Die Herren der Fake News blasen zur Jagd
Die Vernichtung des Medienmonopols durch die „sozialen Medien“ ruft die „Gedankenpolizei“ und Blog-Warte auf den Plan.
Das Wort Fake News hat es bis nach Deutschland geschafft. Nun führt es jede/r im Munde. Früher hieß das ganz nüchtern Falschmeldung und wenn es kein Versehen war Lüge. Wer es nicht ganz so ernst mit dem Wahrheitsgehalt nimmt, der sagte „Zeitungsente“ dazu. Dass Falschmeldung und Lügen seit Jahrzehnten produziert, lanciert, und gegen jede Form der Aufdeckung geschützt werden, gehört zur Medienlandschaft, ist Teil der Bewusstseins-Industrie. Denn natürlich sind Medien mehr als Korrespondenten der Wirklichkeit.
Denn auch das ist kein Geheimnis, sondern hinreichend medienwissenschaftlich aufbereitet:
Es kommt nicht auf die Wirklichkeit an, sondern darauf, was man daraus macht, was man davon zeigt und auf welche Weise das notwendig Selektive kontextualisiert, also in einen (neuen) Zusammenhang gesetzt wird.
Man kann über Flüchtlinge berichtet und sie zur Gefahr machen. Man kann über Flüchtlinge berichten und die Ursachen aufzeigen, die zur Flucht führen, also die Gefahr dort verorten, wo Flucht die einzige Möglichkeit ist, unerträglichen Verhältnissen zu entkommen.
Dabei gehen Medienmonopole nicht willkürlich und beliebig vor. Denn zwischen „Meinungsfreiheit“ und „Pressefreiheit“ besteht kein inneres Band, sondern ein tiefer Graben. Meinungsfreiheit setzt nicht einmal eine eigene Meinung voraus. Für die Wahrnehmung der Pressefreiheit braucht man vor allem viel Geld. Denn jedes Kind weiß, dass Zeitungen und Medien alles andere als der „Wahrheit“ verpflichtet sind, sondern vor allem den politischen und wirtschaftlichen Interessen, die jedes Unternehmen leiten bzw. denen sie sich verpflichtet fühlen.
Dass man gegen Unwahrheiten, Falschmeldung und Lügen juristisch vorgehen kann, ist die strafrechtliche Leitplanke jener „Pressefreiheit“. Auch wenn es in solchen juristischen Auseinandersetzungen auch wieder nur bedingt um „Wahrheitsfindung“ geht, denn man muss dafür ziemlich viel Geld mitbringen, um einen solchen Prozess zu führen und noch mehr Geld haben, wenn man ihn verliert.
Nun ist seit ein paar Jahren – an den beherrschenden Medien vorbei – bekannt, dass die klassischen Medien (Zeitungen/ TV-Sender) immer mehr an Leser- und ZuschauerInnen verlieren. Die Menschen sind es zunehmend satt, von Koch- und Lifestylesendungen, Ratespielen und Castingsshows, Dsungelcamp und Volksmusik verblödet zu werden. Was in den 80er Jahren noch mit dem passenden Spruch: „Wir amüsieren uns zutote“ kommentiert wurde, ist heute nur noch gähnend langweilig.
Auch wenn sich diese Medien darüber wenig auslassen und noch lieber darüber schweigen, ist es erst recht bemerkenswert – und für sie bedrohlich: Der Prozentsatz derer, die nicht einfach „abschalten“, sondern sich andere Medien suchen, wächst jährlich: Ganz viel läuft über das „Netz“, über dort erreichbare Medien, Quellen und Informationen.
