Stimmen des Widerstands
Weiterhin demonstrieren Tausende an vielen Orten gegen die Corona-Politik, so auch in der Hauptstadt — Rubikon sprach mit ihnen. Teil 1.
Rubikon-Redakteur Tilo Gräser hat am 27. und 29. August die Demonstrationen und Versammlungen in Berlin gegen die Corona-Politik beobachtet. Er sah, wie die Polizei mit politischem Auftrag immer wieder provozierte, um die Demonstrationen auflösen zu können. Er hörte sich an, was auf den kleinen und großen Bühnen von verschiedenen Aktiven und Mitorganisatoren gesagt wurde und warum diese die Corona-Politik kritisierten. Mit einigen von Hunderttausenden hat er gesprochen und sie gefragt, warum sie dabei sind. Er gibt ihre Worte ungefiltert wieder, weil sie nur wenig zu Wort kommen, und hat sie nur sprachlich korrigiert, wo dies notwendig erschien.
Am 27. August, einem Donnerstag, kamen am frühen Abend insgesamt etwa 300 Menschen auf den Berliner Breitscheid-Platz und den benachbarten Olof-Palme-Platz. Die beiden nicht verbotenen Veranstaltungen waren der Auftakt eines langen Demonstrationswochenendes. Anlass an dem Tag war das zweitägige informelle Treffen der Außenminister der Europäischen Union (EU). Die Minister trafen sich am Abend des ersten Tages in einem Berliner Hotel nahe dem Berliner Zoo, geschützt von der Berliner Polizei, und wurden dort von den Demonstranten mit Protest-Rufen und Trillerpfeifen begrüßt.
Gegen die Hygiene-Tyrannei
Unter ihnen war Martin Wiese aus Berlin, Beamter und Feuerwehrmann auf der Feuerwache Neukölln. Er trug ein Schild, auf dem zu lesen war „Gebt uns Menschen wieder frei aus der Hygiene-Tyrannei!“ Warum er das machte, begründete er so:
„Es kann nicht angehen, dass unsere Grundrechte aufgrund des Infektionsschutzgesetzes ausgehebelt werden, das auch einen Passus drin hat, der das Grundgesetz aushebeln darf bis zum 31.3.2021. Wenn man sich die Zahlen anschaut und vergleicht, dann passt das nicht mehr. Wir haben keine pandemische Lage: Wenn über 800.000 Tests in der Woche vorgenommen werden und nur noch 0,88 Prozent davon positiv sind. Wenn man sich auf der Website des Robert-Koch-Institutes die Sterbezahl der Covid-Patienten anschaut, die fast gegen Null geht. Es gibt derzeit in Berlin 288 Covid-Patienten, davon sind 16 auf den Intensivstationen, davon werden acht beatmet. Also, wir haben hier keine pandemische Lage. Es steht in keinem Verhältnis zu dieser Situation, wie unsere Menschenrechte und unsere Freiheit beschnitten werden.
Es leugnet keiner, dass dieses Corona-Virus existiert. Aber wie damit umgegangen wird und was für eine Gefahr diesem Virus angedichtet wird, das ist total überzogen. Sehen wir aus wie Rechte oder gewaltbereite Neonazis?
Wir sind das nicht. Das hat diese Bewegung am 1. August bewiesen. Im Nachhinein wurden solche Behauptungen auch revidiert, natürlich nicht über die öffentlich-rechtlichen Medien wie ARD und ZDF, die das verbreitet haben.
Normalerweise sind in einer Demokratie nicht alle derselben Meinung. Und wenn alle derselben Meinung sind, dann haut irgendwas nicht mehr hin. Wenn es keine kritischen Stimmen gibt und wenn es keinen Dialog gibt, dann ist irgendwas im Argen. Deshalb vertraue ich der Politik nicht mehr. Und weil die Politik es geschafft hat, dass jede Meinungsäußerung, die nicht staatskonform ist, sofort im Keim erstickt wird. Leute verlieren ihren Arbeitsplatz, Unternehmern werden Aufträge entzogen. Das geht nicht.“
Der Feuerwehrmann befürchtet berufliche Konsequenzen, weil er die Initiativen gegen die Corona-Politik aktiv unterstützt.
