Sisyphusarbeit im Mainstream

Das Zerren um einen MDR-Beitrag zur Impfstoffqualität zeigt, wie schwer es öffentlich-rechtliche Journalisten haben, wenn sie gegen den Strom schwimmen.

Bekanntermaßen sind es die toten Fische, die mit dem Strom schwimmen. Wer in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäusern dann tatsächlich die Courage besitzt, gegen den Mainstream anzuschwimmen und journalistischen Qualitätsstandards gerecht zu werden, darf nicht mit Preisüberhäufungen rechnen. Vielmehr folgen darauf Anhörungen und Verdonnerungen zu Fortbildungsmaßnahmen, zwecks der Verinnerlichung von journalistischen Standards. So geschah es Redakteuren einer MDR-Redaktion, die es gewagt hatten, in der Flut an Pharma-PR einen gut fundierten Beitrag zu produzieren, der sich mit dem Nachweis von Verunreinigungen von Impfstoffen durch DNA kritisch auseinandersetzte. Bis heute suchen Beitragzahler — also so ziemlich alle in Deutschland Wohnhaften — vergeblich den Beitrag in der Mediathek, denn aus dieser wurde er gelöscht — begründet mit mangelnder Einhaltung journalistischer Standards. Selbstredend nahmen es Journalisten und Redaktionen mit ebendiesen Standards bei anderen impfbefürwortenden Beiträgen nicht ganz so genau. Die Rundfunkratssitzung, in der zu dieser Causa das abschließende Urteil verkündet wurde — der Beitrag verstieß nicht gegen die journalistische Sorgfaltspflicht — mutete in mehrerlei Hinsicht kafkaesk an.

Endlich: In der MDR-Rundfunkratssitzung am 10. Juni 2024 wurde abschließend zu den Programmbeschwerden zum Umschau-Beitrag vom 12. Dezember 2023 über DNA-Verunreinigungen in Corona-Impfstoffen Stellung genommen. Der Beitrag war kurz nach seiner Ausstrahlung aus der Mediathek entfernt worden. Ein halbes Jahr und eine Reihe von Sitzungen sind inzwischen vergangen. Wir haben berichtet (1, 2).

Der Programmausschuss Leipzig hat am 27. Mai getagt. Das Ergebnis wurde am 10. Juni im Rundfunkrat in einem knappen Satz dargestellt. „Der Bericht verstieß nicht gegen die journalistische Sorgfaltspflicht.“ Damit war die Sache abgehakt. Keine Rückfragen der Rundfunkratsmitglieder und keine Äußerung des Intendanten Ralf Ludwig dazu. Sehr erstaunlich, wenn man sich erinnert, wie sehr sich einige Rundfunkratsmitglieder in der Sitzung am 29. Januar über persönliche E-Mail-Anschreiben mit Beschwerden zu diesem Beitrag aufgeregt hatten. Wird der Umschau-Beitrag wieder in der Mediathek verfügbar sein? Das Thema ist brisant, aber es wurde einfach darüber hinweggegangen. Es gab lediglich die Anmerkung, der Programmausschuss hätte Qualitätsstandards für Wissenschafts-Journalismus und Depublikations-Standards angemahnt.

Aus internen Quellen wissen wir, dass es zum Beitrag 68 Programmbeschwerden gab. Vier Beschwerden sahen die Sendung als kritikwürdig an. 64 Beschwerdeführer konnten die Löschung des Beitrages aus der Mediathek nicht verstehen. Sie sahen die journalistischen Standards nicht verletzt. Wer eine Programmbeschwerde eingereicht hat, sollte also bald Post vom MDR bekommen. Wir erhielten zuletzt am 28. März die Eingangsbestätigung zu unserem Widerspruch zur Ablehnung unserer Programmbeschwerde — mit dem Hinweis, dass sich zunächst der zuständige Ausschuss des Rundfunkrates mit der Beschwerde befassen werde. Wir werden selbstverständlich wieder nachhaken, wenn wir nicht bald Nachricht vom MDR bekommen. Das raten wir auch anderen Beschwerdeführern.

Uns wurden weitere Informationen zu dem Vorgang zugespielt. So soll seit der Veröffentlichung des Umschau-Beitrages erheblicher Druck auf die Redaktion ausgeübt werden, der die Redaktionsarbeit lähmen würde. Es wäre sogar zu einem arbeitsrechtlichen Verfahren gegen den zuständigen Redaktionsleiter gekommen. Mehrere Autoren und Redakteure sollen zu „Verhören“ — offiziell Anhörung zwecks Klärung eines Sachverhaltes — geladen worden sein. Insbesondere die MDR-Chefredakteurin Julia Krittian soll nichts unversucht gelassen haben, den beteiligten Autoren und Redakteuren Fehler und Fehlverhalten nachzuweisen.

