Showdown in Den Haag

Bei der Anhörung anlässlich der Klage Südafrikas wegen Völkermordes vor dem Internationalen Gerichtshof musste sich Israel unbequemen Fragen stellen. Teil 1/2.

Wer einen Mord begeht, muss damit rechnen, deswegen zur Rechenschaft gezogen zu werden; wer Tausende ermorden lässt, kommt häufig ungeschoren davon. Vorausgesetzt, er ist Führer eines Staates. Vor diesem Hintergrund kann man es schon als Hoffnungsschimmer bezeichnen, dass es gelungen ist, Israel wegen des noch immer tobenden Gaza-Massakers zur Rechenschaft zu ziehen. Südafrika unternahm die Funktion des Klägers vor dem Internationalen Gerichtshof in den Haag. Jeder andere Staat hätte das Gleiche tun können, die meisten unterließen es aber geflissentlich. Dabei zeigt schon der Beginn der Anhörung, dass es keineswegs eine Übertreibung darstellt, das Geschehen als Völkermord zu bezeichnen. Craig Murray war vor Ort und fängt in seinem zweiteiligen Artikel auch die Atmosphäre vor Gericht sowie viele interessante Details am Rande ein.

Ich war am Donnerstag (11. Januar 2024; Anmerkung der Übersetzerin) bei der Anhörung der Klage Südafrikas gegen Israel wegen Völkermordes vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) zugegen. Es war mit gelungen, auf der Besuchertribüne zu sitzen und das gesamte Verfahren zu verfolgen. Allerdings wurde ich bei der Berichterstattung dadurch behindert, dass uns keine Stifte oder Bleistifte erlaubt waren — Papier allerdings war uns erlaubt. Ich fragte den Sicherheitschef des IGH, warum Stifte in der Besuchertribüne nicht erlaubt waren. Ohne eine Miene zu verziehen, erklärte er mir, dass diese als Waffe benützt werden könnten. Meines tödlichen Kugelschreibers beraubt, kann ich Ihnen nur einen weniger detaillierten und mehr von Eindrücken bestimmten Bericht liefern, als mir lieb ist.

Ich war nach insgesamt vier Flügen — nach Singapur, Mailand, Kopenhagen und schließlich Schiphol —von Indonesien aus am 10. Januar am frühen Morgen in Den Haag angekommen. Ich verbrachte den Mittwoch in Wohltätigkeitsläden mit der verzweifelten Suche nach warmer Kleidung, da ich abgesehen von der alten Skijacke eines Freundes nur Strandkleidung bei mir hatte. Ich rief zuerst beim IGH an, um mich danach zu erkundigen, wie ich an der Sitzung am Donnerstagmorgen teilnehmen könne.

Eine junge Dame teilte mir mit, dass ich mich vor dem kleinen Bogentor in der Mauer anstellen müsse. Dieses würde um 6 Uhr morgens geöffnet und die ersten 15 Besucher würden zur Galerie eingelassen. Ich fragte, wo genau ich mich anstellen solle. Sie sagte, das sei wohl nicht so wichtig, es reiche, am Donnerstag um 6 Uhr zu erscheinen.

Ich wohne in einem Hotel, das nur fünf Minuten entfernt ist, also ging ich am Mittwochabend um 22 Uhr, bei Temperaturen von minus 4 Grad Celsius, um nachzusehen, ob sich bereits eine Schlange gebildet hatte. Es war niemand dort. Ich kehrte zum Hotel zurück, sah aber einmal stündlich nach, ob es schon eine Schlange ab, bei der ich mich anstellen sollte. Weder um Mitternacht noch um 1 Uhr nachts war jemand da, aber um 2 Uhr warteten da schon 8 Leute, die in drei sehr kalten kleinen Gruppen herumsaßen. Sie sahen alle extrem verfroren aus, aber waren freundlich und gesprächig.

Die erste Gruppe, direkt neben dem Tor, bestand aus drei jungen Holländerinnen, die auf einer Decke saßen und mit Kaffee aus Thermosflaschen und Schachteln mit Baklava gut versorgt waren. In der zweiten Gruppe befanden sich drei junge Studenten des Völkerrechts, alles Araber, die schon bei anderen Fällen zugegen gewesen waren und sich hier auskannten. Die dritte Gruppe waren zwei junge Frauen, eine Holländerin und eine Araberin, die auf einer Bank saßen und verfroren und elend aussahen.

Bald sprachen wir alle miteinander und es war klar, dass jeder einzelne von uns motiviert war, die Palästinenser in ihrem Kampf gegen die unerbittliche Besatzung zu unterstützen. Kurz darauf traf ein weiterer arabischer Herr ein, älter und Respekt einflößend, der seltsamerweise in Gordonstoun, Schottland, studiert hatte (Eliteschule, die auch Prinz Philip und Prinz Charles besucht haben; Anmerkung der Übersetzerin). Ein hoch gewachsener Tunesier wanderte hin und her und telefonierte; er wirkte besorgt und schüchtern.

