Waffen und Wundpflaster

Teer Sandmann unternimmt eine tagebuchartige, philosophisch-politische Gedankenreise mit Musik in die Coronazeit und weit darüber hinaus.

Teer Sandmann ist in seinem neuen Buch „Raffen Sterben Trance. Eine wohltemperierte Abrechnung hin zum Frieden“ auf der Suche nach Antworten auf die Frage, wie der monströse Coronawahnsinn wahr werden konnte und was für die Zukunft Hoffnung gibt. Eine Rezension.

Teer Sandmanns neue Schrift ist ein Beitrag zur Sinnfrage, denn: „Was bleibt übrig von dem, was sich lohnt über Lidl hinaus am Ende des Tages?“ Die Antwort bleibt der Autor am Ende des Buches nicht schuldig. Und so fügen sich die Titelbegriffe „Raffen Sterben Trance“ folgerichtig zusammen, indem die Abrechnung mit der Coronazeit über Trance hinführt zum Verzeihen, aus dem neue Kraft geschöpft wird. Hilfestellung liefern dabei Hinweise auf Texte von Ingeborg Bachmann, aber auch von Kafka und Novalis, bis zu aktuellen Autoren wie Michael Nehls zur Gehirnforschung oder juristische Beiträge von Alexander Christ.

Teer Sandmann ringt um die richtige Sprache, sie soll „das Monströse fassen und doch filigran bleiben. (…) Streicheln. Fluchen. Heiligen. Und Erbrechen soll sie, auch das. Sprache eines Bewusstseins eben, das um sein Überleben kämpft.“

Und ja, Teer Sandmann hat seine Sprache gefunden. Eine Sprache, deren Sätze als reinigende und heilende Wundpflaster die verletzte Coronaseele in ihrer Depression schützend umfangen, die gleichzeitig auch als Waffe, als Waffe gegen Faschismus zu verstehen ist.

Teer Sandmann ist ein Großmeister der Paradoxien. Er hinterfragt, um Ergebnisse erneut zu hinterfragen, um wieder am Anfang zu enden. Denn auch das Gute, gebündelt, läuft Gefahr, faschistisch zu enden. Bund — Faschis — Rute.

„Raffen Sterben Trance“ ist ein philosophisches Werk, das in kleinen Portionen Gedanken verabreicht. Es ist auch ein hochpolitisches Buch, das sich gegen die Empörung über einen Gates oder Schwab ausspricht, die ja nichts bewirkt, denn nicht die Moral, sondern die Machtkritik, zur Dekonstruierung der Macht, sei der springende Punkt. Die Kritik „setzt beim Kapital an und arbeitet an dessen Zerschlagung. Und sie setzt bei all jenen an, welche diese Einzelnen, die ersetzbar sind, gegenstützen. Bei Gehorsam und Angst.“

Sandmanns wohlfeil formulierte Gedankengänge, die an der Corona-Inszenierung entlangführen, lassen sich genussvoll in den Geist schlürfen. Neben das Entsetzen über die „monströse Corona-Wirklichkeit“ legt sich die Freude über die Formulierkunst des Autors, die sich in Ausdrücken wie „Screenkultur als letzten Schrei der Sklaverei“ findet. Nur ein Beispiel von vielen treffsicheren Sätzen. Man möchte am liebsten Zitat an Zitat reihen.

Der Autor rechnet ab mit den Global-Governance-Träumen, mit dem „Traum vom Funktionieren und von der Materie, die planbar ist“ und in der Frage gipfelt „Warum bin nicht ich Gott?“, wohl bewusst, dass es nicht die Massen sind, die ewig leben sollen.

Yuval Noah Harari — Albtraumentwurf der Menschheitsgeschichte. Sandmann sieht, dass es weder die Optimierung noch das Wachstum sein kann.

„Denn Wachstum ist kein Wachstum, sondern Ewigkeit. Und ‚Ewigkeit‘ ist eine Kategorie aus der religiösen Kiste und Teil des Nebels.“

Woraus die Frage folgt: Geht es um „Glaube, Liebe, Hoffnung“?

Sandmann rechnet ab mit Zuckerberg, Gates, Google — und auch mit den Linken, die „plötzlich einen gemeinsamen Feind hatten: den Verschwörungstheoretiker, den Nazi, den Esoteriker“.

Um uns von dieser ungeheuerlichen, erstickend faschistischen Corona-Monstrosität zu erholen, nimmt Sandmann uns mit auf seine kleinen Fluchten, schlüpft auf seinen Exkursionen durch ein Zeittor hinein in die alte Musik, die nicht nur ihm, sondern auch uns Lesern Entspannung und Trost bietet. Es muss alte Musik sein, von Komponisten des Mittelalters und der Renaissance, weit weg aus dem Hier und Jetzt, und gerade deshalb so gegenwärtig in ihrer Endzeitstimmung. Wusste man doch auch in diesen verflossenen Jahrhunderten, was Hilflosigkeit und Seelenqual angesichts von Krankheit, Krieg, Tod, Hölle und Teufel bedeuten. Nie wieder konnte musikalisch und textlich so wunderbar unter den unabwendbaren Schrecken, von denen der Tod nicht der schlimmste war, gelitten werden. Sandmann konstatiert: „Das tiefste Mittelalter aber ist JETZT.“

Unvergleichlich, wie Sandmann Liedtexte der Lobpreisung des Vergessens aus den Zeiten der Renaissance wie „Oublié“ von 1470 mit der heutigen Form von Gehirnschrumpfung — als Ausdruck eines „hegelschen Zeitgeistes“ — in Beziehung setzt. Und bei „Fortuna Desperata“ entdeckt er für uns das „Glück, an dem zu verzweifeln sich lohnt“. Eine „Messe pro fidelibus defunctis (für die glücklichen Toten)“, diese „himmlische Musik (…) niemals verschmutzt durch einen Wikipedia-Eintrag, durch ein Ranking, durch eine genderzerstörte Sprache“ macht ihn froh.

