Rettet den Boden!
Wir müssen um das Leben unter unseren Füßen kämpfen, damit nicht alles Leben auf der Erde in Gefahr gerät.
In dem Pariser Übereinkommen zum Schutz des Klimas 2015 haben sich die Staaten auf ein Vier-Promille-Ziel geeinigt: Diese Menge an Humus sollten jedes Jahr in den Böden der Länder aufgebaut werden. Das ist eines der wirksamsten Mittel gegen den Klimawandel. Der Boden ist nicht einfach nur ein Substrat, in das wir unsere Nahrung einpflanzen; er ist ein ganz besonderer Lebensraum, von dessen Wohlergehen auch das aller anderen Arten auf diesem Planeten abhängt. Florian Schwinn thematisiert dies in seinem Buch „Rettet den Boden! — Warum wir um das Leben unter unseren Füßen kämpfen müssen“.
Täglich stehen und gehen wir auf ihm. Es ist unmöglich, ihm auszuweichen oder sich vollkommen von ihm unabhängig zu machen: der Boden. Und obwohl er so wichtig für unser tägliches Leben ist, wissen die meisten Menschen beinahe nichts darüber. Mit seinem neuen Buch „Rettet den Boden! — Warum wir um das Leben unter unseren Füßen kämpfen müssen“. versucht Florian Schwinn das zu ändern, indem er die Bedeutung eines gesunden Bodens für Mensch und Natur deutlich zu macht.
In einem gesunden Boden wimmelt das pure Leben. Mehr Kleinstlebewesen als Menschen auf dem ganzen Planeten finden sich in einem einzigen Kubikmeter Erde.
Unzählige Mikroorganismen, Viren, Bakterien, Bärtierchen, Pilze, Algen, Regenwürmer, Maulwürfe und viele andere Lebensformen durchziehen den Boden und sind am Aufbau des wertvollen Humus beteiligt. Sie bilden eine vielfältige Lebensgemeinschaft, die dafür sorgt, dass Pflanzenabfälle zerkleinert und in Humus umgewandelt werden. Erst durch das Treiben im Boden ist es überhaupt möglich, dass etwas in und auf ihm wächst.
Jedoch ist dies nur in natürlichen Böden möglich, in denen sich diese Lebewesen ungestört vermehren, und ihrer Aufgabe nachgehen können. Die industrielle Landwirtschaft hingegen zerstört dieses Gefüge. Pflügen kehrt das Unterste zuoberst, verbringt Pflanzenteile und ihre Destruenten in Schichten, in die sie nicht gehören. Denn der Zerfallsprozess des Pflanzenstreus ist vertikal organisiert, das heißt, je tiefer die Erdschicht, desto zerkleinerter ist er. Jedes der im Boden befindlichen Organismen übernimmt eine spezifische Aufgabe in bestimmten Abschnitten des Zerfallsprozesses, an dessen Ende Humus entsteht. Dabei belüften sie nicht nur den Boden, sorgen dafür, das er Wasser aufnehmen kann und die Nährstoffe richtig verteilt sind, sondern sie lagern auch CO2 in den Boden ein.
Damit kommt dem Boden eine wichtige Funktion bei der Abfederung des Klimawandels zu. Sind in den Pflanzen der Erde 500 Gigatonnen CO2 gespeichert, so sind es im Boden 2.000. Auf vielen Flächen bestünde noch Potenzial zu einer Vermehrung des Humusgehaltes, so wie 2015 in Paris festgelegt. Zudem: Pflanzen wachsen auf Dauer nur auf einem guten, fruchtbaren Boden.
Die Landwirtschaft hingegen verwandelt den Boden in totes Substrat. Die negativen Effekte wendet der Einsatz künstlicher Düngemittel zumindest kurzfristig ab. Doch langfristig führt diese Art des Wirtschaftens zur Erosion der Böden.
Florian Schwinn beschreibt diesen Prozess sehr eindrücklich anhand von kahlen Äckern, die bei starkem Regen weggeschwemmt werden. Die kostbare Erde, Grundlage menschlichen Lebens, schwemmt die Straßen hinab und verschwindet in Gullys.
Auch die immer größer werdenden Maschinen tragen zur Zerstörung des Bodens bei. Durch ihr hohes Gewicht verdichten sie die Äcker so, dass dort auf Jahre kein Lebewesen mehr in die entsprechenden Bereiche vordringen kann. Infolgedessen wächst an diesen Stellen nichts mehr. So zeigt sich, dass die Lebewesen im Boden, und jenen, die aus ihm heraus wachsen, in einer Symbiose miteinander stehen, die das Leben überhaupt erst möglich macht.
