Und tschüß, Dollar!
Die Macht der USA bröckelt jetzt sogar auf ihrem ureigensten Gebiet: dem Finanzsektor.
Es gibt wichtige Anzeichen, die auf einschneidende Veränderungen der geopolitischen Weltlage hindeuten: der Aufstieg Chinas, das Wiedererstarken Russlands und nicht zuletzt der kritische Zustand der noch amtierenden Supermacht Nummer eins. Das astronomische Haushaltsdefizit der USA schießt unter der Trump-Regierung weiter in die Höhe, der Verfall der Infrastruktur frisst sich in Stadt und Land, die Verelendung großer Bevölkerungsteile und die gesunkene Lebenserwartung erinnern an vormoderne Zeiten. Dazu kommt eine weitere Hiobsbotschaft: Shuttle Economis, eine in Washington ansässige volkswirtschaftliche Analysefirma, hält es für plausibel, dass die USA im Laufe des nächsten Jahres ihre bis dato erstklassige Bonität auf den Kapitalmärkten verlieren könnten. Erleben wir also gerade das Ende der Ära des US-Imperiums? Ja, meint Chris Hedges und beleuchtet die Entwicklung unter dem Aspekt des schwindenden Vertrauens in die Weltreservewährung, den Dollar.
Die unfähige und korrupte Präsidentschaft Donald Trumps hat ungewollt den todbringenden Schlag gegen das amerikanische Imperium ausgelöst – die Abkehr vom Dollar als Haupt-Leitwährung der Welt (1). Weltweit, insbesondere in Europa haben Staaten das Vertrauen verloren, die Vereinigten Staaten könnten in Fragen des internationalen Finanzwesens, des Handels, der Diplomatie und der Kriegsführung rational agieren, geschweige denn die Führung übernehmen. Stillschweigend lösen diese Länder die sieben Jahrzehnte alte Allianz mit den Vereinigten Staaten auf und errichten alternative bilaterale Handelssysteme.
Totengräber des Imperiums
Wie der Historiker Alfred McCoy (2) und der Ökonom Michael Hudson (3) seit langem aufzeigen, wird die Neugestaltung des weltweiten Handelssystems verhängnisvoll für das amerikanische Imperium sein.
Sie wird eine ökonomische Todesspirale in Gang setzen, einschließlich einer hohen Inflation, welche eine massive Schrumpfung des Militärs in Übersee erfordern und die Vereinigten Staaten in eine anhaltende Krise stürzen wird. Anstatt Amerika „great again“ zu machen, wird Trump sich am Ende ungewollt als der aggressivste Totengräber des Imperiums erwiesen haben.
In unberechenbarer Weise hat die Trump-Administration globale Institutionen sabotiert. Zu ihnen gehören die NATO, die Europäische Union, die Vereinten Nationen, die Weltbank und der IWF, die dem amerikanischen Imperialismus und seiner globalen ökonomischen Hegemonie Schutz gewähren und Legitimität verleihen.
Das amerikanische Imperium war immer, wie McCoy betont, eine Kombination aus vergangenen Weltreichen. Es entwickelte, so schreibt er, „eine unverwechselbare Form globaler Herrschaft, die Aspekte vorangegangener Imperien, antiker und moderner, vereinigte. Dieses einzigartige US-Imperium war athenisch in seiner Fähigkeit, Koalitionen unter seinen Verbündeten zu schmieden, römisch in seinem Vertrauen auf Legionen, die Militärbasen in fast allen Teilen der bekannten Welt besetzten, und britisch in seiner Bestrebung, Kultur, Kommerz und Allianzen in einem den ganzen Globus umfassenden System zu verschmelzen.“
US-Alleingänge
Als George W. Bush im Alleingang in den Irak einfiel, setzte er sich mit seiner Doktrin des Präventivkrieges über das Völkerrecht hinweg und wies die Proteste der traditionellen Verbündeten zurück. Damit begann der Bruch. Trump hat die Risse vergrößert.
Die Trump-Administration zog sich aus dem 2015 mit dem Iran getroffenen Atomabkommen zurück – obwohl der Iran das Abkommen eingehalten hatte – und forderte, dass die europäischen Nationen diesen Schritt ebenfalls vollzögen, oder sie würden US-amerikanische Sanktionen zu erleiden haben.
Daraufhin erlebten wir, wie die europäischen Nationen abtrünnig wurden und ein alternatives Clearingsystem etablierten, das die Vereinigten Staaten ausschließt.
