Spätrömische Dekadenz

Im technokratischen Neofeudalismus haben Ungleichverteilung, Machtkonzentration und organisierte Kriminalität drastisch zugenommen.

Schon vor mehreren Jahrzehnten wurde diskutiert, dass sich die „Schere zwischen Arm und Reich“ dringend schließen müsse. Seitdem hat sich einiges verändert — jedoch zum Schlechteren. Die Gründe hierfür kann man nur vermuten: Die „Eliten“ haben kein natürliches Gefühl, wann es genug ist. Sie haben keine Skrupel und sie fürchten keine ernst zu nehmenden Gegner mehr. Die „Volksvertreter“ in den meisten Ländern konnten sie längst in ihr Machtsystem integrieren, einschließlich derer, die sich selbst als „sozial“ oder „sozialistisch“ bezeichnen. Eine von eingebetteten Medien und den Ritualen der Fassadendemokratie vermittelte Scheinwelt stellt die Bevölkerungsmehrheit selbst dann ruhig, wenn sich der Leidensdruck für die Normal- und Wenigverdiener erhöht. Die Angehörigen der Machteliten verhöhnen die Bevölkerung, deren unaufhaltsamen Verarmungsprozess sie nicht verhindern, sondern allenfalls für unabwendbar erklären, mittlerweile ganz offen. Man konnte es zum Beispiel bei der kürzlich inszenierten „Königshochzeit“ Christian Lindners auf Sylt beobachten. Im Bewusstsein ihrer Machtfülle lassen viele Akteure ihre zuvor wohlwollende Fassade fallen; nur einige ganz große Player bleiben weiter anonym und im Schatten. Etwas Hoffnung besteht derzeit lediglich darin, dass die zu erwartenden sozialen Verwerfungen viele aufwachen lassen.

„There‘s room at the top, they are telling you still. But first you must learn how to smile as you kill“ (John Lennon, Working Class Hero)

Die dreiste Arroganz der herrschenden Klasse ist kaum noch zu überbieten. In regelmäßigen Abständen wird man als Zeitzeuge dazu genötigt, diese Formulierung zu verwenden — nur, um ein paar Stunden, Tage oder Wochen später eines Besseren belehrt zu werden: Sie ist zu überbieten. Jedes Mal aufs Neue. Eine Ungeheuerlichkeit jagt die nächste. Dieses Mal mit einem Flugzeug vom Typ Diamond DA62. Neupreis bei Markteinführung im Jahr 2015: 920.000 Euro. Fast eine Million. Der Eigentümer: Friedrich Merz, seit 31. Januar 2022 Bundesvorsitzender der CDU.

Bild

Bild: Thomas Couture, The Romans in their Decadence (1847)

Und das ist nicht das einzige Fluggerät, das der ehemalige Deutschlandchef von Blackrock, der einflussreichsten Vermögensverwaltung der Welt, besitzt. Merz nennt auch noch eine Maschine vom Typ Socata TBM 900 sein Eigen — Listenpreis 3,7 Millionen US-Dollar. Diese vermietet er über sein Unternehmen Volatus GmbH & Co. KG an die WEPA Industrieholding SE. Ganz bodenständig also. Ein Mann des Volkes. Das konnte man bereits im Rahmen der sogenannten Millionärsdebatte beobachten, wo Merz mit diversen herablassenden Aussagen tiefer blicken ließ, als ihm das heute lieb sein dürfte.

So verwundert es jedenfalls kaum, dass der CDU-Chef mit seiner Diamond DA62 höchstselbst nach Sylt propellert, um vor Ort an der Klischee-Hochzeit von FDP-Chefwendehals Christian Lindner teilzunehmen. Die vom 9-Euro-Ticket angelockten Punks wurden zwischenzeitlich wohl auch wieder aus dem High Society Idyll des Sylter Stadtbildes entfernt. So passt mondänes Verhalten dort nun endlich wieder ins Programm. Lindner zeigt, wie es geht — und legt kurzerhand ähnlich viel Taktgefühl wie Merz an den Tag. Er chauffiert seine Braut, eine gut vernetzte RTL-Reporterin, mit dem frisch polierten Porsche zur finalen Sause in der Promi-Kaschemme „Sansibar“, wo so illustre Gäste wie der Finanzlobbyist und CumEx-Spezialist Olaf Scholz oder der stellvertretende BILD-Chefredakteur Paul Ronzheimer bereitstehen, um mit den frisch Vermählten das gesellschaftliche Happening zu zelebrieren.