Wir hatten alle ähnliche Informationen erhalten über die Anzahl der Personen, die zugelassen werden würden — manchen wurden jedoch 15 genannt, manchen 14 und anderen wiederum 13. Mehrere Stunden lang blieb unsere Anzahl konstant bei 12 Personen. Gegen 4:30 Uhr morgens fuhr ein Auto vor, dem Varsha Gandikota-Nellutla von Progressive International entsprang. Sie war als Platzhalterin für Jeremy Corbyn und Jean-Luc Mélenchon gekommen. Nach und nach trafen andere Mitglieder ihrer Organisation ein. Kurz vor 6 Uhr begann eine kleine Flut von Menschen einzutreffen, viele davon mit palästinensischen Flaggen und Keffiyehs.

Es war wirklich ausgesprochen kalt. Nach vier Stunden fühlte ich meine bis dahin stark schmerzenden Zehen nicht mehr und meine Finger wurden taub. Wie so oft drang die Kälte ab 5 Uhr morgens immer stärker bis in die Knochen. Mélenchon und Corbyn waren um 5:30 Uhr eingetroffen und nahmen ihre Plätze in der Schlange ein. Wortgewandt wie immer, hellwach, froh, alle zu treffen, hielt Mélenchon jedem, der zuhörte, eine Vorlesung über die Wirtschaft und die Organisation der Gesellschaft. Da mein Gehirn nun bereits eingefroren war, kam der Inhalt nicht wirklich bei mir an. Jeremy war auch der typische Jeremy: Er war sehr darauf bedacht, niemandem seinen Platz in der Schlange streitig zu machen.

Als dann auf der anderen Seite die Vorbereitungen zur Öffnung des Tores begannen, nahmen die Dinge eine unschöne Wendung. Jene von uns, die die ganze Nacht dort gewesen waren, kannten die Reihenfolge ihrer Ankunft, wir wurden jedoch von Nachzüglern überrannt, die sich an uns vorbei drängelten, um ans Tor zu gelangen. Ich musste mich durchsetzen und die Schlange ordnen. Aktivisten in der Menge akzeptierten das nicht und schlugen als Kriterium für den Einlass nicht die Ankunftszeit vor, sondern dass Palästinenser die Plätze erhalten sollten.

Das Ganze entwickelte sich sehr besorgniserregend. Eine palästinensische Dame aus Schweden, die direkt hinter dem 14. in der Reihe stand, war zutiefst verzweifelt über die Vorstellung, nicht eingelassen zu werden, und ein paar palästinensische Herren, die nach 6:00 Uhr angekommen waren, begannen, sich entschieden vorzudrängeln. Ich hielt eine kleine Gegenrede und erklärte, dass wir alle hier seien, um die Palästinenser zu unterstützen, keiner jedoch die Geschichten der anderen kenne, und dass die Frage, welchen Nutzen die Anwesenheit eines Menschen habe, genauso wichtig sei wie die Beachtung individueller Gefühle der so schrecklich Betroffenen.

Der schüchterne Tunesier wurde durch den früheren tunesischen Präsidenten ersetzt, dessen Platz er freigehalten hatte — ein wahrlich angenehmer und zurückhaltender Mann, aber das Timing war in dieser Situation nicht hilfreich. Am Ende wurden wir in Fünfergruppen eingelassen und abgefertigt. Eine der holländischen Damen, die als allererste eingetroffen waren, überließ ihren Platz einem Palästinenser. Ich ging mit meinem Passierschein Nummer 9 in der Hand in mein Hotel zurück und nahm dort sofort ein heißes Bad. Der Schmerz in meinen Fingern und Zehen, als diese wieder auftauten, war wirklich sehr unangenehm.

Dann ging es schnell zurück zur Sitzung um 9 Uhr und zu exzessiven, schikanösen Sicherheitsmaßnahmen sowie der Abnahme tödlicher Geldbörsen und Stifte. Anschließend wurden wir zur Besuchertribüne geführt.

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Der Friedenspalast war von Andrew Carnegie erbaut worden. Dieser stammte aus Fife (Grafschaft in Schottland, Anmerkung der Übersetzerin), mit einer außergewöhnlich komplexen Moral und ein bissiger und unglaublich erfolgreicher Kapitalmonopolist, der ebenso alle Kriege beenden wie das Leben der Armen auf der ganzen Welt verbessern wollte. Die märchenhafte Erscheinung (des Friedenspalastes) mit seinem verrückten Turm auf einem Turm täuscht über sein Stahlgerüst und seine Betonkonstruktion hinweg und im Innern könnte es sich mit seinen Majolika-Fliesen und soliden Sanitär-Armaturen von Armitage Shanks um ein beliebiges großartiges Rathaus in Schottland handeln. Außergewöhnlich ist, dass sich das Gebäude noch immer im Besitz der Carnegie-Stiftung befindet und von dieser verwaltet wird.

