Friedensarbeit ist Arbeit an der eigenen Liebesfähigkeit
Warum es Mut und "investigatives Forschen" erfordert, wahrhaft zu lieben.
Gegen das, was wir heimlich in unserem Inneren hochrüsten, wenn es darum geht, uns wahrhaft in einer Beziehung zu zeigen, sind die NATO-Geheimarmeen ein Witz. Wehe, einer will unseren wahren Kern berühren. Dann setzen wir viel daran, dass das ja nicht passiert, obwohl es möglicherweise der Schlüssel zu einem erfüllten und glücklichen (Liebes-)Leben wäre.
Allerdings merken wir von unseren inneren Geheimarmeen häufig gar nichts. Wir merken nichts davon, dass wir unser inneres Territorium verteidigen. Doch wie kommen wir unserem wahren Wesen auf die Spur und unserem ursprünglichen Wunsch nach wahrer Liebe, also tiefem Kontakt? Die Antwort ist: Mit Achtsamkeit, auch wenn das manchmal komische Züge annehmen kann.
Ein Beispiel aus dem Alltag
Achtsamkeit bedeutet, dass man in jedem Moment beobachten kann: „Was denke und fühle ich gerade in diesem Augenblick“? Das mit dem „Im Hier und Jetzt sein“ kann jedoch mitunter seltsame Auswüchse annehmen, zum Beispiel wenn man, wie ich heute, mal einen harmlosen Film ansehen will, und zwar so ein richtig kitschiges Ding: Schöne Menschen, schöne Bilder und eine Story, die einen nicht sofort wegrennen lässt, gutes Ende garantiert. Was zum Runterkommen halt. Was dem einen seine Champions-League ist, ist dem anderen eben sein "Kitschfilm". Und dann plötzlich kriegt doch genau dieser „Kitschfilm“ unverhofft Tiefgang, als die Hauptfigur zu ihrem besten Freund, der verliebt ist und Rat will, weil er nicht perfekt ist und deshalb Verlustangst hat, sagt:
"Zeig ihr wer Du bist. Dann wirst Du sehen, wer sie ist."
Moment. Ich merke, ganz achtsamkeitsgeschult, dass ich innerlich ein Lied von „Ich und Ich“ summe:
„Du erinnerst mich an Liebe. Zeig mir, wer Du wirklich bist. Du erinnerst mich daran, wie es sein kann.“
Okay, ich halte kurz inne. Ergebnis der Selbstbeobachtung: Ich fühle mich wohl und finde die Idee schön: „Wenn das alle machen würden, würde es ehrlicher und liebevoller in der Welt zugehen.“ Meine etwas kritischen Gedanken dazu sind allerdings: „Poah. Sentimentaler Kitsch. So kann man ja auch keine Revolution anzetteln“
Also was jetzt? Sentimentaler Kitsch oder doch eher Sprengstoff?
Ich behaupte: Letzteres, denn:
Wer traut sich das überhaupt in Beziehungen, dieses "sich zeigen"? So mit allem Drum und Dran, auch den Schwächen, den unkontrollierten Momenten, doch vor allem mit unserer wahren Kraft und Schönheit? Mit unseren tiefen Gefühlen, mit unserer Verletzlichkeit?
Wer mutig wäre, sich zu zeigen, der könnte wahrhaft lieben, denn "sich zeigen" bedeutet Hingabe.
Es würde das Aufgeben "verdeckter Kriegsführung" in Beziehungen bedeuten.
Ein Bekannter von mir zitiert auf jeder Feier kernige Sprüche aus seiner Zeit bei der Bundeswehr. "Täuschen, Tarnen und Verpissen" ist sein Favorit. Mir fällt auf, dass dies in vielen Beziehungen eine geläufige Strategie zum Überleben ist.
Aber nützt das was? Ich denke Nein. Vielleicht kann diese Strategie ja mal weg. Vielleicht kann man ja mal was Neues ausprobieren und etwas über sich erfahren.
Vielleicht lohnt es sich auch hier, mutig zu sein. Kämpfen ist einfach. Da gibt es Freund und Feind, Gut und Böse, unschuldig und schuldig. Das ist man so gewohnt. Gelernt ist eben gelernt.
"Sich zeigen", zu lieben und dann möglicherweise auch noch aushalten, dass man zurückgeliebt wird, ist die Königsdisziplin in der Liebe und nichts für Weicheier.
Es bedeutet, Gewohnheiten aufzugeben. Das finde ich spannend.
Wir haben in der Liebe oft keine Angst davor, dass es furchtbar sein könnte. Wir fürchten uns nicht, dass es Probleme geben könnte. Die haben wir schon oft gemeistert. Wir haben oft gelitten und überlebt.
Wir fürchten uns vor allem davor, dass wir tief in unserem Kern berührt werden und dass dies alles verändern könnte, was wir bisher für wahr gehalten haben. Das stürzt uns ins Chaos. Und das ist eine Chance, denn aus dem Chaos entsteht neue Ordnung.
Einer meiner Lehrer hat einmal gesagt, dass folgende Fragen auf dem Weg zu Hingabe und wahrer Liebe weiterführen:
- Warum erkenne ich nicht, was ich sehe?
- Warum sage ich nicht, was ich denke?
- Warum tue ich nicht, was ich sage?
- Warum erkenne ich nicht, was ich tue?
Man braucht Mut, um sich diese "investigativen Fragen" überhaupt zu stellen. Wir müssen dafür manchmal Äußeres loslassen, zum Beispiel unsere finanzielle Sicherheit, die durch einen Partner gedeckt ist, oder unsere Angst vor dem Alleinsein. Auch innere Erfahrungen und Erlebnisse loszulassen gehört möglicherweise dazu.
Doch Mut lohnt sich. Erst recht, wenn es um Liebe geht.
Denn das Geschehen im Einzelnen von uns wirkt in der ganzen Welt und ist für alle Menschen von Bedeutung.