„Spätrömische Dekadenz“ scheint eine angemessene Umschreibung für das dreitägige Treiben der Politkaste auf Sylt. Eine Formulierung, die Guido Westerwelle im Jahr 2010 verwendete, um Kritik an Hartz IV und dem damit einhergehenden „Versprechen auf anstrengungslosen Wohlstand“ vorzutragen. Schon damals verkehrte Welt. Denn anstatt Menschen kategorisch mit unwürdigen Almosen abzuspeisen und in eine systemische Abhängigkeit zu treiben, sollte der Staat Rahmenbedingungen schaffen, die es jedem Individuum ermöglichen, seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren.

Der Focus fragt in diesem Zusammenhang am 10. Juli 2022: „Lindner-Hochzeit: Realitätsverlust oder typisch deutscher Neid?“ Die Antwort: weder noch.

Der herrschenden Klasse ist sehr wohl bewusst, dass sie in einer Blase lebt. Gut gepolstert und hermetisch abgeschirmt von der Unbill konstanter Krisen und der bitteren Lebenswirklichkeit des Normalbürgers.

Damit scheidet Realitätsverlust als Begründung für öffentlich zelebrierten Protz und Prunk aus. Neid könnte in wirtschaftlich turbulenten Zeiten dagegen durchaus eine Rolle bei der negativen Rezeption solch kostspieliger Feierlichkeiten spielen.

Wer mag es einer Bevölkerung verübeln, der von Spitzenpolitikern in unerträglich überheblicher Manier in Aussicht gestellt wird, dass Arme und Alte demnächst in Wärmehallen schlafen sollen, wenn aufgrund hausgemachter Lieferengpässe bei Gas die Heizung kalt bleibt? Und vielleicht ist es nicht Neid, sondern schlichtweg Verachtung, die der herrschenden Kaste da von Menschen entgegenschlägt, denen man von Staatswegen empfiehlt, kalt zu duschen, kein Fleisch zu essen oder auf das Auto zu verzichten. All das, während die vermeintliche Elite des Landes um die Welt fliegt, Steuergelder verprasst, das Ahrtal ignoriert und rauschende Feste feiert.

Nicht, dass solche Dreistigkeiten neu oder überraschend wären. Überraschend ist nur, dass diese als politisches System getarnte, organisierte Kriminalität so lange funktioniert. Egal ob Berliner Flughafen, Masken-Deals, Intensivbetten-Abzocke, die evidenzlose Angsttreiberei von Karl Lauterbach, Abrechnungsbetrug bei Corona-Bürgertests, das Panikpapier des Bundesinnenministeriums, Merkels Kanzlerdinner mit Verfassungsrichtern, das Baerbock-Buch oder die Millionenvilla von Jens Spahn — Inkompetenz, Klüngel, Korruption und organisierte Kriminalität, egal wohin man schaut.

Doch Hochmut hat seinen Preis und kommt meist kurz vor dem Fall. Denn dass ein Tyrann einen Teil seines darbenden Volkes hin und wieder hinters Licht führen kann, aber eben nicht das gesamte Volk die ganze Zeit, wusste schon Bob Marley im April 1973 musikalisch prägnant zu artikulieren, als er den zusammen mit Peter Tosh geschriebenen Song „Get Up, Stand Up“ veröffentlichte.

„Die besten Dinge im Leben sind nicht die, die man für Geld bekommt“ (Albert Einstein)

Die vom Korporatismus korrumpierte deutsche Politikerkaste belegt mit ihrem Verhalten seit Ausrufung der Corona-„Pandemie“ wie nie zuvor, dass sie nicht die Interessen der Wähler vertritt, sondern die ihrer Sponsoren, Stakeholder und supranationalen Strategen. Wer so denkt und lebt, ist kaum daran interessiert, dass andere Erfolg haben, um ihm nachher die Position streitig zu machen.

Dieser Logik folgend liegt auf der Hand, warum das gesamte sozioökonomische System — ein von der Hochfinanz über Dekaden feingeschliffener Korporatismus — darauf ausgelegt ist, die Reichen reicher und die Armen ärmer zu machen:

Es geht um Diebstahl. Denn genau das ist das singuläre Ziel eines Zentralbanksystems, das sich mittels technokratisch organisiertem Korporatismus versucht, die gesamten Ressourcen des Planeten unter den Nagel zu reißen.

