Ungerechte Rechtsexperten
Ein älteres Buch über die Schuld, die Juristen im Dritten Reich auf sich geladen haben, ist erstaunlich aktuell.
Im Jahr 1987 veröffentlichte der Rechtswissenschaftler Ingo Müller ein Buch mit dem Titel „Furchtbare Juristen“. In diesem thematisiert er die Verantwortung der Staatsanwaltschaft und anderer Organe der Rechtsprechung bei der Etablierung und Rechtfertigung des sogenannten Dritten Reichs. Dabei weist er den Juristen eine klare Mitschuld nach, die sich aus ihrem Stand und Selbstverständnis ergeben konnte. Wer dieses Buch heute liest, der erkennt erstaunliche Parallelen.
Nur die wenigsten Schuldigen des sogenannten Dritten Reichs wurden für ihre Taten belangt. Die Nürnberger Prozesse beschränkten sich auf einige wenige, denen eine Hauptverantwortung angelastet wurde, während viele Mitschuldige ungestraft entkommen konnten. Ganze Berufsgruppen, die sich seinerzeit nach Hitlers Machtergreifung begeistert daran gemacht hatten, dem nationalsozialistischen Staat seine Form zu geben, konnten geräuschlos in die neue Bundesrepublik integriert werden und ihre Arbeit ungehindert fortsetzen. Gemeint ist insbesondere die Gruppe der juristischen Berufe, also Richter und Staatsanwälte sowie Rechtswissenschaftler an den Universitäten, deren Lehren das Recht zum Teil bis heute prägen.
In dem 1987 erschienen Buch „Furchtbare Juristen“ des Rechtswissenschaftlers Ingo Müller wird jedoch deutlich, dass es sich bei diesen Menschen nicht lediglich um reine Opportunisten gehandelt hat, nicht um Mitläufer, die aus Angst vor dem Verlust ihrer Arbeit das Recht des Dritten Reichs umgesetzt haben. Nein, viele von ihnen haben den Nationalsozialismus mit Begeisterung begrüßt und emsig dabei geholfen, die Gräuel der Diktatur zu rechtfertigen und mit dem Anschein der Rechtmäßigkeit zu versehen.
Denn die Nationalsozialisten wurden schon vor der offiziellen Machtergreifung bereitwillig von Richtern und Staatsanwälten geschützt und gedeckt.
Die gewalttätigen Ausschreitungen nationalsozialistisch gesinnter, paramilitärischer Truppen und Einzelkämpfer, die sich insbesondere in Zeiten der Wahl gegen andere politische Gruppen richteten, wurden zwar häufig zur Anklage gebracht. Dort beschied man sie jedoch zumeist mit geringen Strafen oder gar einem Freispruch. Nicht selten betonten Richter und Staatsanwaltschaften dabei die „edle, nationale Gesinnung“ der Täter, die Gewalttaten aller Art rechtfertigen sollte. So geschah es auch dem jungen Adolf Hitler nach seinem missglückten Putsch in München, der dafür lediglich die „ohnehin großzügig bemessene“ Mindeststrafe erhielt und, im Gegensatz zur üblichen Praxis gegenüber ausländischen Straftätern, nicht aus Deutschland ausgewiesen wurde, da er eine durch und durch „deutsche Gesinnung“ habe.
Anders erging es Kommunisten oder denen, die man dafür hielt. Richter und Staatsanwälte nahmen die nationalsozialistische Propaganda, nach der kommunistische Umtriebe Hochverrat waren, nur zu gerne in ihre Urteile auf. Jeder Akt, der in irgendeinem Zusammenhang zur kommunistischen Partei stand, und sei es nur der Transport kommunistischer Zeitungen, wurde bereits als Vorbereitung zum Hochverrat bestraft. Nicht anders erging es den Sozialdemokraten nach dem Verbot der Partei.
Grund dafür ist, dass viele Juristen das Ende des Kaiserreiches nie wirklich verkraftet hatten. Durch geschickte Gesetzgebung und Personalpolitik war es Bismarck nach der Revolution von 1848 gelungen, jeden Geist von Republik und Demokratie aus dem Stand der Richter und der Staatsanwaltschaft zu beseitigen. Diese Berufsstände blieben auch der Weimarer Republik gegenüber immer äußerst skeptisch. Stattdessen hegten einige von ihnen eine Faszination für totalitäre Staatsstrukturen und Nationalismus. Kein Wunder also, dass genau diese Menschen nichts Besseres zu tun hatten, als den Nationalsozialisten bei der Ausarbeitung ihres totalitären Regimes begeistert unter die Arme zu greifen. Nicht wenige von ihnen waren bei der Umgestaltung der Rechtsordnung vollumfänglich beteiligt.