Für ein Gebäude, das als Weltgericht erbaut wurde, scheint es seltsamerweise keinen Gerichtssaal zu enthalten. Die Große Kammer ist lediglich ein großer leerer Saal, der einen Seitenflügel des Gebäudes einnimmt. Ein vergleichsweise modernes, einfaches und leicht gewölbtes Podium, auf dem ein langer Tisch und 17 Stühle für die Richter standen, war über die Länge des Saales eingefügt worden. Dies wirkte jedoch provisorisch, als ob man es abbauen könnte, um das Gebäude für Hochzeiten zu nutzen. Die betroffenen Parteien saßen auf einfachen Stapelstühlen, die unterhalb des Podiums aufgestellt worden waren — auch hier hatte man eher den Eindruck einer Hochzeit als eines Gerichtes. Über den Richtern befand sich ein mächtiges Buntglasfenster mit grellen Farben und eher zweifelhafter Qualität.

Ich hatte über mein Vertrauen in den Internationalen Gerichtshof (IGH) geschrieben, mein Vertrauen in seine Geschichte unparteiischer Rechtsprechung und in sein System der Wahl durch die UN-Generalversammlung. Der IGH ist durch den Ruf seiner viel jüngeren Schwester, des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), ungerechterweise in Verruf geraten. Der IStGH wird zu recht als Werkzeug des Westens verhöhnt; dies trifft auf den IGH jedoch nicht zu. Allein zu Palästina hat er entschieden, dass Israels „Mauer“ im Westjordanland illegal ist und dass Israel in dem Gebiet, dessen Besatzungsmacht es ist, kein Recht auf Selbstverteidigung hat. Er hat ebenfalls entschieden, dass das Vereinigte Königreich die Chagos-Inseln entkolonialisieren muss — ein Anliegen, das mir sehr am Herzen liegt.

Jene von uns, die gegen den Völkermord Stellung beziehen, hatten also allen Grund, voller Hoffnung nach Den Haag zu reisen.

Zusätzlich zu den üblichen 15 Richtern hatten beide Streitparteien — Südafrika und Israel — von ihrem Recht Gebrauch gemacht, einen zusätzlichen Richter zu ernennen. Nachdem die Richter das Gericht betreten hatten, begann die Vereidigung dieser beiden Richter auf ihre Unparteilichkeit — bevor der Fall überhaupt begonnen hatte, wurde uns also schon die erste Lüge Israels aufgetischt.

Die Ernennung Aharon Baraks als israelischen Richter am IGH ist außergewöhnlich, da er sich als Präsident des Obersten Gerichtshof in Israel geweigert hatte, das Urteil des IGH über die Rechtswidrigkeit der Mauer umzusetzen. Er begründete dies mit der Behauptung, er kenne die Fakten besser als der IGH.

Barak akzeptiert schon sehr lange alle möglichen Formen der Unterdrückung von Palästinensern durch die Israelischen Streitkräfte als rechtmäßig für die „nationale Sicherheit“ und hat sich insbesondere mehrmals geweigert, gerichtlich gegen das langjährige israelische Programm der Zerstörung palästinensischer Häuser als Kollektivstrafe vorzugehen. Das lässt sich direkt auf die derzeitige Zerstörung ziviler Infrastruktur in Gaza übertragen.

Barak wird in Israel im Verfassungskampf zwischen Judikative und Exekutive als „liberal“ angesehen. Aber hier geht es um die Straffreiheit von Netanjahus Korruption und nicht um palästinensische Rechte. Mit der Berufung seines offensichtlichen Gegenspielers Barak in den IStGH hat Netanjahu seine typische Gerissenheit gezeigt. Wenn Barak gegen Israel entscheidet, kann Netanjahu behaupten, seine innenpolitischen Gegner würden die nationale Sicherheit verraten. Wenn Barak für Israel entscheidet, kann Netanjahu behaupten, israelische Liberale unterstützten die Zerstörung Gazas. Ich gehe davon aus, dass wir letztere Behauptung hören werden.

Ich saß auf der Besuchertribüne und verbrachte während der Anhörung viel Zeit mit der Beobachtung der Richter. Es ist schon sehr viel darüber geschrieben worden, in welche Richtung wer springen wird. Man geht zu leicht davon aus, dass sie sich von ihren jeweiligen Regierungen beeinflussen lassen werden. Das variiert von Richter zu Richter.

Joan Donoghue, die Präsidentin des Gerichts, ist ein Schreiberling des US-Außenministeriums, die in ihrem ganzen Leben noch nie eine eigene Idee hatte, und ich würde mich wundern, wenn sie jetzt damit anfinge. Halb rechnete ich damit, ihre Marionettenschnüre aus Löchern in der prächtigen, mit tiefen Reliefs getäfelten Holzdecke des Saals herauskommen zu sehen. Andere sind jedoch noch rätselhafter.

Es gibt keine nationale Elite, die so fanatisch antipalästinensisch ist wie die Deutschlands. Anstatt ererbte Schuldgefühle in den Widerstand gegen Völkermord im Allgemeinen zu kanalisieren, scheint sie beschlossen zu haben, als Wiedergutmachung alternative Völkermorde zu unterstützen. Hinzu kommt, dass Nolte, der deutsche Richter am IGH, nicht als Liberaler bekannt ist. Freunde in München erzählten mir jedoch, dass Nolte ein besonderes Interesse an der rechtlichen Dimension bewaffneter Konflikte hat und auf intellektuelle Exaktheit großen Wert legt. Ihrer Ansicht nach wird sein berufliches Selbstbewusstsein für sein Urteil ausschlaggebend sein — und das erlaubt bezüglich dessen, was die Israelischen Streitkräfte der zivilen Bevölkerung in Gaza so unverhohlen angetan haben, nur eine Richtung.

