Staatsfern und doch so nah
Die Landesmedienanstalten haben ganz besonders die Alternativmedien im Blick — sie sind dabei Ausdruck eines Obrigkeitsstaates, der keine Kritik verträgt.
Wenn es die Landesmedienanstalten nicht gäbe, müsste der Staat sie sich erfinden. Nun ja, ein bisschen so ist es wohl gewesen, als man die Landesmedienanstalten mit neuen Befugnissen ausstattete. Privatmedien sollten sie künftig ins Visier nehmen und deren Arbeit prüfen — es sei denn, sie verabschiedeten sich in den Presserat. Dann wäre der für sie zuständig. Öffentlich-rechtliche Anstalten sind ohnehin nicht die Angelegenheit der Landesmedienanstalten. Darum kümmert sich der Rundfunkrat — oder unterlässt es, ganz wie er will. Landesmedienanstalten und öffentlich-rechtliche Anstalten haben den gleichen Finanzier. Wir kommen noch darauf zurück.
Wen trifft es also, wer muss sich mit den Landesmedienanstalten auseinandersetzen? Richtig, die Alternativmedien! Multipolar traf es erst neulich. Dem Onlinemagazin von Paul Schreyer und Stefan Korinth flatterten just einige Beanstandungen ins Haus, als man sich als streitbares Medium etablierte — „streitbar“, weil man die Herausgabe der Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI) erstritt. Peinlich für große Medienhäuser war das allemal, sie versuchten es gar nicht erst. Die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen suchte dann vier Verfehlungen von Multipolar heraus, die kaum nachvollziehbar erscheinen. Wenn Multipolar darauf eingeht und dem Verlangen der zuständigen Landesmedienanstalt nachgibt, erhält das Magazin vermutlich ein finales Schreiben wie jenes, das neulich der Publizist Rob Kenius erhielt.
Ein Schrieb von arrogantem Paternalismus
Auch bei ihm beanstandete die Anstalt aus Nordrhein-Westfalen einige Ausführungen seinerseits. Was genau, lässt sich in seinem Bericht nachverfolgen, den er für das Overton Magazin schrieb.
Kurz gefasst lässt sich jedoch sagen, die Landesmedienanstalt greift in die journalistischen Interpretationsräume ein und scheint ganz offenbar Informationen über den Ukrainekrieg zu haben, die sie in den Rang einer Expertenanstalt zu hieven scheint.
Interessant ist das Abschlussschreiben, das Kenius erhielt, nachdem er an einigen Stellen angepasst hat und andere Positionen noch mal brieflich gegenüber der beanstandenden Instanz dargelegt hat.
Die Landesmedienanstalt bedankt sich „für die in den Beiträgen vorgenommenen Anpassungen und Korrekturen sowie die ergänzten Belege und Nachweise. Damit entspricht Ihr Angebot nun den journalistischen Sorgfaltspflichten“. Der letzte Satz ist in puncto Arroganz kaum steigerbar. Sie, die Landesanstalt von Staates Gnaden, die sich von den Rundfunkbeiträgen aller finanziert, auch von denen von Kenius, Schreyer, Korinth und von Ihnen, lieber Leser, erklärt journalistisch arbeitenden Menschen, wann ein Angebot dem entspricht, dem es entsprechen sollte. Den Punkt dahinter macht die Landesmedienanstalt — sie entscheidet, was Journalismus zu sein hat und was nicht. Diesen Vorwurf erfährt sie oft. Sie selbst sieht das natürlich anders. Dabei spricht ihre Kommunikation eine ziemlich deutliche Sprache. Wer in Deutschland wissen will, wie Institutionen ticken, muss nur ihre Amtsschriebe lesen – sie sind immer verräterisch. Der exekutive Stil lässt sich nur marginal bemänteln, irgendwo lugt immer die wahre Absicht heraus.
