Transsexuell abtrünnig
Nach einer „geschlechtsangleichenden“ OP wurde ein Physiklehrer zum entschiedenen Kritiker der Translobby. Über seinen Gesinnungswandel schrieb er nun ein Buch.
Debbie Hayton wurde als David Hayton geboren und unterzog sich 2016 einer Mann-zu-Frau-Operation. Hayton ist weiterhin mit seiner/ihrer Frau verheiratet, hat drei Kinder und unterrichtet Physik an einer weiterführenden Schule. Bekannt wurde Debbie Hayton durch Kritik an den Forderungen der Translobby. Ein öffentlicher Shitstorm und Beschimpfungen als „transfeindlich“ ließen nicht lange auf sich warten. Interessant ist, dass Hayton trotz scharfer Kritik am Fanatisierungsgrad der Transaktivisten weiter an seinem/ihrem Leben in der Frauenrolle festhält und so eine Schnittmenge zwischen den Lagern repräsentiert, die es sonst kaum gibt.
Transsexuell abtrünnig. Meine Reise zurück in die Wirklichkeit
Die Rezension des Buches wird schon in der Titelzeile schwierig: Soll man „Apostate“ als Abtrünnige oder Abtrünniger übersetzen? Debbie Hayton hat sich einer kompletten geschlechtsangleichenden Operation unterzogen, bei der der Penis ausgehöhlt und nach innen gewendet wurde. Hayton selbst verwendet in den Memoiren die Ich-Form — aber wie soll man das in der dritten Person handhaben, er/ihm oder sie/ihr? In diesem Artikel wird Hayton bis zur OP männlich und danach weiblich benannt. Es gäbe sicher auch Argumente, das anders zu handhaben, und genau dieser Umstand macht Haytons Geschichte so spannend.
Die Autorin (sic!) erzählt die Geschichte ihrer Transsexualität von früher Kindheit bis heute. Schon als kleiner Junge wollte David heimlich Strumpfhosen tragen und hat sich gleichzeitig sehr dafür geschämt. „Heimlich“ und „Scham“ sind Worte, die in den Memoiren häufig vorkommen. Immer wieder kaufte er Frauenkleidung, die er dann in Momenten der Reue wegwarf und sich vornahm, so etwas nie wieder zu tun. Er verliebte sich in seine heutige Frau, rang sich mit größten Schwierigkeiten durch, ihr von seinem Problem zu erzählen — wenn auch in einer Form, die sie nicht in dieser Tragweite verstand —, sie heirateten, waren in der Kirchengemeinde aktiv und bekamen drei Kinder.
Aber so sehr David auch kämpfte — der Hang zu Frauenkleidung blieb. Als er anfing, das Wort Gender-Identity zu hören, als andere Leute sich Geschlechtsoperationen unterzogen, war er wie elektrisiert. Das war es, was er schon immer gewesen war: eine Frau im falschen Körper.
Wenn er nur endlich offen als Frau leben könnte, wäre alles gut. Hayton beschreibt seine Haltung zu dieser Zeit als sehr egoistisch. Er war eine Frau, und danach hatten sich alle zu richten. Darin wurde er auch von seinem Therapeuten bestärkt.
Die OP schildert Hayton sehr detailreich und ohne Beschönigung, inklusive aller üblichen Gefahren wie permanente Inkontinenz, Verlust der Orgasmusfähigkeit, Blutungen oder dauerhafte Taubheit in den Geschlechtsorganen. Männer können dieses Kapitel wohl schwerlich lesen, ohne ihre Beine fest übereinanderzuschlagen.
Direkt nach der OP begann eine euphorische Zeit. Debbie war schon lange Mitglied in der Lehrergewerkschaft gewesen und machte als neue Transfrau plötzlich rasende Karriere. Ihre Meinung zu allem und jedem war gefragt. Nach eigener Aussage erlebte sie niemals und nirgendwo Transfeindlichkeit, eher mal unangenehme Neugierde.
Durch ihre neue Tätigkeit als Gewerkschaftsfunktionärin musste sie sich mit den politischen Forderungen und Vorstellungen rund um das Thema Trans auseinandersetzen, was für sie auf zwei Ebenen schwierig war:
Ihr wurde klar, dass die Motivation, als Frau aufzutreten, aus einem sexuellen Impuls heraus entstanden war. Autogynophilie nennt man die Neigung eines Mannes, sexuelle Erregung durch die Vorstellung von sich selbst als Frau zu erlangen.
Betroffene Männer sind aber nicht ausschließlich auf sich selbst bezogen, sie werden zusätzlich auch von biologischen Frauen heterosexuell angezogen. Anfänglich lehnte Hayton diese Theorie für sich völlig ab. Sie war eine Frau im falschen Körper, nicht ein Mann mit einer sexuellen Störung! Aber je länger sie sich ehrlich mit dem Thema auseinandersetzte, desto klarer wurde ihr: Doch, genau da lag die Wurzel des Wunsches, als Frau gesehen zu werden. Sie musste für sich feststellen, dass sie nicht sagen konnte, was eine „Geschlechtsidentität“ eigentlich sein solle. Und „Gender Identity“, das ist die Begründung sämtlicher Gesetzgebung zum Thema Trans.