Der gesamte Vorgang zeigt, wie massiv im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegen Journalisten vorgegangen wird, die nicht dem herrschenden Narrativ entsprechen und es wagen, den immer enger werdenden Meinungskorridor ein Stück weit zu verlassen.

Die Redaktion, das heißt die beteiligten Autoren und Redakteure, seien öffentlich an den Pranger gestellt worden. Seit der Depublikation habe die Redaktion keine weiteren Recherchen zum Thema durchführen können. Die beteiligten Redakteure haben sich einer Schulung, einem Workshop über Qualitätsstandards im Wissenschaftsjournalismus unterziehen müssen. Die Schulung wird vom MDR-Qualitätsmanagement durchgeführt.

Die Maßnahme kommt genau von dem Bereich „Qualitätsmanagement“, dem soeben mangelnde Qualität bei der seinerzeitigen Prüfung des Umschau-Beitrages nachgewiesen worden sei.

Noch immer ist der Beitrag nicht wieder online. Stattdessen ist weiterhin in einer „Richtigstellung“ auf einer MDR-Seite zu lesen, dass Qualitätskriterien und Sorgfaltspflichten nicht eingehalten wurden. Und das, obwohl Redaktionsrat und Programmausschuss übereinstimmend festgestellt haben, dass den Machern keine journalistischen Sorgfaltspflichtverletzungen vorzuwerfen sind.

Zur entscheidenden Sitzung des Programmausschusses waren Redaktionsrat und Redaktion eingeladen. Gleichwohl bleibt es bei der Depublikation des Beitrages und bei der oben erwähnten Stellungnahme des MDR. Nur das arbeitsrechtliche Verfahren gegen den Redaktionsleiter sei inzwischen eingestellt worden. Darüber hinaus habe die für den Beitrag verantwortliche Redaktion „Wirtschaft und Ratgeber“ kürzlich erfahren, dass sie in besonderem Maße von den geplanten Kürzungen innerhalb der MDR-Hauptredaktion betroffen sein könnte. Ist das eine Retour-Kutsche der Chefredakteurin?

Trotz allem wird die für den Skandal zuständige Chefredakteurin weiter nach oben fallen. Sie arbeitet ab 1. November 2024 beim Hessischen Rundfunk als Programmdirektorin. Über diesen Wechsel hat sie die Rundfunkratsmitglieder in der Sitzung informiert. Sie musste sich dafür allerdings heftige Kritik anhören, da sie den MDR aus einem laufenden 3-Jahres-Vertrag verlässt.

Erstaunlich finden wir die Unterstützung der Redaktion durch den Redaktionsrat. Bei der vorigen Sitzung des Rundfunkrates am 6. Mai ging es um das Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da vertrat der Redaktionsrat noch die Meinung, beim MDR gäbe es ein gutes Arbeitsklima. Der Rundfunkrat konnte sich nicht vorstellen, dass MDR-Mitarbeiter das Manifest unterschrieben haben. Welche Naivität und Realitätsferne. Natürlich sind auch MDR-Mitarbeiter unter den anonymen Unterzeichnern, wie uns als Erstunterzeichnern des Manifestes bekannt ist.

Einsparungen

Bereits in der letzten Sitzung des Rundfunkrates hatte Intendant Ludwig Einsparungen angekündigt, die sich aus der mittelfristigen Finanzplanung und der Kürzung des angemeldeten Finanzbedarfes bei der KEF ergeben. So sollen frei werdende Stellen nicht mehr besetzt werden und man wolle beim investigativen Journalismus sparen. Der Intendant hat kürzlich die Redaktion „Politische Magazine und Reportagen“ besucht. Im Gepäck hatte er die gute Nachricht, dass die Einsparungen nun doch nicht so radikal ausfallen wie angekündigt. Wie wir erfuhren, seien die Kürzungen nach Protesten der Mitarbeiter und einem offenen Brief an den Intendanten teilweise zurückgenommen worden. Stattdessen könnte nun die Redaktion „Wirtschaft und Ratgeber“ stärker von Kürzungen betroffen werden. Dass sich ein Intendant beim Fußvolk zeigt, ist auch eher die Ausnahme. Zumindest wissen wir, dass Ludwigs Vorgängerin Karola Wille bei den Mitarbeitern kaum sichtbar war.

