Wasser als Waffe

Die Wasser der Westbank sind für Israel essenziell — daher wird es keinen Staat Palästina an seiner Seite zulassen. Ohne gerechte Wasserverteilung ist Frieden in Nahost aber unmöglich.

Das Völkerrecht, Artikel 55 des Haager Abkommens von 1907, schränkt das Recht einer Besatzungsmacht ein, die Ressourcen eines besetzten Gebietes zu verwalten und zu nutzen. Enteignung staatlichen oder privaten Eigentums ist darin grundsätzlich verboten. Transfer oder Vertreibung der Besetzten ebenso. Artikel 27 der IV. Haager Konvention von 1948 verbietet einer Besatzungsmacht, die Bewohner eines besetzten Gebietes zu diskriminieren (1). Beides aber fand und findet in Palästina statt — unter den Augen derselben Völkergemeinschaft und ohne jemals wirksames Handeln dagegen. Ein Text zum #Wasserspezial.

Seit 1967 hält Israel ungestraft die Gebiete Westbank beziehungsweise Westjordanland, den Gazastreifen, Ostjerusalem und die Golanhöhen in Syrien und zeitweise sogar den Südlibanon besetzt.

  • Als international als solche anerkannte Besatzungsmacht hat sich Israel seit der Besetzung von 1967 illegal Wasserressourcen aus den palästinensischen Gebieten wie große Teile des Bodens als „Staatseigentum“ angeeignet und ein zentralisiertes Wassersystem geschaffen, über das es die vollständige Kontrolle zulasten der besetzten Gebiete ausübt.
  • Darüber hinaus verfolgt Israel eine diskriminierende Politik der Wasserverteilung, die zu täglichen Härten für die palästinensischen städtischen und landwirtschaftlichen Gemeinden führt. Illegale israelische Siedlungen, eher Kolonien, angeschlossen an das für Israelis uneingeschränkt verfügbare israelische Wassersystem, verbrauchen große Mengen an Wasser, abgezweigt von Ressourcen, deren Verfügbarkeit im palästinensischen Gebiet, ob Gaza, Ostjerusalem oder Westbank, zumindest gerecht verteilt werden müsste. Diese illegalen Siedlungen befinden sich zudem vor allem in der Westbank im Gebiet C, das unter alleiniger Kontrolle Israels steht, an strategischen Punkten auf dem Bergrücken, mit Tiefbrunnen, während es den palästinensischen Gemeinden verboten ist, tiefe Brunnen zu bohren oder ältere Brunnen zu vertiefen. Für jedes Projekt zur besseren Nutzung der eigenen Quellen benötigen sie die Genehmigung der israelischen Behörden und bekommen sie nur selten. Dazu mehr im Folgenden, aber zunächst ein Blick zurück.

Die Geschichte ungerechter Wasserverteilung und von „Water grab“ (Wasser-Enteignung) im Raum Palästina beginnt mit dem 1. Zionisten-Kongress 1897 in Basel.

„Gebiet: Vom Bach Ägyptens bis an den Euphrat (...) Wir verlangen, was wir brauchen — je mehr Einwanderer, desto mehr Land.“

Mit diesen Sätzen von Theodor Herzl von1898, dem Begründer der Zionistischen Bewegung in Basel, beginnt die Geschichte der zionistischen, israelischen Interessen nicht nur an fremdem Land, sondern auch an fremdem Wasser — in der Region vom Nil bis zum Euphrat (2).

Von Interesse sind vor allem der Küsten-Aquifer (Aquifer = unterirdisches Wasserreservoir) entlang der Küste und im Gazastreifen, der Gebirgs-Aquifer, also der nordöstliche Aquifer zwischen Jenin und Nablus, der westliche Aquifer entlang der Westbank-Grenze zu Israel und der östliche Aquifer entlang des westlichen Jordanufers, alle drei größtenteils unter der Westbank gelegen.