Die Initiatoren, Nutznießer und Unterstützer dieses Systems sind nahezu am Ziel.

Einer Studie folgend betrug der „Gini-Koeffizient“, ein statistisches Maß zur Ermittlung von Ungleichverteilungen in einer Gruppe, im Jahr 2000 auf globaler Ebene 0,892. Demnach besitzt das reichste Prozent der Weltbevölkerung sage und schreibe 40 Prozent des Weltvermögens. Die wohlhabendsten zehn Prozent besaßen zusammen 85 Prozent des weltweiten Vermögens. Die ärmeren 50 Prozent besitzen zusammen nur ein Prozent. Ein Gini-Koeffizient von 0,892 entspricht annähernd einer Situation, bei der von 100 Personen eine Person 90 Prozent besitzt, während für die anderen 99 Personen zehn Prozent übrig bleiben.

In diesem Kontext erscheint auch die inflationäre Verstaatlichung von Landflächen zu Naturschutzzwecken in einem diffuseren Licht. Denn während unstrittig ist, dass zum Beispiel bedrohte Regenwälder oder Korallenriffe samt ihren Bewohnern effektiv vor Zerstörung geschützt werden müssen, muss durchaus auch gefragt werden dürfen, was der Staat mit all den anderen Landflächen vorhat, die er schon jetzt direkt oder indirekt kontrolliert. In den USA sind je nach Bundesstaat bis zu 50 Prozent des Bodens unter staatlicher Verwaltung — und damit dem Zugriff der Allgemeinheit sowie dem freien Markt entzogen.

Eine detaillierte Aufschlüsselung nach Bundesstaat von Headwaters Economics, laut eigener Angabe „eine unabhängige, gemeinnützige Forschungsgruppe, die sich für die Verbesserung von kommunalen Entwicklungs- und Landmanagemententscheidungen einsetzt“, verdeutlicht die Besitzverhältnisse in Amerika. In Deutschland sieht es ähnlich aus, wie ein Artikel der FAZ vom 19. Oktober 2020 beschreibt. Weniger als die Hälfte des deutschen Waldes ist noch in Privatbesitz. Der Rest gehört Land oder Bund. Und wer sich als Privatier Wald leisten kann, gehört sicher nicht zu den 99 Personen des vorgängig erwähnten Gini-Modells, die sich die verbliebenen zehn Prozent wie trockene Brotkrumen, die vom Tisch der Reichen herunterfallen, teilen dürfen.

Oxfam berichtete vor kurzer Zeit, dass die Coronapandemie die sozialen Ungleichheiten massiv verschärft hat. Während von März 2020 bis November 2021 weltweit circa 160 Millionen mehr Menschen in die Armut abrutschten, habe sich das Vermögen der zehn reichsten Milliardäre in diesem Zeitraum verdoppelt.

So seien die Vermögenswerte der Superreichen während der Pandemie stärker als in den gesamten 14 Jahren davor gestiegen. Für die Finanzeliten war COVID-19 ein Goldrausch — für den Rest ein Desaster.

Der Volksmund sagt, Geld mache nicht glücklich. Das ist mit Sicherheit richtig. Aber es beruhigt. Denn hat man genug davon, lebt man nicht in ständiger Angst vor Inflation, unbezahlten Rechnungen, steigenden Energiepreisen, überfälligen Ratenzahlungen oder den möglicherweise horrenden Kosten einer ungeplanten PKW-Reparatur. Zudem: Geld steht im herrschenden System für Freiheit. Leider. Denn es ermöglicht Investition, Expansion und, mit zunehmendem Vermögen, Emanzipation vom System. Wer wohlhabend ist, genießt zusätzliche Freiheiten, Privilegien und Annehmlichkeiten. Und wer wirklich reich ist, lebt in einer wattierten Parallelwelt, die keine Berührungspunkte mit der Lebenswirklichkeit von über 90 Prozent der Weltbevölkerung hat.

„Wer mehr als 3.529 Euro netto im Monat verdient, gehört in Deutschland zu den oberen zehn Prozent. Auch kinderlose Paare, die mehr als 5.249 Euro netto monatlich zur Verfügung haben, zählen zu den reichsten zehn Prozent“, schreibt die Berliner Zeitung in einem Artikel vom 7. Juli 2020. Die Redaktion bezieht sich bei ihren Angaben auf eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (IW).