Und noch etwas ist erstaunlich und für sie gefährlich: Wir werden – im besten Fall - nicht beliefert, zugeschüttet und abgefüllt. Wir machen unser Programm selbst. Wir suchen uns auf Facebook bzw. im Netz die entsprechenden Quellen, wir suchen die Informationen, die wir hier in den beherrschenden Medien nicht bekommen. Ein wenig übertrieben könnte auch sagen: Wir sind unsere eigene Redaktion. Wir haben eine Frage, wir suchen nach Quellen und haben die Möglichkeit, sie auch zu überprüfen. Im besten Fall schärft das das eigene Bewusstsein und schult uns, komplex und widersprüchlich zu denken.
All das wäre für herrschenden Medien bedauerlich, aber völlig verkraftbar. Im schlechtesten Fall gäbe es eben ein paar Menschen, die nicht nur „aussteigen“, sondern auch profund widersprechen könnten. Solange sie das im Privaten tun, ist das zu vernachlässigen. Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn sie dies öffentlich tun, wenn jede/r die Chance erhält, sich diese Informationen zugänglich zu machen.
Das Monopol auf „Fake News“ ist in Gefahr
Im Folgenden geht es um einen Fall, der in vielerlei Hinsicht haarsträubend, aufschlussreich und wegweisend ist.
Am 7. Januar 2015 ereignete sich in Paris ein Anschlag auf die Satirezeitschrift ›Charlie Hebdo‹, bei dem elf Menschen ermordet wurden, in der Mehrheit Mitglieder einer Redaktionssitzung.
Für den 11. Januar 2015 war ein Trauermarsch in Paris angekündigt. Man rechnete mit über einer Million Menschen alleine in Paris. So unterschiedlich die Motive zur Teilnahme auch waren, es sollte eine Demonstration der westlichen Wertegemeinschaft werden, die zusammenkommt, um gemeinsam die Freiheit zu verteidigen. Dazu wurden viele Regierungschefs eingeladen.
Tatsächlich waren die Kamerabilder und -perspektiven beeindruckend, überwältigend und ganz speziell. Ganz vorne, an der Spitze sieht man die ersten Reihen, die aus Regierungschefs gebildet wurden. In der Mitte der französische – für diesen Tag gleichsam unsere aller – Präsident François Hollande. Um ihn herum, an seiner Seite der ›freie Westen‹ und seine Freunde: Großbritanniens Premier David Cameron, der spanische Regierungschef Mariano Rajoy, der ukrainische Oligarch und Regierungschef Petro Poroschenko, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der palästinensische Präsident Mahmud Abbas, der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu, Jordaniens König Abdullah II., die Staatschefs aus Ägypten und Algerien u.v.a.m.
Dann gibt Hollande ein Zeichen, das Zeichen zum Losgehen. Die erste Reihe, mit eingehakten Regierungschefs wogt wie eine Welle einen Schritt nach vorne. Die Demonstration beginnt, setzt sich in Bewegung. Mit diesen Bildern im Gedächtnis schwenken die Kameras nach oben, verändern die Perspektive. Nun sieht man die Zehntausende, die folgen, die Hunderttausende, die an diesem Trauermarsch teilnehmen.
So wurde es tagelang, auf privaten wie öffentlichen Sendern gezeigt. Ein eindrucksvolles Zeichen, dass oben und unten, vorne und hinten, links und rechts, schwerreich und bitterarm, Banlieues und Gated Communities keine Rolle spielen, wenn es um die Freiheit geht. Eine einzige und geeinte Gemeinschaft.