Der Anfang vom Ende des Dollars
Der Iran akzeptiert auf dem internationalen Markt für sein Öl keine Dollar mehr und hat den Dollar durch den Euro ersetzt, was angesichts von Washingtons tiefer Feindseligkeit gegenüber Teheran keine Kleinigkeit ist. Auch die Türkei verlässt den Dollar. Bei der US-amerikanischen Forderung, dass Deutschland und andere europäische Staaten den Import von russischem Gas stoppen sollten, konnte man ebenfalls beobachten, wie die Europäer Washington ignorierten. China und Russland, traditionelle Gegenspieler, arbeiten jetzt als Tandem zusammen, um sich vom Dollar zu befreien. Moskau hat 100 Milliarden Dollar seiner Reserven in den chinesischen Yuan, den japanischen Yen und den Euro transferiert.
Und – ebenso bedrohlich – lagern ausländische Regierungen ihre Goldreserven seit 2014 nicht mehr in den Vereinigten Staaten oder sie entnehmen sie – wie im Falle Deutschlands – der US-Notenbank. Deutschland hat 300 Tonnen Goldbarren in die Heimat zurückgeführt. Die Niederländer haben 100 Tonnen zurückgeholt.
Ökonomischer Würgegriff
Die US-Intervention in Venezuela, der potentielle Handelskrieg mit China, die Abkehr von internationalen Klima-Abmachungen, der Rückzug aus dem Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF), die Handlungsunfähigkeit in Washington, der destabilisierende Shutdown der Regierungsgeschäfte und die sich verschärfenden Feindseligkeiten mit dem Iran lassen nichts Gutes ahnen für Amerika.
Die bizarren Launen verkümmerter Ideologen wie Mike Pompeo, John Bolton und Elliot Abrams haben die amerikanische Außen- und Finanzpolitik in Geiselhaft genommen. Damit ist die Zunahme des globalen Chaos gewährleistet, ebenso wie die erhöhten Anstrengungen von Staaten weltweit, sich aus dem ökonomischen Würgegriff zu befreien, den die Vereinigten Staaten nach dem 2. Weltkrieg so wirkungsvoll eingesetzt haben.
Die Frage ist nicht ob, sondern wann der Dollar beiseitegeschoben wird. Die bittere Ironie besteht darin, dass gerade Trump und seine Mit-Ideologen von der extremen Rechten die internationalen Strukturen zerstörten, die von globalen Kapitalisten etabliert worden waren – und nicht die Sozialisten, in deren Vernichtung diese Kapitalisten enorme Ressourcen investiert hatten.
Der Historiker Ronald Robinson argumentierte, dass die britische imperiale Herrschaft endete, „als die kolonialen Herrscher keine eingeborenen Kollaborateure mehr hatten.“ Das Ergebnis, stellte er fest, bestand darin, dass die „Umkehrung von Kollaboration in Nicht-Kooperation im Wesentlichen den Zeitpunkt der Entkolonialisierung bestimmte.“
Der Prozess der Entfremdung traditioneller US-Alliierter und Kollaborateure wird denselben Effekt haben. McCoy weist darauf hin, dass „alle modernen Imperien auf zuverlässige Stellvertreter angewiesen waren, die ihre globale Macht in lokale Kontrolle umsetzten – und bei den meisten kündigte sich der Zusammenbruch an, als diese Eliten begannen aufzubegehren, Widerworte zu geben und ihre eigene Agenda geltend zu machen.“
Gigantischer Schuldenberg
Die Zuverlässigkeit des Dollars schwindet zusehends. Der Grund hierfür sind die astronomischen Regierungsschulden, die sich momentan auf 21 Billionen Dollar belaufen. Diese Schuldensumme wird durch Trumps Steuersenkungen weiter ansteigen, welche das US-Finanzministerium in der nächsten Dekade 1,5 Billionen Dollar kosten werden.
Die Schuldenstandsquote liegt jetzt bei mehr als 100 Prozent, was für Ökonomen ein rot blinkendes Warnlicht ist. Unser riesiges Handelsdefizit ist angewiesen auf den Verkauf von Staatsanleihen ins Ausland. Wenn diese Anleihen an Wert verlieren und nicht mehr als stabile Investition betrachtet werden, wird der Dollar eine große Entwertung erfahren. Es gibt Anzeichen, dass dieser Prozess bereits begonnen hat. Die Zentralbank-Reserven enthalten weniger Dollar als 2004. Es gibt weniger SWIFT-Zahlungen – das Austauschverfahren für Geldtransfers zwischen Banken – in Dollar als 2015. Die Hälfte des internationalen Handels wird in Dollar berechnet, obwohl der US-amerikanische Anteil am internationalen Handel nur 10 Prozent beträgt.