Am 10. Juli 2022 berichtet das Handelsblatt, ebenfalls mit Bezug auf Daten des IW, deren letztes Update auf das Jahr 2017 datiert, dass Singles in Deutschland ab einem Nettoeinkommen von 3.892 Euro monatlich zu den reichsten sieben Prozent der Bevölkerung gehören. Berechnet wird diese Zahl nach der Faustregel, dass als reich gilt, wer monatlich das Doppelte des Medianeinkommens zur Verfügung hat. Und das liegt aktuell bei 1.946 Euro im Monat. Der Vergleichsrechner am Ende des Handelsblatt-Beitrags visualisiert die Einkommensschere.

Das IW erklärt darüber hinaus, dass man in der Bevölkerung oft fälschlicherweise annehme, dass Reichtum erst bei einem Monatseinkommen von 7.000 Euro oder 10.000 Euro netto beginne. Außerdem merken die Wirtschaftsanalysten an, dass viele Deutsche den Anteil der Reichen in der Gesamtbevölkerung generell stark überschätzten — ein fataler Fehler bei der individuellen finanziellen Standortbestimmung im herrschenden System.

Nicht, weil man sich nun ab einem Nettolohn von etwa 3.900 Euro im Monat wie ein Bonvivant gerieren, als reicher Großkapitalist fühlen oder Teil der oberen sieben Prozent betrachten sollte, sondern weil Einkommensverteilung und die offizielle Definition von „reich“ exzellente Indikatoren darstellen, um die wahre Natur eines neofeudalen Turbokapitalismus zu beschreiben, in dem der durchschnittliche Arbeitnehmer, wider aller Versprechungen der von ihm durch Wahl legitimierten Volksverräter, wie Nutzvieh gehalten wird.

Ein Diagramm der Lohn- und Einkommenssteuerstatistik Deutschlands aus dem Jahr 2014 zeigt, dass die Luft am oberen Ende der Einkommensskala schnell dünn wird. Wenig mehr als 100.000 Menschen verdienten damals circa 10.000 Euro brutto monatlich. Bei einer Gesamtbevölkerung von knapp 82 Millionen Menschen ist das nicht gerade viel. Vor allem für ein Land, dessen politisches System vermeintlich jedem Bürger beste Bildungswege, qualifizierte Ausbildungsplätze, unternehmerische Freiheit, faire Märkte, moderne Infrastruktur, durchlässige Hierarchien, gerechte Aufstiegsmöglichkeiten und die Chance auf ein Eigenheim offerieren will. Eine Illusion — denn der Traum vom Reichtum endet derzeit für die große Mehrheit der Deutschen bei offiziell abgesteckten 3.892 Euro. Parallel zu dieser Deckelung der kapitalistischen Vision — „vom Tellerwäscher zum Millionär“ — werden die reichsten deutschen Familien natürlich immer reicher.

Dann ist da noch das untere Ende der gesellschaftlichen Hierarchie. Der Bodensatz, wie Investment-Banker in London und New York es gerne nennen. Das Wahl- und Klatschvieh. Die andere Seite der Einkommensschere. Und die Sozialhilfe. Der Regelsatz für Alleinstehende liegt derzeit bei 446 EUR im Monat. Als arm gilt in Deutschland aber schon, wer weniger als 1.000 Euro netto im Monat zur Verfügung hat. Das offizielle rechnerische Delta zwischen arm und reich beträgt in Deutschland somit wahlweise 3.446 Euro oder 2.892 Euro.

Das ist die karge Möhre vor der Nase, der man als Lastenesel im Hamsterrad eines langen Arbeitslebens hinterherrennt. Der projizierte monetäre Horizont für die Lebensleistung als durchschnittlicher Arbeitnehmer. Der wirtschaftspolitisch definierte Spielraum und sozioökonomische Spannungsbogen, der über Erfolg und Misserfolg einer menschlichen Existenz in dieser Gesellschaft entscheidet, über Ansehen und Luxus — oder Ächtung und Mangel.

