Unsere Körper kriegt ihr nicht!
Annegret Kramp-Karrenbauer möchte die Wehrpflicht wieder einführen. Nicht mit uns!
Mit der Bestätigung von Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin und der Besetzung des Amtes der Verteidigungsministerin durch Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) kann der 16. Juli getrost als ein „litte 9/11“ in die europäische Geschichte eingehen. Jedem halbwegs achtsamen Beobachter des derzeitigen Geschehens dürfte klar sein, dass damit der (panzertaugliche) Weg für eine massive Militarisierung Europas geebnet sein dürfte. Besonders fatal ist, dass die jetzige Verteidigungsministerin AKK erst letztes Jahr die Wiedereinführung der Wehrpflicht in den öffentlichen Diskurs einschleuste und somit erneut salonfähig machte (1). Jetzt, da sie diesen Posten bekleidet, ist es an uns, eine rote Linie zu ziehen, die klarstellt, dass wir das nicht mit uns machen lassen! Und diese rote Linie muss über Petitionen, Likes und Zerstörer-Videos à la Rezo hinausgehen!
Es klingelt. Am Tor steht Philipp. Philipp Amthor. „Hey (dein Vorname), du alter Zerstörer. Komm mit! Die Wehrpflicht ruft!“ Was zunächst wie ein skurriler Albtraum anmutet, könnte in schon sehr naher Zukunft bittere Realität werden. Nur mit dem Unterschied, dass dann vor der eigenen Tür nicht der bleichgesichtige CDU-Praktikant steht, den man vor ein paar Jahren im Bundestag vergessen hat, sondern zwei finster dreinblickende Feldjäger. Es gäbe nun eine Generalmobilmachung, heißt es, die Sicherheit Deutschlands sei gefährdet, oder die NATO habe im Zuge eines Angriffes den Bündnisfall ausgerufen und es sei jetzt an den deutschen Knaben und Mädels, für Demokratie und Freiheit Tribut zu zollen.
Dies ist ein Szenario, welches bedrohlich nahe gerückt ist. Nicht, dass es schon bedrohlich nahe genug war, als AKK noch als künftige Bundeskanzlerin gehandelt wurde. Jetzt allerdings, wo sie nach einem kurzen, zehnminütigen Missverständnis bei der Postenschacherei zwischen ihr und Jens Spahn den Posten als Vereinigungsministern innehat, kann sie ihr Vorhaben (theoretisch!) ungehindert durchsetzen und uns junge Menschen wieder an der Front verheizen.
Gruselkabinett
Der Ausgang des — huch! Jetzt hätte ich fast „Wahlergebnisses“ gesagt — dürfte die wenigsten verwundert, sehr wohl aber schockiert haben. Die russophobe Flinten-Uschi (deren Kinder nicht in der Armee sind) wurde EU-Kommissionspräsidentin. Sie stand zwar auf keinem Wahlzettel der kürzlich abgehaltenen und allseits als ach so demokratisch deklarierten Europawahl, hat aber nun einen der mächtigsten Posten innerhalb des undemokratischen EU-Gebildes inne. Bilderberg regelt!
Irgendwo kann man dem 16. Juli beinahe dankbar sein dafür, dass er die undemokratisch, ja fast schon sizilianisch-mafiös anmutende Unverschämtheit und Selbstverständlichkeit in der EU und der Bundesregierung entblößt hat, mit der dort und hier Posten rumgeschoben werden, als seien sie Pokerchips im Casino Royale. Durfte sich für wenige Minuten der Ungesundheitsminister Jens Spahn über den frei gewordenen Posten im Verteidigungsministerium freuen, ging dieser kurzerhand an AKK. Die Gefühlslage und die Sorge um die Sicherheit und den Frieden in Europa und der Welt, die der eine oder andere bei dieser Besetzung durchlebt haben dürfte, wird in diesem 20-sekündigen Clip aus „Herr der Ringe“ komprimiert dargestellt.
Menschen, weigert euch, Feinde zu sein!
So sehr man den CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg für seine Vorliebe für die Tastenkombinationen „Strg + C“ und „Strg + V“ auch verurteilen mag, so sehr sollte man ihn für das Drücken der „Entf“-Taste würdigen, als er die allgemeine Wehrpflicht in den Papierkorb der deutschen Geschichte warf. Im Müll eben jenes Papierkorbes wühlt nun AKK herum, mit dem Ziel, die Wehrpflicht wieder hervorzuholen.
Die SPD steht bei dieser Militarisierung — wie so häufig in der Vergangenheit — mit dem Rückgrat einer Wasserqualle daneben und zeigt sich aufgeschlossen.