Die Zeitungen, die sich immer und fortan der Meinungs- und Pressefreiheit verpflichtet fühlen, schrieben auf, was sie gesehen, was sie miterlebt haben … müssten:
»Seite an Seite im Gedenken an die Opfer der Anschläge von Paris. Mehr als 40 Staats- und Regierungschefs haben heute an dem Trauermarsch teilgenommen.« (ARD/Tagesschau/Jan Hofer am 11.1.2015)
»An der Spitze des Schweigemarsches stehen die in schwarz gekleideten Regierungschefs Schulter an Schulter. Jetzt setzen sie sich in Bewegung.« (Jana Stegemann, SZ vom 11.1.2015)
»Etwa 50 Staats- und Regierungschefs kamen zu dem Trauermarsch nach Paris, darunter Kanzlerin Angela Merkel und der britische Premierminister David Cameron.« (ZEIT vom 12.1.2015)
»Staatschefs aus aller Welt vereinen sich zu riesiger Demonstration in Paris« (World leaders unite for massive Paris march, ›The Washington Post‹, 11.1.2015)
Manche Fernsehberichte waren mit dem Ton des Demonstrationszuges unterlegt. Alle diese Bilder und Kommentare galten einem Motto: Nous sommes tous Charlie … flankiert von den Parolen: Tous unis pour la démocratie! (Alle vereint für die Demokratie!), und On n'a pas peur! (Wir haben keine Angst!)
Diese Szenen und Erzählungen wurden tagelang wiederholt, immer wieder eingeblendet. Jede Talkshow, die sich den politischen Konsequenzen aus diesem mörderischen Anschlag widmete, unterlegte ihr Anliegen mit diesen Bildsequenzen. Sie sollten und sollen sich einbrennen, ganz tief, ganz unerreichbar für das, was wirklich passiert(e).
Dann tauchten in der Nacht auf Montag die ersten Bilder im ‚Netz’ auf, die nicht ins Bild, schon gar nicht in diese Choreographie passten. Eines wurde von einem Fenster mit Blick auf die Straße aufgenommen. Man sieht einen Politikertross aus ca. 40 Personen. Dahinter ist die Straße leer, die Bürgersteige auch. Schnell machte dieses Bild die Runde. Dann kam ein weiteres Bild dazu, das wahrscheinlich von einem Dach aufgenommen wurde. Von dort oben blickt man in die Straßenschlucht. Auf diesem sieht man, wie ein Tross aus Fotografen und Kamerateams vor dem Politikertross Stellung nimmt und Fotos macht. Das Bild wird mit der Anmerkung kommentiert, dass es in einer Seitenstraße aufgenommen wurde, die für diesen Anlass abgesperrt worden war. Auch der Zeitpunkt dieser Aufnahme wird genannt. Es ist eine halbe Stunde vor Beginn des Trauermarsches:
»Nach kurzer Zeit seien dann alle Spitzenpolitiker wieder in ihre Autos gestiegen und davongefahren, berichtet ›Le Monde‹.« (Der SPIEGEL vom 12.1.2015)
Mit diesen Bildern wird sehr schnell klar: Die Berichterstattung über den Trauermarsch in Paris ist manipuliert worden. An der Manipulation dieses Ereignisses waren alle Journalisten und Fernsehsender beteiligt, die diesen Akt in der Seitenstraße fotografierten, um ihn dann mit dem später beginnenden Trauermarsch zusammenzuschneiden. Sie wurden nicht betrogen. Sie waren aktiver Teil des Betrugs. Im US-Krieg gegen den Irak bekam ein solcher Journalismus den Namen: embedded journalism.
Tatsächlich folgten den Politikern nicht eineinhalb Millionen Menschen, sondern ausschließlich Bodyguards und Sicherheitspersonal.
Nachdem diese Inszenierung nicht mehr zu verheimlichen war, sahen sich einige Medien dazu gezwungen, Stellung zu beziehen. Schließlich war dies ein Tag, an dem die Presse- und Meinungsfreiheit wortreich verteidigt werden sollte. Ganz praktisch war man gemeinsam mit einer Manipulation beschäftigt.
