Von der Freiheit

Wenn wir dauerhaft frei leben wollen, brauchen wir eine lebendige Vision des erwünschten Zustands.

Ein Gespenst geht um in Deutschland, das Gespenst des Spazierengehens. Jeden Montag, sowie an vielen anderen Tagen, versammeln sich Menschen, angemeldet und unangemeldet, um gegen die herrschende Diktatur zu protestieren. Dabei rücken sie einen Wert in das Zentrum ihrer Forderungen, der lange verloren gegangen schien: die Freiheit. Doch was genau ist Freiheit? Wie können wir sie erlangen? Ist sie mehr als nur das Abschütteln des derzeitigen Regimes? Wollen wir echte Freiheit erlangen, müssen wir uns mit diesen Fragen auseinandersetzen und einen Begriff von Freiheit entwickeln, der in der Lage ist, Angriffen auf Dauer standzuhalten.

„Frieden, Freiheit, Souveränität“ ist der Ruf der Protestierenden, die seit Monaten in ganz Deutschland auf die Straße gehen. Ein Motto, dem wohl kaum jemand widersprechen würde. Er scheint spontan entstanden, und doch bildet er eine untrennbare Dreifaltigkeit. Zentral, und daher in der Mitte, steht die Freiheit, flankiert vom Frieden und der Souveränität. Freiheit, einst verfassungsrechtlich garantiert, wird nun erneut eingefordert.

Die Bewegung reagiert damit auf eine Regierung, die Freiheiten immer weiter beschneidet, den Einzelnen in das eiserne Band immer strikterer Gesetze einschmiedet und so die Menschen unterdrückt. Diese suchen also nun, sich von der strengen Herrschaft, den absurden Regeln und der Enge zu befreien. Sie stehen damit in der Tradition von Spartakus, der französischen Revolution oder Che Guevara. Auch hier war der Aufstand immer gerichtet gegen eine Herrschaft und somit als Akt der Befreiung zu sehen. Doch genügt Befreiung alleine, um Freiheit zu erreichen?

Der Wunsch der Befreiung wird stets geboren als eine Antwort auf untragbare Zustände. Der verzweifelte Sklave, der seinen Herrn erschlägt und davonläuft, die Bauern, die gegen einen Feudalherren aufbegehren, der ihnen kaum genug zu essen zum Leben lässt, oder die einheimischen Revolutionäre, die sich gegen die kolonialen Kapitalisten erheben, um das Land wieder in ihre Hände zu bringen. All dem geht der Zorn voran. Zorn gegenüber der Unterdrückung, gegenüber der Arroganz der Macht, die sich immer mehr anmaßt, dem Einzelnen das Leben immer schwerer macht und dafür doch keine Rechtfertigung hat.

Doch ist diese Macht einst abgeschüttelt, stellt sich schon die nächste Frage: Was folgt dann? Ist diese Frage nicht im Vorhinein beantwortet, etablieren sich dieselben Muster wie zuvor.

Die französische Revolution entriss dem Adel die Macht, legte sie dann aber in die Hände der Bourgeoisie, die ein grausames Regime etablierte. Auch die russische Revolution, als Akt der Befreiung begonnen, wurde bald von einer Partei vereinnahmt, die ein blutigeres Regime über die Menschen brachte, als der Adel es je gekonnt hatte. Befreiung endet also nicht unbedingt in Freiheit.

Keine Institutionen

Wer Freiheit anstrebt, der braucht zunächst eine Idee davon, was Freiheit bedeutet. Westliche Gesellschaften rühmen sich heutzutage damit, frei zu sein. „Einigkeit und Recht und Freiheit“ ist Teil der deutschen Nationalhymne, „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ war das Motto der französischen Revolution und ist noch immer dasjenige der jetzigen Republik. Wir genossen bis 2020 Freiheitsrechte, die uns in Verfassungen garantiert wurden. Und in der Tat, in Deutschland lebte man lange Zeit freier als beispielsweise in Nordkorea, wo die Menschen nicht einmal frei das Land bereisen dürfen.