Andererseits ist da ein Richter aus Uganda am IGH, von dem man annehmen könnte, er stelle sich auf Südafrikas Seite. Uganda hat sich jedoch, aus mir unerfindlichen Gründen, den USA und Israel angeschlossen, als diese sich gegen die Mitgliedschaft Palästinas im Internationalen Strafgerichtshof aussprachen — mit der Begründung, Palästina sei kein echter Staat. Ähnlich könnte man meinen, dass Indien als wichtiges BRICS-Mitglied Südafrika unterstützen würde. Indien hat jedoch eine hindunationalistische Regierung, die zu abscheulicher Islamophobie neigt. Ich habe keine Belege für das innenpolitische Engagement von Richter Bhandari in interkommunalen Angelegenheiten gefunden.

Mir wurde jedoch nahegelegt, dass sich in diesem Fall, der nun vor dem Weltgericht verhandelt wird, die UN-Generalversammlung möglicherweise selbst ins Bein geschossen hat, als sie einen britischen Richter durch einen indischen ersetzt hat — was damals als Triumph der Entwicklungsländer in der UN angesehen wurde. Ich will damit sagen, dass diese Fragen sehr kompliziert sind und dass viele der Analysen, die ich bisher gelesen habe, darunter auch solche meiner lieben Kollegen, zu simpel sind.

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Der Große Saal ist nicht nur ungeeignet als Gerichtssaal — für ein Weltgericht ist auch die Besuchertribüne winzig.

Sie verläuft entlang einer Seite des Saals und ist hoch genug, um bei einem Sturz über den Rand des Balkons zu Tode zu kommen, und besteht aus nur zwei Reihen. Zudem sind die eingebauten theaterähnlichen Sitze hundert Jahre alt und kurz vor dem Zusammenbrechen. Dein Hintern hängt etwa 20 Zentimeter über dem Boden und die Stühle neigen sich so, dass deine Oberschenkel etwa 10 Zentimeter vom Boden entfernt sind und die ganze Vorrichtung dich vorwärts und über die Kante wirft. Anstatt die Stühle zu reparieren, hat die Carnegie Foundation über dem Balkongeländer ein starkes Seil als zweites Geländer von Wand zu Wand gespannt, das etwa 15 Zentimeter mehr Schutz bietet.

Nachdem ein Drittel der Besuchertribüne für die audiovisuelle Ausstattung und die Webcasting-Anlage abgeschirmt wurde, gab es dort nur 24 verfügbare Plätze. Außer uns 14 aus der Warteschlange befanden sich dort Vertreter von wichtigen Nichtregierungs- und UN-Organisationen wie Human Rights Watch und die Weltgesundheitsorganisation. Diese durften Stifte benutzen — man hielt sie offensichtlich für respektabel genug, niemanden damit umzubringen. Möglicherweise erhielt ich irgendwann von einem von ihnen einen Stift, natürlich nur, um ihnen zu helfen. Oder auch nicht — es ist schwierig zu wissen, was heutzutage als Terrorismus gilt.

Südafrika eröffnete mit Erklärungen seines Botschafters und seines Justizministers Ronald Lamola, und zwar mit einem Paukenschlag. Ich hatte eher erwartet, dass Südafrika mit seichtem Blabla beginnt, wie sehr es die Hamas verurteilt hatte und wie sehr es mit Israel wegen des 7. Oktober mitfühlte, aber nein. Innerhalb der ersten dreißig Sekunden hatte Südafrika Israel das Wort „Nakba“ und den Begriff „Apartheidsstaat“ entgegengeschleudert. Wir mussten uns auf unseren kollabierenden Sitzen festhalten. Das würde was werden.

Justizminister Lamola äußerte den ersten unvergesslichen Satz des Verfahrens. Palästinenser hatten „75 Jahre Apartheid, 56 Jahre Besatzung, 13 Jahre Blockade“ erlitten. Das war sehr gut gemacht. Vor Übergabe an das Team der Anwälte steckten die „Agenten“ des Staates Südafrika gemäß Statut des Gerichts den Rahmen für die Auseinandersetzung ab. Diese Ungerechtigkeit und die Geschichte selbst begannen nicht am 7. Oktober.

Es gab noch einen zweiten wichtigen Punkt für dieses Rahmenwerk. Südafrika betonte, dass zu diesem Zeitpunkt nicht bewiesen werden müsse, dass Israel einen Völkermord begehe, damit dem Antrag auf „vorläufige Maßnahmen“ stattgegeben werde. Es müsse lediglich gezeigt werden, dass die Handlungen Israels prima facie (dem Anschein nach) im Sinne der Völkermordkonvention als Völkermord eingestuft werden können.