Am 14. Januar 2015 nahm die Süddeutsche Zeitung Stellung. Plötzlich hatte sie auch ein anderes Foto - aus einer anderen Perspektive – parat: Dieses zeigt die Politikerriege so, dass man auch über ihre Köpfe hinwegsehen konnte. Und was sieht man dort? Eine einsame Ansammlung von Politikern, gefolgt von einer großen (Sicherheits-)Lücke, die am Ende von Personen abgeschirmt wird, die mit Armbinden gekennzeichnet, Polizeiaufgaben wahrgenommen hatten. Links und rechts von der Straße stehen Absperrgitter, wieder von Sicherheitspersonal garniert. Dieses Bild untertitelte die SZ wie folgt: »Allzu nahe kamen die Spitzenpolitiker aus aller Welt den normalen Demonstranten nicht. Das hatte wohl vor allem Sicherheitsgründe.«
Unter der Überschrift »Wo ist das Volk?« versucht die SZ die nicht mehr zu unterdrückende Manipulation zum Vernünftigen zu erklären:
»Stimmen die Bilder? Standen die Politiker wirklich an der Spitze des Protestzuges in Paris? Über das Bild von den untergehakten Politikern ist jedenfalls eine heftige Zankerei im Internet entbrannt, sowie über vieles im Netz gern gezankt wird.« (SZ vom 14.1.2015)
Zickereien eben, Nörgler, denen nie etwas recht zu machen ist. Diese dümmlichen Denunziationen waren notwendig, um den LeserInnen im Folgenden zu erklären, dass Fälschungen und Täuschungen keine sind, wenn sie im Namen der Sicherheit gemacht werden:
»Also alles gefälscht und inszeniert? Nein. Schon die Vorstellung, dass ein einziger Staatschef wenige Tage nach dem schlimmsten Terroranschlag der vergangenen Jahre in Europa durch Paris schlendert, würde jedem Personenwächter schlaflose Nächste bereiten. Die Gefahr ist hoch. (…) So stehen die Politiker vor einem unauflösbaren Dilemma: Sie stehen an der Spitze – aber eben nicht an der Spitze einer Massendemonstration. Wer das als Inszenierung abtut, der hat das Problem nicht verstanden.« (ebd.)
So unterschiedlich kann Meinungsfreiheit verstanden und gelebt werden! Gehen wir also davon aus, dass die Parole ›On n'a pas peur!‹ (Wir haben keine Angst!) für alle DemonstrantInnen gemeint ist und nicht für Politiker von Rang. Gehen wir weiter davon aus, dass dies vernünftig und richtig ist. Warum zeigt man dies nicht genau so? Warum hatte man so viel Angst vor dem reklamierten Problembewusstsein?
Sicherlich werden einige verständnisvoll einwenden, dass das doch nicht so wichtig ist. Schließlich geht es doch nur um einen symbolischen Akt. Gerade dann muss man diese organisierte Manipulation anders beurteilen. Wenn so viele Journalisten und Fernsehschaffende, so viele Zeitungs- und Fernsehredaktionen bei einem symbolischen Akt an Manipulationen mitwirken, an der Herstellung und Verbreitung einer Lüge beteiligt sind, dann stellt sich doch die Frage: Was tun sie, wenn es um wirklich ernste Angelegenheiten geht? Um die Aufklärung des NSA-Skandals? Um ihre eigene Rolle als KriegsberichterstatterInnen, in der Ukraine, in Syrien, in Libyen, in Afghanistan, im Irak?
Die Antwort haben viele Medien bereits gegeben.
Die Jagd beginnt – auf die „sozialen Medien“
Wer hätte das gedacht: Auch auf Facebook, das als „soziales Netzwerk“ ausgewiesen und missverstanden wird, gibt es Wahres und Unwahres, Richtiges und Falsches, Umstrittenes und Anstößiges, Überprüfbares und Spekulatives. Kurz zusammengefasst: Auch dort gibt es das, was es überall in den Medien gibt, ob man sie für sozial, öffentlich-rechtlich oder profitabel hält: Halbwahrheiten, Lügen, Falschmeldungen – und wer das besser versteht: „Fake News“.