So ging mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten eine Selbstgleichschaltung der Richter- und Staatsanwaltschaft einher.
Dabei ist bemerkenswert, dass nur die allerwenigsten Richter Mitglieder in der NSDAP waren, und auch bis Ende des Dritten Reiches traten nur wenige dieser Partei bei. Sie waren einfach von Grund auf überzeugte Nationalisten und Konservative. Die wenigen Sozialdemokraten und Republikaner, die ihren Weg in die Richterstände gefunden hatten, wurden im Zuge mehrere Gesetzesänderungen aus diesen Ständen vertrieben. Ein ähnliches Schicksal traf die jüdischen Anwälte, die zu Rechtsberatern lediglich für Juden degradiert wurden. Anwälten wurde es verboten, Mandate von Juden zu übernehmen oder sogar nur Kontakte zu Juden zu pflegen. Bei Verstoß drohte der Entzug der Zulassung. So hatte letztlich „der Deutsche seinen Rechtsanwalt, der Jude seinen Rechtsberater“. Recht sprechen sollte von nun an nur noch, „wer in seinem Volke lebt, mit seinem Volke fühlt und das Recht da sucht, wo es entspringt, im gesunden Empfinden des Volkes“.
Mit der Machtergreifung stellte sich auch das Verständnis von Rechtsstaatlichkeit auf den Kopf. War mit Rechtsstaat zuvor ein Staat gemeint, der sich dem Recht unterwirft, so definierten die Juristen im Dritten Reich den Rechtsstaat vom Nationalsozialismus her. Der Rechtsstaat sollte von nun an einzig dem Schutz von Staat und Führer dienen. Dies führte, vor allem im Strafrecht, zu bemerkenswerten Verdrehungen des Rechts und zur Ausdehnung von Straftatbeständen. Ja, man bestrafte sogar Handlungen, für die sich im Strafgesetz kein Tatbestand finden ließ, einzig, weil sie sich als gegen den Führerstaat gerichtete Taten behandeln ließen.
Denn dem Strafrecht solle, so die Begründung, die abwehrende Seite des Schutzes der Volksgemeinschaft obliegen sowie die „Reinigung der Volksgemeinschaft von minderwertigen Menschen“.
Minderwertig war dabei jeder, der nicht in die nationalsozialistische Ideologie passte und sich nicht entsprechend verhielt. Geschriebenes Gesetz wurde dadurch weitestgehend obsolet. So ist es nicht verwunderlich, dass in der Rechtswissenschaft ernsthaft darüber diskutiert wurde, das Strafgesetz ganz abzuschaffen.
All dies fand seine Rechtfertigung in der Reichstagsbrandverordnung, die den damaligen Notstand begründete. Ab diesem Zeitpunkt war die Weimarer Reichsverfassung das Papier nicht mehr wert, auf dem sie stand. Kein Jurist wusste noch sicher, ob und inwieweit sie noch Bestand hatte, doch es bemühte sich auch niemand, das herauszufinden. Faktisch war sie von den Nationalsozialisten ohnehin längst abgeschafft. Dieser Notstand gründete sich auf den wahrscheinlich von den Nationalsozialisten selbst inszenierten Reichstagsbrand, der als Beweis für den geplanten Aufstand der Kommunisten herangezogen wurde. Dieser hatte keine Entsprechung in der Realität, und das brauchte er auch nicht. Für die Juristen genügten die Verordnungen und Gesetze, mit denen dieser angebliche Notstand gerechtfertigt wurde.
Traurige Parallelen
Halten wir hier kurz inne und ziehen einige Parallelen, die man in der heutigen Zeit beobachten kann. Zunächst wurde im Jahr 2020 ein im Grundgesetz aus guten Gründen nicht vorgesehener Notstand ausgerufen, auf den sich Verordnung um Verordnung und Maßnahme um Maßnahme stützen. Ob der Grund für diesen Notstand tatsächlich existiert, das ermittelten Richter und Staatsanwälte von Anfang an nicht. Wie damals die Bedrohung durch die Kommunisten, nehmen heutige Juristen die Bedrohung durch ein Virus einfach fraglos hin und beschäftigen sich lieber bis ins kleinste Detail mit den auf diesen Notstand begründeten Verordnungen.