Großräumlich gilt das Interesse den regionalen Wasserressourcen des Litani-Flusses im Südlibanon, dem links- und rechtsseitigen Jordantal von den Quellflüssen des Jordans, Hasbani im Libanon, Dan im nördlichen Galiläa bis zum Toten Meer, schließlich dem Yarmouk-Fluss in Jordanien und den Golanhöhen in Syrien. Dem Taberiya-See oder See Genezareth als Sammler der verschiedenen Quellflüsse des Jordan gilt ein besonderes Interesse. Mit seinen Anrainern Libanon, Syrien und Jordanien gerät Israel früher oder später immer wieder in Konflikte. Versuche zu Verhandlungen scheitern zumeist oder werden nur unzureichend bis gar nicht umgesetzt.

In den frühen Diskussionen auf den seit 1897 jährlich stattfindenden Kongressen der World Zionist Organization (WZO), die den Traum Theodor Herzls von der Errichtung einer „Jüdischen Heimstätte“ in Palästina praktisch umzusetzen begann, wurde bereits der Vorschlag erwogen, den Litani nach Süden umzuleiten. Schließlich hatte sich die englische Regierung mit der berühmten Balfour-Erklärung von 1917 als Schutzmacht des Projekts „Jüdische Heimstätte in Palästina“ ausgesprochen, und die Verwirklichung des „Traumes“ rückte näher (3).

Konkret wurde die Einflussnahme auf europäische Entscheidungen erst nach dem Ende des 1. Weltkriegs. Vor allem Chaim Weizmann, 1920 Präsident der WZO geworden, gab der Sorge Ausdruck, dass das Syke-Picot-Abkommen zwischen Frankreich und England von 1916, in dem die beiden Länder die ehemals osmanischen Gebiete unter einander aufgeteilt hatten, die zionistischen Interessen an den Wasserressourcen des Libanon und Nordgaliläas missachten könnte. Aber trotz seiner Intervention wurde das Litani-Gebiet vom Völkerbund dem Libanon zugesprochen, der verabredungsgemäß französisches Mandatsgebiet wurde, während England Palästina und Transjordanien als Mandat bekam (4).

Im Abkommen von San Remo 1920, in dem vor allem über die ehemaligen osmanischen Gebiete verhandelt wurde, blieb es bei dieser Entscheidung. Noch einmal versuchte Weizmann Einfluss zu nehmen und beklagte sich beim britischen Außenministerium über eine „schwarze Zukunft für die ‚Jüdische Heimstätte’, wenn der Litani-Fluss, die Quellgebiete des Jordanflusses und der Yarmouk-Fluss“ nicht zum zukünftigen Staatsgebiet Israels gehören würden. Die WZO konnte die Entscheidungen zwischen England und Frankreich aber nicht beeinflussen (5).

Noch einmal, 1944, zum Ende des 2. Weltkriegs, wurde von David Ben-Gurion, dem späteren ersten Premierminister Israels, erneut vorgeschlagen, zumindest den Litani in den geplanten jüdischen Staat einzubeziehen. Zugrunde gelegt wurde der sogenannte Lowdermilk-Plan von 1944. Lowdermilk schlug vor, die Flüsse Dan, Zarqa, Banias, Yarmouk in Jordanien und den Hasbani im Libanon zur Bewässerung des Jordantals zu nutzen. Außerdem sollte der Litani einen künstlichen See in Nordpalästina speisen, aus dem Wasser in die Negev-Wüste in Südpalästina gepumpt werden würde. Auch dieser Versuch misslang.

Ein künstlicher See wurde später im Hula-Gebiet, im dann israelischen Nordgaliläa, geschaffen und auf diese Weise Jordanwasser bereits am Unterlauf abgezweigt und für die neuen landwirtschaftlichen Projekte genutzt (6).

Doch auch hier konnte Israel seine Ziele nicht erreichen. So blieb der Zugang zu Wasser auch nach 1948 ein wesentlicher Gegenstand der Krise zwischen den arabischen Nachbarn und dem Staat Israel. Doch das bedeutete nicht das Ende der „Ansprüche“ auf die Nachbargewässer.