Doch der Verweis darauf, dass es woanders schlimmer ist, kann nicht als Rechtfertigung dienen, sich mit den herrschenden Zuständen abzufinden. Denn gegenwärtig sehen wir, wie weit her es mit dieser Freiheit ist. Bietet sich ein willkommener Anlass, dann ist sie ganz schnell Geschichte.

Der Staat nimmt sich die Freiheit, dem Einzelnen die Freiheiten beliebig zu entziehen und zu gewähren, je nach dessen Gehorsam. Macht und Hierarchien sind also eine schlechte Voraussetzung für Freiheit. Denn wenn jemandem oder einer Institution Macht eingeräumt wird, diese also über anderen Menschen steht, dann ist Freiheit immer an das Wohlwollen dieser Institution oder dieser Person geknüpft. Da Staaten aber genau so funktionieren, kann man konstatieren: Staaten sind das größte Hindernis für Freiheit.

Derzeit ist das gut zu beobachten. Da befinden Staaten darüber, wie ihre Bürger sich zu verhalten, dass sie in der Öffentlichkeit ihr Gesicht zu verhüllen und Abstände zu wahren haben. Ihnen werden medizinische Behandlungen aufgenötigt, die nicht nur keinen Nutzen bringen, sondern sogar schädlich sind. Bei Widerspruch oder Verstoß maßt der Staat sich an, Strafen zu verhängen. China ist da schon einen Schritt weiter und hat ein Sozialkreditsystem eingeführt, das Zugang zu Öffentlichkeit, Verdienst, Arbeit und auch die Miete von Wohnraum an Wohlverhalten knüpft, eine Entwicklung, die hierzulande auch ganz offen angedacht wird.

Der Staat macht sich der besseren Regierbarkeit wegen zum Belehrer, Ermahner und Strafer der Menschen. Er fordert ein bestimmtes Verhalten ein und zielt damit auf eine Gleichschaltung der ihm unterworfenen Menschen und negiert dabei die Freiheiten des Einzelnen.

Aber braucht es nicht einen Staat, um die Freiheit des Einzelnen zu ermöglichen? Natürlich, ein bisschen Einschränkung muss sein, damit sich ein jeder frei entfalten kann. Gäbe es keinen Staat, dann herrschte doch nur das Recht des Stärkeren. So oder so ähnlich argumentieren diejenigen, die sich von den obigen Aussagen nun persönlich oder in ihrem Sicherheitsgefühl angegriffen fühlen. Der Staat nimmt ein Stück der Freiheit, um Sicherheit zu gewährleisten. Dass das auf Dauer nicht funktioniert, verrät schon das bekannte Zitat:

„Wer seine Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu erlangen, der wird am Ende beides verlieren.“

Denn wer seine Sicherheit wegen eines Stückes seiner Freiheit auf Institutionen überträgt, der liefert sich selbst deren Willkür aus.

Mögen diese ihm anfangs sogar noch Sicherheit gewährleisten, so ist das nur eine kurze Periode, nach und nach wird diese Sicherheit durch immer weitere Beschneidungen der Freiheit ebenso abgeschafft, wie die Freiheit selbst, denn die solchermaßen ermächtigte Institution stellt immer strengere Anforderungen, um die Sicherheit zu gewährleisten, erhebt zum Beispiel immer höhere Steuern, knüpft die Freiheit an eine Abstammung oder einen medizinischen Behandlungsstatus und wird damit selbst zur größten Bedrohung der Freiheit. Auch das ist derzeit gut zu beobachten. In einer Situation, in der von Coronaviren keinerlei Gefahr ausgeht, verschiebt der uns angeblich Schutz bringende Staat jede Lockerung der Maßnahmen immer weiter nach hinten.