Bei Banken gilt man aber auch mit 3.892 Euro netto im Monat nicht als wohlhabend. Viele Finanzinstitute befördern Kunden erst dann in die Kategorie „reich“, wenn diese eine Million in der jeweiligen Landeswährung kurzfristig verfügbar auf dem eigenen Konto haben. Und wer in der Schweiz zu den Reichen und Schönen zählen möchte, sollte schon über etwa 30 Millionen Franken auf der hohen Kante verfügen. Unterhalb dieses Betrages ist man bei den exklusiven Privatbanken kein gern gesehener Gast. Ab 100 Millionen Schweizer Franken darf man sich dann endlich zu den Superreichen zählen.

Immerhin wohnt global betrachtet jeder zehnte Milliardär in der beschaulichen Alpenrepublik. 210.700 im Land lebende Personen weisen ein Anlagevermögen von über einer Million aus, wie SWI swissinfo im Jahr 2010 dokumentiert. Elf Jahre später, am 4. Oktober 2021, berichtet Nau.ch, dass man ab einem Vermögen von 4,7 Millionen Franken zum reichsten ein Prozent gehöre. Das sind 86.000 Personen bei etwa 8,2 Millionen Einwohnern.

Nur in einem Land der Welt ist die Schwelle, um zum reichsten Hundertstel der Bevölkerung zu gehören, höher als in der Schweiz. Denn in Monaco wird man erst ab 7,3 Millionen Franken zur exklusiven Ein-Prozent-Elite gerechnet. Ab 15,4 Millionen Franken gehört man zum reichsten Promille der Alpenrepublik. Da herrschen andere Maßstäbe. Gerade einmal drei Prozent der in der Schweiz lebenden Menschen versteuern gleich viel Einkommen wie die restlichen 97 Prozent. Für diese Menschen lässt sich eine sehr simple Definition von Reichtum anwenden: Reich ist, wer nicht arbeiten muss.

In staatlichen Schulen bereitet man Kinder schon lange nicht mehr darauf vor, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, das aus eigenen Kräften zu solch einem finanziellen Erfolg führen könnte, ein Leben, das ihren persönlichen Fähigkeiten und Präferenzen Rechnung trägt, ein Dasein, das sie dazu ermutigt, Verantwortung für sich selbst, ihre Ideen und Handeln zu übernehmen.

Als Ideal werden die Festanstellung bei einem Großkonzern, wirtschaftliche Sicherheit und soziale Akzeptanz gepredigt, sprich Konformismus und Abhängigkeit. So werden aus Kindern keine kreativen, motivierten, charakterstarken und mutigen Entrepreneure, sondern eingeschüchterte, unselbstständige und horizontlose Mitläufer.

Da, wo Bildung den Horizont des Denkens einschränkt, ist es keine Bildung mehr, sondern Indoktrination

Geködert werden die Heranwachsenden weiterhin mit utopischen Wohlstands- und Sicherheitsversprechen, die der von Korruption, Klüngel und Blasen durchwucherte Raubtierkapitalismus schon lange nicht mehr halten kann und die deutsche Demokratur des Jahres 2022 schon gar nicht. Das im Zeitraffer implodierende System kann seine Auslöschung nur noch durch die Implementierung eines zunehmend autoritärer werdenden, korporatistischen Herrschaftsmodells verzögern. Wie das im Detail aussieht, erkennt man spätestens seit der Finanzkrise 2008 sehr deutlich — und mit der Coronakrise fiel schlussendlich auch die demokratische Fassade des auf Unterdrückung und Raub angelegten Geschäftsmodells Demokratie.

Doch nicht nur das repräsentative Parteiensystem ist irritierendes Blendwerk. Auch die Träume, die es seinem Nachwuchs verkauft, sind nichts als bunt schimmernde, hauchdünne und rasch platzende Seifenblasen. Denn mit normaler Arbeit wird heutzutage niemand mehr reich.

Und auch der Staat hilft niemandem aus der Patsche, der ganz unten angekommen ist. Im Gegenteil. Das Gehalt einer Vollzeitanstellung ist oft kaum noch ausreichend, um eine Familie mit zwei Kindern angemessen zu unterhalten. Hartz IV und Sozialhilfe sind zu wenig, um zu leben — und zu viel, um zu sterben. Eigenheim, private Bildung, Kulturerlebnisse, faszinierende Hobbys und bereichernde Reisen — für viele Menschen schlichtweg unmöglich. Chancengleichheit? Fehlanzeige. Anstatt der privaten Vermögen nimmt vor allem die Überschuldung zu.