Das Wasser-Regime nach der Gründung des Staates Israel 1948

Pläne 1950 — die Wüste zum Blühen bringen

Obwohl der neue Staat Israel seine Grenze — die „Grüne Grenze“, also keine offizielle Staatsgrenze — nach der Nakbe, dem ersten „Transfer“ (7) um einiges über die von den Vereinten Nationen (UN) im Beschluss 181 von 1947 vorgeschlagenen Grenzen hinaus ausgedehnt hatte, blieben die Westbank, Ostjerusalem und der Gazastreifen mit ihren wasserreichen Grundwasserspeichern außerhalb des Staatsgebietes.

Auf der Grundlage umfassender Enteignungs- und Nationalisierungsvorhaben waren in kurzer Zeit etwa 90 Prozent des ehemals palästinensisch besessenen und verwalteten Bodens in israelisches Staatseigentum übergegangen (8).

Der „Nationalplan zur Neuverteilung der Bevölkerung und zum Aufbau neuer Städte“ von 1950 sah neben dem Bau von 30 neuen Städten und 480 neuen Dörfern — Kibbuzim oder Moshavim — die Wasserbewirtschaftung in Form eines großräumigen Umleitungsnetzes von Norden (Obergaliläa/Hula-Gebiet) bis zum Negev (Gaza-Raum/Lakish-Gebiet) im Süden vor.

Im Norden wurde die Hula-Region vollständig verändert. Sämtliche palästinensischen Strukturen, darunter 35 Dörfer, waren zerstört worden. Das ehemals fisch- und wasserreiche Gebiet wurde drainiert, neues landwirtschaftliches Gebiet erschlossen, Jordanzuflüsse wurden umgelegt, ein neuer See, der „Hula-See“, geschaffen und die „überschüssigen“ Wasser in einem weitreichenden Kanalsystem nach Süden als ein Teil des Jordan-Negev-Projekts umgeleitet, um die „Wüste zum Blühen“ zu bringen.

Im Süden wurde die Lakish-Region, ein gut bewässertes und fruchtbares Gebiet in direkter Nachbarschaft der Grenze zum Gazastreifen, zur „Vorrangregion für die Wassererschließung und Neulandgewinnung“ erklärt, nachdem etwa 50 ehemals palästinensische Dörfer zerstört und die Bevölkerung vertrieben worden waren — sie wurden die Gaza-Flüchtlinge und ihre Nachkommen von heute.

Eine große technische Anstrengung — und immer noch blieb der Zugriff zum Litani-Fluss im Fokus der politischen und militärischen Anstrengungen (9).

Zugriff auf die Wasser der Westbank und Gaza — die Besatzung 1967

Der durch anhaltenden Bevölkerungszuwachs vor allem aus Russland langsam größer werdende Mangel an neuen Wasserressourcen könnte eines der zentralen Motive für den Krieg 1967 und die Besetzung vor allem der Westbank gewesen sei, zumal auch die wasserreichen Golanhöhen besetzt wurden.

Fortgesetzte Guerilla-Angriffe aus dem Libanon auf das Grenzgebiet im Norden Israels führten zu wiederholten Militäroperationen der israelischen Armee — 1978, 1982, 2001, 2002, 2006 und aktuell — und zur zeitweise militärischen Besetzung des Südlibanon als „Sicherheitszone“ (1985 bis 2000).

„Mit der Besetzung der Golanhöhen und der Westbank durch Israel im Jahre 1967 standen alle Wasservorkommen der Region weitgehend unter israelischer Kontrolle“, schlussfolgert der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages 2016 und listet in einer Karte der UN die Zahl und Lage der Brunnen auf, mit deren Hilfe der Berg-Aquifer unter der Westbank und der Küsten-Aquifer unter dem Gazastreifen abgezapft werden: mehr als 150 direkt entlang der Westbank-Grenze und 150 im unmittelbaren Umfeld des Gazastreifens (10).