Sie schließt ihr Schreiben natürlich nicht nur mit dieser paternalistischen Ansage, sondern weiß, wie jedes gütige Elternteil, auch zu ermahnen: „Nichtsdestotrotz weisen wir Sie erneut darauf hin, dass Sie nach § 19 Abs. 1 MStV gesetzlich dazu verpflichtet sind, auch in künftigen Artikeln die journalistischen Grundsätze zu beachten.“ Gesetzlich! Verpflichtet! Journalistische Grundsätze! Und dann moniert man bei Kenius und im Falle von Multipolar journalistische Erzeugnisse, die nicht journalistisch falsch aufgezäumt sind, sondern inhaltliche Felder beackern, bei denen die Landesmedienanstalt ganz offenbar politisch voreingenommen ist. Es ist schon verwegen, wie oft die politischen Akteure gewaltfreie Sprache fordern — und gleichzeitig sind es staatliche Institutionen, die einen obrigkeitlichen und selbstherrlichen Duktus pflegen, der ganz klar eines ist: gewaltsame Sprache.
Vermögend und dennoch staatsfern
Aber halt, natürlich ist es Journalistenpflicht, auf einen Umstand hinzuweisen: Die Landesmedienanstalten sind gar keine staatlichen Einrichtungen. Das ist wichtig, denn wären sie es, könnten sie nicht agieren, wie sie es tun. Der Staat darf Medien laut Grundgesetz nicht zensieren. Jedenfalls nicht direkt und unmittelbar. Dazu ist Staatsferne notwendig. Und die Landesmedienanstalten gelten als staatsfern. Sie finanzieren sich nämlich durch Beiträge. Im Regelfall erhalten die verschiedenen Landesmedienanstalten 1,8989 Prozent der jährlichen Rundfunkbeiträge — 1,8989 Prozent von zuletzt 9,02 Milliarden Euro. Das ist nicht gerade wenig Geld. Da das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat, dass die Rundfunkbeiträge „in einem staatsfernen Verfahren“ eingesammelt werden, wähnen sich auch die Landesmedienanstalten als staatsfern — auf Nachfrage bei die landesmedienanstalten — ja, tatsächlich kleingeschrieben, vielleicht weil Kleingeschriebenes immer vertrauenswürdig ist! —, der Gesamtanstalt aller vierzehn Landesmedienanstalten, wurde diese Interpretation der Staatsferne bestätigt.
Auf Nachfrage erläuterten die landesmedienanstalten, dass sie die Pressefreiheit nicht gefährden würden — ein häufiger Vorwurf, mit dem sie konfrontiert werden. Die Antwort ist atemberaubend: „Die Landesmedienanstalten sind für Rundfunkangebote und für Telemedienangebote zuständig, nicht für die Presse.“ Die Pressefreiheit umfasst also nur die Presse, irgendwelche gedruckten Zeitungen? Hat dann die taz, wenn sie ab Oktober 2025 wochentags nur noch digital erscheint, überhaupt Anspruch auf Pressefreiheit? Und wieso weiß die Bundeszentrale für politische Bildung das nicht? Die untersteht schließlich dem Innenministerium — die sollten es doch wissen —; sie behauptet aber, dass Pressefreiheit für Medien wie das Internet, das Fernsehen und das Radio gilt. Schon nett, wie man die Frage nach dem Unterlaufen der Pressefreiheit beantwortet.
Nicht minder nett die Antwort auf die Frage, ob die Landesmedienanstalten Staatsjournalismus förderten: „Was unter einem sogenannten Staatsjournalismus zu verstehen sein soll, ist uns nicht bekannt. Staatlicher Journalismus ist vielmehr ein Widerspruch in sich.“ Und Widersprüchliches gibt es nicht in Deutschland — wir wissen das natürlich!
