Unter der Glaskuppel
Ein Blick in die Democracy-App gibt mehr Details über die Abstimmung zum Heizungsgesetz (GEG) im Bundestag preis. Teil 10.
2004 versprach Jürgen Trittin (Grüne), „dass die Förderung erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund 1 Euro im Monat“ kosten wird, „so viel wie eine Kugel Eis.“ Nachdem die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) vor Kurzem den Bundestag passierte, erläuterte sein Parteikollege und Wirtschaftsminister Robert Habeck die wahren Kosten von bis zu 200.000 Euro. Das Heizungsgesetz, wie es auch genannt wird, stieß bei den Bürgern von Anfang an auf Widerstand. Die Democracy-App zeigt, dass es bei diesem wie auch schon bei anderen Gesetzen einen großen Unterschied gibt zwischen dem, was die Abgeordneten wollen, und dem, wie die Bürger entscheiden würden.
In der Democracy-App können alle Bürger selbst und im Vorfeld über die Beschlüsse im Bundestag abstimmen und die Ergebnisse mit denen der Abgeordneten vergleichen. Es zeigt sich, dass das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten und das der Bürger oft auseinanderklaffen.
Es begann im April 2023 mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung. Die Bundesregierung beklagt in diesem Entwurf „die Verbrennung von fossilen Energieträgern“. Gerade im „Gebäudewärmebereich“ wird ihrer Ansicht nach zu viel „Erdgas“ verbraucht. Sie verlangen ein „Umsteuern“, ansonsten kann Deutschland „die Klimaziele“ nicht mehr erreichen und wird weiterhin „von fossilen Rohstoffen“ abhängig sein (1). Die Bundesregierung sieht in diesem Gesetz auch „einen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele“, die zur „UN-Agenda 2030“ gehören und „Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels“ verlangen (2).
Weil Deutschland bis 2045 die „Treibhausgasneutralität“ erreichen möchte, „müssen (...) alle Gebäude ihre Wärme künftig klimaneutral erzeugen oder klimaneutral erzeugte Wärme aus einem Wärmenetz beziehen.“ Im Fokus stehen hier „Wärmepumpen und Solarthermie“ (2). Die Lösung liegt für die Regierung nun darin, „schon ab 2024“ eine „Pflicht zur Nutzung von mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien bei möglichst jedem Einbau einer neuen Heizung in neuen oder in bestehenden Gebäuden“ einzuführen (1, 3). Alternativen: „Keine.“ (4)
Der Unmut wächst
Als die Pläne der Bundesregierung bekannt wurden, sprachen sich bereits im April „78 Prozent der Bundesbürger“ gegen das geplante Gesetz aus. Die Gründe für diese Unzufriedenheit liegen auf der Hand: Das „Aus für Gas- und Ölheizungen“ wird vom Deutschen Städte- und Gemeindebund als „unrealistisch“ bezeichnet. Die Analyse der Bundesregierung ist lückenhaft, es fehlen „realistische (...) Zahlen“.
Außerdem befürchten Hauseigentümer, Vermieter und Mieter hohe Kosten. Der Einbau von Wärmepumpen kostet um die 30.000 Euro, also ungefähr drei Mal soviel wie eine neue Gasheizung. Die Universität Köln rechnete „vier Szenarien“ durch. In allen war die Gasheizung die „günstigere Option“.
Der ehemalige Hamburger Umweltsenator Professor Fritz Vahrenholt betonte bereits im April 2023, dass es im Vergleich zwischen einer Wärmepumpe und einer Erdgasheizung oder auch Ölheizung im Grunde keine CO2-Einsparung gibt.
Missachtung der Parlamentarierrechte
Trotz allem wollte die Bundesregierung Robert Habecks Gesetz nach einigen kleinen Änderungen noch vor der Sommerpause am 6. Juli 2023 verabschieden. Doch der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann richtete sich an das Bundesverfassungsgericht, denn er sah in der kurzen Zeit, in der sich die Abgeordneten mit den Plänen beschäftigen sollten, „eine Missachtung der Parlamentarierrechte“. Einige Abgeordnete der AfD schlossen sich Heilmanns Eilantrag an.
Das Bundesverfassungsgericht folgte Heilmanns Ansicht und stoppte somit die zweite und dritte Lesung des Heizungsgesetzes per Eilverfahren vor der Sommerpause. Das Hauptsacheverfahren ist aber noch offen.
Heizungsgesetz passiert den Bundestag
Am 8. September 2023, nach der Sommerpause, wurde das Heizungsgesetz der Bundesregierung dann mit den Stimmen der Ampelkoalition und einer Stimme eines fraktionslosen Abgeordneten angenommen. Von 736 Mitgliedern des Deutschen Bundestages stimmten 397 mit Ja. Dagegen stimmten 275, fünf enthielten sich und 59 Abgeordnete, also immerhin 8 Prozent aller Mitglieder, haben ihre Stimme gar nicht erst abgegeben. Die meisten Abgeordneten, es waren 26, fehlten bei der CDU/CSU-Fraktion.
An dem Unmut unter den Bürgerinnen und Bürgern hat sich nichts geändert. In der Democracy-App stimmten 2.564 Nutzer ab, 70 Prozent von ihnen, also 1.795, lehnen das Heizungsgesetz ab.
Die Anträge der Opposition: AfD
Die AfD-Fraktion stellte ebenfalls am 8. September 2023 ihren Antrag „Verbot von Öl- und Gasheizungen verhindern – Priorisierung der Wärmepumpen beenden“ zur Abstimmung.
In der Democracy-App stimmte der überwiegende Teil der Nutzer in dieser Frage für diesen Antrag, im Bundestag nur die Fraktion der AfD.
Der Antrag der Fraktion Die Linke
Die Linke stellte ihren Antrag „Abschaffung der Modernisierungsumlage zum Schutz der Mieterinnen und Mieter“ zur Abstimmung. Auch dieser Antrag wurde von den Nutzern der App mehrheitlich angenommen, im Bundestag stimmten nur 33 Mitglieder der Fraktionen Die Linke und ein Mitglied der Freien Demokraten (FDP) für diesen Antrag.
Der Antrag der CDU
Ebenfalls nicht angenommen wurde der Antrag der CDU/CSU-Fraktion: „Für eine sichere, bezahlbare und klimafreundliche Wärmeversorgung ohne soziale Kälte“. In der Democracy-App stimmten hier zwar deutlich weniger Nutzer ab als in den anderen beiden Anträgen, doch auch sie stimmten überwiegend für diesen Antrag.
Die wahren Kosten
Am 29. September 2023 winkte der Bundesrat das Heizungsgesetz durch. Einen Tag zuvor gab der Wirtschaftsminister Robert Habeck zu, dass gerade die Ärmeren mit einer hohen finanziellen Belastung rechnen müssen: „In den am schlechtesten sanierten Gebäuden wohnen eben auch die ärmsten Menschen. Wenn da nicht nur eine Wärmepumpe für 20.000 Euro installiert wird, sondern auch die komplette energetische Sanierung auf ein deutlich höheres Niveau gefordert wird, dann reden wir von 200.000 Euro.“