Wasser-Regime in den besetzten Gebieten

Zwei Elemente charakterisieren das Wasser-Regime in der Westbank, Ostjerusalem und im Gazastreifen:

  • Enteignung und Sperrung der Zugänge zu den bestehenden Wasserresourcen auf der einen Seite und
  • Diskriminierung und Beschränkung der Nutzung der übrigen verfügbaren Wasserressourcen auf der anderen Seite.

Noch einmal wurde, wie 1948, „verlassenes“ Eigentum an Boden der etwa 500.000 Geflüchteten für israelische Nutzung enteignet, dazu weitreichende Flächen als Sperrgebiete für das Militär oder als „Sicherheitszonen“ wie die gesamte westliche Jordantal-Seite. Dass diese Politik einer Besatzungsmacht illegal und eine Verletzung des Völkerrechts ist, besagen die oben genannten Haager Konventionen und viele Beschlüsse der UN zur israelischen Besetzung von 1967, vor allem die Resolutionen 233 und 234, die einen sofortigen Rückzug der israelischen Armee auf die Grenzen von 1949 forderten. Dem wurde, wie wir wissen, nicht gefolgt (11).

Weitreichend und immer noch wirksam sind die schon kurz nach der Besetzung erlassenen Militärbefehle und Anordnungen der „Zivilverwaltung“ — die eine Militärverwaltung war und ist:

  • Der Militärbefehl Nr. 2 von 1967 erklärte alle Wasserressourcen in den „Occupied Palestinian Territories“ (OPT )zum israelischen Staatseigentum;
  • der Militärbefehl Nr. 92 von 1967 übertrug der israelischen Armee die vollständige Autorität über alle wasserbezogenen Fragen in den OPT;
  • der Militärbefehl Nr. 158 von 1967 schreibt vor, dass es niemandem gestattet ist, eine Wasseranlage zu errichten oder zu besitzen oder zu betreiben, es sei denn, es liegt eine Genehmigung des Gebietskommandanten vor. Diese Anordnung gilt für alle Brunnen und Bewässerungsanlagen bis heute.

Auf diese Anordnungen folgten zahlreiche militärische Befehle, Militärbefehl Nr. 291, Nr. 457, Nr. 484, Nr. 494, Nr. 715 und Nr. 1376, die eine vollständige Kontrolle über die palästinensischen Wasserressourcen ermöglichen.

Sie sind bis heute in den OPT in Kraft und gelten nur für die Palästinenser beziehungsweise ihre „Selbstverwaltung“, die „Palestinian National Authority“ (PNA). Unter diesem Militärregime wurde der Zugang der Palästinenser bei wachsender Bevölkerung zu den Wasserressourcen des Gebietes extrem eingeschränkt (12).

Daran haben auch die Osloer Friedensverträge und die Einrichtung eines „Joint Water Committee“ (JWC, Gemeinsames Wasser-Komitee) nichts Wesentliches geändert, obwohl Israel darin das Recht auf Wasser für die palästinensische Seite anerkennen musste. Vorgesehen für einen Zeitraum von 5 Jahren bis zum endgültigen Abschluss, sind die Verhandlungen bald stecken geblieben und wurden nach der Intifada 2006 abgebrochen. Und nicht nur das, weitere Probleme kamen hinzu:

