Träumen wir größer!
In Zeiten mausgrauer Realpolitik wagt der Rubikon den Aufbruch und die Utopie. Nach einer Redaktionspause von drei Wochen retten wir ab dem 18. Juni 2019 wieder den unabhängigen Journalismus im Land.
Alternativer politischer Journalismus ist oftmals eine Schule des Missmuts. Kritiker der gewiss kritisierenswerten herrschenden Verhältnisse agieren nicht selten nach dem Motto: „Je schlechter sich der Leser nach der Lektüre fühlt, desto besser das Magazin“. Die meisten können sich die totale Apokalypse dabei weitaus besser vorstellen als die Utopie jener gerechteren Welt, in der wir alle leben wollen. Deshalb versucht der Rubikon beides: Grabreden auf das Alte zu halten und zugleich Geburtshelfer des Neuen zu sein. Wir müssen mit der schonungslosen Analyse der vielen schlimmen Fehlentwicklungen unserer Zeit beginnen — dürfen bei diesen aber nicht stehen bleiben. Denn politische Negativität lähmt, wo wir doch alle das Gegenteil von Lähmung bräuchten: die Kraft für einen umfassenden Aufbruch. Helft uns, zu träumen! Helft uns, zu helfen!
„Magazin für die kritische Masse“ — so lautet die Mission unseres Magazins. Wir wollen ein Instrument sein, das den Diskurs all derer abbildet, fördert und weiterentwickelt, die sich über Missstände in unserer Zeit nicht nur empören wollen. Wir schreiben für die, die etwas ändern wollen.
Deshalb setzt Rubikon nicht nur auf Kritik. Wir bilden auch Lösungen ab, die konkret funktionieren. Wir schreiben über Wege der Heilung unserer geschundenen Seelen. Wir zeigen, wie es in eine gute Richtung gehen kann.
Aber natürlich bleibt die Kritik der unmöglichen Zustände auf der Welt eine unserer Kernaufgaben. Und auch für uns ist es natürlich nicht immer einfach, angesichts einer wahren Zerstörungsorgie auf diesem Planeten nicht in Pessimismus zu verfallen.
In der letztlich kurzen Zeit, in der Rubikon besteht, kriegen wir aber unterm Strich doch immer wieder die Kurve ins Konstruktive. Zumindest hoffen wir, dass auch Sie, liebe Leserin, lieber Leser, das so empfinden. Denn es ist uns wirklich ein Anliegen, dieses Magazin in die Zukunft auszurichten.
Die Idee der kritischen Masse soll nicht die Idee massenhafter Kritik sein — die natürlich auch wichtig ist. Es geht vielmehr darum, dass die Zahl derer, die in eine neue Richtung gehen wollen, so groß wird, dass sie einen kritischen Punkt überschreitet.
Dieser kritische Punkt liegt nicht bei 50 Prozent, er liegt deutlich darunter. Alle historischen Erfahrungen zeigen, dass Weltenwenden von wesentlich kleineren Menschenmengen eingeleitet wurden.
Ich selbst erinnere mich noch an Zeiten, da die Vorstellung, man könne durch die Sonne Strom generieren, weithin als Fantasterei abgetan ward. Aber einige wenige haben begonnen, diese Technologie zu bauen. Und jetzt steht sie weltweit da und funktioniert.
Wir wollen auch eine Technologie bauen. Eine Technologie der Solidarität etwa. Eine Technologie des Mitgefühls. Und, ja: eine Technologie des Heilens.
Denn nichts anderes als eine Technologie des Heilens ist es, was ein Franz Ruppert entwickelt und eine Birgit Assel praktisch weiterentwickelt hat. Eine Technologie der Traumaheilung, die wiederum das volle Potential hat, massenwirksam zu werden: den kritischen Punkt zu überschreiten.
Wir alle können uns gut vorstellen, wie negative Stimmungen sich gegenseitig verstärken. Wie der eine die andere herunterzieht. Wie Trauma 1 zu Trauma 2 führt. Wie sich eine ganze Stadt oder ein ganzes Land in eine kollektive Depression herabdrücken.
Können wir uns das Gegenteil vorstellen? Eine Aufschaukelung der Solidarität und des Mitgefühls? Eine Massendynamik der Gesundung und der Achtsamkeit?
„Unsere Träume sind so mickrig geworden“, klagt der Liedermacher Hans-Eckardt Wenzel. Er hat so recht.