Werfen wir einmal einen Blick auf die Leit-Medien in der Hand einer extremen Minderheit. Nehmen wir zum Beispiel das „KZ in Pristina“ aus dem Jahr 1999 in der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien. Dieses hat erst der „Verteidigungs“-Minister Scharping erfunden, damit es genauso von allem Medien korrekt wiedergegeben werden konnte, mit dem Ziel, aus einem „Völkergefängnis“ (das hatte der damalige Außenministers Klaus Kinkel schon sehr früh aus Jugoslawien gemacht, um den ‚Ausbruch’ vorzubereiten) eine Kolonie des Westens zu machen.
Oder die „Brutkastenlüge“ (Kuwait 1990) und die Lüge von den „mobilen Massenvernichtungswaffen“ im Irak 2003, die alle Medien zusammen verbreitet hatten, um ihren Beitrag zum Krieg gegen den Irak abzuliefern.
Um diese Fake News geht es aber nicht. Das sind, Sie werden es erkennen oder zu spüren bekommen, die Guten. Man möchte zum Spaß mit den Worten der Beraterin von Trump von „alternativen Fakten“ reden.
Hier geht es um die bösen Fake News, also solche, die nicht selbst freigesetzt wurden.
Seit Monaten wird zu einer Säuberungskampagne aufgerufen, von Medien, die Fake News am laufenden Meter produzieren, und nun dasselbe dort beklagen, wo sie nicht selbst daran beteiligt sind.
Man befürchtet, dass man mit Fake News Hass, Gewalt und Verwirrung verbreiten könne. Ja, man höre und staune, das ist ein ganz neues, brandaktuelles Phänomen: Mit gezielten Falschmeldungen könne man sogar Menschen beeinflussen, ggf. auch aufhetzen, bis hin zu Wahlen manipulieren.
Tag für Tag rollen entsprechende Nachrichten und Aufmacher über Fake News wie Militärlaster heran. Man wird erschüttert und entsetzt, man ruft von alleine und bestens angeleitet, nach Zensur, nach Kontrolle…
Der milliardenschwere Privateigentümer dieses „sozialen Netzwerkes“ Facebook sah sich Ungemach gegenüber bzw. einer wunderbar in Szene gesetzten Nötigung, also Fake News auf höchstem Niveau.
Die Medien, die bisher das Monopol auf Fake News hatte, riefen dazu auf, dass Facebook sich säubern müsse. Und die politische Klasse tat dasselbe, selbstverständlich unabhängig und selbstlos: Man fordere den Eigentümer auf, Zensur zu üben, oder man werde sie dazu zwingen. Im ersten Fall kämen die Zensoren von Facebook selbst, müssten also auch bezahlt werden. Im zweiten Fall werden die Zensoren vom Staat gestellt und bezahlt.
Facebook hat sich für die Selbstzahlervariante entschieden und hat nun eigene geleaste Zensoren.
Die „Gedankenpolizei“ in 1984 bekommt 2017 den Namen „Correctiv“
Die Firma, die diese Cleaner stellt, heißt: Correctiv und ist so uneigennützig, dass sie von Google, der Deutschen Bank, der Open Society Foundation von George Soros, RTL u.v.a.m. finanziell unterstützt, also getragen wird. Dieses uneigennützige Unternehmen hat Fantasie, seinen Orwell wirklich gelesen und beruft einen Haufen von Leuten in ein Gremium, das doch wirklich „Ethikrat“ genannt wird. Orwell hätte sich über diese Wortschöpfung gefreut. In diesem „Ethikrat“, das ist kein Fake, sitzen so uneigennützige Leute wie
- Nikolaus Bender, früherer Chefredakteur des ZDF
- Ulrich Reitz, Chefredakteur von Focus
- Cordt Schnibben, Redakteur beim Spiegel
- Oliver Schröm, Leiter Investigative Recherche Stern
- Jochen Wegner, Chefredakteur von Zeit-Online
- Stefan Willeke, Chefreporter bei der Zeit
- Und so weiter und so fort.
