Wir sind Frieden
Wir stellen unbekannte Friedensaktivisten vor, die im Kleinen einen wichtigen Beitrag leisten. Teil 2.
„Ein Baum, der fällt, macht mehr Krach als ein Wald, der wächst“, heißt ein tibetisches Sprichwort. Unsere Aufmerksamkeit ist meist auf dramatische und negative Ereignisse fokussiert. Auch verleiten uns die Medien, Politik als „Königsdrama“ zu interpretieren, in dem mächtige und prominente Akteure unsere Geschicke lenken. Dabei sehen wir nicht, wie viele „kleine“ Initiativen und engagierte, ganz unprominente Einzelpersonen Tag für Tag Zeichen der Hoffnung setzen. Sie halten das Gemeinwesen „mit ihrem Mut am Leben“, wie Reinhard Mey sang. Andrea Drescher porträtiert einige von ihnen. Heute Jan Dahlgrün.
Andrea Drescher: Warst du schon immer politisch?
Jan Dahlgrün: Nein. Ich war zwar in der 80er Jahren Teil der Menschenkette gegen die Pershing-Raketen — aber damals war das Friedensengagement noch in der Gesellschaft verankert. Ich war zu jung für die 68er, und als ich studierte, ging es in den Demos um Studienordnungsveränderungen. Wir haben Polizisten geärgert, waren aber nicht wirklich politisch. Erst im Februar 2014 mit der Geburt meiner Enkelin änderte sich etwas. Ich bekam eine andere Lebensperspektive. Bei Enkeln blickt man weiter nach vorn. Ich fragte mich: Wie entwickelt sich unsere Gesellschaft? Und dann kam am 8. März 2014 das Schlüsselereignis.
Was war das?
Ich zappte durch die Kanäle — damals sah ich noch fern — und blieb bei BBC hängen. Man berichtete, dass MH370 verschwunden sei. Daraufhin hatte ich intuitiv ganz stark das Gefühl „Etwas stimmt nicht. Was ich höre, ist nicht die Wahrheit“. Um mir das rational zu erklären, habe ich die Informationen zum Verschwinden der Maschine sehr sorgfältig analysiert. Dabei fielen mir enorme Unstimmigkeiten auf. Es gab zahlreiche Widersprüche, so dass ich begann, die Medien in Frage zu stellen.
Kannst du mir Beispiele dazu geben?
Der Pilot von MH370 hatte am Simulator verschiedene Ziele geprobt, darunter die Malediven und Diego Garcia. Wer kannte schon Diego Garcia? Dank Google erfuhr ich, dass es eine riesige US-Militärbasis im indischen Ozean ist, die ursprüngliche Bevölkerung des Atolls war abgesiedelt worden. Laut Flugbahnanalyse flog MH370 erst in Richtung Westen und bog dann entweder nach Süden oder Norden ab. Der direkte Weiterflug hätte in Richtung Malediven und Diego Garcia geführt. Dann fand ich die Meldung, dass der Flughafen auf Diego Garcia genau zu dieser Zeit für 72 Stunden geschlossen war. Ich habe das auf Facebook gepostet und meine Kontakte nach Erklärungen gefragt. Kurz danach war mein Posting gelöscht — ich hatte weder Screenshots noch Sicherungskopien gemacht. So wurde ich dann vollends skeptisch. Warum wird ein Post von mir gelöscht? Wenn es Unsinn wäre … Hat man Angst, dass sich diese Infos verbreiten?
Parallel berichteten die Medien über eine der größten Suchaktionen, die man je erlebt hat. Für mich war das eine massive Nebelkerze. Ich kann mich noch erinnern, dass in Spiegel Online eine Liste von Erklärungen über die möglichen Ursachen des Verschwindens erschien. Vom Brand über Selbstmord — an vorletzter Stelle wurde Diego Garcia aufgeführt, direkt gefolgt von „Aliens aus dem Weltall“. Meine persönliche Theorie lag an vorletzter Stelle vor den Aliens. Die Assoziation „Wer das sagt, ist ein Spinner“ lag schon sehr nahe. Bis dahin hatte ich mich nie mit Medienmanipulation beschäftigt, aber aufgrund meines verschwundenen Postings fühlte ich am eigenen Leibe, wie Menschen manipuliert werden.
