Unter der Glaskuppel

In der Democracy-App können die Nutzer nicht nur die Abstimmungsergebnisse der Bundestagsabgeordneten sehen, sondern auch mitmachen. Dieses Mal geht es um die Pflege und Bundeswehreinsätze. Teil 8.

In der Democracy-App können alle Bürger selbst und im Vorfeld über die Beschlüsse im Bundestag abstimmen und die Ergebnisse mit denen der Abgeordneten vergleichen. Es zeigt sich, dass das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten und das der Bürger oft auseinanderklaffen. Was denken die Menschen darüber, ob die Entscheidung über Pflegestufen am Telefon ohne direkten Kontakt mit dem zu Pflegenden getroffen werden können? Und wie stehen sie dazu, dass Deutschland noch immer an den verschiedensten Orten der Welt von der Bundeswehr „verteidigt“ werden soll? Die App entlarvt auf das Deutlichste eine Form der Demokratie, die ihre Bürger nicht respektiert. „Ihr habt eure Stimme abgegeben. Jetzt gebt aber auch Ruhe, den Rest erledigen wir.“

Den letzten Teil der Kolumne „Unter der Glaskuppel“ über Abstimmungen aus der 19. Kalenderwoche finden Sie hier. Im Folgenden werden einige Abstimmungsergebnisse aus der 21. Kalenderwoche näher betrachtet. Zuerst geht es um drei Anträge für den Bereich Pflege.

Pflegeversicherung

Am 26. Mai 2023 wurde der Antrag der AfD „Pflegeversicherung – Bürokratie abbauen, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen entlasten“ im Bundestag abgelehnt.

Die AfD macht in ihrem Antrag zuerst darauf aufmerksam, dass mit dem Wegfall der Coronamaßnahmen auch „Sonderregelungen“ ausliefen. Durch diese Regeln wurde es den Gutachtern ermöglicht, eine „Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit“ am Telefon durchführen zu können. Ein Hausbesuch war also nicht notwendig. Auch eine Beratung war „per Telefon, digital oder per Videokonferenz“ möglich (1).

In einem weiteren Schritt spricht sich die AfD in dem Antrag dafür aus, diese Regeln „zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit“ und „Beratungseinsätze“ wieder einzuführen. Denn die Regeln, die „sich bewährt haben“, sollten „allgemein übertragen und verstetigt werden“. Ganz „ohne Bezug zu COVID-19“. (2).

Im Bundestag stimmte nur die AfD für ihren Antrag. Alle anderen Parteien - SPD, CDU/CSU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke - lehnten diesen Antrag ab. In der Democracy-App dagegen stimmten 85 Prozent der 1375 Teilnehmer bei dieser Frage mit Ja.

Finanzierung der Pflege

Auch ein Antrag der Fraktion Die Linke wurde am 26. Mai 2023 abgelehnt. In „Gute Pflege stabil finanzieren“ setzt sich Die Linke für eine bessere Finanzierung der Pflegeversicherung ein (3). Dazu gehört zum Beispiel, „die private Pflegeversicherung in den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung“ mit einzubeziehen (4). Damit soll erreicht werden, „dass alle Versicherten gemeinsam für ihre Pflegerisiken einstehen, egal, wo sie versichert sind“. (5)

Am Ende stimmte nur die Fraktion Die Linke für diesen Antrag. Alle anderen lehnten ihn ab (SPD, CDU/CSU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und AfD). Die Nutzer der Democracy-App sahen das deutlich anders. Von den 1260 Teilnehmern stimmten 84 Prozent mit Ja.

Pflege entlasten

Letztendlich wurde am selben Tag, am 26. Mai 2023, der Gesetzentwurf der Ampelregierung angenommen: „Entwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG)“ (6). Die Ampelregierung beruft sich mit diesem Gesetzentwurf auf den „Koalitionsvertrag“ und gibt an, damit die „vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung der Pflege“ umzusetzen (7).