Egoismus

Natürlich bedeutet Freiheit nicht das Ausleben eines unbegrenzten Egoismus. Die persönliche Freiheit endet dort, wo diejenige eines anderen Menschen beginnt. Diese momentan stets belehrend von Regierungsvertretern vorgetragene Binsenweisheit ist aktuell wie nie, doch anders, als die Apologeten des Corona-Regimes sie benutzen. Diese beweisen nämlich nur, dass sie nicht verstanden haben, was gemeint ist. Denn sie nutzen diese Phrase, um in ihrer eigenen Angst anderen Menschen gegen deren Willen Dinge aufzuzwingen. Das aber hat mit Freiheit nichts zu tun, das ist totalitäres Verhalten, das aus der eigenen egoistischen Angst geboren ist.

Die Freiheit des Einzelnen wird beschränkt durch die Freiheit seiner Mitmenschen. Nicht jedoch ist damit gemeint, sich medizinische Maßnahmen aufzwingen zu lassen. Denn dadurch wird die Freiheit weder wiederhergestellt, noch ist sie durch Menschen, die diese Maßnahmen verweigern, aktuell bedroht. Es ist der Staat, der jede Freiheit genommen hat und diese nun an seine Bedingungen, das heißt an einen Impfstatus knüpft, den Freiheitsentzug aber mit mangelndem Gehorsam rechtfertigt. Er ist es, der die Gleichung „Impfung = Freiheit“ überhaupt erst aufgestellt hat und nun versucht, dieser jeden Menschen zu unterwerfen, ohne sich jedoch selbst die Versprechen zu erfüllen, die damit verbunden sind.

Es ist dieselbe Argumentation des prügelnden Ehemannes, der doch „nur zum Besten“ der Frau handelt, die ihn zu seinem Verhalten zwinge.

Gemeint ist eigentlich etwas anderes: Freiheit ist nur möglich, wenn man die Freiheit, Privatsphäre und Entfaltungsmöglichkeiten aller anderen respektiert. Das schließt die Anwendung von Gewalt in zwischenmenschlichem Verhalten aus. Denn Gewalt ist die primitivste Form der Freiheitsbeschneidung. Sie beschränkt Freiheit ultimativ und grundlegend, denn sie greift in die körperliche Integrität der Menschen ein und zwingt ihnen den Willen des Gewalttätigen auf. Freiheit setzt somit den Frieden voraus, bedingt ihn aber auch.

Momentan ist es der Staat, der solchermaßen Gewalt verübt und die körperliche Integrität der ihm Unterworfenen antastet, indem er ihnen Masken, Tests und Gentherapien aufnötigt. Das jedoch ist keine neue Erscheinung. Schon lange maßt sich der Staat das Gewaltmonopol an und damit die Befugnis, über einzelne Menschen gewaltsam verfügen zu können. Eine Grundlage, die diese Anmaßung rechtfertigen könnte, gibt es jedoch nicht. Denn wenn ein einzelner Mensch nicht gewaltsam über einen anderen verfügen darf, so kann er diese fehlende Kompetenz nicht auf eine Institution übertragen. Genau das suggeriert aber unsere Vorstellung von Staat und Demokratie.

Kein Kapitalismus

Die Freiheit des Einzelnen ist auch dadurch begrenzt, dass er zu unterlassen hat, was die Freiheit anderer einschränkt. Wenn beispielsweise eine Gruppe von Menschen an einem Fluss vom Fischfang lebt, gleichzeitig eine andere Gruppe von Menschen aber flussaufwärts denselben Fluss mit Abwässern vergiftet, sodass die Fische sterben und ungenießbar werden, dann ist die Freiheit der ersten Gruppe beschränkt.