Das Anwaltsteam begann mit Dr. Adila Hassim, die erläuterte, dass Israel gegen Artikel II a., b., c. und d. der Völkermordkonvention verstoßen habe.

Artikel II

In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:

  • Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
  • Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
  • vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
  • Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
  • gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

(Übersetzung aus der Völkermordkonvention)

Zu Punkt a), der Tötung von Palästinensern, nannte sie die einfachen Fakten ohne Beschönigung. 23.000 Palästinenser wurden getötet, davon waren 70 Prozent Frauen und Kinder. Über 7.000 werden vermisst und sind vermutlich tot unter den Trümmern begraben. Über 200 Mal hatte Israel 2000-Pfund-Bomben auf genau die Wohngebiete im südlichen Gaza abgeworfen, die man den Palästinensern zur Evakuierung zugewiesen hatte.

60.000 Menschen erlitten schwere Verletzungen. 355.000 Häuser wurden beschädigt oder zerstört. Es war ein deutliches Handlungsmuster zu erkennen, das auf eine völkermörderische Absicht hindeutet.

Dr. Hassim blieb in Wort und Ausführung auffallend ruhig und besonnen. Manchmal jedoch, wenn sie Gräueltaten, besonders an Kindern, schilderte, zitterte ihre Stimme ein wenig vor Rührung. Dann schauten die Richter, die allgemein unruhig waren (dazu später noch viel mehr), auf und hörten ihr genauer zu.

Der nächste Richter, Tembeka Ngcukaitobi — heute sprach nur Südafrika — widmete sich der Frage der völkermörderischen Absicht. Er hatte vielleicht die leichteste Aufgabe, weil er von zahlreichen Fällen berichten konnte, in denen ranghohe israelische Minister, Beamte und Militäroffiziere die Palästinenser als „Tiere“ bezeichneten und ihre vollständige Zerstörung sowie die von Gaza forderten und dabei betonten, dass es keine unschuldigen palästinensischen Zivilisten gebe.

Was Ngcukaitobi besonders gut gelang, war die Hervorhebung der effektiven Weitergabe dieser genozidalen Ideen von hochrangigen Regierungsvertretern an die Truppen vor Ort, die dieselben Phrasen und völkermörderischen Ideen zitierten, als sie sich selbst dabei filmten, wie sie Gräueltaten begingen und rechtfertigten. Er hob hervor, dass die israelische Regierung ihrer Verpflichtung, die Aufstachelung zum Völkermord sowohl auf offizieller und auf Bevölkerungsebene zu verhindern und dagegen vorzugehen, nicht nachgekommen war.

Er konzentrierte sich insbesondere auf Netanjahus Beschwörung des Schicksals von Amalek und die nachweislichen Auswirkungen dieses Schrittes auf die Meinungen und Handlungen der israelischen Soldaten. Er sagte, israelische Minister könnten die völkermörderische Absicht ihrer deutlichen Worte nun nicht leugnen. Wenn sie es nicht so meinten, hätten sie es nicht sagen sollen.

Der ehrwürdige und angesehene Professor John Dugard, eine auffallende Gestalt in ihrem leuchtend scharlachroten Talar, setzte sich dann mit Fragen der Zuständigkeit des Gerichts und der Klagebefugnis Südafrikas auseinander — es ist anzunehmen, dass sich Israel stark auf formelle Argumente stützen wird, um den Richtern eine Hintertür offen zu lassen. Dugard wies auf die Verpflichtung aller Staaten, gemäß Völkermordkonvention aktiv einen Völkermord zu verhindern, sowie auf das Urteil des Gerichts hin.

Dugard zitierte Artikel VIII der Völkermordkonvention und las Paragraph 432 des Gerichtsurteils von „Bosnien gegen Serbien“ in voller Länge vor.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass die Verpflichtung zur Verhütung eines Völkermords erst dann entsteht, wenn die Begehung des Völkermordes beginnt; das wäre absurd, da der Sinn der Verpflichtung darin besteht, die Begehung der Tat zu verhindern oder zu versuchen, sie zu verhindern.

In der Tat beginnt die Verpflichtung eines Staates, einen Völkermord zu verhindern und die daraus resultierende Verpflichtung, zu handeln, in dem Augenblick, in dem der Staat von der Existenz eines ernsten Risikos erfährt oder normalerweise erfahren haben sollte, dass ein Völkermord begangen wird. Von diesem Zeitpunkt an ist der Staat, wenn ihm Mittel zur Verfügung stehen, die eine abschreckende Wirkung auf diejenigen ausüben können, die verdächtigt werden, einen Völkermord vorzubereiten oder bei denen der begründete Verdacht besteht, dass sie einen besonderen Vorsatz hegen (dolus specialis), verpflichtet, von diesen Mitteln Gebrauch zu machen, wie es die Umstände erlauben.

Ich muss gestehen, dass ich hocherfreut war. Dugards Argumentation war genau dieselbe, und er zitierte genau dieselben Passagen und Paragraphen, wie mein Artikel vom 7. Dezember 2023 , in dem ich erklärte, warum man sich auf die Völkermordkonvention berufen sollte.