Ein Augenzeuge von den Malediven berichtete, die Maschine im Tiefflug gesehen zu haben. Die Meldung kam, wurde aber nach Stunden bereits dementiert. Weitere Augenzeugenberichte dazu kamen auch über US-Amerikaner, die selbst recherchierten. Offiziell hörte man nichts. Warum haben die Medien keine Journalisten hingeschickt, um den Augenzeugen zu interviewen? Keiner war interessiert. Und dann kam der Abschuss eines baugleichen Flugzeugs in der Ukraine, wieder stellten sich 1.000 Fragen. Ich kann zwar nichts beweisen, meine Erinnerungen sind aber sehr präsent. Seitdem bin ich sehr kritisch geworden und wusste: Ich muss etwas tun.
Was tust du?
Ich tue meine Gedanken kund, weise die Menschen auf kritischen Umgang mit den Meldungen in den Medien hin. Da waren und sind die Montagsdemos mit offenem Mikro — wöchentlich im Straßenraum — ideal.
Jede Woche gibt es neue frische Medienberichte, die man kritisch hinterfragen und dabei auf mögliche Manipulationen hinweisen kann. Ich war anfangs in Berlin dabei, bald ging es auch in Potsdam los. Es gab und gibt unheimlich viel zu kritisieren. Ich informiere mich über Mainstream- und alternative Medien, um durch ein breites Spektrum an Quellen die Propaganda zu erkennen. Man muss wissen, was genau man kritisiert, worüber man Menschen aufklären muss. Wir thematisieren auch regionale Wirtschaftskreisläufe oder soziale Missstände wie Hartz 4 — uns gehen die Themen nicht aus.
Wie geht ihr mit dem Vorwurf um, dass die Mahnwachen rechts sind?
Das ist absurd — aber die ganze Bewegung wurde ja nach rechts „geschoben“. Da wurde eine ganz tolle Energie kaputtgemacht, und das mit Absicht.
Will man jemanden bekämpfen, der sich immer montags trifft, dann gründe man montags eine rechte rassistische Gegenveranstaltung.
Als mich einer meiner Söhne fragte, ob ich jetzt bei Pegida sei, wurde ich traurig. Wenn selbst mein eigener Sohn Pegida mit den Mahnwachen verwechselt ...! Ich bin alles andere als rechts und alles andere als rassistisch. Aber man kann tun was man will, die Vorurteile bleiben.
Was hast du dann getan?
Ich war 2016 ein Jahr in der Flüchtlingshilfe aktiv. Ich wollte wissen, was wirklich los ist und habe in der Erstaufnahme vom DRK in Potsdam gearbeitet. Da war ich dann hautnah am Thema „Flüchtlinge“ dran und konnte ab und zu montags zu der Mahnwache Flüchtlinge einladen und interviewen. Diese Gespräche waren dank Mikro auch sehr publikumswirksam; die Menschen waren neugierig, und wir konnten das Bild der Medien zumindest in Potsdam etwas korrigieren. Von der überschwänglichen Willkommenskultur ist das Ganze ja schnell in unglaubliche Hetze in den Medien umgeschlagen — der perfekte Nährboden für die AfD. Was mir persönlich weh getan hat, ist, dass sich die Partei Die Linke dem Gegenwind gegen die Mahnwachen angeschlossen hat.
War das nicht frustrierend?
Ja, aber wir machen trotzdem weiter, auch wenn es sehr kalt ist. Im Februar 2018 hatten wir unsere 200. Mahnwache. Wir sind nicht viele, aber in Anbetracht meiner Enkelinnen bleibe ich dran. Ich möchte, dass sie in einer menschlicheren Welt mit objektiver Presse leben. Und es gibt immer positive Rückmeldungen von den Passanten, die uns für unser standhaftes Engagement danken. Selbst wenn man jeden Montag nur einem Menschen einen Impuls gibt, hat man etwas verändert. Dafür muss ich mich bei der Frage „Warum habt ihr nichts getan?“ wenigstens nie schämen.
Dann weiter viel Stehvermögen!
Jan Dahlgrün wurde 1962 in Hannover geboren. Seine Mutter ist Schwedin. Er lebte lange in Schweden, heute in Potsdam, und arbeitet als Architekt in einem Planungsbüro. Jan Dahlgrün ist Vater von vier Jungs und Opa von zwei Mädchen. Seine Hobbys sind Fotografie, Singen und Tauchen.