„Ich finde es ist sinnvoll, dass wir als Gesellschaft mal darüber reden, was diese Gesellschaft für ihre vielen Mitglieder und Angehörigen eigentlich leistet, und was wir dafür auch insbesondere von jungen Menschen erwarten können, was sie zurückgeben können an die Gesellschaft“, so Fritz Felgentreu, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD.
Soso! Man stellt sich also die Frage, was man von jungen Leuten erwarten könne? Die jungen Menschen sollen also ausbaden, was die Politiker-Riege in den vergangenen fünf Jahren vergeigt hat? Die jungen Menschen sollen für Sicherheit — mit Waffen (!) — sorgen, die durch die Verfehlungen in der jüngsten Russland-Politik abhandengekommen ist? Ob sich das Fritzchen aus der SPD wohl noch an so Typen wie diesen Willy Brandt erinnern kann, die zu ihren Zeiten, als das Verhältnis zu Russland wesentlich angespannter war als heute, eine Politik der Annäherung und Entspannung betrieben? Es geht doch hier um Russland, oder? Es geht doch um Russland, wenn die USA auf das burden sharing pochen, darauf, dass die NATO-Mitgliedsstaaten zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in die Tötungsspirale investieren sollen, um nicht von dem Russland überrollt zu werden, welches nur einen Bruchteil unserer Ausgaben in das Militär steckt.
Oder von wem ist die Rede, wenn CDU-Politiker Patrick Sensburg die Welt als unsicherer bezeichnet als zu dem Zeitpunkt, als die Wehrpflicht abgeschafft wurde? Wodurch ist denn die Welt unsicherer geworden? Weil der böse Ivan nach dem Westen greifen, der Iran entgegen jeder Vernunft und Tradition einen Angriffskrieg starten oder weil die Chinesen Eisenbahnstrecken nach Europa bauen oder uns mit Huawai-Handys aushorchen möchten?
An dieser Stelle möchte ich mal ein Geheimnis ausplaudern, welches sich aber vielleicht auch so schon herumgesprochen hat — ich kenne Russen.
Ich kenne Iraner. Chinesen kenne ich zwar nicht, aber Folgendes gilt sicher auch für sie: Sie sind vollkommen in Ordnung! Und entsprechend würde ich niemals in eine Uniform schlüpfen und gegen eines dieser Länder kämpfen. Einfach schon aus dem ganz banalen Grund, dass ich dabei theoretisch Freunde oder Familienmitglieder dieser Russen oder Iraner verletzen, wenn nicht gar töten könnte. Und selbst wenn dies nicht der Fall wäre, so würde ich doch auf einem Schlachtfeld Menschen töten, die ich gar nicht kenne. Menschen, die theoretisch meine Freunde sein könnten. Mitglieder der Menschheitsfamilie (Daniele Ganser), zu der natürlich mitunter auch schreckliche Tanten und Onkel gehören können.
Aber genau darum geht es doch, wenn man die Wehrpflicht wieder einführen würde. So wie jemand, der bei den Sanitätern mitmacht, irgendwann Verletzte verpflegen muss oder jemand bei der Feuerwehr irgendwann zwangsweise ein Feuer löschen wird, so läuft der Dienst an der Waffe irgendwann darauf hinaus, jemanden zu töten. It is war, stupid!
Killfluencer statt Influencer
Einen geringen, wirklich sehr geringen Hoffnungsschimmer mag man vielleicht in der Militär-Untauglichkeit der Generation Y und Z sehen. Eine Generation „verweichlichter“, narzisstischer Selbstdarsteller, bei denen sich alles um Instagram-Likes, Fashion und Karriere dreht, muss natürlich erst einmal wieder auf Linie gebracht und kampftauglich gemacht werden. Die unzähligen Bundeswehr-Serien dürften schon zahlreiche Impulse in diese Richtung geliefert haben. Nichtsdestotrotz dürfte es noch ein relativ weiter Weg sein, eine Generation, die Krieg nur von der PlayStation oder von Netflix kennt, wieder da hinzubringen, dass sie wieder selber Hand an die Waffe legt.
Doch haben die Erfahrungen aus zwei Weltkriegen gezeigt, dass im Fall der Fälle alles, was nicht passt, passend gemacht wird, und plötzlich Eingeschränkte und vorübergehend Untaugliche doch relativ tauglich sind.
Tauglich genug, um als Kanonenfutter verpulvert zu werden, um den Weg für die harten Jungs freizumachen. Zur Not frisst der Teufel des kriegerischen Blutdurstwahns Fliegen. Irgendwie formt man dann die Influencer zu Killfluencer um. Und ob „Killerspiele“ Kinder zu Killern werden lassen, spielt dann plötzlich auch keine allzu große Rolle mehr. Denn wenn wirklich eines Tages die Feldjäger vor der Tür stehen, dann hilft auch kein Zerstörer-Video, keine empörte Instagram-Story von der Rückbank des Feldjäger-Jeeps und auch kein Hashtag mehr. Wenn der Ernst beginnt, wird er nicht mehr aufzuhalten sein!