Sie sehen also: Hier ist Ethik, Ihre Meinung in professionellen, gut geübten Händen.
Zurück zu den Cleanern: Sie durchsuchen fortan die „Einträge“ auf Facebook und markieren jene, die sie für falsch halten. Ohne gefragt zu werden, stellen sie „Fakten“ daneben. Also Fakten, die sie für Fakten halten.
Und signalisieren den LeserInnen fortan, dass mit dem Lesen und Aufnehmen der Worte „Gefahr“ droht.
Diese Arbeit ist anspruchsvoll und – wie heißt es so schön in dieser Leistungsgesellschaft – herausfordernd. Das hat auch Justiz- und Wahrheitsminister Heiko Maas von der SPD erkannt, der das S im Parteilogo für keinen Fake hält:
„Es ist nicht ganz einfach, eine Institution zu schaffen, die sozusagen in Form einer Wahrheitskommission entscheidet, was ist wahr und was nicht. Dann muss ja auch noch entschieden werden, was ist relevant oder was ist nicht relevant. Da befinden wir uns am Anfang einer Diskussion.” (zeit.de vom 13. Dezember 2016)
Wie Ethik- und Rat, Fake- und (Er-)Finder, Konzern- und Kapitalinteressen wie eine Geldwaschanlage funktionieren, fördert diese kleine Notiz vom 4. April 2017 zu Tage:
„Der genaue Starttermin für das Projekt steht noch nicht, das Geld ist aber schon da: Das gemeinnützige Recherchebüro Correctiv erhält von den Open Society Foundations des US-Investors und Milliardärs George Soros gut 100.000 Euro für das Richtigstellen von unwahren Berichten im Internet.“ (spiegel.de vom 4.4.2017)
Blog-Wartsystem
Was wäre Überwachung ohne Mitmachpotenzial. Auch Facebook weiß darum und sticht dieses Denunzianten-Fass gerne an. Der Konzern ruft folglich seine UserInnen munter dazu auf, „Anstößiges“ zu melden. Denn aufgrund von jahrzehntelangen Erfahrungen weiß man, dass die Akzeptanz von Disziplinarmächten durch ihre (Selbst-)Beteilungsmöglichkeiten steigt. „Follower“ bekommen so eine ganz eigene Bedeutung: Ohne Anglistik nannte man dies auch Informelle Mitarbeiter, IM.
Auch wenn es hier untergeht: Was hier „Correctiv“ beanstandet und markiert, hat nichts mit strafbaren und strafbewehrten Handlungen zu tun. Auch wenn das niemand mehr so recht weiß: Alles, was Beleidigungen angeht, Persönlichkeitsrechte verletzt, bis hin zum kürzlich abgeschafften sogenannten „Majestätsbeleidigungsparagrafen“ (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten nach § 103 des StGB), steht unter Strafe, kann angezeigt werden, um es in einem gerichtlichen Prozess überprüfen zu lassen.
Was hier etabliert wird, ist eine Gedankenpolizei, die das verfolgt, was keine strafrechtliche Relevanz hat, keinen Straftatbestand erfüllt. Es handelt sich hierbei also um eine „private“ konzerneigene Justiz, um Selbstjustiz – wobei das Wort „Justiz“ hier völlig unangebracht ist. Denn es handelt sich weder um eine „öffentliche Verhandlung“, noch um eine nur in Ansätzen bemühte „Unabhängigkeit“.
Hier kommen sich die „geheime Gerichtsbarkeit“ in TTIP-Angelegenheiten und die GPS-gesteuerten Gefängnisse für „Gefährder“ in Gestalt elektronischer Fußfesseln sehr, sehr nahe. Eine wachsende Sphäre jenseits, also unterhalb des öffentlichen Rechts.
Wie Facebook selbst Jagd macht, soll folgendes Beispiel dokumentieren.
Dass Facebook dabei auf den konzern-eigenen „Ehren“-Kodex verweist, u.a. sexistische und pornographische Inhalte zu verbieten, ist an Zynismus kaum noch zu überbieten.
