Unsere Freunde, die Amerikaner

Verschwörungstheorien, Drohnen und die Schmach von Stalingrad. Exklusivauszug aus „Die Abschaffung der Demokratie“.

Manchmal muss man übliche Narrative nur so übertrieben darstellen, dass ihr propagandistischer Charakter bloßgelegt wird. Der Autor wählt diese scheinbar paradoxe Vorgehensweise im Fall des erhabenen Leitsatzes: „Die Amerikaner sind unsere Freunde“. Würden Sie Ihren Freund bevormunden und bedrohen, ihn von seiner Energieversorgung abschneiden, auf seine Kosten finanzielle Vorteile zu ergattern versuchen, ihn in gewalttätige Abenteuer verwickeln und so — ganz freundschaftlich natürlich — in Lebensgefahr bringen? Und würden Sie jemanden als Freund akzeptieren, der so etwas tut und außerdem selbst für unzählige Menschheitsverbrechen verantwortlich ist? Die US-Amerikaner tun so etwas. Sie schützen uns laufend vor Gefahren, in denen wir ohne ihr Zutun gar nicht schweben würden. Wolfgang Bittner liefert hier eine bissige Satire, hart an der Grenze zum Klartext.

Die Amerikaner sind unsere Freunde. Sie bewohnen zwar nur einen Teil Amerikas, werden aber so genannt, weil die Bewohner der anderen amerikanischen Staaten im Verhältnis zu ihnen völlig unbedeutend sind. Die amerikanische Wirtschaft und ihre Banken bestimmen im Einvernehmen mit ihrer Regierung, ob und wie die Wirtschaft in weiten Teilen der Welt funktioniert. Zum Beispiel regulieren sie die Kapital- und Energiemärkte und den zwischenstaatlichen Warenaustausch. An erster Stelle steht natürlich die Erdöl- und die Waffenindustrie, zu der die Regierungsmitglieder intensive und auch persönliche Kontakte pflegen.

Dass dieses Amerika, das auch als USA firmiert, 19 Billionen Dollar Schulden hat und dass dort Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben, ist selbstverständlich ein Gerücht. Und auch die Behauptung, es existiere eine kriminelle Organisation namens NSA mit Tausenden von Spitzeln, die uns und die übrige Welt ausspionieren, ist nur eine von den vielen Verschwörungstheorien unserer Gegner. Dazu gehört übrigens auch das böswillige Gerede, bei uns seien Atomraketen der USA stationiert und von Deutschland aus würden amerikanische Drohnen zur Ermordung politischer Widersacher gesteuert.

Ebenso wenig gibt es eine Spionageagentur namens CIA, die durch Farb- und Blümchen-Revolutionen Regimewechsel zum Zweck der Entstaatlichung anderer Länder vorbereitet sowie Interventionskriege anzettelt und dadurch Millionen Menschen zur Flucht zwingt. Alles nur niederträchtige Verschwörungstheorien! Schon immer ist dieses Amerika „the land of the free and the home of the brave“ gewesen, ob für die gottesfürchtigen Einwanderer, die heidnischen Ureinwohner, genannt Indianer, oder für die afrikanischen Zuwanderer. Eine mustergültige Demokratie! Und was für die Amerikaner gut ist, soll der ganzen Welt zugutekommen.

Unsere Freunde sind verlässlich, sie schützen uns. Vor wem, ist entsprechend der jeweiligen weltpolitischen Lage ganz verschieden.

Sie unterhalten etwa tausend Militärbasen in aller Welt und sind auch sonst überall präsent. Ihre Raketen stehen an allen strategisch wichtigen Punkten. Ihre Kriegsschiffe liegen im Pazifik, im Atlantik, im Mittelmeer und sogar im Schwarzen Meer. Mit Atomsprengköpfen ausgestattete B-52-Bomber, liebevoll „Big Ugly Fat Fucker“ genannt, patrouillieren entlang den Grenzen Russlands.

Jederzeit sind 40.000 Soldaten mit Kampfjets, Panzern, Artillerie und Raketen bereit, Polen, die baltischen Staaten, Bulgarien oder Rumänien wie auch uns zu verteidigen, vor wem auch immer und ob wir es wollen oder nicht. Aber wir wollen es, unsere Politiker bestehen darauf! Sie folgen bereitwillig den Anweisungen der NATO, deren oberste Befehlszentrale in Washington unsere Sicherheit gewährleistet.

Deswegen sind unsere Soldaten wieder in aller Welt aktiv. Sie dürfen sogar eine sogenannte Speerspitze von 5.000 Elitekämpfern anführen, die an vorderster Front gegen Russland stehen soll und auf die unsere Regierung stolz ist. Bekanntlich ist der deutsche Soldat ein Vorbild für Tapferkeit und Opferbereitschaft. Vielleicht gelingt es mit Hilfe unserer Freunde demnächst ja doch noch, die Schmach von Stalingrad zu tilgen. Freedom and democracy forever!


Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch„Die Abschaffung der Demokratie“ von Wolfgang Bittner.