  • Die Trennung in die Gebiete A, B, C ist ein Meilenstein in der Reduzierung des von der PNA kontrollierbaren Raumes in der Westbank geworden. Gebiet C, vollständig unter israelischer Kontrolle, umfasst 62 Prozent der Westbank — ohne Ostjerusalem — und bildet ein geschlossenes System, das die Zonen unter palästinensischer (Teil-)Verwaltung umschließt und voneinander in einzelne Inseln trennt; Zone B, etwa 20 Prozent, untersteht zwar nach den Vereinbarungen der PNA, aber die Sicherheit liegt weiterhin in den Händen der israelischen Verwaltung. So bleibt nur Gebiet A unter einer nur relativen Kontrolle durch die PNA. Das sind noch etwa 18 Prozent der Westbank.
  • Das Gebiet A umfasst mehr oder weniger nur die Städte und ihr Umland. Diese räumlich-politische Trennung behindert und schränkt auch eine für A und B gemeinsame palästinensische Planung und Verbesserung der Wasserversorgung ein, wenn Leitungen durch B wegen „Sicherheit“ nicht genehmigt werden oder ein Anschluss an die Siedlungen verlangt wird und damit die Abhängigkeit von ihnen. Die israelische Seite hat zudem Vetorecht im JWC.
  • Bauen und Planen in der Westbank ist noch einmal dadurch behindert, dass Israel weiterhin die Gebietsentwicklungspläne aus der englischen Mandatszeit für gültig erklärt, nach denen der größte Teil der Westbank als „Landwirtschaftsgebiet“ festgelegt wurde und damit bis heute jegliches neue Bauen von einer Sondergenehmigung durch die nun israelischen Behörden abhängig macht.
  • Die Erklärung des Jordantals und der Westküste des Toten Meeres als Sicherheitszone isolierte allein 165 Brunnen und 53 Quellen von palästinensischer Nutzung.
  • Die Palästinenser sind seit der Besatzung vollständig von der Nutzung des Jordanwassers und weitestgehend vom Wasser des Berg-Aquifers abgeschnitten. Mehr als zwei Drittel des Wassers des Berg-Aquifers beanspruchen die israelischen Siedler des Westjordanlands für ihre luxuriöse Versorgung mit Swimmingpools und Bewässerungsanlagen.
  • Der Bau der Trennmauer ab 2006 hat die Enteignung von Land und Wasser noch einmal verschärft. 13 Prozent des Westbank-Gebiets mit 29 Brunnen wurden dadurch der palästinensischen Kontrolle entzogen.
  • Anträge auf neue oder zu erweiternde Brunnen und Leitungen scheitern zumeist am israelischen Veto in der JWC.
  • Verstöße gegen diese Verordnungen wie Brunnenbohrungen oder das Verlegen von Leitungen ohne Genehmigung werden drastisch bestraft.
  • Da die noch nutzbaren Wasserquellen nicht den Bedarf decken, müssen mehr als 53 Prozent des benötigten Wassers von der israelischen Wasserbehörde Mekerot gekauft werden.
  • Die Siedler verbrauchen im Vergleich zu den Palästinensern eine vielfache Wassermenge mehr pro Tag und Person, sie müssen jedoch nur einen Bruchteil des Preises bezahlen.
  • Die Übernutzung der vorhandenen Ressourcen auf israelischer Seite hat zu einem Sinken des gesamten Grundwasserspiegels und einem Absinken des Jordans und des Toten Meeres und zu Austrocknungsgefahr geführt.
  • Gegenüber dem durchschnittlichen Verbrauch von 247 Liter pro Tag und Person in Israel um 2020 stehen der palästinensischen Seite nur 82,4 Liter in 2020 pro Tag und Person zur Verfügung, und dies schwankt von Region zu Region, je nach dem realen Zugang zu Brunnen und Quellen; es gibt Gemeinden, die täglich nur 20 Liter pro Tag und Person zur Verfügung haben.
  • Mangel an Wasser zerstört auch die Produktion in der Landwirtschaft, Betriebe geben auf, Familien verlassen ihr Land, ihr Land wird enteignet als „verlassenes oder unbebautes Land“, ein Begriff der Bodenerfassung aus der osmanischen Zeit, der ebenfalls immer noch in Kraft ist — Bauern werden zu Städtern, wandern aus, werden Vertriebene, ein sanfter „Transfer“ beginnt.
  • In Gaza, das vollständig und allein vom Küsten-Aquifer abhängig ist, sind durch Überpumpen 97 Prozent des Wassers untrinkbar geworden und salzig; nur 10 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens hat Zugang zu sicherem Trinkwasser (13).