Die Richter fanden besonderen Gefallen an Dugards Argumenten — enthusiastisch blätterten sie Dokumente durch und unterstrichen hier und da. Dass sie es mit Tausenden toter Kinder zu tun hatten, war ein bisschen schwierig für sie, aber sobald man ihnen einen schönen juristischen Sachverhalt lieferte, waren sie in ihrem Element.

Der nächste war Professor Max du Plessis, dessen besonders geradliniges Verhalten und sprachliche Klarheit neue Energie in die Verhandlung brachte. Er sagte, dass die Palästinenser das Gericht baten, das grundlegendste ihrer Rechte zu beschützen — ihr Existenzrecht.

Palästinenser hatten bereits 50 Jahre Unterdrückung erlitten und Israel hatte sich selbst jahrzehntelang als über dem Gesetz stehend betrachtet sowie auch außerhalb dessen und sowohl Urteile des Internationalen Gerichtshofs als auch Resolutionen des Sicherheitsrats ignoriert. Dieser Kontext ist wichtig. Palästinensische Individuen haben Existenzrechte, die sie als Mitglieder einer Gruppe gemäß der Völkermordkonvention schützen.

Südafrikas Klage gründete sich auf der Achtung vor dem Völkerrecht und stützte sich auf Recht und Fakten. Sie hatten sich dafür entschieden, dem Gericht keine Videos und Fotos von Gräueltaten, derer es viele Tausend gibt, zu zeigen. Ihre Klage beruhte auf Recht und Fakten — sie hatten es nicht nötig, Schock und Emotionen zu erzeugen und das Gericht in eine Theaterbühne zu verwandeln.

Dies war ein geschickter Schachzug von du Plessis. Ursprünglich waren die Anhörungen jeder Seite auf zwei Stunden angesetzt. Sehr spät erst hatte man den Südafrikanern mitgeteilt, dass auf drei Stunden erhöht wurde, weil die Israelis darauf bestanden hatten, ihr einstündiges Horrorvideo der Gräueltaten vom 7. Oktober zu zeigen. Tatsächlich jedoch spiegeln die Leitlinien des Gerichts einen seit Langem bestehenden Widerstand gegen diese Art von Material wider, das „sparsam“ eingesetzt werden muss. Wenn 23.000 Menschen tot sind, hat es keinen intellektuellen Mehrwert, wenn man die Leichen zeigt, und selbiges trifft auch für die 1.000 Toten des 7. Oktober zu.

Du Plessis schloss damit, dass die Zerstörung der lebenswichtigen Infrastruktur Palästinas und die Vertreibung von 85 Prozent der Einwohner in noch kleinere Gebiete, wo sie noch immer bombardiert werden, deutliche Beispiele für eine völkermörderische Absicht darstellen.

Der Höhepunkt des ganzen Vormittags war jedoch zweifelsohne der erstaunliche Vortrag der irischen KC (King´s Counsel: besonders erfahrene und verdiente Rechtsanwälte in England und Schottland; Anmerkung der Übersetzerin) Blinne Ni Ghràlaigh. Ihre Aufgabe bestand darin aufzuzeigen, dass ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen würde, wenn das Gericht keine „vorläufigen Maßnahmen“ anordnet.

Es gibt Zeiten, da sich ein Schriftsteller geschlagen geben muss. Ich kann Ihnen den Eindruck, den sie im Gerichtssaal gemacht hat, nicht angemessen vermitteln. Wie auch der Rest ihres Teams vermied sie Gräueltatenpornos und stellte die einfachen Fakten klar, aber elegant dar. Auch sie hielt sich an den Kunstgriff des gesamten südafrikanischen Teams, selbst keine emotionale Sprache zu verwenden, aber ausführlich die emotionalen Aussagen hochrangiger UN-Beamter zu zitieren. Ihre Übersicht der täglichen Toten, sortiert nach Todesart, war erschütternd.
Ich bitte Sie dringend, ihr zuzuhören. „Jeden Tag bekommen über 10.000 Palästinenser eine oder mehrere Gliedmaßen amputiert, viele davon ohne Betäubung …“

Nun sollte ich weiter vom Gericht berichten. Die südafrikanische Delegation saß auf der rechten Seite des Gerichts neben ihren Rechtsanwälten, die israelische Delegation auf der linken Seite. Jede Gruppe umfasste etwa 40 Menschen. Die Südafrikaner waren farbenfroh gekleidet, trugen Schals mit der südafrikanischen Flagge und Keffiyehs über ihren Schultern. Es gab eine Mischung aus Südafrikanern und Palästinensern, unter denen der stellvertretende Außenminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, Amaar Hjazi herausragte, was mich freute.

Die südafrikanische Delegation war heiter und unterstützte sich gegenseitig, ausgedrückt durch eine inklusive Körpersprache und eine relative Lebhaftigkeit. Die israelische Delegation war das Gegenteil von lebhaft. Sie machte einen strengen und geringschätzigen Eindruck — es schien, als seien die Beteiligten angewiesen worden, irgendeine Arbeit zu erledigen und das Verfahren überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Im Allgemeinen waren sie jugendlich und ich denke, „arrogant“ wäre eine angemessene Beschreibung. Als Blinne sprach, schienen sie ganz besonders darauf bedacht zu sein, dass jeder sehen konnte, dass sie nicht zuhörten.

