrachtungsweisen, andere Perspektiven ermöglichte. Es ist einfach etwas anderes, über ein Land zu lesen, als es zu bereisen. Obwohl es natürlich auch wichtig ist, andere Menschen zu informieren. Das tue ich ja selbst im Web.

Du bist auch im Internet aktiv?

Ja, ich habe schon viele Beiträge auf Facebook veröffentlicht, habe circa 1.900 Freunde und versuche, die Menschen mit meinen Themen zu erreichen, Diskussion anzuregen und in den verschiedenen Gruppen zu führen, eben Impulse zu geben. Ich schreibe eben sehr gerne, würde es gern hauptberuflich machen.

Welche Themen treiben dich hauptsächlich um?

Meine Schwerpunkte sind: Veganimus, Politik und Wirtschaft — dabei insbesondere Systemfragen wie Neoliberalismus, Imperialismus, Marktradikalismus und Neo-Kolonialismus. Das, was man im Alltag erlebt, muss man im Kontext dieser Themen sehen, sonst verläuft man sich in Symptomatik und streitet über Kleinigkeiten. Man hat ja den Eindruck, alles wird Richtung Streit und Spaltung gelenkt, damit sich die Menschen nicht mit den wirklich wichtigen Themen beschäftigen. Und es funktioniert leider erschreckend gut. Was im Umfeld der veganen Bewegung passierte, ist ein trauriges Beispiel dafür.

Was war denn da los?

Als mir die Missstände im Bezug auf Tierrechte bewusstwurden, veröffentlichte ich viel auf veganen Seiten im Netz. Dadurch wurden Hetzer auf mich aufmerksam und haben mich an den Meinungspranger gestellt. Es gab konkrete Angriffe auf Webseiten und seitens einer pseudolinken Zeitung. Durch diese Diffamierung bin ich eigentlich erst in die Politik gekommen, denn vegan bin ich seit mehr als 7 Jahren. Die Aggression war schon ganz schön heftig.

Kann es an dir liegen?

Nein, das glaube ich nicht. Ich versuche — bei aller Ehrlichkeit, die mir enorm wichtig ist — immer sehr harmonisch und diplomatisch zu bleiben. Davon kann sich jeder in den Hangouts, die ich zusammen mit Wätzold Plaum in „Meine Wikiwelt“ gemacht habe, selbst überzeugen. Meine Grundhaltung ist Frieden, auch beziehungsweise gerade im Umgang mit anderen Menschen.

Dann bleib bitte weiter friedlich!


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Thomas Weiss, Jahrgang 1974, ist in Wien geboren und wohnhaft. Er arbeitet als kaufmännischer Angestellter, ist verheiratet und hat eine Tochter. Zu seinen Interessen zählen Geschichte, Philosophie, Kunstgeschichte, Literatur, Zeichnen, Kreativität, Musik, Botanik und Selbstversorgung sowie Veganismus.