Requiem für die Freiheit
Es ist höchste Zeit, ein Bewusstsein für die Lage, in der wir uns befinden, zu entwickeln.
Nicht das Bedürfnis nach noch mehr „Fakten“, nach mehr Information, mehr Sensation scheint nun gegeben, sondern vielmehr jenes nach Zusammenhang, nach Erkenntnis. Die Muster liegen offen zutage, nun braucht es ein Modell. Damit wir begreifen, was wirklich los ist mit der Welt und der Menschheit. Und wo und wie für Verbesserungen anzusetzen wäre. Ein Modell, das ALLES fasst, stellt hohe Ansprüche. Nur unter Einbezug von Unerwartetem, von Schönem und von Licht kann es gelingen, die Coronafinsternis aufzuhellen. Dieser Text ist ein Versuch, eine Vorstufe vielleicht, ein erster Schritt. Analyse und Synthese zugleich.
Gespenstisch still
Die Wahlen waren. Gespenstisch. Grundrechte genommen, Menschen verleumdet, sachliche Kritik mit Parolen plattgewalzt, Kritiker zu Schädlingen erklärt, ihre Konten gekündigt, Standpunkte, Meinungen, Denken, das stört: alles unsichtbar gemacht. Eine Überwachungsmaschinerie ist installiert, im Namen der Gesundheit erneut, eine Maschinerie, die ihren Charakter nicht erst bei genauerem Beschau preisgibt, und es sind Wahlen und das alles ist kein Thema. Gespenstisch.
In dieser Dimension, kein Zweifel, übertrifft die Systematik ihre Vorläufer: War einst zumindest in Teilen der Gesellschaft ein Bewusstsein für die Diktatur, so ist nun auch das geglättet. Die Totalfunktionalisierung, die Totaleingliederung in Produktions- und Dienstleistungsketten, die Zahlwerdung, die Zerstörung des Geheimnisses und die Endlösung der Menschenfrage: Alles kein Thema. Ja wahrhaft, es ist gespenstisch still bei ARD und ZDF, wenn es aus der Elefantenrunde dröhnt.
Die erste Requiemvertonung in der Musikgeschichte ist verschollen. Sie stammt von Guillaume Dufay (ungefähr 1397 bis 1474). Und so ist es die Missa pro defunctis von Johannes Ockeghem (ungefähr 1420 bis 1497) aus dem Jahr 1461, die als erste musikalische Würdigung der Verstorbenen gilt, der „aus der Funktion Geschiedenen“. Ich bevorzuge die Fassung vom Marcel Pérès und seinem Ensemble Organum. Tief klingt noch eine vorzivilisatorische Fremdheit mit an, eine ungeglättete Archaik sozusagen, oder das Mittelalter eben. Und doch schon ist diese Unzeit in eine betörende Form gehoben. Das Schicksal nahm seinen Lauf, wir wissen es (1).
Ein System, an das geglaubt wird, erzeugt aus sich selbst heraus, indem geglaubt wird, die Leugner. Und die Ausgrenzung als Leugner wiederum bestätigt: Hier wird geglaubt.
Und Leugner sind Schädlinge, Feinde. Versteht sich. Ketzer. Weil sie nicht glauben. Volksfeinde, das seien diese Impfgegner, so ein deutscher Politiker wortwörtlich. Ein solches Glaubenssystem wurde mit Corona erzeugt (2). Präziser: Mit Corona in eine letzte Form gebracht. Diese Setzung mit Leugnern und Feinden, mehr noch: Der Zwang und die Selbstverständlichkeit, in solchen Kategorien bis tief in den Alltag hineinzudenken (3), der deckt sich gänzlich mit dem, was 1933 und in den Jahren danach geschah.
Die Stigmatisierung und Pathologisierung von Impfgegnern ― der Fokus allein zeigt, dass es nicht um Impfung geht, zumal es für Menschen nichts anderes als vernünftig wäre, zunächst auf das Immunsystem zu setzen, denn dank diesem gibt es ihn, und Viren, welche die Menschheit ausgerafft hätten, sind in der Menschheitsgeschichte niemals aufgetreten, lange Zeit nicht zumindest, bis es die Labors gab ―, diese Kennzeichnung und Stempelung also entlang einer Linie: Das ist ein faschistischer Vorgang, die Kennzeichnung Voraussetzung für den Bund (fascis).
