Unbeliebt — na und?
Befreien wir uns endlich von der Sucht, allen gefallen zu wollen!
Wir alle suchen nach Verbindung und brauchen Anerkennung. Wir wollen geliebt werden, gemocht und respektiert — oder, wenn das nicht funktioniert, zumindest gefürchtet oder gehasst. Die anderen sollen uns in dem bestätigen, was wir vorgeben zu sein. Dafür sind wir bereit, eine Menge zu investieren. Wir verausgaben uns und verbiegen uns in alle möglichen Richtungen, um zu gefallen und zu beeindrucken. Der Blick nach innen befreit uns aus dieser selbstauferlegten Tyrannei.
Was denken die anderen über mich? Wie sehen sie mich? Werde ich von ihnen akzeptiert? Kaum etwas beschäftigt uns mehr als der Blick der anderen auf uns. Viele von uns mühen sich ein Leben lang — bewusst oder unbewusst —, den Erwartungen von Vater und Mutter (nicht) zu entsprechen. Viele geben Vermögen dafür aus, um für andere attraktiv zu sein, und verrenken sich auf schmerzhafte Weise, um geschätzt, gemocht, geliebt zu werden.
Wer kann von sich behaupten, frei davon zu sein, andere beeindrucken zu wollen? Die werden Augen machen, wenn ich so frisch und braungebrannt aus dem Urlaub zurückkomme/weniger wiege/mit dem neuen Wagen vorfahre. Unsere Wirtschaft nährt sich zu einem beachtlichen Teil davon, dass wir in Kleidung, Kosmetik und alle möglichen Prestigeartikel investieren, weil wir glauben, nur so vor den anderen bestehen zu können. Und wenn dann unsere Investitionen nicht dafür ausreichen, dass man uns achtet und liebt, dann soll man uns wenigstens fürchten oder hassen.
Was wir auch unternehmen: Wir suchen die Verbindung zu anderen. Wir sind nun einmal Gemeinschaftswesen. In der Isolation gehen wir ein. Wir brauchen die anderen wie die Luft zum Atmen. Mit unserem Eintritt in die Welt lernen wir, denen zu gefallen, die uns aufziehen und versorgen. Es ist für uns überlebenswichtig, von unserer Familie, unserem Clan angenommen zu werden. Später lernen wir, uns Respekt und Anerkennung in aushäusigen Gruppen zu schaffen und wenn es an die Partnerwahl geht, leben wir eine Weile nur noch dafür, den wohlwollenden Blick des anderen anzuziehen.
Anstrengendes Ping-Pong
Auch mir liegt daran, von anderen gemocht und geschätzt zu werden. Ich tue viel dafür, dass man in mir einen freundlichen, attraktiven, aufgeschlossenen, klugen, sensiblen, verantwortungsbewussten, liebevollen, kritischen, fleißigen, großzügigen, humorvollen, hilfsbereiten Menschen sieht. Doch meiner Bewerbung für den Posten einer Heiligen wurde nicht Folge geleistet.
Im besten Falle werde ich gelobt. Dann habe ich Angst, beim nächsten Mal zu enttäuschen und nicht mehr gemocht zu werden. Je mehr jemand bewundert wird, desto mehr hat er auch zu verlieren. Ganz schlimm ist es, wenn ich kritisiert werde. Ich fühle mich ungeliebt und aus der Bahn geworfen. Das Unerträglichste jedoch ist, auf Gleichgültigkeit zu stoßen. Da bin ich es nicht einmal mehr wert, dass man sich über mich Gedanken macht.
Als Ping-Pong-Ball zwischen den oft nur vermuteten Wertungen der anderen geht es mir nicht gut. Dieses Gefallspiel ist furchtbar anstrengend. Alles entgleitet mir. Trotz aller Anstrengungen denken die anderen sowieso nicht das von mir, was ich will, dass sie denken. Doch wer bin ich eigentlich in diesem Spiel? Ich bin doch mehr als das Bild, das sich die anderen von mir machen!
Auf sich selbst schauen
Wie ich mich auch zeige: Der andere sieht in mir nicht, was ich gerne möchte, dass er sieht, sondern das, was er sehen will. Sein Bild von mir entspricht immer auch seinen eigenen Vorstellungen, Wünschen und Gefühlen. Wir alle sind Projektionsflächen füreinander. Wenn wir uns begegnen, sehen wir in unserem Gegenüber vor allem unser eigenes, vielschichtiges Spiegelbild. Der andere spiegelt uns mit seinem Verhalten nicht nur das, was wir vorgeben zu sein, damit er uns schätzt, sondern auch das, was sich dahinter verbirgt.
Dabei wird mir ganz schwindelig. Und so habe ich beschlossen, weniger auf die anderen und mehr auf mich zu schauen. Ich will meine Energie nicht mehr damit verschwenden, ständig irgendwie wirken zu wollen, damit man mich akzeptiert. Die Zuwendung zu mir selbst ist für mich die Voraussetzung dafür, lebendige, authentische und friedliche Beziehungen zu leben. Denn wenn ich mir selbst fern bin, wie könnte ich dann Zugang zu anderen finden?
Wenn ich die Tür zu meinem Wesen verschlossen halte, dann bleibt mir nur die Maskerade. Wenn ich nicht weiß, wer in meinem Inneren wohnt, dann kann ich auch nicht glauben, dass man mich um meiner selbst willen mag und schätzt. Schließlich kenne ich mich ja gar nicht. Wie sollen mich dann die anderen erkennen? Und so gehe ich los, kaufe ein und versuche, meine Fassade zum Glänzen zu bringen. Damit ziehe ich dann die an, die mich vor allem dafür benutzen, sich selbst über mich zu bestätigen. Echte Freundschaften und Beziehungen kann ich so nicht erleben.
Je mehr ich den Eindruck habe, von selbstsüchtigen Egoisten umgeben zu sein, desto weniger bin ich bei mir. Je mehr ich jedoch mit meinem authentischen Wesen in Kontakt trete, je mehr ich mich in mein Innenleben hineinwage, desto ehrlicher und erfüllender sind meine Beziehungen mit der Außenwelt. Je mehr Licht ich in meine Innenwelt trage, desto heller wird es auch um mich herum. So erfahre ich es.
Geliebt, wie wir sind
Für mich führt der Weg in eine gerechte und friedliche Welt mitten hinein in das innere Universum jedes einzelnen. Hier werden wir nicht durch Spiegel in die Irre geführt und durch Politur verblendet. Hier können wir erkennen, was wirklich ist. Wenn wir den Blick nach innen hinein wagen, zeigt sich unser authentisches Wesen schließlich ganz von selbst. Diesem Wesen kommt es nicht darauf an, zu gefallen. Es muss nicht an sich herumwienern und mit vielerlei Geschick oder List den anderen etwas vorgaukeln, was es gar nicht ist. Es erfährt in sich, dass es geliebt wird, und dass es dafür nichts tun muss. Es wird geliebt, weil es ist, so wie es ist.
Wer diese Liebe in sich entdeckt, der geht in friedlicher Absicht in die Welt hinaus. Er kehrt all dem feilgebotenen Tand den Rücken, den jene erstehen, die damit ihren Wert zu erhöhen glauben. Er kennt seinen natürlichen Wert. Er muss anderen nicht nach dem Mund reden aus Angst, er könne missfallen. Er entwickelt eine eigene Sichtweise auf die Dinge und vertritt sie, auch wenn die anderen ihm nicht beipflichten. Er weicht ihrem Blick nicht aus, schaut ihnen freundlich in die Augen und ermutigt sie dazu, es ebenso wie er zu tun. Egal, was die anderen denken.