Es geht um unsere Physis, also muss der Widerstand auch physisch erfolgen!
Wer es von den Lesern und Leserinnen bis hierhin immer noch nicht begriffen hat: Es geht hier wirklich um unseren Arsch! Und wenn Sie älter als 35 sein sollten, dann um den Ihrer Kinder! Hier geht es nicht mehr darum, was irgendwelchen unbekannten Menschen irgendwo anders (was natürlich auch wichtig ist!) zustößt. Hier geht es darum, dass das kälteste aller kalten Ungeheuer, der Staat (Friedrich Nietzsche) über unsere Körper verfügen möchte! Er möchte sie für seine Gier, seinen Machterhalt und seinen Blutdurstwahn aussaugen. Unsere Körper! Wie heißt es doch bei den Feministen:
My body, my rules!
Bedauerlicherweise leben wir in Zeiten, in denen wir jegliches gesundes Gefühl für unseren Körper verloren haben. Wir führen ihm Schadstoffe durch billigste Supermarktprodukte zu und brauchen eine App, um zu wissen, ob wir täglich genügend Schritte getan haben. Aber spätestens hier, wo wir unseren Körper hergeben sollen, um ihn auf einem Schlachtfeld für Kapitalinteressen zu opfern, sollten wir doch aufwachen! Unser Körper gehört uns! Unser ganzer Körper! Vom Scheitel bis zur Sohle! Niemand hat darüber zu verfügen! Kein Unternehmen, kein einzelner Mensch und schon gar nicht eine verdammte Armee!
Schau dir deinen Körper an. Betrachte ihn heute Abend einmal nackt im Spiegel. Willst du, dass Teile davon abgesprengt werden? Willst du, dass Teile dieser Haut verbrennen? Willst du im Bereich deines Gesichtes bis zur Unkenntlichkeit entstellt sein? Nein? Aber genau das kann dir blühen, wenn das Militär dich einzieht!
Ich wiederhole mich — es geht um unsere Körper! Und wenn es um unseren Körper geht, um unsere Physis, dann darf der Kampf für die Freiheit und die Unversehrtheit unseres Körpers nicht (nur) online, sondern muss vor allem physisch gefochten werden!
Bitte keine Online-Petitionen!
So wie Religion laut Karl Marx Opium für das Volk sei, so sind Onlinepetitionen gleiches für den Rebellen. Die Feldjäger wird es einen Dreck interessieren, ob du bei WeAct, Avaaz oder change.org mit deiner Spam-Mailadresse einen Appell unterzeichnet hast, den du parallel zu einem YouTube-Video und einem WhatsApp-Chat grob überflogen hast. Und auch dein veränderter Profilbildrahmen bei Facebook wird an deiner Zwangsrekrutierung nicht viel ändern.
Hier geht es um die Wurst, und zwar im realen Leben. Also lasst und das Reallife zu einer verdammten Metzgerei machen! Werden wir auf der Straße laut, gehen wir in die Schulen, Ausbildungsstätten und Universitäten! Lassen wir es Flugblätter regnen! Machen wir auf allen Kanälen Lärm und nutzen wir bereits vorhandene Protest- und Rebellionsstrukturen wie Fridays for Future und Extinction Rebellion. Erstere müssen nun dringend erkennen, dass das Militär einer der größten Umweltsünder überhaupt ist, und um der Glaubwürdigkeit dieser Bewegung willen dem militärisch-industriellen Medienkomplex mächtig auf die Stiefel treten!
Wer ernsthaft für die Umwelt und Klimagerechtigkeit ist, kann unmöglich (!) zum Militär gehen.
Es sei denn, er hat die moralische Flexibilität und schizophrenen Wesenszüge eines Grünenpolitikers. Aber gehen wir davon aus, dass es 95 Prozent der Fridays for Future-Aktivisten ernst meinen, dann haben wir eine breite Mehrheit in der heranwachsenden Jugend, die für einen Zwangsbeitritt ins Militär nicht zu Verfügung steht. Auch abseits der Freitage nicht. Das gibt Hoffnung!
Außerdem müssen wir mit voller Wucht der Bertelsmann-Stiftung die Kniescheibe raustreten, ehe sie Schritte in Form von „Studien“ begehen kann, die „nachweisen“, warum eine Wiedereinführung der Wehrpflicht notwendig sei.
Doch all das wird nicht ausreichen, um den Druck in diesem doch sehr kurzen Zeitfenster zu erhöhen! Wir brauchen mehr Ideen! Bitte schickt uns Eure zu an: jugend@rubikon.news !