Unter der Atlantikbrücke
Ein unerbetenes und unerhörtes Streiflicht — extra für unsere Freunde von der Süddeutschen Zeitung.
Manche Dinge sollte man nicht so ernst nehmen. Zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung, die sich am 14. September in einer hämischen Glosse über Albrecht Müller mokierte. Albrecht Müller war früher Wahlkampfmanager von Willy Brandt und ist ein Sozialdemokrat, den man auch ohne Mitleid für die einstige Volkspartei wählen könnte. Aber aus Sicht der Süddeutschen ist er jetzt vor allem alt, leidet unter Bedeutungslosigkeit und Verschwörungstheorien. Möglicherweise ging es der Süddeutschen, die man ohne zu lügen als die Pressestelle der NATO bezeichnen kann, um Schadensbegrenzung. Denn die NachDenkSeiten hatten über die Untersuchung der Universität Fairbanks in Alaska berichtet, kritisch über die Proteste in Hongkong und sehr kritisch über Angela Merkel. In der Studie wurde mit naturwissenschaftlicher Akkuratesse nachgewiesen, dass World Trade Center 7 nicht durch Feuer zusammengestürzt sein kann, und schon gar nicht so, wie es zusammengestürzt war. Außerdem veröffentlicht Albrecht Müller demnächst ein Buch beim Westend Verlag, das den Transatlantikern der Süddeutschen mit Sicherheit nicht gefällt. Uns beim Rubikon hingegen sehr. Es heißt: „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst. Wie man Manipulationen durchschaut.“ Wenn Sie vielleicht mal schauen wollen? Ich bin auch schon ein ziemlich alter Mann. Als ich studierte, galt die Süddeutsche als die „neutralste“ der deutschen Qualitätszeitungen. Sie war nicht so verharzt wie das Zentralorgan der Wilhelministen, die FAZ, nicht so unerträglich wie die Welt und nicht so eindeutig linksliberal wie die Frankfurter Rundschau. Die Süddeutsche galt früher als eine der besten Adressen in den Medien. Die Zeiten ändern sich. Jetzt ist die Süddeutsche alt, leidet unter Auflagenschwund, an Kriegsbegeisterung und transatlantischer Logorrhö. Was liegt also näher, als sich Gedanken zu machen, wo das alles enden wird? Im Falle der Süddeutschen ist die Sache klar: Unter der Atlantikbrücke. Deshalb möchte ich der Süddeutschen eine Glosse schenken. Wo darf ich mein trojanisches Pferd abstellen?
Bundespolizeiinspektion Berlin Hauptbahnhof, 11. September 2036.
Zwei Polizeibeamte geleiten einen offensichtlich volltrunkenen, verwahrlosten alten Mann in die Wache.
Polizeihauptmeister Celik (sitzt am Computer): Hätte ein schöner Morgen werden können. Was importiert ihr in meine schöne, saubere Wache?
Polizeimeisteranwärter Reibert: Personenfeststellung. Eventuell Ausnüchterung. Der hat versucht, in der U-Bahn eine Parkbank ins Gleisbett zu wuchten und wäre dabei fast selbst mit reingefallen. Dann hat er auf die Passanten eingeschlagen, die ihn retten wollten — und sich der Festnahme widersetzt.
Betrunkener: Ischwa ein bedeudender Schurrnalisd! So behannelt man kein Ressorscheff der Süddeuschen Seitung!
Polizeimeister Strack (hält den Betrunkenen in einem Sicherungsgriff): Sie halten jetzt mal den Mund. Es reicht.
Betrunkener versucht, sich loszureißen: Ich wa Ressorscheff. Ich habe Freunde bei de NATO. Das wird Sie teua sssu stehn komm!
Polizeihauptmeister Celik: Und meine Mutter war die Lieblingstochter des Papstes. Name?
Betrunkener: Stefan Kornelius. Ich war…
Polizeihauptmeister Celik: Ich weiß. Interessiert aber keinen. Adresse?
Betrunkener: Adresse? Isch hadde viel Pech im Leben. Wegen diesse NATO-Feinde, die blötsslich übberall warn. 9/11 was an Inside Job. Unn was nich alles. Und dann. Wumm. Studie vonne Uni Fairbanks. Bilding Seven. Kondrolled Demolischn. Genau wie unsere Auflage. Die ging auch innen Keller. Da steggde doch dieser Puddin dahinner!
Polizeihauptmeister Celik (zu seinen Kollegen): Hat der keinen Ausweis bei sich? Das nervt!
Der Polizeimeisteranwärter Reibert versucht, dem Betrunkenen in den Mantel zu fassen: Haben Sie einen Ausweis? Können Sie mir sagen, wo…
Der Betrunkene übergibt sich auf Polizeianwärtermeister Reibert.