Gaza — Wasser als Waffe? — Die Geschichte

Im Gazastreifen vollzieht sich gerade ein Teil des geplanten vollständigen „Transfers“ der Einheimischen. Wasser spielt dabei eine große Rolle.

Die Mehrheit der Gaza-Bevölkerung, direkt betroffen oder Verwandte der 1948 Vertriebenen, stammt aus den Dörfern im Umkreis des Gazastreifens (14).

Vor dem 1947 plötzlich einsetzenden enormen Flüchtlingszustrom der etwa 200.000 Flüchtenden aus dem Umfeld Gazas vor den zionistischen Milizen war Gaza eine Idylle: Palmengärten, Datteln, Bananen, Zitrusfrüchte, mehrfache Ernten im Jahr ... Von dem Anbau und Vertrieb ihrer landwirtschaftlichen Produkte nach Europa und in die Nachbarländer lebten reiche Großgrundbesitzer-Familien gut, zum Beispiel die Familie Abu Saleem in Deir el Bahah (Dattelquelle).

Auch die benachbarten vielen Dörfer, die heute neue Namen tragen und israelische Kibbuzim geworden sind, hatten wie der Gazastreifen selbst genügend Wasser für eine reiche Landwirtschaft — sie wurden versorgt durch den Küsten-Aquifer. Auch dort blühten die Gärten, gab es Reichtum und Kultur — wie das Schicksal der Familie Abu Sitta bezeugt. Der Großvater, ein Arzt, der in Kairo studiert hatte, errichtete eine Schule für „sein“ Dorf Ma’in Abu Sitta (Quelle Abu Sitta), die ältesten Söhne wollten Medizin studieren. Der damals für die Vertreibung zuständige Haganah-Offizier war erstaunt, dass das Haus der Abu Sittas eine große Bibliothek besaß (15).

Nach 1948 nahm all dies ein abruptes Ende. Langsam versickerte das schöne Wasser im Gazastreifen, die benachbarten Kibbuzim entnahmen mehr und mehr davon — es sollte ja die „Wüste zum Blühen“ gebracht werden. Im Gazastreifen wuchs die Bevölkerung, die Lebensbedingungen wurden trotz der Versorgung durch die eigens für die palästinensischen Flüchtlinge gegründete Hilfsorganisation der UN, die UNWRA, immer schwieriger, die Flüchtlingslager immer enger und Wasser wurde immer rarer.

1967 wurde die Situation durch die Besetzung noch einmal erschwert, und die Ausbeutung des eigentlich gemeinsam zu nutzenden Wasserreservoirs geschah nun verschärft durch den Bedarf der einwandernden „Kolonisten“ — angelockt von einem unglaublichen „Traum“:

„Die sandigen, palmengesäumten Strände des Gazastreifens sind das ‚Hawaii’ von Israel. Die zehn Gemeinden, die sich vom Erez-Checkpoint im Norden bis nach Rafah im Süden erstrecken, teilen sich den unendlich weiten Blick auf das Mittelmeer. Dieses Gebiet war trotz seines tropischen Klimas und seiner Schönheit nie stark besiedelt, und das möchte der Regionalrat von Gaza in naher Zukunft ändern“, heißt es in einer Werbebroschüre der WZO von 1984 (16)!

3.000 Siedler auf fast 40 Prozent des Gazastreifens konnten nun bis 2006 die „Wüste zum Blühen“ bringen. In den drei großen Siedlerkomplexen Gush Khatib im Süden mit 19 Kibuzzim, Nezarim neben Deir el Balah in der Mitte sowie drei Kibuzzim bei Erez. Dort reiften nun die Datteln und Zitrusfrüchte. Dort gab es ausreichend Wasser.

