Triumph der Verlierer

Warum die „Sovereignisten“ die Wahlen in Österreich gewonnen haben, aber die EU-Zentralisten dennoch weiter regieren werden.

Demokratie — das heißt noch lange nicht, dass derjenige an die Regierung kommt, der Wahlen gewonnen hat. Das war in Thüringen so, und das wird auch in unserem Nachbarland Österreich so sein. Die FPÖ unter Herbert Kickl gewann die Nationalratswahlen in der Alpenrepublik mit komfortablem Abstand. Regieren wird wohl dennoch eine Koalition „gemäßigter“ Parteien. Zwei oder drei übereinander getürmte Zwerge können mitunter einen Riesen überragen. Das wichtigste „Argument“, das gegen die Freiheitlichen ins Feld geführt wurde, kennen wir aus Deutschland recht gut. Kickl und die Seinen seien „rechts“ oder gar „rechtsextrem“, heißt es. Diese Frontbildung ist insofern irreführend, als der politische Hauptgegensatz heutzutage nicht mehr „Links gegen rechts“ lautet. Vielmehr stehen politische Kräfte, die auf der Souveränität des eigenen Landes bestehen, gegen solche, die wollen, dass nationale Eigenheit in einem größeren internationalen Mischmasch verschwimmt. Wobei sich im Inland gewählte Instanzen stets europäischen oder globalen Machtzentren unterzuordnen haben. Sicher gibt es auch für die letztgenannte politische Richtung Argumente. Nur: Sie wurde in Österreich nicht gewählt. Das ist den Musterdemokraten aber — wie man in Österreich sagt — „wuascht“.

Die Wahlen zum österreichischen Nationalrat sind vorbei. Die Sozialdemokraten, die Partei des historisch-legendären Bruno Kreisky, sind Dritte geworden, die regierende Volkspartei wurde zweiter und die FPÖ gewann die Wahl. Was sagt uns das? Die Menschen wenden sich zusehends vom alten politischen Establishment ab. Wir beobachten das nicht nur in Österreich.

Wir konnten diesen Trend auch in Frankreich durch den Aufstieg der rechten Rassemblement National unter Marine Le Pen und der linken Partei Jean-Luc Mélenchons beobachten, in Deutschland im Aufstieg der rechten AfD und des linken BSW von Sahra Wagenknecht; wir haben es in den Niederlanden gesehen, durch den Aufstieg der rechtspopulistischen Partei Geert Wilders; wir haben es auch in Italien mit Giorgia Meloni beobachtet und nun sehen wir es auch bei uns in Österreich mit dem Wahlsieg der Freiheitlichen Partei (FPÖ) unter der Führung von Herbert Kickl.

Und der Grund ist immer der gleiche: In diesen Ländern regieren Parteien, die sich nicht mehr verantwortlich fühlen für die Menschen, die sie regieren. Diese politischen Eliten bekommen ihre Aufträge aus Brüssel und letztlich auch von Washington.

Viele Wähler beobachten, dass die wichtigen Entscheidungen nicht mehr in ihren Ländern getroffen werden, sondern anderswo. Und sie hegen ein tiefes Misstrauen gegen die wirtschaftspolitischen Richtlinien der EU, sie bemerken die anti-liberalen Grundrechtseinschränkungen seit der Covidkrise 2020.

Die Menschen in diesen Ländern haben in der Vergangenheit, zum Beispiel in der Ungarnkrise 1956, der Öffnung des Eisernen Vorhangs und beim Zerfall Jugoslawiens, oft bewiesen, dass sie nicht generell gegen Migration sind, aber sie wollen keine unkontrollierte Einwanderung bei offenen Grenzen.

Hinzu kamen die totalitären Auswüchse durch die Covid-Maßnahmen in Österreich während der vergangenen 4 Jahre, ein Europarekord bei der Testung gesunder Menschen, ein Europarekord mit fünf Lockdowns und der Tatsache, dass Österreich das einzige Land Europas war, das eine Impfpflicht eingeführt hat. Das verantwortliche Establishment hat eine ehrliche Aufarbeitung der Ereignisse von 2020/21 bis heute nicht initiiert.

All das ist bei der Wahl in Österreich zusammengekommen. Und während der letzten Jahre wurde in Österreich auch noch die Basis des Friedensvertrages, der Staatsvertrag von 1955 mit den vier Siegermächten, um den viele Menschen in Deutschland Österreich beneiden. Und seit dem Ukrainekrieg und dem Entschluss der Regierung, sich mit dem Raketensystem Sky Shield an ein NATO-Projekt anzuhängen, wird auch noch eine Grundlage unseres österreichischen Selbstverständnisses, die österreichische Neutralität, kontinuierlich unterminiert.

Starke wirtschaftliche Beziehungen

Im Unterschied zu den westeuropäischen Ländern haben wir in Österreich seit der Monarchie auch eine starke historische und wirtschaftliche Beziehung nicht nur zu Westeuropa und den USA, sondern auch zu Russland. All das wurde während der letzten Jahre propagandistisch weitgehend entsorgt und auf den Müllplatz der Geschichte geworfen.

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieser geopolitischen Umbrüche, dem das Land durch die EU unterzogen wurde, sind bereits spürbar: Die österreichische Wirtschaft ist derzeit geprägt von einer weiterhin bestehenden Konsum- und Investitionszurückhaltung, einer anhaltenden Industrierezession, einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts und einer steigenden Arbeitslosigkeit. Kein Wunder also, dass viele Österreicher eine andere Politik wünschen.