Diese kleine Beispiel macht deutlich, wie relevant der respektvolle Umgang mit der Natur für die individuelle Freiheit ist. Durch die rücksichtslose Behandlung unserer Lebensgrundlage rauben wir uns selbst die Freiheit. Verändert man das Beispiel nur leicht, indem nun die zweite Gruppe mit riesigen Schleppnetzen den ganzen Fischbestand wegfischt, sodass die erste Gruppe nichts zu essen hat, stoßen wir auf einen weiteren wichtigen Aspekt. Denn auch die eigene Genügsamkeit und Rücksicht gegenüber anderen Menschen sind wichtige Grundlagen für die Freiheit aller.

Natürlich könnte die zweite Gruppe den solchermaßen gefangenen Fisch nun an die erste Gruppe verkaufen. Doch damit gibt sie dieser nicht die Freiheit zurück, sondern schlägt noch Profit aus deren Unfreiheit. Das ist es, was derzeit weltweit passiert. Im herrschenden kapitalistischen System werden Menschen von ihrem Land vertrieben, ihnen werden Fisch- und Wildbestände weggefangen, und so müssen sie verhungern, wenn sie nicht zu einem minimalen Lohn bei ebendiesen Konzernen, die das in großem Umfang tun, arbeiten und deren Produkte kaufen.

Ernährungssouveränität ist damit eine Grundlage für Freiheit. Doch welcher Mensch lebt heutzutage noch auf diese Weise? Die meisten müssen einer bezahlten Arbeit nachgehen, um das Geld zu verdienen, mit dem sie sich dann alles für das Leben Notwendige kaufen. Sie befinden sich damit in größter Abhängigkeit von Konzernen und Unternehmen.

Wohin das führen kann, sieht man bei jeder Wirtschaftskrise, die stets zuverlässig zu Massenarbeitslosigkeit, Hunger und Verelendung führen. Die Konzerne profitieren also von der Abhängigkeit des Einzelnen. Es besteht ökonomische Unfreiheit, selbst wenn formale Freiheit garantiert ist. In einer solchen Gesellschaft sozialer Ungleichheit leben diejenigen, die mehr Wohlstand angehäuft haben, auf Kosten derjenigen, denen das nicht gelungen ist. Denn nur letztere werden sich an die Maschinen irgendwelcher Fabriken stellen, schlicht weil sie es müssen. Dieses Verhältnis findet sich national wie international. Der Kapitalismus ist also ein Hindernis unserer Freiheit schlechthin.

Eine freie Gesellschaft kann damit nur durch soziale und ökonomische Gleichheit entstehen. Das wiederum ist am ehesten durch Ernährungssouveränität zu erreichen.

Denn erst wenn jeder das zum Leben Notwendige bereits hat, können Abhängigkeiten und damit Hierarchien wegfallen.

Souveränität

Souveränität ist also unabdingbar für die Freiheit. Dabei ist Souveränität mehr, als das bloße Verfügen über die grundlegenden Dinge. Sie ist eine innere Haltung und eine Unabhängigkeit von allen äußeren Bedingungen. Damit bedingt sie auch Entscheidungsfreiheit, wie das derzeitige Regime sie uns eben nicht gewährt. Das bedeutet nicht, dass es keine Regeln mehr gäbe. Freiheit ist nicht mit vollkommener Gesetzlosigkeit gleichzusetzen.

Freiheit bedeutet vielmehr, dass jeder von Regeln Betroffene die Möglichkeit hat, an diesen Regeln selbst mitzuwirken. Das führt auch dazu, dass die Menschen sich viel eher an diese selbst aufgestellten Regeln halten. Zudem ist bei der Etablierung des Prozesses, mittels dessen Regeln festgelegt werden, Mitbestimmung erforderlich. Denn nur wenn der Einzelne über diesen Prozess und die Regeln selbst mitentscheidet, kann Freiheit in vollem Umfang verwirklicht werden.