Polizeihauptmeister Celik: Na super. Big Mac, Pommes und ordentlich Bier. Haltet mal schön Abstand von mir.
Der Betrunkene wischt sich den Mund ab: Ich war ein bedeudnder Schournalist. Wegen mir gabs Ausslandseinsäzze vonne Bunneswehr! Paris Hildon, Sheradon, Besd Wesdern, Sichaheidskonferens, Chivas Regal, das waa meine Weld. NATO ahoi! Hillary und Benjamin warn meine besden Freunde! Ich und Schorsch Dabbelju. Arm in Arm mit Obama. Die Weld hat vor uns geziddad! Ha, der war gud. Ham se maln Stift? Muss ich mir aufschreibn. Hätte sogar der Springer-Döpfner lustich gefunnen. Der is ja nun auch nich mehr. Ist vom Segelboot gefallen, von seiner Max Welle. Warum hadder das Boot auch so genannt? Jezz isser einfach weg.
Polizeimeisteranwärter Reibert versucht, seine Uniform mit den Papierhandtüchern zu säubern, die ihm Celik reicht.
Polizeimeister Strack: Das klingt verdammt nach DSDS! Sollen wird die Psychiatrie rufen?
Der Betrunkene: Deuschland sucht den Superstar? War Supa! Ich war mal mit Lena essen, auf sonner Gala, die war ein Star! Süssses Törtchen! Ich war mal ein bedeundnder Schurnalist!
Polizeihauptmeister Celik: Deep State Denial Syndrome? Könnte sein. Da gibt es einige aus der Generation. Letzte Woche wurde Claus Kleber unter der Atlantikbrücke aufgegriffen und eingeliefert. Der soll ja auch Journalist gewesen sein. Als es noch Fernsehen gab.
Polizeimeisteranwärter Reibert: Fernsehen?
Polizeihauptmeister Celik. Ja. So wie Netflix, nur zur festen Zeit. Man musste pünktlich vor dem Bildschirm erscheinen. Damals gab es auch noch Zeitungen. So gedruckt, auf Papier.
Polizeimeisteranwärter Reibert: Willst Du mich verarschen?
Polizeihauptmeister Celik: Ach ja, die jungen Leute. Was lernt ihr im Geschichtsunterricht? Also diese Typen von den Zeitungen und vom Fernsehen waren wirklich mal wichtig. Fast alle hatten für ihre Karriere total auf die NATO gesetzt, Auslandseinsätze, US-Korrespondent, Einfamilienhaus und Cocktailparties in der Hauptstadt...
Der Betrunkene: Cocktailparty? Ich bin dabbei! White House Correspondent. Hat der Kleber geschafft. Aber ich war Ressorscheff! Ich war mal ein — Gibbs auch was zu trinken auf der Party?
Polizeimeister Celik: Die Leute von DSDS haben damals immer vor „Verschwörungstheorien“ gewarnt. Und dann kam die Extinction Rebellion, die Aufstände gegen Nuklearwaffen, die Einführung der Direkten Demokratie. Die Medienrevolution. Damit hatten die nicht gerechnet...
Der Betrunkene klappt die Hand nach unten und streckt den Arm Richtung Fussboden aus: Floppp. Woaaaammm. Crash. Auflage im Arsch. Einschaltquote im Arsch. Tilt!
Polizeimeister Celik: Tilt. Auch so ein Wort aus grauer Vorzeit. Flipper…
Polizeimeisteranwärter Reibert, aufgeregt: Das kenne ich aber! Habe ich im Kriminalmuseum gesehen. So eine Serie über einen Delfin. Die haben mehrere Delfine für diese Rührstory gequält. Die sind sogar gestorben. Total illegal. Also heute…
Der Betrunkene: Die Flippers! Geile Band! Hab ich imma heimlich gehört. Im Dienstwagen Beethoven, aber ssu Hause… deutsche Schlager! Fuffziger! Adenauerendgeil! Westbinnung! (Er fängt an zu singen) Weine nich gleine Eva...
Polizeimeister Celik: Was für eine arme Sau. Wenn wir den melden, wird der durch die Mühle gedreht, medikamentös ruhiggestellt und weggesperrt. Wünscht man ja keinem Hund. Komm, wir lassen den einfach laufen. Wir sind doch Menschen. Und außerdem kotzt er uns sowieso nur die Wache voll.
Außenansicht der Wache. Die Polizisten stellen den Betrunkenen vor die Tür. Er taumelt nur knapp an einem Elektrorollerfahrer vorbei, der fluchend ausweicht:
Upps! Claus! Dass die den Claus kennen? Was wohl der Kleber macht? Cockdail-Pardy mit Kleber schnüffeln! Dann ma los! Pattex ahoi! Hahaha. Wir sehn uns unner Atlantikbrücke!