Unsere größte Verantwortung
Wenn wir unsere eigene Jugend mit der Situation heutiger Kinder vergleichen, wird uns klar, dass wir alles zu ihrem Schutz unternehmen müssen.
Unbeschwert sein. Frei atmen können. Sich Gleichaltrigen und Erwachsenen nach Lust und Laune nähern können, ohne dafür Ermahnungen zu ernten. Einfach Kind sein dürfen ― willkommen sein und nicht nur als potenzieller Krankheitsherd wahrgenommen werden. Wenn wir uns an unsere eigene Jugend erinnern, dann erfasst uns Nostalgie und Traurigkeit. Für die meisten von uns war all das selbstverständlich, ohne dass wir es bewusst gewürdigt hätten. Für heutige Kinder unter dem Hygiene-Regime allerdings sind solche „Zustände“ ein unerreichbarer Traum. Kämpfen wir für unsere Kinder, damit sie uns nicht im Rückblick verdammen! Zeigen wir ihnen: Selbst wenn wir in diesem Kampf nicht sicher sein können, zu gewinnen ― es gibt ältere Menschen, denen es nicht gleichgültig ist, ob ihre Schutzbefohlenen ihrer Rechte und ihrer Lebensfreude beraubt werden.
Während ich diesen Artikel schreibe, den ich eigentlich ganz anders verfassen wollte, lausche ich der Melodie einer wundervollen Pianoversion des allseits bekannten Titels „Sonne“ von Rammstein. Inzwischen versuche ich verzweifelt, ein paar gehaltvolle Sätze zu formulieren, und bin getragen von Melancholie.
Gedanken
Ich denke an meine Kindheit, an die unbeschwerte Zeit, die ich erlebte, an Momente, die mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich heute bin, an meine liebevollen Eltern, an die unvergesslichen Freundschaften, an die Liebe, die ich genießen, und die unfassbar schönen Augenblicke, die ich in meinem kurzen Leben hier auf diesem Erdball erfahren durfte. Ich halte mir just in diesem Atemzug vor Augen, wie gut ich es doch hatte. Ich vermag es kaum in Worte zu kleiden, wie sehr ich dieses Momentum genieße, während ich diese Zeilen verfasse. Ich mache mir bewusst, welch unbeschreibliches Glück ich hatte, während ich betrübt realisiere, was gerade um uns herum passiert.
Ich schaue aus dem Fenster, lasse die Klänge auf mich wirken und verspüre ein unbeschreibliches Gefühl der Weite. Ich schließe die Augen und schwebe davon. Ich stelle mir vor, wie friedlich die Menschheit miteinander leben, wie sehr das Glück sie umgeben und welche Harmonie zwischen all den Völkern dieser Erde existieren könnte. Ein kurzes illusorisches Gefühl der Zufriedenheit kommt in mir hoch, was ich dennoch vollends genieße.
Das junge Leben
Wenn ich mir die Aufnahmen anschaue, die ich vergangene Woche gemacht habe, schwanke ich zwischen Bedauern und Glückseligkeit: Glückseligkeit, mitansehen zu dürfen, wie unbeschwert ein Kinderherz diese groteske Welt wahrnimmt, und Bedauern, zu realisieren, dass diese kleinen Seelen wohl niemals mehr diese Sorglosigkeit erleben werden, wie ich sie einst erfahren durfte.
Der Gedanke bestürzt. Er beflügelt mich andererseits in meinem Handeln. Er motiviert mich dazu, das zu tun, was ich tue, mit meinen bescheidenen Mitteln ein kleines Leuchtfeuer zu entfachen, einen Versuch zu wagen, einen Beitrag dafür zu leisten, dass diese Dystopie nicht eintritt, die ich befürchte. Die glühenden Augen dieser kleinen Wesen ermutigen mich dazu, weiterzumachen, egal wie es ausgehen mag. Ihre Unbekümmertheit, ihre Unschuld ist es, die mich dazu bewegt, Zeilen wie diese zu schreiben, ehrlich zu sein und zu verewigen, wie Menschen wie ich die Welt gerade wahrnehmen.
Das ganze Leben noch vor sich, sind sie bereits jetzt mit einer Situation konfrontiert, die sie noch nicht einmal rational einschätzen können. Sie starren in vermummte Gesichter, in denen sie nur noch die gezeichneten Blicke erkennen.
Was tun wir ihnen an? Es macht mich nachdenklich, wenn ich mir vor Augen führe, dass sie wohl niemals diese Freiheit erleben werden wie wir.
Wie damit umgehen? Wie diesen wundervollen Wesen übermitteln, was momentan geschieht? Ich für meinen Teil möchte mich bei ihnen entschuldigen, mich in tiefster Demut niederknien und ihnen mitteilen, dass es Menschen gab, die sich gegen diese Unglaublichkeit zur Wehr gesetzt haben. Dass wir an sie dachten, sie nicht allein ließen und in ihrem Interesse handelten. Trotz aller Widrigkeiten und des stürmischen Windes, der jedem entgegenweht, der sich für die Freiheit einsetzt, werden wir nicht aufgeben, denn die Hoffnung stirbt zuletzt.
Zuversicht
Ich hatte die Ehre, eine kleine Familie in ihrem liebevollen Domizil aufnehmen zu dürfen, und erkannte erst bei der Nachbearbeitung der Bilder, welche Intensität diese Stunden besaßen. Während ich mir die Aufnahmen noch einmal zu Gemüte führe, in diese unschuldigen Augen sehe und die hingebungsvollen Eltern betrachte, wird mein Herz schwer, und doch geben sie mir Zuversicht. Sie bestärken mich in dem, was ich tue. Sie geben mir Kraft, weiterzumachen und niemals aufzugeben. Ich bin sehr froh darüber, diese Erfahrung gemacht zu haben. Danke, dass ich diese wundervollen Momente verewigen durfte.
Fotos: Earlyhaver
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Momente“ auf earlyhaver.com.