Dabei haben sich auch Juristen von Anfang an zu Verteidigern des Coronastaates aufgeschwungen. Statt Kritik an der Verfassungsmäßigkeit der Verordnungen und Maßnahmen, an der Verhältnismäßigkeit und der Unterdrückung Andersdenkender vernimmt man das Schweigen im Walde – oder allenfalls das unbeteiligte Räuspern einer Beamtenschaft, die sich von Anfang an selbst gleichgeschaltet hat. Wagt es doch einmal ein Richter, ein Urteil zu fällen, das dem herrschenden Coronastaat widerspricht, so setzt sich die ganze Maschinerie der Jurisprudenz in Bewegung, um den aufsässigen Abweichler mit allen Mitteln des Rechts zu unterdrücken, und seien die Anschuldigungen noch so weit hergeholt.
Während Grundrechte weitestgehend abgeschafft sind und nur ausgewählten Teilen der Bevölkerung schrittweise, dann aber in großzügiger Manier zuerkannt werden, hört man von Gerichten dazu kein Wort der Kritik.
Das Grundgesetz ist im Großen und Ganzen Makulatur – zumindest bemüht sich niemand herauszufinden, inwiefern es überhaupt noch Geltung besitzt. Es wurde durch ein einfaches Gesetz, das Infektionsschutzgesetz, das im Rang eindeutig unter dem Grundgesetz steht, schlicht ausgehebelt; ein Vorgang, der rechtlich nicht zu rechtfertigen ist.
Statt mittels ordentlicher parlamentarischer Gesetze, die von Bundestag und Bundesrat beraten und beschlossen werden, regiert die herrschende Macht über Verordnungen – ein Zustand, der nach weit über einem Jahr längst schon jeder Verfassungsmäßigkeit spottet. Diese Verordnungen werden beraten in vom Grundgesetz nicht vorgesehenen Gremien wie die Ministerpräsidentenkonferenz, die zu einer Ausschaltung des im Grundgesetz aus gutem Grund vorgesehenen Föderalismus und einer Gleichschaltung der Politik der Länder führte.
Auch das Strafrecht findet im Infektionsschutzgesetz eine vollkommen unzulässige Erweiterung, die faktisch nicht nachvollziehbare Tatbestände enthält. So ist nun strafbar, wer gewisse Anordnungen nicht einhält und dabei eine Krankheit verbreitet – oder auch nicht. Wie der Nachweis der Kausalität gelingen soll, erschließt sich wohl niemandem, aber es stellt sich auch die Frage, ob das überhaupt gewollt ist. Denn der Mensch ist längst zu einem potenziellen Virusüberträger degradiert worden. Er ist krank bis zum Beweis der Gesundheit, der immer wieder neu erbracht werden muss. Auf diese Weise findet schleichend eine Beweislastumkehr statt, die in einen strafrechtswidrigen Zustand münden kann, in dem letztlich jeder erst einmal schuldig ist, es sei denn, er beweist seine Unschuld. Das Recht dient damit nicht länger dem Zweck, ein geordnetes Zusammenleben zu ermöglichen und abzusichern, sondern ist einzig zur allgegenwärtigen Drohung eines despotischen Gesundheitsfaschismus geworden.
Bei der Verteidigung des herrschenden Coronastaates gegen Kritik und Subversion greifen Richter mittlerweile zu abenteuerlichen Rechtskonstruktionen und Begründungen. So werden Demonstrationen verboten mit der Begründung, man habe mit den Demonstranten schon in der Vergangenheit schlechte Erfahrung gemacht. Hier wird eine heterogene Gruppe von Menschen faktisch zu einer Einheit erklärt, die sich aufgrund ihres Verhaltens in der Vergangenheit disqualifiziert haben soll für eine Veranstaltung in der Zukunft. Beweise? Begründungen? Rehabilitationsprinzip? In dubio pro reo? Fehlanzeige.
Auch der gegenwärtige Rechtsstaat, sofern man dieses Wort überhaupt noch bemühen will, wird nicht vom Staat her definiert, der sich dem Recht unterwirft, sondern von der Ideologie des Coronafaschismus:
Rechtsstaat ist nun jener Staat, der diesen Coronafaschismus durchsetzt, und zwar unabhängig von jeder Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit.