Für sachgerechte Information
Janine Reinicke hatte sich am „Querdenken“-Camp nahe dem Kanzleramt beteiligt. Sie berichtete davon auf der Demonstration auf dem Breitscheid-Platz. Danach habe ich mit ihr gesprochen und sie gefragt, warum sie sich engagiert:
„Ich sehe, was hier gerade los ist. Ich möchte nicht kampflos aufgeben. Ich möchte für unsere Grundrechte einstehen, für unsere Freiheit, weil sie ganz gewaltig in Gefahr sind. Wir waren heute mit dem Anwalt Markus Haintz bei der Polizei und wollten knapp 700 Versammlungsanträge abgeben. Die wurden nicht angenommen. Der Innensenator hat sie abgelehnt. Da wissen wir doch, was in diesem Land los ist. Das möchte ich nicht mehr zulassen.
Ich bin keine Corona-Leugnerin, ganz klar. Das Virus gibt es sicherlich. Aber ich finde Maßnahmen etwas überzogen. Ich habe von Anfang an sehr viel recherchiert, diese ganzen Statistiken. Man merkt ja auch, dass Professor Drosten, Herr Spahn und Frau Merkel sich immer wieder widersprechen. Die erzählen heute so und in zwei Wochen so. Da wird man natürlich hellhörig und schaut, was wirklich ist. Wenn man sich die Statistiken anschaut, auch in Schweden zum Beispiel, das ist ein toller Modell-Vergleich, da denke ich, sind diese Maßnahmen überzogen, gerade mit der Maske. Wir wissen alle, die Maske soll man nicht länger als 20 Minuten aufsetzen, sonst kann es unsere Gesundheit gefährden. Und jetzt sollen Kinder in der Schule, im Unterricht, immer 45 Minuten lang tragen. Das gefährdet die Gesundheit der Kinder. Ich finde, das ist ein Verbrechen, was man da macht.
Ich bin staatlich geprüfte Kinderpflegerin. Ich war selbstständig und mit meinem Lebensgefährten bundesweit an Schulen unterwegs, mit einem Drogen- und Mobbing-Präventionsprogramm. Wir wollten uns Ende März mit einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) selbständig machen. Wir hatten alles fertig gehabt, Flyer verteilt — und dann kam Corona.
Die Politik macht leere Versprechungen. Sie hören sich immer nur eine Seite an. Das ist eine einseitige Information, was die von sich geben. Das finde ich nicht richtig. Es gibt ja noch Hundert andere Virologen und Experten, die dazu nicht gefragt werden.
Die werden diffamiert. Die werden von der Presse niedergemacht. Ich habe das als Demoveranstalterin in Braunschweig selber erlebt. Ich wurde auch öffentlich niedergemacht, von Anfang an, als Privatperson. Ich habe in die Presse und in die Regierung überhaupt gar kein Vertrauen mehr.
Ich war vorher nicht politisch aktiv, aber gesellschaftlich aktiv. Ich habe für die Kinder gesprochen, für gesunde Ernährung. Ich habe die Menschen aufgeklärt und informiert. Das ist mir sehr wichtig, dass wir die Menschen informieren können. Ich kann niemanden überzeugen. Jeder muss sich sein eigenes Bild machen. Da bitte ich auch drum: Dass sich jeder bitte selber informiert. Das ist so wichtig.“
Nach ihrer Meinung gefragt, wie es weitergeht, sagte sie:
„Ich befürchte, ehrlich gesagt, Schlimmes. Ich glaube, dass vielleicht sogar der nächste Lockdown kommt, weil die gemeldeten Testergebnis-Zahlen ja wieder gestiegen sind. Aber ich weiß es nicht. Wir sind alle sehr gespannt, was da jetzt noch passiert.“
Gegen die Angstmache
Margaret Bumm arbeitet als Psychotherapeutin in München. Sie erklärte mir auf dem Breitscheid-Platz, warum sie in Berlin dabei ist:
„Ich bin jetzt das ganze Wochenende in Berlin. Ich erwarte nicht, dass die Politiker vom tieferen Sinn der Liebe ergriffen sind. Aber was ich erwarte seit März ist, dass die PCR-Test-Ergebnisse auf 1.000 Test bezogen werden und nicht als absolute Zahlen dargestellt werden. Wenn man sich die korrigierte Kurve anschaut, die wissenschaftlich richtig ist, dann ist sie längst nicht so angsterzeugend. Ich bin Psychotherapeutin und -analytikerin und Ärztin. Mir tut das leid, wie viele Menschen in Angst sind. Man muss nicht esoterisch sein. Man muss nur rechnen können. Das erwarte ich von der Politik, denn sonst baut die Politik sämtliche Maßnahmen auf Sand. Ich verstehe, was die sich alle überlegen. Aber da ist der Fehler in der Grundlage. Das wäre so einfach, immer die Kurve von den Medien und Politikern so darzustellen: Soundso viel positiv Getestete — nicht Infizierte — auf 1.000 Tests. Das ist meine Forderung.