Man lebt auf Pump, wie aktuelle Zahlen der Deutschen Bundesbank unterstreichen. Die Mittelschicht schwindet dahin. Langsam, aber sicher. Und dank einer suizidalen Sanktionspolitik des Westens gegenüber Russland sowie einer pseudowissenschaftlichen, von blinder Ideologie getriebenen Umweltpolitik der dunkelgrünen „Woko Haram Endzeitsekte“ werden bald auch die Großverdiener im besten Deutschland aller Zeiten, also jene mit 3.892 Euro netto im Monat, zu der bitteren Erkenntnis gelangen, dass der letzte Baum verstaatlicht, der letzte Fluss gesperrt und der letzte Fisch geschützt ist, man Geld aber noch immer nicht essen kann.

Noch frappierender ist die Ungleichverteilung von Vermögen und Ressourcen in den USA. Die reichsten zehn Prozent der Amerikaner besaßen zum Beispiel schon im Jahr 2016 etwa 84 Prozent aller handelbaren Aktienwerte, wie Money im Jahr 2017 zu berichten wusste. Ein Drittel der US-Arbeiterschaft ist dagegen so mittellos, dass sie keinerlei Zugang zu Pensionskassen und Altersvorsorge mehr hat.

Im Jahr 1983 konnten sich noch 62 Prozent der Amerikaner leisten, Rücklagen für den Ruhestand zu bilden. Im Jahr 2016 waren es nur noch 17 Prozent. Ein Diagramm der Federal Reserve Bank visualisiert, wie sich die Vermögensverteilung in den USA seit 1990 entwickelt hat. Es ist kaum überraschend, dass das reichste ein Prozent konstant vermögender wurde, egal wer präsidierte, und die unteren 50 Prozent weiter in Richtung Armut abglitten.

Schon im Jahr 2014 kam eine Studie der Elite-Universität Princeton zu dem fatalen Ergebnis, dass die Politik der USA sich ausschließlich an den Bedürfnissen der Reichen orientiert. Die Masse der US-Bürger habe praktisch keinen Einfluss auf den politischen Kurs. Nahezu null, statistisch nicht relevant — das sind die Begriffe, mit denen man in Princeton die Effekte demokratischer Partizipation beschreibt — was im Umkehrschluss nichts anderes bedeutet, als dass Wahlen in Amerika keinerlei Effekt haben. Es ist eine kostspielige Truman-Show, die von den austauschbaren und meist ahnungslosen Komparsen selbst bezahlt wird. Sonst nichts.

Die Financial Times kam in Zusammenarbeit mit Morgan Stanley (US-amerikanisches Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen) im Jahr 2020 zu dem Ergebnis, dass die Milliardäre ihre Vermögen im Jahresverlauf weltweit um fünf Billionen Dollar steigern konnten und nunmehr 13 Billionen Dollar besitzen. Die Anzahl der Milliardäre stieg im Lauf des Jahres 2020 von 2.000 auf 2.700 an. Krisen wirken immer wie ein Turbo auf die Umverteilung von unten nach oben. Das lehrt die Geschichte. Deswegen ist der „temporär dauerhafte“ Ausnahmezustand das erklärte Ziel der herrschenden Kaste. Aufgrund dieser Entwicklungen bezeichnete der Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, das erste Corona-Jahr als das für die Hochfinanz finanziell erfolgreichste Jahr in der Menschheitsgeschichte.

Wie genau diese winzige Gruppe der Bestbetuchten die Welt unter sich aufteilt, zeigt eindrucksvoll eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich mit dem Titel „The Network of Global Corporate Control“ aus dem Jahr 2011. Die von den Autoren erarbeitete Netzwerk-Topografie der internationalen Finanz- und Konzernoligarchie zeigt auf beeindruckende Weise, wie wenige Menschen wie viel auf diesem Planeten kontrollieren.

Die Studie beleuchtet erstmalig nicht nur den direkten Einfluss von finanziellen Kräften auf Märkte und Politik, sondern nimmt auch den indirekten Einfluss, über verschiedenste Beteiligungsebenen hinweg, genauer unter die Lupe. Ausgewertet wurden Daten von über 43.000 Unternehmen. Im Ergebnis beherrschen 147 Organisationseinheiten knapp 40 Prozent aller monetären Werte transnationaler Konzerne. Die Top 25 der einflussreichsten Player rund um den Globus bildet ein kurzer Artikel zur ETH-Studie von Blick Log vom 22. August 2011 ab. Eine mehr als erschreckende Machtkonzentration, die sich der öffentlichen Wahrnehmung durch vorgetäuschte Marktdiversität geschickt entzieht.

