Versicherungsmärchen

Die Lebensversicherer zocken ihre Kunden ab.

Ein Skandal, der scheinbar endlos weitergeht, ist der Umgang der Lebensversicherer mit ihren Kunden. Bereits 1983 bestätigte das Landgericht Hamburg, dass es sich hierbei um legalen Betrug handelte. Seitdem muss die Branche mit diesem Makel leben, doch ihr Verhalten geändert hat sie kaum. Die vierte Folge der Rubikon-Serie handelt von den angeblichen Folgen des Niedrigzinses und den offenbar allzu gierigen Altkunden.

Landauf, landab wird derzeit behauptet, die Lebensversicherer könnten angesichts des aktuellen Zinsniveaus gar nicht mehr die Zinsen erwirtschaften, die sie ihren Versicherten in den 1990er Jahren versprochen haben. Leichtfertig habe man vor 20 Jahren den Kunden einen Garantiezins von 3,5 oder gar 4,0 Prozent zugesagt, der nun bleischwer auf den Konzernen laste. Das Geschäftsmodell Lebensversicherung sei angesichts der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank bei gleichzeitig hohen Verpflichtungen praktisch am Ende.

Das ist blanker Unfug. Die Lebensversicherer können bislang spielend ihren Verpflichtungen nachkommen. Sie benötigen nach eigenen Angaben eine Nettoverzinsung ihrer Kapitalanlagen in Höhe von 1,9 Prozent, um die zugesagten Garantiezinsen für ihre Kunden zahlen zu können. Diese Hürde übertreffen die Lebensversicherer, und zwar nicht etwa mit Ach und Krach, sondern in beeindruckender Weise: Die Nettoverzinsung im Jahr 2016 lag laut Rubikon-Studie bei 4,36 Prozent.

Auch in den Vorjahren war es nicht viel anders, immer lag die Nettoverzinsung bei deutlich über 4 Prozent. 2015 schafften die Konzerne sogar 4,68 Prozent. Auch damals litten die privaten Sparer schon viele Jahre unter der Nullzinspolitik. Nicht so die Lebensversicherer. Sie haben offenbar ihre Anlagestrategie so verändert, dass ihnen der Niedrigzins praktisch nichts mehr anhaben kann.

Mit dem scheinbar paradoxen Resultat, dass sie für ihre Kapitalanlagen heute wesentlich mehr Einnahmen einstreichen als vor dem Beginn der staatlichen Niedrigzinspolitik. In den vergangenen Jahren waren es stets um die 50 Milliarden Euro jährlich. Bevor die Europäische Zentralbank auf den radikalen Niedrigzins einschwenkte (also vor 2010) lagen die Zins- und Kapitaleinnahmen „nur“ bei rund 40 Milliarden Euro jährlich.

Die Zuteilung der angeblich so belastenden Garantiezinsen an Millionen Altkunden erforderte 22,6 Milliarden Euro im Jahr 2016. Das schafft die Branche völlig problemlos. Sie streicht noch Risiko- und Kostengewinne ein und behält 2016 nach Bedienung sämtlicher Verpflichtungen und Kosten einen Rohüberschuss in traumhafter Höhe: 22,7 Milliarden Euro.

Auch in den drei Vorjahren waren es jeweils mehr als 20 Milliarden Euro. Mehr als vor der Niedrigzinsphase. Die hat den Lebensversicherern also nicht geschadet, sondern offenbar richtig gut getan. Nur ihren Kunden nicht. Der Garantiezins wurde schrittweise gesenkt, die Überschussbeteiligung ist auf Talfahrt und die Beteiligung an den Bewertungsreserven wurde dramatisch gesenkt. Dafür präsentieren die Lebensversicherer eine scheinbar schlüssige Begründung: die anhaltende Niedrigzinsphase.

Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Argumentation erst einmal geschluckt, hat aber Allianz & Co. aufgetragen, dass sie beweisen müssen, wie schwer es ihnen fällt, den Altkunden ihre Garantiezinsen gutzuschreiben. Dieser Nachweis könnte den Versicherern angesichts der jetzt vorliegenden Zahlen sehr schwer fallen. Die Verbraucherschützer sollten jetzt hart bleiben.


Wer alle Einzelheiten über den legalen Betrug mit Lebensversicherungen lesen will, findet die Studie hier.

Wer als Pressevertreter Kontakt mit dem Verfasser der Studie aufnehmen will, erreicht diesen über den Informationsdienst für Rente und Alterssicherung, Holger Balodis, balodis@vorsorgeluege.de.


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