Florian Schwinn entmystifiziert auch die Legende des „nützlichen“ Glyphosats, das gut sei für den Boden. Glyphosat tötet die oberflächlichen Pflanzen ab und hinterlässt somit nichts als kahle Erde. Da es auch Algen und Pilze im Boden vernichtet, die für den Zersetzungsprozess notwendig sind, leidet auch das Leben in der Erde.
Deutlich macht der Autor die Folgen stets am Regenwurm, der als eine Zeigerart fungiert: Eine große Anzahl von Regenwürmern steht stellvertretend für einen lebendigen Lebensraum. Ein Boden, in dem viele Regenwürmer leben, ist demzufolge ein guter, ein gesunder Boden, wohingegen ein Boden, in dem wenige Regenwürmer leben, ein ungesunder ist.
Biolandwirte haben das vielerorts verstanden und bemühen sich deshalb verstärkt, Regenwürmern einen guten Lebensraum zu bereiten. Der Autor zeigt dies exemplarisch anhand von Biobauern, die sich mehr darauf fokussieren, den Boden zu pflegen als ihre Pflanzen. Eine Landwirtschaft ohne Pflug, ohne Egge, ohne synthetischen Dünger und ohne Glyphosat ist möglich und hilft, Humus aufzubauen und selbst weniger fruchtbare Böden in gutes Ackerland zu verwandeln.
Diesen Prozess, der jedoch einen langen Zeit in Anspruch nimmt, verdeutlicht Schwinn anhand von Forschungen in einem ehemaligen Braunkohletagebau. Die Bagger hatten hier das natürliche Gefüge des Bodens vollkommen zerstört und nichts als tote Erde hinterlassen. Nur sehr langsam kehrte das Leben in diesen zurück. Zuerst die Kleinstlebewesen, nach einiger Zeit die Pilze sowie die Algen und schließlich die ersten Pflanzen. Erst dann konnte auch der Regenwurm zurückkehren, denn der benötigt Pflanzenreste zum Überleben, die er in seine Höhlen hinabzieht, sie verspeist und als Humus wieder ausscheidet. Der Prozess der Humufizierung ist jedoch so schwerfällig, dass es länger als ein Menschenleben dauert, bis sich wieder ein gesunder Lebensraum entwickelt.
Dennoch ist es wichtig, auf die Wiederherstellung des Humus hinzuarbeiten. Bindet er doch CO2 und leistet damit wertvolle Hilfe im Kampf gegen den Klimawandel. Zudem bildet er auch die Grundlage für die gesamte Nahrungsmittelversorgung aller Lebewesen.
Florian Schwinn stellt die Auswirkungen der industriell genutzten Landwirtschaftsflächen denen der ökologisch bewirtschafteten gegenüber: Auf der einen Seite Erosion, Überschwemmungen, immer geringere Erträge bis sich schließlich die Bewirtschaftung nicht mehr lohnt. Auf der anderen Seite resiliente Äcker, die viel Wasser aufnehmen können, nicht erodieren und gleichbleibende oder gar steigende Erträge bringen.
Ein weiterer Unterschied ist, dass industriell bewirtschaftete Flächen ihren Saaten die Nährstoffe entziehen. Viele Pflanzen enthalten am Ende weniger davon als die Samenkörner. Auf lange Sicht führt das auch zu einer Unterversorgung der von diesen Äckern lebenden Menschen.
Florian Schwinn zeigt in seinem Buch sehr detailliert und bildreich die Komplexität des Bodens und damit letztlich auch die des Lebens auf der Erde. Er schildert, wie alles miteinander verbunden ist und dass eine Störung in diesem natürlichen Gefüge schwerwiegende Konsequenzen haben kann. Damit lenkt der Autor den Blick auf ein Thema, das bislang in der öffentlichen Debatte um Umwelt- und Klimaschutz weitestgehend unter den Tisch gefallen, dabei jedoch integraler Bestandteil unser aller Leben ist.
Es bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Menschen das Buch „Rettet den Boden!“ lesen, insbesondere diejenigen, die landwirtschaftlich arbeiten. Denn Florian Swinn zeigt, dass ohne das Leben im Boden ein Leben auf ihm unmöglich ist.