Ich komme nach Berlin, weil ich glaube, dass es viele Menschen braucht, die mit den Füßen abstimmen und die sich auch friedlich zeigen. Es wird uns ja immer unterstellt, dass wir alle Verschwörungstheoretiker sind, alle Esoteriker sind. Es wird auch beleidigt. Ich möchte nicht, dass es heißt: ‚Juden und andere Spinner‘, aber ebenso wenig, dass es heißt: ‚Esoteriker und andere Spinner‘. Ich sage auch nicht: ‚Die Politiker sind Spinner.‘ Ich sage nur: Sie fußen alle ihre Maßnahmen auf einer falschen Grundlage. Das Verbot ist wahrscheinlich eine gute Reklame.“
Für die Freiheit
Markus, 38 Jahre alt, lebt im Umland von München und war ebenfalls mit auf dem Breitscheid-Platz und beobachtete, wie die EU-Außenminister am Abend ankamen:
„Ich habe von dem Demonstrationsverbot erfahren. Da habe ich mir gedacht: Da muss ich jetzt mal hinfahren, weil das ist einfach nicht rechtens. Da haben wir zu dritt entschieden, dass wir das machen und haben uns ins Auto gesetzt und sind nach Berlin gefahren. Das hatten wir schon vorher vor, aber wir haben uns denken können, dass das soweit kommt.
Ich bin ein ganz normaler Bürger. Ich sehe einfach, dass irgendwas nicht richtig läuft in unserem Land. Ich habe viele Freunde, die beschäftigen sich viel damit. Ich habe mir das genau angeschaut und abgewogen. Das hat mich dazu veranlasst, hierher zu fahren und für unsere Freiheit und für unser Recht zu kämpfen.
Ich habe die Folgen der Corona-Krise und der Politik zu spüren bekommen. Ich arbeite im Verkauf auf einem Markt. Ich sehe ja die Menschen, wie sie Angst haben und wie sie alle leiden. Ich habe auch in der Familie jemand, der im Altenheim liegt und darunter leidet. Deshalb gibt es tausend Gründe, hierher zu kommen.“
Er habe sich vorher nie selbst politisch engagiert, erklärte Markus:
„Ich habe mir das im Fernsehen angeschaut. Jetzt bin ich das erste Mal hier. Ich muss das erstmal auf mich einwirken lassen, weil das schon eine ganz andere Szenerie ist als man sie sonst kennt.“
Er habe sich von den Behauptungen, dass auf den Demos nur Krawallmacher, Aluhut-Träger oder Rechtsextreme zu finden seien, nicht abschrecken lassen:
„Ich habe mir die Bilder angeschaut, auf dem ‚Querdenken 711‘-Kanal, und die Youtube-Videos. Da habe ich nur normale Menschen gesehen. Und ich bin auch ein normaler Mensch. Darum bin ich hierher gefahren und sehe hier: Es sind alles normale Menschen, so wie Du und ich auch.
Ich würde den Parteien gern vertrauen, aber eigentlich tue ich es nicht. Ich habe schon mal CSU gewählt. Nach dem, was ich in der letzten Zeit gesehen und erfahren habe, würde ich es nicht mehr tun.“