Töten mit Gottes Segen

Alle Religionen sprechen vom Frieden und von der Liebe — das hinderte die meisten nicht daran, für gewalttätige Regierungen den ideologischen Überbau zu liefern.

Es ist ein dunkles Kapitel der Menschheitsgeschichte: Religionen und ihre höchsten Vertreter rechtfertigen das Töten, segnen Waffen, dienen sich Kriegstreibern als Feldprediger an. Wenn dies bei Religionen geschieht, die ohnehin bei vielen unbeliebt sind wie dem Islam, erkennt man die Heuchelei sehr schnell. Ein „heiliger Krieg“ kann eben so heilig nicht sein. Aber auch die christlichen Kirchen waren — von einzelnen aufrechten Priestern abgesehen — selten wirklich interessiert daran, das Friedensgebot des Evangeliums ernst zu nehmen. Der viel strapazierte Gott muss derzeit auch als Rechtfertigung für Waffenlieferungen an die Ukraine herhalten. In ähnlicher Weise kooperiert die russisch-orthodoxe Kirche mit „ihrer“ derzeit Krieg führenden Regierung. Der Autor beleuchtet das Thema aus Schweizer Perspektive.

Ein Foto zeigte, wie sich ein gutes Dutzend Soldaten in Tarnanzügen Richtung Mekka beugen, angeführt von Hauptmann Muris Begovic, dem ersten Armeeseelsorger mit muslimischem Hintergrund in der Schweiz. Mit Recht empört das die Schweizerische Volkspartei (SVP), obwohl in der Schweiz sicher nicht Verhältnisse wie in Saudi-Arabien, beispielsweise die Steinigung von Ehebrecherinnen drohen. Katholische, protestantische und auch jüdische Feldprediger in der Schweizer Armee werden von der SVP wie von anderen Parteien hingegen akzeptiert.

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Armeeseelsorger Muris Begovic hat am Mittwoch zum muslimischen Gebet in der Schweiz geladen



Feldprediger aller Konfessionen und Religionen sind für die Schweizer Armee wie weltweit für alle Armeen sehr wichtig. Den Soldaten wird damit gesagt „Gott oder Allah ist mit euch“, wenn ihr euer Land verteidigt, auch wenn dein Vater kein Land besitzt.

Regierungen würden den Staatsreligionen sicherlich die Subventionen streichen, würde der führende Klerus seinen Geistlichen verbieten, Soldaten ihren Segen zu geben, wenn sie lernen, zu schießen, Handgranaten zu werfen, Minen zu verlegen, Bomben herunterfallen zu lassen, zu töten.

Die Zeugen Jehovas, die im Zweiten Weltkrieg den Kriegsdienst verweigerten, gelten bei uns als suspekt, wie die Tolstoi-Anhänger in Russland, die gegen den Krieg in der Ukraine sind. Das Regime in Moskau ist liiert mit dem orthodoxen Klerus Russlands, mit Kyrill I, der es zulässt, das Soldaten gesegnet werden.

Die ersten Christen waren gegen den Kriegsdienst. Erst als der römische Kaiser Konstantin im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung das Christentum zur Staatsreligion erhob, leisteten die Angehörigen der früher verfolgten Nazarener Militärdienst. In der Bergpredigt des Jesus von Nazareth ist von Feindesliebe die Rede, nicht von Kriegsdienst.

Karl Heinz Deschner dokumentierte in seiner „Kriminalgeschichte des Christentums“ die enge Verflechtung von Kirche und Staat. Kriegsdienstverweigerer werden von den Staaten nicht subventioniert wie die Kirchen, die es zulassen, dass Feldprediger rekrutiert werden dürfen.

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Eingezogene Reservisten werden in Sewastopol auf der Krim bei einer Zeremonie gesegnet und verabschiedet. (Scan Blick 12. Oktober 2022)


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Russische Piloten, die aus ihren Einsätzen aus Syrien zurückkehrten, wurden von Popen der orthodoxen Kirche mit heiligen Ikonen empfangen (Bild Screenshot aus der Tagesschau von yle.fi)


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Schweizer Feldprediger


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Pontifikalamt im traditionellen Internationalen Soldatengottesdienst zum Weltfriedenstag mit Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki unter dem Thema „Migranten und Flüchtlinge – Menschen auf der Suche nach Frieden“, Kölner Dom, 11. Januar 2018. Screenshot aus der Videoaufzeichnung von domradio.de