Wir hassen Flüchtlinge!
Das große Rubikon-Exklusiv-Interview enthüllt endlich die totale Wahrheit über Geflüchtete.
Es ist ein verdammt heißer, staubiger Montagmorgen in der deutschen Bundeshauptstadt, als ich pünktlich um kurz vor 9 in kurzer Hose und mit fein polierten Birkenstock-Sandalen beim Portier des Adlon Hotels eintreffe, um meinen Interviewgast, den deutschen Milliardär Andreas Striegelmann (Name von der Redaktion geändert) zum großen Rubikon-Interview zu treffen. Striegelmann hatte sich vor ein paar Tagen anonym bei unserer Redaktion gemeldet, heute will er auspacken, er will mich an der Ungerechtigkeit teilhaben lassen, was es für ihn bedeutet, insgesamt rund 18,6 Milliarden Euro privates Vermögen zu besitzen. Andreas Striegelmann gehört zu den hoch sensiblen Reichen in Deutschland, die einfach nicht mehr können, die kurz vorm Burnout stehen, weil die Undankbarkeit des Volkes Dimensionen angenommen hat, die ein stinknormaler Milliardär seelisch einfach kaum mehr ertragen kann. Striegelmann sitzt an diesem Morgen frisch gestriegelt vor seinem fünffachen Espresso Macchiato in einem protzigen 10.000 Euro teuren Cappellinisessel, der an den Sonnenkönig Ludwig den 14. erinnert und mindestens 14 Mal so hässlich ist, wie ein stinknormaler Armer-Schlucker-Sessel vom Möbeldiscounter Poco Domäne.
Satire-Quickie: Herr Striegelmann, wie geht es Ihnen?
Striegelmann: Danke, dass Sie gekommen sind. Können wir bitte meine Stimme technisch verzerren, ich möchte unerkannt bleiben?
Andreas Striegelmann schaut mir tief in die Augen. Ich kläre ihn auf:
Es ist nur ein Zeitungsinterview!
TROTZDEM! Ich möchte unerkannt bleiben.
Ich lächele intensiv in mich hinein und verspreche, die Stimme zu verzerren.
Mir gehören übrigens auch drei große Zeitungsverlage.
Striegelmann schmunzelt...
Damit wären wir auch schon bei der ersten Frage: Warum haben Sie dann gerade uns, den RUBIKON für dieses Interview ausgewählt?
Ich wollte mal einen echten Journalisten treffen.
Striegelmann lacht dreckig...
Im Vorgespräch vor ein paar Tagen haben Sie mir erzählt, dass Sie schlimm leiden?
Oh ja, jeden Abend in der Tagesschau dieselben Bilder…
Die Miene von Andreas Striegelmann verdüstert sich plötzlich...
Krebskranke, Kriegsopfer, arme Menschen.
Womit verdienen Sie ihr Geld?
Pharma, Rüstung, Kreditvergabe.
Dann sind Sie ja, ich versuche es vorsichtig zu formulieren, direkt daran beteiligt?
Wie meinen Sie das?
Krebskranke, Kriegsopfer, arme Menschen, Pharma, Rüstung, Kredite, ...das sind doch Ihre Geldquellen...
Aber das wird von den meisten Menschen einfach völlig falsch verstanden.
Eine dicke Träne kullert Andreas Striegelmann aus dem rechten Auge. Er greift zu seinem Seidentaschentuch von Hermes.
Ich bringe den Menschen doch etwas GUTES!
Striegelmann schluchzt in sich hinein, bekommt sich dann aber wieder schnell in den Griff.
Gutes? Pardon, definieren Sie Gutes?
Striegelmann fährt sich mit einer arroganten Geste durch sein pomadiges Haar...
Ich ermögliche den Menschen Erfahrungen.
Krebs, Krieg, Armut, das nennen Sie Erfahrungen? Ist das nicht extrem zynisch?
Schauen Sie, Menschen geben für extreme Erfahrungen viel Geld aus. Jochen Schweizer hat damit ein Millionen Imperium aufgebaut. Ich liefere extreme Erfahrungen frei Haus. Gratis. Dafür verlange ich keinen Cent. Und trotzdem werde ich als Ausbeuter dargestellt, das finde ich extrem ungerecht. Da würde ich manchmal am liebsten einfach flüchten.
Gutes Stichwort, weil sehr aktuelles Thema: Auch Kriegs-Flüchtling zu sein, ist eine schreckliche Erfahrung.
Hören Sie sofort auf damit. Wir hassen Flüchtlinge. Meine Frau und ich können dieses Wort nicht mehr hören...
Sie hassen Flüchtlinge?
Kriegs-Flüchtling zu sein, ist doch viel spannender als jeden Sonntag bei der Oma auf der Terrasse zu sitzen und Pflaumenkuchen in sich hineinzustopfen...
Striegelmann haut mit der Hand auf den Tisch. Dabei nimmt er ein großes Stück von seinem ADLON-Pflaumenkuchen zu sich...
Außerdem weiß ich ganz genau, wie es sich anfühlt, ein Flüchtling zu sein.
Das ist jetzt sehr interessant. Vor wem sind sie geflohen?
Immer auf der Flucht vor dem Finanzamt.
Striegelmann lacht. Der opulente Bauch des Milliardärs wippt auf und ab, nur mit Mühe findet er in der vollbesetzten Halle des Adlon seine Fassung zurück.
Ein Steuerflüchtling Ihrer Größenordnung richtet gesellschaftlich mehr Schaden an als Zehntausende Migranten.
Ein Kreuzfahrtschiff richtet ja auch mehr Schaden an als Millionen Diesel-PKW.
Ich finde das alles extrem unerträglich und arrogant!
Arrogant? Jetzt wollen Sie mir auch noch ein schlechtes Gewissen machen, wo ich als kleiner Milliardär eh schon vor einem Nervenzusammenbruch stehe...
Ja, Sie spielen mit dem Leben anderer Menschen, profitieren davon und erheben sich über sie...
Striegelmann steht auf, beginnt bitterlich zu weinen...
Bis heute hatte ich immer die Hoffnung, wenigstens die alternativen Medien würden mich verstehen. Gut, dann werde ich mich jetzt – wie Sie sagen - über andere erheben. Und zwar mit meinem Privatflieger. Kuchen und Kaffee zahlt der Rubikon. Ich empfehle mich.
Auf Wiedersehen Herr Striegelmann und danke für das Gespräch... Herr Ober, die Rechnung bitte!