Nun hat die FPÖ zwar gewonnen, aber es wird sich nichts grundsätzlich ändern. Wir haben das in Deutschland gesehen, wir konnten es in Frankreich beobachten, wir haben es in Italien gesehen. Man kann wählen, was oder wen man will, aber es wird immer lokalpolitische Arrangements durch die EU geben, unterstützt durch die etablierten Parteien, die an der Macht sind.

Die Partei, die gewonnen hat, hat de facto verloren und die Parteien, die verloren haben, werden gewinnen.

Das politische Establishment, das die Wahlen verloren hat, wird die nächste Regierung bilden. Das ist die Realität in anderen EU-Staaten und so wird es auch in Österreich sein.

Die Frage stellt sich: Wie lange wird die EU in der Lage sein, diese Politik in den Nationalstaaten noch weiter zu praktizieren?

Spannend ist eine Tatsache, die von den Medien weitgehend ignoriert wird: Wir beobachten in Österreich, dass nicht nur rechte, sondern auch linke Parteien Stimmen gewinnen; wir konnten es in Frankreich beobachten; wir beobachten es auch in Deutschland seit dem Aufstieg von Sahra Wagenknechts BSW.

Was hat diese Radikalisierung nach rechts und links verursacht?

Immer deutlichere Einstellung des politischen Establishments

Tatsache ist, dass die EU ihren Einfluss auf die Nationalstaaten kontinuierlich verstärkt hat und dass das politische Establishment in Brüssel seine Gleichgültigkeit gegenüber den Bürgern der EU immer deutlicher zeigt.

Daher ist die Reaktion der Bürger in der EU, die beginnen, ihre Hemmungen gegen radikale Parteien, seien es rechte oder linke, mehr und mehr abzulegen. Sie reflektieren stärker ihre eigenen Meinungen und Ängste, ihre persönlichen Sorgen und erkennen den möglichen Zusammenhang mit der Politik. Solange die EU darauf mit der Ausweitung der Kontrolle und dem Ausschluss von Parteien aus der politischen Willensbildung reagiert, wird die Radikalisierung weiter gehen.

Konkret heißt das, dass die FPÖ von der Regierung ausgeschlossen werden wird, was wiederum bedeutet, dass Kickl & Co keine Verantwortung übernehmen müssen. Die FPÖ, aber auch die KPÖ, können abwarten, was die erfolglose Koalition der geschlagenen Parteien ÖVP und SPÖ in einer zusehends sich verschlechternden wirtschaftlichen Situation zustande bringen wird. Denn an den geopolitischen Direktiven der EU und USA wird sich nichts ändern.

Aber dies führt vielleicht schon bald in eine Situation, in der es in Österreich unmöglich sein wird, die FPÖ, die KPÖ und die kleineren, neuen Parteien der Mitte, wie die Liste Madeleine Petrovic (LMP) aus der politischen Willensbildung in einer Regierung auszuschließen.

Spannend ist, dass sich Viktor Orbán in Ungarn, der Sozialdemokrat Robert Fico in der Slowakei und Andrej Babiš in Tschechien gegen die zentralistische Politik von Brüssel auflehnen, vor allem gegen das „Projekt Selenskyj“ und die weitere Unterstützung der europäischen Staaten zur Fortführung des Kriegs in der Ukraine.

In Österreich ist zu erwarten, dass — ähnlich wie in Deutschland mit dem BSW — auch auf der linken Seite sich eine Opposition gegen den EU-Zentralismus bilden wird. Gerade im „roten Wien“ gibt es eine langjährige Tradition für linke Parteien. Und die KPÖ stellt mit Elke Kahr seit drei Jahren die Bürgermeisterin in Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs. In der Mozartstadt Salzburg ist der Kandidat der KPÖ nur knapp gescheitert.

Fazit: Eine sovereignistische Linkspartei würde die Stimmen nicht von der FPÖ holen, sondern auch von den Sozialdemokraten.

Seit dem Aufstieg des BSW in Deutschland ist der klassische Kampf zwischen Links und Rechts definitiv obsolet geworden. Links und rechts existiert nur aufgrund der permanenten Verteufelung der Rechtsparteien durch die regierenden Politiker und die Leitmedien.

Die heutige Realität ist der Kampf zwischen den EU-Zentralisten (Globalisten) und den Sovereignisten, die ihre nationale Souveränität durch den „National-Rat“ weiterhin behalten wollen.

Die Koalitionen in der EU bestehen aus Parteien unterschiedlicher Richtung, wobei es den EU-Zentralisten egal ist, ob die Koalitionen rechts oder links stehen: Hauptsache, die Regierungskoalitionen folgen den Vorgaben der EU und indirekt auch den 29.000 Lobbyisten in Brüssel. Robert Fico in der Slowakei ist ein linker Sovereignist, Andrej Babiš in Tschechien ist ein rechter Sovereignist.

Der gegenwärtige Kampf findet nicht mehr als Auseinandersetzung von links versus rechts statt. Der heutige Konflikt wird von den EU-Zentralisten, den Globalisten, gegen jene rechten und linken Sovereignisten geführt, die weiterhin souveräne Nationalstaaten wollen.