Hätte das NS-Regime den Jüdinnen und Juden offengelassen, Arier zu werden ― sich also bildlich gesprochen eine Arier-Injektion verabreichen zu lassen und damit ihre jüdische Herkunft abzustreifen, zu verleugnen oder eben wegzuspritzen beziehungsweise genetisch abzulegen ― und hätte dieses Regime dann weiter allein die Jüdinnen und Juden den KZs zugeführt, die sich dieser Injektion verweigert hätten, würde sich am Verbrechen etwas ändern? Würde die Monstrosität reduziert, die Ungeheuerlichkeit, der niemals beizukommen ist?
„Ich sehe es nicht so schwarz wie du“, so schreibt mir mein Cousin zurück. Einer, der vor vielen Jahren, damals oft missgelaunt und noch ohne eigenes Unternehmen mit Aufträgen vom öffentlich-rechtlichen Sender des Landes, an einem Familienanlass provokativ fragte: „War nicht unser Großonkel M. auch ein Nazi?“ Und weiter: „Wie konnte es so kommen ― und kommt mir nicht mit der Ausrede, man hätte es nicht gewusst.“
Ich sehe nicht so schwarz, so schreibt er nun also zurück, nachdem ich ihm klarzumachen versucht habe, dass die Auflösung des menschlichen Individuums im QR-Code die Vervollkommnung dessen sei, was totalitäre Systeme immer schon angestrengt hätten und ganz bestimmt nicht der Übergang zum Fadenspiel, den uns die feministische Denkerin Donna J. Haraway als neue beglückende Möglichkeit lebewesentlichen Zusammenlebens vorführen will (4). Er fügt an, er hoffe, ich würde trotz allen negativen Empfindungen und Schlussfolgerungen auch ein paar herbstliche Sonnenstrahlen einfangen, „denn wenn wir Glück haben, verzaubern sie uns diese Tage mit warmen Farbtönen und bunten Kontrasten, wir müssen bloß hinschauen.“
Wie konnte es so kommen? So hat mein Cousin also einst gefragt. Jahre später gibt er die Antwort. Der Großonkel hat hingeschaut. Er hat die Sonnenstrahlen gesehen. So sehr hat er sie gesehen, dass er nicht bemerkt hat, was man hinter seinem Rücken aufgebaut hat. Nein, nicht hinter seinem Rücken. Auschwitz baute man vor seinen Augen, vielleicht reichte er selbst einige Steine. Aber die Blendung durch die Sonnenstrahlen hielt den Schleier dicht. In ihrem Zauber löst sich Auschwitz auf. Ja, wenn wir Glück haben, geschehen Wunder.
Die Missa pro defunctis ― zuweilen auch als pro fidelibus defunctis angeschrieben ― von Pierre de la Rue (ungefähr 1452 bis 1518) kam einige Jahre nach Ockeghems erster Vertonung. Besonders hervorheben möchte ich daraus das Lux aeterna, das in längst nicht allen Requiemvertonungen dem Agnus Dei noch nachgestellt wird. So wie Pierre de la Rue dieses ewige Licht in Töne setzt, schimmert in der Tat etwas aus dem Jenseits herüber. Es gibt eine sehr schlanke Aufnahme dieser Messe von Pierre de la Rue mit dem Ensemble „The Sound and The Fury“ (5).
Empörte Ablehnung
Als Eduard Schulte im Jahre 1942 die Nachricht vom Vernichtungslager Auschwitz heimlich nach Zürich brachte, glaubte man ihm nicht. Zu ungeheuerlich, was er erzählte (6). Ob es ein billiges Weghören war oder aber die menschliche Eigenschaft, komme, was wolle, Stabilität zu halten und demzufolge dem Ungeheuerlichen, wo immer es vorgetragen wird, die Wirklichkeit zu verweigern, was den Ausschlag für die Abwiegelung Schultes gab, spielt am Ende mindestens unter diesem einen Aspekt keine Rolle: Wer etwas Ungeheuerliches plant, ist im Vorteil. Und anzunehmen, es könnte dies den Planenden verborgen bleiben, wäre abwegig. Je ungeheuerlicher, je unfassbarer. Und je unfassbarer, desto unglaubwürdiger die Meldungen darüber. In der Folge stoßen Dekonstruktionen nicht nur auf Ablehnung, sondern auf empörte Ablehnung (7).
Und mit dieser Empörung gehen die sich Empörenden nahtlos ins Narrativ ein, dem das Ungeheuerliche entstammt, ein Ungeheuerliches, das spätestens im Augenblick, da sie es verteidigen, zu einem Teil ihrer selbst wird. So kommt das Banale und das Böse zusammen. Wie gesagt: Vorausgesetzt, das Ungeheuerliche sei ungeheuerlich genug. Für Auschwitz, unnötig es zu sagen, trifft dies zu. Für 9/11, eine andere Dimension trotz allem, vielleicht ebenso. Geschichte wiederholt sich und das Begehren nach Stabilität lädt Verbrecher zu ihren Verbrechen ein.