Für die inzwischen fast 2 Millionen palästinensischen Gaza-Bewohner, die Hälfte davon immer noch in Flüchtlingslagern, wurde Wasser immer kostbarer und rarer.

Gaza verdurstete langsam. Das Grundwasser wurde salzig, es gab bis zum Abzug der Siedler 2006 nur noch stundenweise Trinkwasser für die verschiedenen Viertel und Städte.

Nach dem geplanten Abzug im Rahmen des sogenannten Friedensprozesses mit Israel unter der Schirmherrschaft der westlichen Welt schienen Hilfen in Sicht: Projekte zur Meeresentsalzung, Brauchwassernutzung sowie erneuerte Versorgungsnetze sollten Erleichterung schaffen. Aber das Absinken des Spiegels des trinkbaren Grundwassers war nicht mehr abzuwehren — Israel nutzte den Küsten-Aquifer vollständig. Das Wadi Gaza wurde zum Trockenbett.

Nachdem die Hamas 2006 an die politische Macht kam, wurden die Hilfen des „Wertewestens“ eingestellt und die Projekte mehr oder weniger gestoppt. Ab da wurde das Leben noch einmal viel komplizierter: Alle Versorgung kam nun nur noch als Nothilfen von außen — vollständig kontrolliert durch die israelische Grenzverwaltung und die militärische Kontrolle über Land, Luft und Wasser. Gaza blieb in der Abhängigkeit des israelischen Wollens oder Nichtwollens, bei Lebensmitteln, Medikamenten, Baustoffen, Gas, Öl und so weiter.

Heute ist die Wasserversorgung endgültig zusammengebrochen. Die neuen Projekte sind zerstört, die gesamte Infrastruktur der Wasserversorgung, Nutzung, Verteilung, Abwasserregulierung, und Entsalzung — nichts funktioniert mehr. Die Menschen verdursten.

Dringende Hilfen?

Der geplante Landesteg, der als Pier für Hilfsgüter verkauft und aktuell von den USA finanziert werden soll — ein Trojanisches Pferd? Skeptiker befürchten, dass er nicht der Hilfe dienen soll, sondern der endgültigen Verfrachtung der Verbliebenen weg von Gaza, weg von Palästina, nun über das Meer. Ein Stück mehr Transfer (17)? Schon wieder???

1948 flohen schon einmal Tausende von der Küste Jaffas vor den bewaffneten Angriffen der Kiryati Brigade — über den einzig verbliebenen Seeweg, in überfüllten Booten, im Chaos. Viele Menschen kamen nie an einer sicheren Küste an (18).

Oder wird der neue Steg einem weiter reichenden Zweck dienen, nämlich der Ausbeutung des Gas-Reservoirs vor der palästinensischen Küste?

Ende

Das Märchen von der „Begrünung der Wüste“ ist ein Fake; es beruht auf der Ausbeutung fremden Wassers, das zumindest gerecht geteilt werden müsste. Die israelische Gesellschaft lebt davon in Saus und Braus: Einwanderungsprogramme, ein moderner Lebensstil, extensiver Gebrauch von Frischwasserquellen, riesige Bewässerungsprojekte in den Golanhöhen, wo Sprinkleranlagen Tag und Nacht im Sommer die Apfelplantagen bewässern, Wasser „fressende“ Baumwollplantagen in einer semiariden Region — alles ein Wahnsinn, und dazu das garantierte Luxusleben in den Kolonien mit Swimmingpools und immergrünen Gärten ...

Obwohl Israel die modernsten Techniken für Wassernutzung beherrscht und weltweit führend ist bei der Entsalzung, beim Recyling, beim Dripping, entkommt es nicht einer voraussehbaren, erneuten Ver-„Wüstung“.

Israel braucht die Besatzung — am besten ohne Besetzte. Ein palästinensischer Staat passt nicht in diese Zukunft. Wasserenteignung und Kolonisierung gehören zusammen. Aber es wird keinen Frieden ohne gerechte Verteilung der Wasserressourcen in Palästina und Nahost geben!