Noch so ein abschließender Satz in dem Schreiben, das Rob Kenius veröffentlichte: „Vielen Dank für die Zusammenarbeit“ liest man da. Zusammenarbeit? Ist das deren Ernst? Muss eine Institution, die zwar irgendwie staatsfern ist, aber einen Staatsauftrag umsetzen muss, mit Journalisten zusammenarbeiten, damit die so publizieren können, wie es wem auch immer gefällt? Wo gibt es das, dass sich ein solches Konstrukt in die Arbeit freier Berichterstatter schaltet, um mit denen „zusammen“ einen Artikel anzufertigen? Ihnen zu sagen, dass sie einordnen müssen, sonst ist es kein Journalismus.
Einordnen! Auch so ein Zauberwort der „sauberen Medienmacher“ von heute — nur immer einordnen, einordnen, einordnen, ja nichts für sich stehen lassen, sonst kommt noch jemand auf die Idee, selbst Schlüsse zu ziehen. Im vermeintlich freien Westen dürfte ein solches Vorgehen einzigartig sein — wenn auch mit Tradition. Kennt noch wer Heinrich Heines kurzes Stück über die deutschen Zensoren? Oder ist dieser Text ein Produkt der Privatmedien? Heine war sicher nie im Presserat.
Liebe Landesmedienanstalt, eine von euch vierzehn im Lande, nehmt euch dessen an. Heine hat sicher nicht richtig eingeordnet, als er deutsche Zensoren in die Nähe von Dummköpfen rückte. Vielen Dank für die Zusammenarbeit auch!
Tricksen lernen
Natürlich schließt man einen Artikel wie diesen nicht ohne Einordnung. Denn Einordnung ist schließlich das halbe Leben. Wie also sollte man die Landesmedienanstalten einordnen? Da sie sich selbst vielleicht anders einordnen als derjenige, der Journalismus betreibt, könnte auch diese Einordnung Gegenstand eines Anschreibens werden. Vielleicht wäre es daher strategisch klug, die folgenden Zeilen unter der Überschrift „Ein Kommentar“ laufen zu lassen. Solche Kommentare gibt es schließlich auch bei der Tagesschau. Wenn man irgendeines Redakteurs Bauchwehwehchen für öffentlich interessant hält, kann er loslegen — und loshetzen. Wie damals, als es hieß: „Vielen Dank, liebe Ungeimpfte!“ und man sie dann beschimpfen ließ. Das durfte die Tagesschau, der Rundfunkrat hatte damit kein Problem. Schließlich wies man das als Kommentar aus.
Wem dienen also nun die Landesmedienanstalten? Ein Kommentar: Sie wurden geschaffen, um den Regierenden dienstbar zur Seite stehen zu können. Um Demokratie geht es so viel wie um Anstand: gar nicht nämlich.
Die Landesmedienanstalten sind, wie all diese Einrichtungen, die nun aus dem Boden schießen und mit dem Etikett der Demokratierettung ausgestattet werden — aktuell etwa die Bundesnetzagentur und ihre Meldestelle —, Ausdruck totalitären Machtdenkens. Man muss ihnen jede demokratische Erdung absprechen.
Natürlich war der letzte Absatz nur eine persönliche Einordnung, liebe Landesmedienanstalt. Wie man nun als publizierender Mensch immer klarmachen muss, dass man nur einordnet, kommentiert oder interpretiert, damit man am Ende nicht sein Handwerk von der Landesmedienanstalt gelehrt bekommt. Und vielleicht stehen wir auch kurz davor, dass Journalismus, der sich nicht organisiert im Presserat, also Alternativjournalismus, hinter Metaphern verstecken muss. Hinter Namen, die nicht mehr genannt werden dürfen. Oder man erzählt eine Geschichte, die im Mittelalter spielt, die aber aus dem Hier und Heute stammt. Tricksen lernen: Das war noch immer die Methode der Aufrechten in Systemen, die das Gesagte aufspüren und es verfolgen.
Die Sprache wird also zum Kriegsschauplatz. Und wir sind mittendrin im Krieg um die richtigen Worte und damit Gedanken. Da die Worte kleiner Medienangebote nicht die Wucht einer Taurus-Rakete haben, bietet es sich an, lediglich Guerillataktiken anzuwenden.