Facebook schützt keine (nackten) Kinder, sondern jene, die (auch) Kinder ums nackte Überleben rennen lassen
In der auflagestärksten Zeitung Norwegens, ‚Aftenposten’ erschien 2016 ein Schwarz-Weiß-Bild, das der Fotograf Nick Ut gemacht hatte. Mehrere Kinder rennen schreiend, weinend und angstvoll nach hinten schauend auf den Betrachter zu. Eins der Kinder, ein Mädchen ist nackt. Alle rennen um ihr Leben. Hinter ihnen sieht man Soldaten, die ebenfalls vor dem fliehen, was sich hinter ihnen allen ereignete. Dort sieht man eine sich über die ganze Bildbreite erstreckende dunkel-graue Rauchfront.
Dieses Bild hatte Facebook 2016 zensiert, also eigenmächtig gelöscht, mit einer mehr als selbst entblößenden Begründung: Es sei kinderpornografisch…
Das Foto hatte der Fotograf 1972 gemacht, in Südvietnam, als die US-Armee Krieg in Vietnam führte, u.a. mit Napalmbomben und „Flächenbombardements“:
„Am 8. Juni 1972 flüchteten die Bewohner des vietnamesischen Dorfs Trang Bang nach einem Napalm-Angriff. Das Mädchen Kim Phuc in der Bildmitte hatte sich die brennenden Kleider vom Leib gerissen. Die Aufnahme von Nick Ut wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und zum Pressefoto des Jahres 1972 gewählt.“ (FAZ vom 9.9.2016)
Dieses Foto wurde auch auf der Facebook-Seite der Zeitung veröffentlicht. Letztere bekam von der Facebook-Cleanerabteilung am 7.9.2016 die Anweisung, dieses Foto selbst zu löschen.
Als Begründung wurde genannt, dass dieses Foto gegen die „Richtlinien zur Abbildung von Nacktheit oder Gewalt“ verstieße, „und verwies zur Begründung auf das Verbot von Kinderpornographie. Der Chefredakteur des Blatts warf Facebook daraufhin Zensur und Machtmissbrauch vor.“ (FR vom 9.9.2016)
Da die Herausgeber nicht fristgerecht dieser Aufforderung zur Selbstzensur nachkamen, entfernten die Facebook-Cleaner das Bild. Diese Maßnahme löste heftige Kritik aus.
Nach einer kurzen, intellektuell mehr als selbstentblößenden Rechtfertigung, man(n) könne nicht zwischen nackten Kindern unterscheiden, ruderte Facebook zurück und stellte das Foto wieder online, mit einer botox-ähnlichen Versicherung:
„Wir versuchen, die richtige Balance zu finden zwischen der Möglichkeit für Menschen, sich auszudrücken, und einer sicheren und respektvollen Umgebung für unsere globale Gemeinschaft.“
Dass Facebook mehr ist und mehr tut, als ‚Kommunikationsmittel’ zur Verfügung zu stellen, dass Facebook genau diese ökonomische Macht nutzt, um politische Inhalte zu steuern und zu frisieren, hat der IT-Konzern bereits mehrmals unter Beweis gestellt.
Die Bewusstseins-Industrie (Hans Magnus Enzensberger, 1964)
Dass Angriffe auf unliebsame Texte und Bilder mit dem „Schutz von/vor … „ begründet werden, ist nicht neu, sondern Teil einer Strategie, als Gigant den Schutz der „Schwachen“ zu simulieren.
Dass man dazu auch „Glaubwürdigkeit“ kaufen kann, beweist Facebook u.a. dadurch, dass es in Deutschland die Amadeu Antonio Stiftung dafür „gewinnen“ konnte, sich an der Säuberung von Facebook-Inhalten zu beteiligen.