Das zweite große Problem als Gewerkschaftsfunktionärin entstand für sie, weil sie die Forderungen der Translobby größtenteils inhaltlich nicht mittragen konnte. Vor allem war sie gegen die sogenannte Self-ID, wonach jeder sein Geschlecht selbst auf der Gemeinde bestimmen können sollte — so wie es in Deutschland das derzeit in Arbeit befindliche „Selbstbestimmungsgesetz“ vorsieht (1). Sie sah größte Schwierigkeiten für die Sicherheit von Frauen und Mädchen, wenn jeder Mann sich per Unterschrift zur Frau erklären könnte. Was, wenn sich Vergewaltiger in Frauengefängnisse „hineinbestimmen“ können, Lehrer in Mädchen-Umkleiden, jedermann in Frauentoiletten? Auch erteilte sie der Idee, dass Teenager genügend Überblick hätten, um einer Geschlechtsumwandlung zustimmen zu können, eine klare Absage.
Sie begann sich in diese Richtung zu äußern. Erst vorsichtig und dann immer deutlicher in Zeitungsartikeln. Im nächsten Buchabschnitt beschreibt Hayton, wie sie für diese Sichtweise massiv und persönlich angegriffen wurde. „Transfrauen sind Frauen“ ist auch in Deutschland ein bekannter Spruch, in England wurde er gerne auf T-Shirts getragen. „Transwomen are women. Get over it.“ Hayton antwortete mit einem T-shirt: „Transwomen are men. Get over it!“ (Transfrauen sind Männer. Findet euch damit ab!)
Für sie persönlich war dies ein wichtiges Statement. „Als ich mich mit der Tatsache abgefunden hatte, dass ich noch immer ein Mann war — mein Geschlecht hatte sich nicht magisch verwandelt —, brauchte ich nicht länger vorgeben, etwas anderes zu sein. Und auch niemand sonst“ (2). Sie sieht das als einen großen Befreiungsmoment in ihrem Leben an.
Wohl hatte sie damit gerechnet, dass der Satz mit den Transfrauen, die Männer seien, nicht nur positive Reaktionen auslösen würde, aber auf den Sturm, der folgte, war sie nicht gefasst. Die Angriffe gingen weit über einen Shitstorm auf Twitter hinaus.
Sie wurde innerhalb der Gewerkschaft mit Disziplinarverfahren überzogen, weil sich transidentifizierte Mitglieder in ihrer Gegenwart angeblich nicht mehr sicher fühlten; es hagelte Beschwerden an ihre Schule, sie sollte solch eine transphobe Lehrerin entlassen. Ihr wurde Hatespeech vorgeworfen; sie wurde als Gefahr für Kinder beschrieben; ihr wurde ohne jeden Kontext oder Äußerung in diese Richtung vorgeworfen, sie würde Pädophilie entschuldigen. Hayton wurde bei Twitter wegen der Verbreitung von Hass gemeldet, worauf ihr Account ohne Untersuchung für sieben Tage gesperrt wurde. Man zeigte sie bei der Polizei an, weil sie in der Öffentlichkeit ein transphobes T-Shirt getragen hätte, und die Polizei bestellte sie zu einer Befragung ein. Auch wenn kein Verfahren eingeleitet wurde, konnten ihre Kritiker nun sagen, ihr Twitter-Account sei wegen Hatespeech gesperrt worden, und sie sei sogar von der Polizei einbestellt worden.
Bild: debbiehayton.com
Debbie behielt ihren Job, wurde aber als Gewerkschaftsvertreterin abgewählt.
Im Buch erzählt sie die Entwicklung der Trans-Debatte und -Gesetzgebung aus ihrer Sicht.
Ihre Positionen sind klar: Transfrauen sind Männer. Männer haben in Frauenräumen nichts verloren. Kein Mensch kann sein Geschlecht wechseln. Es gibt in Großbritannien keine nennenswerte Transfeindlichkeit. Die freie Meinungsäußerung ist ein wichtiges Gut.
Sie greift die Haltung der Transverbände als totalitär an. Es gehe nicht an, dass Transverbände jede Diskussion mit dem Schlagwort der „Transphobie“ unterbänden und eine Hexenjagd auf Kritiker betrieben. Die Forderungen nach selbstbestimmtem Geschlechtseintrag auf der Gemeinde hält sie für absurd. Das sei zum einen schlichtweg gefährdend für Frauen und Mädchen und überdies auf lange Sicht schädlich für Transfrauen. Wenn selbsterklärte männliche „Frauen“ in Umkleiden, Schulen, Gefängnissen oder Duschen übergriffig würden, würde das die Akzeptanz von allen Transfrauen senken — und das zu Recht.
Im letzten Kapitel des Buches kommt die Ehefrau Stephanie Hayton zu Wort. Sie schildert, wie es für sie gewesen ist, als ihr Mann plötzlich eine Frau werden wollte. Wie es für die Kinder war, wie das soziale Umfeld reagiert hat. Leicht war es offensichtlich nicht. Und auch nichts, was sie sich jemals ausgesucht hätte.
Dieses Buch ist etwas Besonderes. Man bekommt nicht nur einen emphatischen Einblick in ein Thema, das derzeit die Gemüter bewegt; interessant ist auch, dass sich Debbie Hayton konsequent zwischen die Stühle setzt. Bei dem Transthema gibt es zwei klar definierte Lager mit wenig Überschneidungsfläche. Ein biologischer Mann, der das Bedürfnis hat, in einer Frauenrolle zu leben und darin auch gerne akzeptiert werden möchte, der aber gleichzeitig Augenmaß bei der Gesetzgebung fordert und den klaren Schutz von Jugendlichen vor Ideologisierung — das ist außergewöhnlich.
„Transsexual Apostate“ liest sich flüssig, wenn auch auf Englisch. Der Spannungsbogen hält über weite Strecken an. Wer was wann in welchem Gewerkschaftsmeeting gesagt hat, könnte man vielleicht etwas straffen. Dem Buch sind viele Leser aus beiden Lagern zu wünschen.
Hier können Sie das Buch bestellen: „Transsexual Apostate: My Journey Back to Reality“