Im Bundestag wurde dieses Gesetz von 51 Prozent der Abgeordneten angenommen. Dafür stimmten die SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Dagegen die CDU/CSU-Fraktion, die AfD, Die Linke und einige fraktionslose Abgeordnete. Insgesamt fehlten 11 Prozent der Abgeordneten bei dieser Abstimmung. Die meisten, 24 an der Zahl, fehlten bei der größten Opposition, der CDU/CSU-Fraktion.

Wie auch die beiden anderen Abstimmungen zur Unterstützung der Pflege fand auch dieser Gesetzentwurf eine rege Beteiligung unter den Nutzern der Democracy-App. Es stimmten 1085 Personen ab, 76 Prozent votierten für Ja.

Bundeswehreinsätze

Am 26. Mai 2023 wurden noch zwei Anträge der Bundesregierung angenommen. Beide hatten die „Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte“ zum Thema. Im ersten Antrag ging es um eine Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes im Kosovo (KFOR).

69 Prozent der Abgeordneten stimmten für diesen Antrag. Dazu gehören die Parteien der Ampelregierung, die CDU/CSU-Fraktion, drei fraktionslose Mitglieder und ein Abgeordneter der AfD. Die Linke, die restlichen Abgeordneten der AfD, zwei fraktionslose Mitglieder sowie ein Abgeordneter der SPD stimmten dagegen. 18 Prozent der Bundestagsabgeordneten fehlten bei dieser Abstimmung. Die meisten bei der CDU/CSU-Fraktion: 52.

In der Democracy-App stimmten 1708 Nutzer ab. 81 Prozent von ihnen stimmten mit Nein.

Abzug aus Mali

Im zweiten Antrag handelt es sich um eine „Letztmalige Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA)“. Das bedeutet, dass die Bundeswehr das Land „bis Ende Mai 2024“ verlassen haben soll.

„Ein völlig sinnloser Einsatz“

Die Bedingungen dort werden als widrig bezeichnet. Florian Hahn, Verteidigungspolitiker der CSU, hält diesen Einsatz für völlig sinnlos und gefährlich. Trotzdem wäre das Auswärtige Amt „gerne noch länger geblieben“. Der Grund: Sie sorgen sich um Deutschlands Vertrauenswürdigkeit in der Welt.

Hier stimmten 51 Prozent der Abgeordneten für den Antrag. Viele Stimmen stammten aus der Ampelregierung sowie von einem fraktionslosen Mitglied. Dagegen stimmten die CDU/CSU, Die Linke, die AfD, vier fraktionslose Mitglieder und zwei Abgeordnete aus der SPD. Hier fehlten 13 Prozent der Abgeordneten. Die meisten, 33, fehlten bei der CDU/CSU-Fraktion.

Die Abstimmungsergebnisse zu anderen Bundeswehreinsätzen finden Sie hier und hier.


DEMOCRACY – Ein Erklärfilm


Quellen und Anmerkungen:

Dieser Beitrag wurde mithilfe von DEMOCRACY erstellt. DEMOCRACY ist eine vom gleichnamigen und gemeinnützigen Trägerverein DEMOCRACY Deutschland e. V. zur Verfügung gestellte, kostenlose und vollständig durch Spenden finanzierte Open-Source-App, mit der ihre Nutzer selbst über die Anträge und Gesetze des Deutschen Bundestages abstimmen sowie ihre Entscheidungen interaktiv mit der Community und den offiziellen Resultaten des Bundestages vergleichen können. Um den Service aufrechterhalten zu können, ist der Verein auf Spenden angewiesen.

(1) Siehe Seite 1: https://dserver.bundestag.de/btd/20/046/2004669.pdf
(2) Siehe Seite 2: https://dserver.bundestag.de/btd/20/046/2004669.pdf
(3) Siehe Seite 1: https://dserver.bundestag.de/btd/20/065/2006546.pdf
(4) Siehe Seite 2: https://dserver.bundestag.de/btd/20/065/2006546.pdf
(5) Siehe Seite 3: https://dserver.bundestag.de/btd/20/065/2006546.pdf
(6) Siehe Seite 1: https://dserver.bundestag.de/btd/20/065/2006544.pdf
(7) Siehe Seite 1: https://dserver.bundestag.de/btd/20/065/2006544.pdf