Doch dieses weltberühmte und ausgezeichnete Bild auch nur in die Nähe kinderpornografischer Inhalte zu bringen, ist nicht einmal mehr kafkaesk.
Facebook bekämpft damit nicht die Kinderpornographie, sondern das Erinnern an einen Krieg, an eine verlogene Kriegsrhetorik, an einen Aggressor, an einen mörderischen Krieg, der fast eine Million VietnamesInnen das Leben gekostet und ein Land fast völlig zerstört hat.
Dieses Bild hat sich in die Gegenwart eingebrannt. Eine Gegenwart, in der es so viele Kriege gibt, dass Bilder dies nur in Tränen auflösen können.
Meinungsfreiheit ist auch und besonders eine Frage der Produktionsmittel
Dass Facebook kein „soziales Medium“ ist, sondern ein Milliarden schweres Unternehmen wird jetzt, viel zu spät spürbar. Facebook ist selbst ein Medienunternehmen und zwar mit Monopolstellung. Erreichen Zeitungen ein paar Zehntausend, Fernsehanstalten vielleicht ein paar Millionen, so verweist das Unternehmen „Facebook“ stolz darauf, über eine Milliarde „UserInnen“ zu führen. Und wenn wir unseren kleinen Account verlassen, dann erleben wir auch, wie Facebook mit unseren Inhalten Politik macht. Sie setzen die Prioritäten. Facebook bestimmt, was uns (noch) interessieren könnte. Wir sind unbezahlte Redakteure, mit einem völlig rechtlosen Status.
Wir werden in nächster Zeit eine zunehmende Repression in jenen Medien erleben, die wir fälschlicherweise als „soziale Medien“ pflegen.
Dabei werden Privatjustiz (Facebook-Zensoren) und Strafjustiz Hand in Hand arbeiten. Das neue Strafgesetz, das Justizminister Maas nun auf den Weg gebracht hat, erhöht diesen Druck von außen und legitimiert die hauseigenen und geleasten Zensoren.
Privateigentum. Betreten verboten!
Es war natürlich verlockend, am Anfang. Da steht der Eigentümer an der Tür seines großen und bestens eingerichteten Hauses und lädt alle zum kostenlosen Besuch ein. Er winkt, er ist freundlich, er kommt einem nicht gleich mit Vorschriften und Hausordnung. Man kann in seinem Haus alles kostenlos nutzen. Man kann sich dort mit anderen verabreden, sich mit bisher Unbekannten austauschen. Man darf sogar Freunde mitbringen. Man gewöhnt sich an diesen Komfort und lockt andere dorthin. Das ging lange gut. Auch deshalb, weil die klassischen Medien diese „neue Medien“ als Hüpfburgen und gut isolierte Wuträume begriffen und ihre Entlastungsfunktion schätzten.
Jetzt kommt der Hausherr, der bisher kaum in Erscheinung getreten ist (außen auf Wohltätigkeitsbällen und Charity-Veranstaltungen) und erklärt die Hausordnung. Mit einem Schlag merken wir, dass uns dort nichts gehört – nicht einmal das, was wir mitbringen, dort „einstellen“.
Wer sich also laut und mit Verve darüber beklagt, wo wer Interviews gibt, seine/ihre Beiträge publiziert, auf wen er/sie sich damit einlässt, wen und was wir damit stark machen, sollte zu aller erst die Frage stellen: Was gehört uns eigentlich? Und dann eine Antwort suchen und ihr gerecht werden.
Wenn wir nicht der Eigentumsordnung Anderer unterworfen sein wollen, dann müssen wir uns wieder die materiellen Voraussetzungen aneignen, für eigene Produktionsmittel sorgen, die nicht nach der Logik eines Privateigentümers funktionieren.
Solange wir es hinnehmen und noch nicht einmal realisieren, dass uns nichts gehört, ist der Vorwurf, man verkaufe sich, der Vorwurf von Nackten, dass alle anderen nackt herumlaufen.
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