Bezeichnend war im Dritten Reich auch die Führung der Gerichtsprozesse. Sie zeichnete sich aus durch ein hohes Maß an Willkür, die sich oft nur notdürftig unter dem Schleier der Rechtmäßigkeit verbarg. Die Urteile, die mit der Ideologie der Nationalsozialisten zusammenhingen, standen in der Regel schon vor Beginn des Prozesses fest, und der ganze Prozess diente dann nur noch dazu, diese Urteile mittels einseitiger Zeugenvernehmungen und Beweiswürdigungen sowie durch zweifelhafte Rechtsverdrehungen mit einem dünnen Anstrich der Legitimation zu versehen. Dabei setzten die Richter die Ideologie der „Volksgemeinschaft“, des Rassismus und Antisemitismus qua Rechtsprechung durch. Die Richter waren ganz offiziell eine „Kampftruppe“ des Führers im Gerichtssaal, ebenso wie die Beamten in der Verwaltung, und dienten der Unterdrückung sowie der Durchsetzung von Macht.
Zum Vergleich mit heutigen Zeiten kann man einen Gerichtsprozess aus Bayern gegen eine Fischwirtin heranziehen. Diese wurde von mehreren Gästen angezeigt, weil die Tische angeblich nicht in den richtigen Abständen zueinander standen, natürlich ohne dass die Ankläger dies nachgemessen hatten. Außerdem trugen die Bedienungen bei ihrer Arbeit zu einem großen Teil keine Masken. Aus dem Grund, so die Wirtin, weil sie Atteste hatten und unter der stundenlangen Belastung Atemnot, hohen Blutdruck und andere Symptome erlitten.
Diesen Einwand ließ die Richterin jedoch nicht gelten. Sie ließ nur Belastungszeugen zu, Entlastungszeugen wurden überhaupt nicht angehört, Beweise für die angeblich fehlenden Abstände nicht erbracht. Besonders bezeichnend ist die Einlassung eines dieser Belastungszeugen, welcher der Wirtin eine „falsche Gesinnung“ attestierte und zum Beweis auf die bei ihr im Lokal ausliegenden Flyer von Querdenken verwies.
Die Richterin hatte angesichts dieser „Beweisführung“ offenbar überhaupt keine Bedenken, die Wirtin zu einem Bußgeld von 3.500 Euro zu verurteilen, wobei sie betonte, die Angeklagte habe damit sogar noch Glück gehabt.
Auch hier sieht man also wortwörtlich eine Gesinnungsjustiz, welche der herrschenden Ideologie als Repressionsinstrument dient, um Macht zu demonstrieren und mit allen Mitteln durchzusetzen. Beweise werden nicht erbracht, nur Zeugen einer Seite befragt, wohingegen die möglichen Entlastungszeugen nicht angehört werden. Verurteilungen trotz fehlender Beweise stellen zudem eine empfindliche Verletzung des Grundsatzes „Im Zweifel für den Angeklagten“ dar, ein Eckpfeiler des deutschen Strafrechts. Man kann den Eindruck gewinnen, dass auch hier das Urteil schon im Vorhinein festgestanden hat. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das Ganze wenig zu tun. Daher hat der Anwalt der Angeklagten auch angekündigt, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Unterstützung bekommt die Wirtin derweil auch von vielen alten und neuen Gästen. Das Lokal ist auf Monate ausgebucht.
Ob das Bundesverfassungsgericht hier tatsächlich dem Recht zur Geltung verschaffen wird, ist jedoch äußerst fraglich. Immerhin schweigt es sich seit 20 Monaten über jede Rechtmäßigkeit in Bezug auf die Coronamaßnahmen aus. Stattdessen treffen sich die Richter lieber im Bundeskanzleramt mit der Bundeskanzlerin zum Essen. Hier ist wohl kaum anzunehmen, dass so etwas wie Objektivität gewahrt wird. Schon die fragwürdige Personalie Stephan Habarth, eine Person, die als CDU-Abgeordneter und Wirtschaftslobbyist niemals in einen Richterposten hätte befördert werden dürfen, der dies auch nur unter fragwürdigen Bedingungen geschafft hat, lässt große Zweifel an der objektiven Rechtsprechung aufkommen. Hier ist keine Hilfe zu erwarten.
Man kann also deutliche Parallelen zwischen der Justiz im Dritten Reich und der heutigen erkennen. Sie verbergen sich war, zumindest noch, unter einem Deckmantel rechtlichen Anstandes, sind aber immer offenkundiger nur Durchsetzungsinstrumente des herrschenden Totalitarismus. Nach dem Ende des Dritten Reichs haben viele Juristen ihr Wirken in der neuen Bundesrepublik fortsetzen dürfen und das Recht Nachkriegsdeutschlands geprägt. Wir sollten nicht denselben Fehler machen!