Alle können wir uns die Apokalypse, den großen Crash vorstellen, farbenfroh, detailliert, mit Spezialeffekten und mit Denzel Washington in der Hauptrolle. Wer aber kann sich Utopia vorstellen? Ein Utopia des 21. Jahrhunderts?
Ich kann es mir vorstellen. Vorsichtiger: Ich beginne wieder, Utopia zu träumen.
Ja: bedingungsloses Grundeinkommen. Schön, richtig, Hurra, ich bin dafür!
Aber bedingungslose Liebe? Als Staatsprinzip, das den Staat überflüssig macht? Überhaupt: ein Leben ohne Staat oder zumindest ohne einen Staat, der uns gängelt und bevormundet?
Nehmen wir das Bildungssystem. Rubikon beschäftigt sich viel mit dieser Misere. Alle wissen, dass die derzeitigen Zustände unsere Kinder kaputt machen. Alle sagen es: die Lehrer, die Eltern, die Kinder selbst. Was ändert sich? Nichts.
Wer ist dafür, dass wir nach 18 Jahren Afghanistankrieg weiter mit deutschem Militär am Hindukusch vertreten sein sollen? Niemand. Wir bleiben weiter da unten.
Ja, diese Zustände lassen sich nicht alleine mit Träumen verändern. Wir brauchen eine massenhafte Friedensbewegung. Wir brauchen flächendeckend Bildungspioniere.
Aber wir brauchen auch ein massenhaftes Träumen, wenn diese Anstrengungen auf der Breite des gesellschaftlichen Lebens durchbrechen sollen. Denn es geht nicht mehr um ein paar Reförmchen hier und ein paar neue Gesetze dort. Es geht ums Ganze.
Dieses System hat abgewirtschaftet. Den Leserinnen und Lesern dieses Magazins brauchen wir das an dieser Stelle nicht auszudeutschen.
Rubikon wirtschaftet nicht ab, sondern auf. Aber wir erzählen Ihnen vermutlich kein Geheimnis, wenn wir darauf hinweisen, dass auch dieses Magazin nur möglich ist, weil die Leute, die es machen und mit ihrem Text beliefern, dies zu letztlich wenig akzeptablen Konditionen tun. Sie tun es, weil auch den Mitarbeitern und Autoren des Rubikons klar ist, wie wichtig dieses Magazin ist.
Die Spendenbereitschaft vieler Leserinnen und Leser wiederum ermöglicht uns überhaupt, den Normalbetrieb des Rubikons zu gewährleisten. Aber machen wir uns nichts vor: damit Rubikon sein volles Potential entfalten und die Wirkung zeitigen kann, die nötig ist, brauchen wir auch einen deutlich gewachsenen wirtschaftlichen Spielraum.
Es wird weiterhin vieles im Ehrenamt laufen bei uns. Eigentlich das allermeiste. Aber man kann so ein Magazin nicht betreiben und alle arbeiten ewig umsonst. Und auch die teilweise totale Blockade unserer Inhalte in den kommerziellen Suchmaschinen macht es zwingend erforderlich, dass wir uns mit Tools ausstatten, um die Reichweite des Magazins immer wieder zu vergrößern — wobei für diese Reichweite natürlich niemand mehr tun kann und auch tut, als Sie, liebe Leserinnen und Leser.
Kurzum: Wir gehen jetzt in eine dreiwöchige Redaktionspause. Sie ist wohlverdient. Und wir bitten Sie, die Zeit zu nutzen. Bewegen Sie die Frage in Ihrem Herzen, ob dieses Magazin, das wir Ihnen kostenlos und in hoher Qualität mit inzwischen Tausenden Artikeln zur Verfügung stellen, nicht einen regelmäßigen Spendenbeitrag Ihrerseits gut vertragen könnte — und auch verdient hätte.
Denn um es mit dem bayerischen Kabarett-Urvater Karl Valentin zu sagen:
„Das eine müssen Sie sich merken: Sie sind auf uns nicht angewiesen. Aber wir auf Sie.“
Naja. Ganz so ist es nicht, wie uns viele Leserzuschriften bestätigen. Aber dass wir auf Spenden angewiesen sind, am besten auf regelmäßige, per Dauerauftrag: It’s a simple fact!
In diesem Sinne:
Träumen, lesen und spenden Sie schön.
Bis bald.