In dem Kapitel „Zwischen Zäunen und Carports“ — tatsächlich gliedern sich die Gedankentexte und -splitter Sandmanns in Kapitel auf — erzählt der Autor von den unglaublichen Vorgängen an deutschen Schulen, ihm durch seine schulpflichtige Tochter vermittelt, nicht nur während der Corona-Monstrosität, sondern darüber hinaus zu Themen von Krieg und Frieden. Den Leser fröstelt, liest er von der „überlebensgroßen Ukrainefahne“ im Jahr 2022 und von der Israel-Flagge, die 2023 hochgezogen wurde, unter denen sich Schüler bei Weihnachtsfeiern aufzustellen hatten, zuletzt um ein hebräisches Lied zu singen.

„Die israelische Armee hatte zu diesem Zeitpunkt schon mindestens 20.000 Menschen getötet, über die Hälfte davon Kinder im Alter der Singenden.“

Nicht erträglich, nicht fassbar.

Sandmann hält im Kapitel „Das ist die Welt, Clemens“ Zwiesprache mit seinem verstorbenen Freund, an den er sich in seiner Einsamkeit wendet. Clemens wird zu seinem Traum-Psychiater, als er — nicht verwunderlich — vom Hitler-Visions-Syndrom heimgesucht wird.

Über Wieler, Drosten, Baerbock, Röttgen, über den gesamten Wertewesten ist es nicht weit zu Bandera, und über Butscha zu Bergamo — die über den Bildschirm geflimmerten Bilder hinterfragend. „Cui bono oder Wer fragt, ist ein Nazi“. Sandmann fragt: „Kann die Sprache selbst zertrümmert werden“ mit der „gendermäßigen Verstümmelung als Endlösung“? Demokratie und Freiheit als Design aufgelöst. „Hundekot, digital geglättet?“ „Das Verbrechen, das alle glücklich macht.“

Empörung und Moralismus als Fundament für „Bünde“ und „Bündelung“, geweitet zum Faschismus. Ein Paradoxon jagt das andere: Nachdem alles, was Erfolg hat, von den Mustern, die töten, befallen ist, kann nur Erfolglosigkeit zum Ausweg werden. Die „grundsätzliche Annahme, selbst zu den Guten zu zählen (…): das ist das Ausgangsproblem“, auch bei den Dissidenten. Und so erkennt Sandmann auch im Corona-Widerstand ein reaktionäres Gesicht, „patriarchale Heile-Welt-Familien- und Nationenbilder“.

Für die Zukunft sieht der Autor nur zwei Alternativen: Auslöschung durch einen apokalyptischen Krieg oder die totale geistige Auslöschung. Was mit der noch verbliebenen Zeit anfangen? Sie der Kontemplation widmen? „Vielleicht auch dem Kochen? Der Darmsanierung?“

Trotz alledem, für Teer Sandmann findet sich ein Ausweg im Verzeihen, als eine Erfahrung des Körpers, des Wassers. Die Täter, die „Irren und Mörder“, werden zu Termiten erklärt.

„Nicht um sie zu zertreten. Vielmehr sind sie aus dem Lauf der Dinge und der Zeiten zu heben und der Gleich-Gültigkeit anheimzugeben.“

Damit der Widerstand an Kraft gewinne. Verzeihen und Lieben, um die Tür in die Zukunft oder auch in die Ewigkeit, erlebt als Trance, zu öffnen.

Im allerbesten Sinne ein „romantisches Lesebuch“ in Zeiten des Krieges zum Trost für geschundene Coronaseelen.

An dieser Stelle soll noch Dirk C. Fleck zitiert sein:

„‚Mit Raffen Sterben Trance‘ liegt nun ein Buch vor, das die Jahre vor der finalen Katastrophe, auf die wir in atemberaubendem Tempo zusteuern, so gnadenlos analysiert, dass es jedes andere Zeitdokument überflüssig macht. Auf dem Gleitstrahl des implantierten Wahnsinns zum evolutionären Orgasmus — so etwa lässt sich unser kurzer Ritt auf diesem Planeten wohl am besten beschreiben. Was ‚Raffen Sterben Trance‘ aber besonders macht, ist das Gewand aus Traurigkeit und Schmerz, in das Daniel Sandmann den sezierten Schrecken zu kleiden vermag. Sein Buch ist ein Klassiker der Weltliteratur, auch wenn die Welt von ihm vermutlich nie erfährt. Aber es wird mit Sicherheit in jene Chronik eingehen, die über die Zeit hinaus von den Menschen berichten wird.“


Hier können Sie das Buch bestellen: Tredition