Freiheit ist nicht nur die Freiheit zu etwas, sondern auch die Freiheit von etwas. Religionsfreiheit zum Beispiel garantiert einem die Freiheit, die eigene Religion auszuüben. Sie garantiert aber ebenso die Freiheit von Religion, also jene, keinen Glauben zu haben. Diese Freiheit steht damit dem Zwang diametral entgegen. Freiheit ist somit nicht nur die Möglichkeit für ein bestimmtes Handeln, sondern auch, bestimmte Dinge nicht zu tun, nicht mit sich machen zu lassen. Diese Freiheit ist es, die momentan nicht mehr gewährt wird.

Die höchste Form der Freiheit ist wohl die Freiheit von Angst. Denn wer keine Angst hat, der ist nicht steuerbar, nicht kontrollierbar. Die größte Angst des Menschen ist in der Regel die vor dem Tod. Über diesen Hebel ist er durch Institutionen lenkbar.

Auch dies macht sich das Corona-Regime zunutze. Es versetzt die Menschen künstlich in eine Angst vor dem Tod und bringt sie so dazu, sich konform zu verhalten, die eigene Freiheitsbeschränkung durch Lockdown, Masken, Genspritzen, digitale Überwachungszertifikate zu akzeptieren und sich so Stück für Stück das letzte bisschen Freiheit nehmen zu lassen. Am Ende dieser Entwicklung steht der digitale Überwachungs- und Sanktionsstaat. Dies wäre nie möglich gewesen, fürchteten die Menschen nicht den Tod mehr als jede Unfreiheit. Diese Angst steckt aber tief in den Menschen, die in einer rein materialistischen Weltvorstellung leben, nach welcher der Tod des materiellen Körpers das Ende allen Seins ist. Freiheit ist damit auch eine innere Einstellung und birgt eine spirituelle Komponente.

Verfolgte Freiheit

Am besten verwirklicht hatten diese Freiheit wohl die Piraten des 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Zwar waren sie schon damals, und sind es auch heute noch, als Mörder, Plünderer und Räuber verschrien, so stellt sich die Wirklichkeit ein wenig komplexer dar. Denn die freien Piraten waren angetrieben von dem Wunsch nach Freiheit. Das Leben auf See war damals hart, die Hierarchie auf den Schiffen sehr streng. Auf den Handels- und Marineschiffen herrschte strenger Gehorsam, der mit Gewalt aufrechterhalten wurde. Die Seeleute arbeiteten hart für die Großhändler, Reeder oder das Militär, das den Handel absicherte, erhielten wenig zu essen und wurden oft um ihren Lohn betrogen. Sie fanden sich also in einem rigiden, frühkapitalistischen Zwangssystem, das sie vollkommen auspresste.

In dieser Situation begehrten immer wieder einige dieser Seeleute gegen ihre Kapitäne auf und setzten sie, oft gewaltsam, ab. Statt einer strengen Hierarchie etablierten sie eine Gesellschaft der Gleichen. Sogar der Kapitän wurde gewählt und schlief und speiste mit dem Rest der Crew. Er war ihnen nicht übergeordnet und konnte bei Fehlverhalten jederzeit abgesetzt werden.

Piraten suchten nach Freiheit und nahmen sie sich. Dazu plünderten sie auch Handelsschiffe, verzichteten dabei aber, entgegen der Propaganda der damaligen Zeit, zumeist auf Gewalt. Ganz im Gegenteil, oftmals boten sie der Crew des überfallenen Schiffes gar die Freiheit an, sich ihnen anzuschließen. Daher schlossen sich so viele Seeleute den Piraten an, dass einzelne Kapitäne gar nicht so viele Menschen auf ihren Schiffen aufnehmen konnten.