Betrachtete man ihre Körpersprache, würde man nicht vermuten, dass es Israel ist, das angeklagt wurde. Tatsächlich waren die Richter die einzigen Menschen im Gerichtssaal, die sich besonders verdächtig und schuldbewusst verhielten. Sie sahen absolut so aus, als wollten sie wirklich nicht dort sein. Man sah ihnen ihr tiefes Unbehagen an, sie zappelten und fummelten an ihren Papieren herum und sahen die gerade vortragenden Rechtsanwälte selten direkt an.

Mir kam der Gedanke, dass diejenigen, die wirklich nicht im Gerichtssaal sein wollten, die Richter waren, weil es in der Tat die Richter und das Gericht selbst sind, die vor Gericht stehen. Die Tatsache des Völkermordes ist und wurde deutlich dargelegt. Aber einige der Richter suchen verzweifelt nach einer Möglichkeit, es den USA und Israel recht zu machen. Sie vermeiden es, dem aktuellen zionistischen Narrativ zu widersprechen, dessen Annahme nötig ist, um weiterhin mit der Elite zu kuscheln.

Was ist ihnen wichtiger — persönliche Bequemlichkeit, die Forderungen der NATO, künftige einträgliche Ruheposten? Sind sie bereit, dafür jede echte Auffassung des Völkerrechts fallen zu lassen?

Dies ist die wirkliche Frage, die vor Gericht steht. Der Internationale Gerichtshof steht vor Gericht.

Während Blinnes Vortrag interessierte sich die Präsidentin des Gerichts plötzlich sehr intensiv für ihr auffallend rotes iPad in der Farbe eines besonders leuchtenden Nagellacks. Sie holte es während der Anhörung mehrmals hervor und ich konnte dieses Hervorholen des iPads nie mit dem in Einklang bringen, was gerade diskutiert wurde — es war ja nicht so, dass beispielsweise Fälle oder Dokumente zitiert worden waren, die man nachschlagen konnte.

Der letzte Redner für das südafrikanische Anwaltsteam war Vaughn Lowe, dem die heikle Aufgabe zugefallen war, Israels Verteidigung zu widerlegen, die jedoch bis zu ihrem Vortrag (am nächsten Tag) geheim gehalten wurde. Argumente zu widerlegen, die man noch nicht kennt, ist ein heikles Unterfangen, und für mich war dies die juristische Glanzleistung des gesamten Vormittags. Vaughn Lowes Auftritt war hervorragend.

Zunächst bekräftigte er, dass Südafrika berechtigt sei, die Klage einzureichen, indem er Durants Ausführungen über die Pflicht der Staaten wiederholte, gemäß der Völkermordkonvention zu handeln, um einen Völkermord zu vermeiden. Er sagte, es gebe hinsichtlich der Konvention einen Streit darüber, ob ein Völkermord stattgefunden habe oder nicht. Südafrika hatte diesen Streit in zahlreichen diplomatischen Verbalnoten an die israelische Regierung thematisiert, die aber nicht zufriedenstellend beantwortet wurden.

Lowe sagte, es sei bekannt, dass eine Reihe einzelner Vorfälle vom Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrechen untersucht würden, aber die Existenz anderer Verbrechen schließe nicht aus, dass diese Teil eines umfassenderen Völkermords seien. Völkermord sei ein Verbrechen, das naturgemäß mit anderen Kriegsverbrechen einhergehe, die begangen würden, um den Genozid weiter anzutreiben.

Schließlich äußerte Lowe, ein Völkermord sei niemals gerechtfertigt. Er sei absolut, ein Verbrechen an sich. Unabhängig davon, wie abscheulich die Gräueltaten der Hamas gegen Israel oder israelische Zivilisten gewesen seien, sei eine völkermörderische Reaktion darauf nicht angemessen und könne es auch nie sein.

Vaughn Lowe erklärte, Südafrika habe aus dem einfachen Grund, dass Hamas kein Staat sei und somit nicht der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes unterliege, um Maßnahmen gegen Israel und nicht gegen die Hamas gebeten. Die Tatsache jedoch, dass der Gerichtshof nicht gegen die Hamas vorgehen könne, solle ihn nicht davon abhalten, gegen Israel vorzugehen, um die aktuelle drängende Gefahr eines Völkermordes zu verhindern. Auch dürfe sich das Gericht nicht durch israelische Angebote freiwilliger Zurückhaltung beeinflussen lassen. Israels Versäumnis, jegliches Fehlverhalten bei seinem „Zermahlen des Gazastreifens zu Staub“ einzugestehen, zeige, dass man Israels Zusicherungen, sein Verhalten zu ändern, nicht trauen könne, da es glaube, nichts falsch gemacht zu haben.