Der Filmemacher David Wilcock machte sich im Januar 2012 ebenfalls die Mühe, die finanziellen Netzwerke der Oligarchie und vor allem deren kriminelle, kartellartig organisierten Umtriebe offenzulegen. In einem sehr ausführlichen Text beschreibt Wilcock, wie das herrschende Finanzsystem entstanden ist, wer neben den Rockefellers und Rothschilds seit Generationen durch die Ausbeutung der Bevölkerung maßgeblich von diesem Ponzi-Schema profitiert und wie die daraus resultierende monetäre Macht bis heute über den mit COVID-19 implementierten technokratischen Korporatismus ausgeübt wird.

Apropos: Wer Elon Musk, Bill Gates, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg für reich hält, sollte sich ein paar Zahlen zu den Familienvermögen der traditionellen Finanzeliten ansehen, jenen Menschen, deren Stammbäume bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen und die nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen. Diese Spitzengruppe besteht je nach Definition aus 10 bis 30 Familien, die ihren Reichtum seit Generationen mehren und primär auf dem Bankensektor operieren.

„Wer der Meinung ist, dass man für Geld alles haben kann, gerät leicht in den Verdacht, dass er für Geld alles zu tun bereit ist“ (Benjamin Franklin)

So besitzt zum Beispiel die Familie Rothschild derzeit etwa 1.800 Immobilien in Europa und England. Wert: 36 Milliarden. Daneben nennt die Familie 55 Yachten, 10 Privatjets und 13 Luxushotels ihr Eigen. In den hauseigenen Banken schlummern 70 Milliarden US-Dollar an Cash-Reserven, und der Rothschild-Aktienfonds, mit dem die Familie an jedem größeren Unternehmen auf dieser Welt beteiligt ist, verfügt über ein Budget von weiteren 100 Milliarden Dollar. Insgesamt kam der Rothschild-Clan im Jahr 2021 auf einen Nettowert von 480 Milliarden US-Dollar.

Analysten erwarten, dass dieser öffentlich kommunizierte Wert in absehbarer Zeit die Billionen-Grenze hinter sich lässt — ein Ziel, das die autoritären Herrscher von Saudi-Arabien mit ihrem geschätzten Vermögen von 1,2 Billionen bereits erreicht haben. Die Rothschilds aber vermutlich auch. Nur lässt es sich kaum detailliert nachprüfen. Denn bei den verfügbaren, mageren Angaben zum Familienvermögen des Bankenclans handelt es sich nur um jene Zahlen, die veröffentlicht werden müssen oder seriös ermittelbar sind, und das sind nicht wirklich viele. Man hält sich im Hause Rothschild nämlich gerne bedeckt, was Beteiligungen, Gewinne, Bilanzen oder Besitz angeht, und gibt sich redliche Mühe, nicht allzu häufig öffentlich in Erscheinung treten zu müssen.

Auf der von Wikipedia geführten Liste der reichsten Familien der Welt tauchen die Rothschilds dennoch nicht auf. Auch die Rockefellers, Morgans oder Du Ponts finden keine Erwähnung. Ebenso wenig wie die britischen Monarchen. In Anbetracht des massiven Einflusses, den solche finanziellen Privatkonglomerate auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben und nehmen können, ein befremdlicher Umstand. Denn wer verdeckt operiert, führt selten Gutes im Schilde.

Hier ist wohl auch der Grund dafür zu suchen, dass die vorgängig genannten Clans öffentlich kaum wahrnehmbar sind. Ihre Vermögen sind derart verteilt, strukturiert, gesplittet und geparkt, dass sie auf den ersten Blick gar nicht mit den genannten Namen in Verbindung zu bringen sind.

Zum Glück sind die Geschichtsbücher, Zeitungs- und Familienarchive prall gefüllt mit Belegen für die willentlich herbeigeführte, systematische Ungleichverteilung von Ressourcen und Vermögen. Wer den Finanzströmen aufmerksam folgt, erkennt den Betrug.