„Schlussendlich werden wir andere Reservewährungen als den US-Dollar haben“, verkündete im letzten Monat Mark Carney, der Gouverneur der Bank of England.
61 Prozent der ausländischen Währungsreserven (4) sind Dollar. Da diese Dollarwährungsreserven durch andere Währungen ersetzt werden, wird sich der Rückzug vom Dollar beschleunigen. Die Fahrlässigkeit der amerikanischen Finanzpolitik wird die Krise nur verschlimmern.
„Wenn unbegrenztes Kreditaufnehmen, finanziert durch die Gelddruckmaschine, der Weg zu Wohlstand wäre“, sagte unlängst Irwin M. Stelzer vom Hudson Institute, „dann stünden Venezuela und Zimbabwe an der Spitze der Wachstumstabellen.“
Fall ins Bodenlose
McCoy erklärt, wie eine vom Dollar gelöste Finanzordnung aussehen würde:
„Für die Mehrheit der Amerikaner werden die 2020er wahrscheinlich als demoralisierendes Jahrzehnt steigender Preise, stagnierender Löhne und schwindender internationaler Wettbewerbsfähigkeit in Erinnerung bleiben. Nach Jahren wachsender Defizite, die genährt werden von nicht endenden Kriegen in fernen Ländern, wird der US-Dollar 2030 schließlich seinen besonderen Status als herrschende Reservewährung der Welt verlieren.
Plötzlich werden als Strafmaßnahmen Preiserhöhungen für amerikanische Importe von Bekleidung bis hin zu Computern verhängt werden. Ebenso werden die Kosten für alle Auslandsaktivitäten steigen. Dadurch wird das Reisen sowohl für Touristen als auch für Militärtruppen unbezahlbar. Außerstande, die extrem ansteigenden Defizite durch den Verkauf von dann abgewerteten Schatzwechseln abzubauen, wird Washington letztendlich gezwungen sein, sein aufgeblähtes Militärbudget zu kürzen.Zu Hause und im Ausland unter Druck werden sich die Streitkräfte allmählich aus hunderten von Überseestützpunkten zurückziehen, um auf einen kontinentalen Umfang zu schrumpfen. Solch ein verzweifelter Schritt wird allerdings zu spät erfolgen.
Angesichts einer untergehenden Supermacht, die unfähig ist, ihre Schulden zu bezahlen, werden China, Indien, der Iran, Russland und andere Länder die US-Herrschaft über die Meere, den Weltraum und den Cyberspace auf provokative Weise herausfordern.“
Der Zusammenbruch des Dollars, schreibt McCoy, wird „in die Höhe schießende Preise, ständig steigende Arbeitslosigkeit und einen anhaltenden Niedergang der Reallöhne die 2020er hindurch“, bedeuten, „innenpolitische Spaltungen, die sich ausweiten werden zu gewalttätigen Zusammenstößen, und spaltende Debatten, häufig über symbolische, belanglose Themen.“ Die tiefe Desillusionierung und die weit verbreitete Wut werden Trump oder einem trumpähnlichen Demagogen Möglichkeiten eröffnen, gegen Sündenböcke im eigenen Land oder im Ausland loszuschlagen, womöglich durch das Schüren von Gewalt. Aber bis es so weit ist, wird das US-Imperium so geschrumpft sein, dass seine Drohungen – zumindest für diejenigen außerhalb seiner Grenzen – größtenteils bedeutungslos sein werden.
Es ist unmöglich vorherzusagen, wann genau die Flucht aus dem Dollar vollzogen wird. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte die US-Wirtschaft Großbritannien überholt, aber nicht vor der Mitte des 20. Jahrhunderts ersetzte der Dollar das Pfund Sterling und wurde die vorherrschende Währung im internationalen Handel. Der Anteil des Pfund Sterling an den Reservewährungen der internationalen Zentralbanken fiel von ungefähr 60 Prozent in den frühen 1950er Jahren auf weniger als 5 Prozent in den 1970ern. Sein Wert fiel von mehr als 4 Dollar für ein Pfund am Ende des 2. Weltkriegs und erreichte eine annähernde Parität mit dem Dollar. Die britische Wirtschaft geriet in eine Abwärtsspirale. Und dieser wirtschaftliche Schock markierte für die Briten das Ende eines Imperiums. Uns wird es nicht anders ergehen.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „[Goodbye to the Dollar](https://www.truthdig.com/articles/goodbye-to-the-dollar/Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.thebalance.com/world-currency-3305931
(2) https://www.youtube.com/watch?v=6QgwwBAj8Ow
(3) https://www.youtube.com/watch?v=m4ylSG54i-A
(4) https://www.thebalance.com/when-will-the-u-s-dollar-collapse-3305691