Die Sitzung endete damit, dass der südafrikanische Botschafter die vorläufigen Maßnahmen wiederholte, die der Gerichtshof laut Südafrika (Israel) auferlegen sollte. Diese sind wie folgt:

1. Der Staat Israel hat seine Militäroperationen in und gegen Gaza unverzüglich einzustellen.

2. Der Staat Israel hat sicherzustellen, dass alle militärischen oder irregulären bewaffneten Einheiten, die er leiten, unterstützen oder beeinflussen könnte, sowie alle Organisationen und Personen, die seiner Kontrolle, Leitung oder Beeinflussung unterliegen könnten, keine Schritte zur Fortführung der Militäroperationen (1) unternehmen.

3. Sowohl die Republik Südafrika als auch der israelische Staat ergreifen in Übereinstimmung mit ihren Verpflichtungen gemäß der Konvention zur Verhinderung und Bestrafung des Völkermordes in Bezug auf das palästinensische Volk alle in ihrer Macht stehenden angemessenen Maßnahmen, um einen Völkermord zu verhindern.

4. Der Staat Israel hat, in Übereinstimmung mit seinen Verpflichtungen gemäß der Konvention zur Verhinderung und Bestrafung des Völkermordes in Bezug auf das palästinensische Volk als einer von der Konvention zur Verhinderung und Bestrafung des Völkermordes geschützten Gruppe alle Handlungen, die in den Gültigkeitsbereich von Artikel II der Konvention fallen, zu unterlassen, insbesondere:

  • das Töten von Mitgliedern der Gruppe;
  • das Verursachen schwerer körperlicher oder seelischer Schäden bei den Mitgliedern der Gruppe;
  • das vorsätzliche Auferlegen von Lebensbedingungen für die Gruppe, die dazu geeignet sind, ihre völlige oder teilweise physische Zerstörung zu verursachen und
  • die Verhängung von Maßnahmen mit der Absicht, Geburten in der Gruppe zu verhindern.

5. Der Staat Israel hat in Übereinstimmung mit Punkt 4. in Bezug auf die Palästinenser von folgendem abzusehen und alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen, einschließlich der Aufhebung relevanter Anordnungen, Beschränkungen und/oder Verboten, zu ergreifen, um folgendes zu verhindern:

(a)Die Vertreibung und Zwangsumsiedlung aus ihren Häusern;
(b) Der Entzug
​ des Zugangs zu angemessener Nahrung und Wasser;
​ des Zugangs zu humanitärer Hilfe, einschließlich Zugang zu angemessenem Brennstoff, Unterkunft, Kleidung, Hygiene, Sanitäranlagen;
​ medizinischer Versorgung und
(c) die Zerstörung palästinensischen Lebens in Gaza.

6. Der Staat Israel hat in Bezug auf die Palästinenser sicherzustellen, dass sein Militär sowie alle irregulären bewaffneten Einheiten oder Einzelpersonen, die von ihm geleitet, unterstützt oder anderweitig beeinflusst werden können, und alle Organisationen und Personen, die seiner Kontrolle, Leitung oder Beeinflussung unterliegen können, keine der unter 4. und 5. beschriebenen Handlungen begehen und nicht direkt und öffentlich zum Völkermord, der Verschwörung zum Völkermord, dem Versuch des Völkermordes oder der Mittäterschaft zum Völkermord aufrufen und dass, sollten sie sich daran beteiligen, Schritte zu ihrer Bestrafung gemäß Artikeln I, II, III und IV der Konvention zur Verhinderung und Bestrafung des Völkermordes unternommen werden.

7. Der Staat Israel hat wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Zerstörung von Beweisen zu verhindern sowie die Erhaltung von Beweismaterial sicherzustellen, die und das in Zusammenhang mit Anschuldigungen wegen Handlungen im Gültigkeitsbereich von Artikel II der Konvention zur Verhinderung und Bestrafung des Völkermordes stehen. Zu diesem Zwecke hat der Staat Israel nichts zu unternehmen, womit Untersuchungsmissionen, internationalen Mandaten und anderen Einrichtungen, die bei der Sicherstellung und Erhaltung des genannten Beweismaterials unterstützend wirken, der Zugang zu Gaza verwehrt oder anderweitig einschränkt wird.

8. Der Staat Israel hat dem Gerichtshof innerhalb einer Woche nach Datum dieses Beschlusses und danach in vom Gerichtshof festgelegten regelmäßigen Abständen einen Bericht über alle ergriffenen Maßnahmen einzureichen, bis der Gerichtshof in diesem Fall eine endgültige Entscheidung trifft.

9. Der Staat Israel hat sich jeder Handlung zu enthalten und hat sicherzustellen, dass keine Handlungen unternommen werden, die den Rechtsstreit vor dem Gerichtshof verschlimmern oder verlängern oder seine Schlichtung erschweren könnten.

Damit schlossen wir die Diskussion ab. Als nächstes antwortet Israel.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Your Man in the Hague (in a Good Way)“ auf dem [Blog]](https://www.craigmurray.org.uk) von Craig Murray. Er wurde von Gabriele Herb ehrenamtlich übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratteam lektoriert.