Auf der Webseite von The History Channel findet sich dahingehend ein realistischeres Ranking, das die zuvor erwähnten Familien in identischer Reihenfolge als die mächtigsten der Welt bezeichnet. Die Liste wird lediglich um die Familie Bush auf Platz fünf ergänzt. In der Einleitung des Beitrages heißt es:

„Es gibt Familien, die einflussreicher und mächtiger als der amerikanische Präsident und andere politische Drahtzieher sind. Über die Jahrhunderte haben sie Imperien aufgebaut und lenken so im Hintergrund die Geschicke der Welt. Hier sind jene fünf Familien, die die Welt kontrollieren.“

Dass 0,1 Prozent der Menschen auf der Welt zusammen 81 Prozent des weltweiten Vermögens besitzen, bestätigt selbst das Schweizer Boulevardblatt 20 Minuten noch am 14. Juni 2022. Und wer annimmt, auf dem als Alternative zum Geschäftsbankensystem gepriesenen Kryptomarkt wäre das anders, täuscht sich. Auch dort herrscht Ungleichverteilung, wie Forschung und Wissen am 9. Januar 2022 ausführt. So halten nur 0,01 Prozent der Besitzer zusammen 27 Prozent der Umlaufmenge des Bitcoins. Bei anderen Kryptowährungen verhält es sich ähnlich. Das sollte zu denken geben. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass die von Elektrizität abhängigen Kryptos eher eine psychologische Vorbereitung der Massen auf digitales Zentralbankgeld darstellen als ein krisensicheres, libertäres oder anonymes Zahlungsmittel.

Auch Statista bestätigt die immense Kluft zwischen Arm und Reich. Mit Bezug auf den „Global Wealth Report“ der Credit Suisse berichtet das Portal am 22. Oktober 2019, dass nur zehn Prozent der Menschheit 83 Prozent des Weltvermögens besitzen. All diese Tatsachen lassen nur einen Schluss zu: Die groteske Ungleichverteilung, die extreme Ballung von Vermögen und die Monopolisierung von Ressourcen sind struktureller Natur. Es sind die Resultate eines finanzpolitischen Schneeballsystems, das darauf ausgelegt ist, Werte von unten nach oben zu verteilen. Und zwar über Generationen, Kriege und politische Strömungen hinweg. Das herrschende Finanz- und Wirtschaftssystem wurde von Repräsentanten der Hochfinanz geschaffen, um der Hochfinanz zu dienen.

In seinem 2013 erschienenen Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ argumentiert der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty, dass eine extreme Ungleichheit der Vermögensverhältnisse mit den Werten und Prinzipien von sozialer Gerechtigkeit kollidieren, die für moderne demokratische Gesellschaften fundamental sind.

Weiter schreibt er:
„Das Risiko für ein Abdriften in Richtung Oligarchie ist real und gibt wenig Anlass zu Optimismus in Bezug auf den Kurs der Vereinigten Staaten.“

Diese Formulierung legt nahe, dass die von Thomas Piketty befürchtete Oligarchie bei Erscheinen des Buches vor knapp zehn Jahren noch nicht existierte. Das ist falsch, denn das repräsentativ-demokratische System selbst ist nichts weiter als ein Konstrukt der herrschenden Kaste. Es sorgt für die Illusion von Partizipation im Volk und hilft den Eliten, Widerstand zu reduzieren. Aus genau diesem Grund haben es die alten Griechen implementiert.

„Neu“ ist lediglich die immer engere und offensichtlichere Verschmelzung von Politik und Wirtschaft, die im Laufe des vergangenen Jahrhunderts fortlaufend extremere Formen annahm und nunmehr in einer regelbasierten „Global Governance“ der Public-Private-Partnerships mündet — in einem totalitären, technokratischen Korporatismus. Benito Mussolini wäre glücklich, bezeichnete der italienische Diktator den Korporatismus doch schon vor vielen Jahren als die perfekte Form des Faschismus.

„Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh“ (Henry Ford)

Es gilt zu hoffen, dass die rasant zunehmenden wirtschaftlichen und finanziellen Verwerfungen zeitnah dazu beitragen, dass mehr Menschen sich mit den strukturellen Problemen des neofeudalen Systems beschäftigen — und der bekennende Antisemit Henry Ford mit seiner Prophezeiung richtig lag.

Denn die generationsübergreifend agierenden Netzwerke der herrschenden Klasse und ihre korrupten Handlanger in Politik und Wirtschaft brauchen uns — nicht umgekehrt!