All das nahm ein Ausmaß an, welches den damaligen Handel schwer erschütterte. Zeitweise stand das System gar vor dem Kollaps. So wurden die Piraten zu „Feinden aller Nationen“ erklärt und mit aller Gewalt bekämpft, denn die Privilegien der herrschenden Klasse waren ein unantastbares Gut, das anzutasten die Piraten gewagt hatten. Sie hatten dabei nicht mehr getan, als Teile dessen zurück in ihre Gewalt zu bringen, was den Menschen eigentlich ohnehin zugestanden hätte. Denn die Herrscher der damaligen Zeit raubten es den Bevölkerungen diverser Länder ebenso, wie sie es heute tun.

Doch die Piraten ließen sich von der staatlichen Gewalt nicht einschüchtern. Unerschrocken setzten sie ihr Leben fort und gingen oftmals auch auf die gewährten Amnestien nicht oder nur zum Schein ein, um anschließend weiterzumachen wie zuvor. Denn sie wussten, ein solches Leben, wie sie es führten, währte zwar nur kurz, aber sie waren auf den Geschmack der Freiheit gekommen. Der Galgen, welcher damals in der Regel die Strafe für Piraterie war, konnte sie nicht abschrecken. Mit ihrem rigiden Streben nach Freiheit hatten sie das System, das damals wie heute auf Knechtschaft, Unterdrückung und Zwang aufgebaut war, und damit die herrschende Klasse herausgefordert.

So wurden freiheitlich orientierte Menschen im Laufe der Geschichte immer wieder verfolgt und getötet. Seien es die Piraten, die Katalanen 1936, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts, die Pariser Kommune 1871, die Kommune von Kronstadt, die Machnotschina in der Ukraine, ihnen allen war gemein, dass sie keine Macht über sich akzeptierten und jede Herrschaft ablehnten.

Sie alle hinterließen aber auch Zeugnisse der Gewalt, mit welcher sie bekämpft wurden. Denn die etablierte Herrscherkaste, sei es die kapitalistische im Westen oder die pseudosozialistische in der Sowjetunion, bangte stets um ihre Privilegien und sah die Freiheit der Menschen als Angriff auf ihre eigene Macht und ihr Eigentum, was sie in der Regel auch war. Denn Eigentum in größerem Umfang ist stets eine Freiheitsbeschneidung des Einzelnen und eine Grundlage für Macht. Zudem wird es stets anderen durch Vertreibung, Versklavung und Abhängigkeiten geraubt. Nicht umsonst konstatierte Pierre-Joseph Proudhon: „Eigentum ist Diebstahl.“

Wir sehen also, dass Freiheit im kapitalistischen Zwangssystem unmöglich ist und Frieden und Souveränität ausschließt. Wenn die heutige Protestbewegung also „Frieden, Freiheit, Souveränität“ ruft, dann hat sie genau das offenbar intuitiv verstanden. Gleichzeitig kann sie all das nur erreichen, wenn sie nicht bei der bloßen Befreiung stehen bleibt, sondern darüber hinaus eine Vision von Freiheit im umfassenden Sinne entwirft. Diese Vision muss das herrschende System grundlegend infrage stellen und wird daher eine entsprechende Reaktion aus der Klasse der Herrschenden hervorrufen. Dennoch ist ein solcher Prozess notwendig. Denn ansonsten wird Freiheit, wie stets in der Geschichte, nur ein kurzes Aufblitzen in den langen dunklen Zeiten der Unterdrückung bleiben.

Die herrschende Kaste ist noch am Werk, ihre Privilegien, ihre Macht und ihr Eigentum zu sichern, um jeden einzelnen Menschen diesen unterzuordnen. Stets hat sie sich dazu Verbrechern, Mördern und Faschisten bedient. Auch heute wird sie nichts unversucht lassen, um den Ruf nach Freiheit entweder zum Verstummen zu bringen oder in für sie ungefährliche Bahnen zu lenken.

Dieses Zurück auf Anfang, auf einen Status von vor 2020, stellt aber keine Freiheit dar, sondern nur einen weniger rigiden Stand der Unfreiheit. Wer nach echter Freiheit strebt, darf sich damit nicht abfinden.