An der vom Intendanten vorgestellten Finanzplanung kam bei der vorigen Sitzung Kritik aus den Reihen des Rundfunkrates. Es wurde der Rasenmäheransatz kritisiert und ein eigener Vorschlag eingebracht. Dieser soll jetzt in den Ausschüssen diskutiert werden. Hauptkritikpunkt ist, dass es keinen langfristigen Ansatz bei den geplanten Einsparungen gibt. Wie soll der MDR 2030 aussehen? Dazu gibt es von der Führungsriege noch keine Ideen.

Was sonst noch geschah

Es gab keine weiteren inhaltlichen Höhepunkte, stattdessen reihenweise Merkwürdigkeiten und Kuriositäten. Zumindest aus Sicht des Zuhörers und Beitragszahlers. Die Mikrofonanlage ist alle paar Minuten ausgefallen. Deshalb war es vom Zuschauerbereich aus noch anstrengender, den Ausführungen zu folgen.

In einem Haus mit hochmoderner technischer Ausstattung, die ganz sicher teuer war, ist das einfach nur peinlich. Hoffentlich wird das nicht Standard für die neu gegründete Tech-Unit von ARD und ZDF „für standardisierte technische Lösungen“.

Der juristische Direktor, Jens-Ole Schröder, wurde entschuldigt. Er sei zu einer Wehrübung einberufen worden. Was macht der MDR bei einer Wehrübung?

Ungewollt komisch wurde es, als es eine Nachfrage zur „Green Production“ von einer Rundfunkrätin gab. Im Bericht des Intendanten zum Entwicklungsplan wurde diese Plattitüde erwähnt. Damit sei wieder verwendbares Geschirr statt Plasteteller gemeint. Wie solle denn die Entwicklung fortgeschrieben werden, wenn alles Plastegeschirr ersetzt sei? Fragen über Fragen.

Der MDR war das erfolgreichste Dritte Programm in der ARD im letzten Jahr. Das ging einher mit sinkenden Einschaltquoten beim Fernsehen und Hörfunk. Die Nutzung der Onlineangebote stagniert. Trotzdem will man Mittel aus dem linearen weiter in das digitale Angebot umschichten. Man sei auf einem guten Weg, aber noch nicht dort, wo man hin will. Ob man diesen Punkt irgendwann erreichen wird? Wir haben unsere Zweifel. Aber es kostet unseren Rundfunkbeitrag und weitere Erhöhungen sind programmiert.

Im Programmausschuss Leipzig wurde die Einladung von Peter Hahne zur Sendung „Riverboot“ am 26. April als Fehler bezeichnet. Die Gesprächsführung sei „ausbaufähig“ gewesen. Die hatte Klaus Brinkbäumer, bis vor kurzem noch Programmdirektor, jetzt mutmaßlich bestbezahlter Redakteur und Moderator. Ein weiteres schwarzes Loch im MDR, in dem unsere Rundfunkbeiträge verschwinden. Brinkbäumer war übrigens im August 2018 beim Spiegel als Chefredakteur rausgeflogen, wo wenig später die Relotius-Affäre begann. Welch sanfte Landung auf unsere Kosten!

Es gab eine erste Zwischenbilanz zum Mittagsmagazin, das der MDR zum Jahresanfang vom RBB übernommen hat. Natürlich gab es nur Lob von allen Seiten. Interessant ist, dass dafür ein Sendestudio gebaut werden musste. Kosten: 1 Million Euro für Umbau und Technik und nochmal 1 Million für die Dekoration. Das sei kostengünstig gelaufen. Sicher nicht aus Sicht der Beitragszahler, aber die haben ja kein Mitspracherecht über die Verwendung ihrer Gelder.

Die Beschlussfähigkeit des Gremiums war nicht immer gegeben. Einige Rundfunkräte hatten noch andere Verpflichtungen. Sie hatten ein vorzeitiges Verlassen angekündigt. Dementsprechend wurde die Tagesordnung geändert. Nicht mal zu Beginn, bei der Abstimmung zum Protokoll der vorherigen Sitzung, war die Beschlussfähigkeit gegeben. Der fehlende Teilnehmer wurde bei seinem Eintreffen freudig begrüßt. Damit konnten abstimmungspflichtige Punkte durchgeführt werden. Wie erwartet mit breiter Zustimmung. Der Vertreter des Migrantenverbandes Sachsen verließ dann wieder mal vorzeitig um 12:55 Uhr die Versammlung. Und täglich grüßt das Murmeltier ...