Das Lux Perpetua von Antoine de Févin (um 1470 bis 1511/12) ― unwahrscheinlicherweise auch von Anthonius Divitis stammend, möglicherweise auch von verschiedenen Komponisten; in der Renaissance sind die Grenzen der Individualität noch durchlässiger ― ist ähnlich wie das Ockeghem-Requiem ein Ausnahmewerk: Nichts klingt ähnlich ― und erst recht nicht in der Version von Marcel Pérès und dem Ensemble Organum. Hört man diese Vertonung, immer noch eine der früheren der Renaissance, hört man den ersten Messesatz, Kyrie eleison, so hätte der Lauf der Dinge und mit ihm das, was der Begriff „Schönheit“ fasst, einen anderen Weg einschlagen können. Vielleicht wäre es nie zum Barock gekommen und das Abendland hätte sich mit dem Buddhismus vereint. Vielleicht wäre die ganze Geschichte archaischer geblieben, erdiger, sinnlicher, wäre diese Totenmesse zum Leitfaden geworden (8).
„Wir müssen herausfinden, ob es sich dabei um eine Strategie handelte, um Opfer einer sogenannten Covid-19-Pandemie zu produzieren. Und sie haben solche Opfer erfolgreich in New York City produziert, indem sie Leute falsch behandelt haben. Es gab mit Sicherheit viele Opfer dieser Falschbehandlungen. Und es gab viele Opfer, als sie solche (Behandlungen) in zahlreichen Ländern bei sehr alten Menschen angewandt haben, als sie sie unnötigerweise künstlich beatmet hatten. Sie haben viele falsche Dinge eingesetzt, während die Diagnose nicht sicher war. Aber sie haben falsche Dinge eingesetzt, um Opfer zu produzieren, vor denen wir Angst haben könnten. Und sie sagten: Das ist Covid-19. Wir können alle daran sterben. Aber sie haben sie umgebracht. Wir müssen das untersuchen. Ich denke, das ist eine Art Genozid. Dem müssen wir sehr ernsthaft nachgehen.“
Das sagt Wolfgang Wodarg, ein unzeitgemäß aufrechter Mensch und Arzt. Vielleicht wird man ihn eines Tages mit Dietrich Bonhoeffer vergleichen, selbst wenn er überlebt. Seinem trockenen Hamburger Humor zum Trotz.
Mythos und Welt
Der Mythos, so der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Kurt Hübner, setzt die Welt mit der Deutung der Welt gleich (9). Diese Aussage ist unverkennbar selbst einem Deutungsmuster eingeschrieben, einem logozentrischen. Und ob nicht der Logos den gleichen „Fehler“ begeht, sei mal dahingestellt. Gleichwohl bringt Hübner ein Muster zur Sprache, das auch für das, was augenblicklich der Fall ist, durchaus trifft. Ganz bestimmt fallen bei „Faktencheckern“ Deutung und Welt zusammen ― und das ist noch zurückhaltend formuliert. Bei aller Kritik an logozentrischen, an wissenschaftsgläubigen Weltbildern: Die derzeitige Zivilisation vermag nicht einmal grundlegende Anforderungen von Modellen zu erfüllen, auf die sie sich beim Zurückweisen „falscher Fakten“ beruft. Wir sind mit Hübners Worten in einen Mythos zurückgefallen. Den Corona-Mythos. Wenn wir dies feststellen und uns auf eine Metaebene begeben: Was bleibt dann über diese Wirklichkeit zu sagen? Wie ist das Modell, das sich nicht mit der Welt verwechselt, zu zeichnen?
Das Requiem in memoriam Josquin Desprez von Jean Richafort (ungefähr 1480 bis 1550) kenne ich in der Aufnahme des Huelgas Ensemble mit Paul van Nevel als Leiter. Das Kyrie entfaltet sich wie eine weiße Blume der Nacht und fließt dann in unendlich weichen Bewegungen bis hin zur Schönheit, der ich als jugendliche Seele damals in den 80ern hinterhergelaufen bin. Der Tod, das Vergehen, das Verschwinden als reine Ästhetik: Für diese Linie ist das Huelgas Ensemble eines der denkbar besten. Zum stillen Schreien ist das und dazwischen, selten, fremd, eine Harmonie, die reibt, die stört und kratzt und die Schönheit ins Schmerzhafte führt. Wie weit das alles mit der Komposition, wie weit mit dem Gesang des Ensembles, wie weit mit meinen Ohren zusammenhängt, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls verschwindet beim Hören dieser um das Jahr 1500 komponierten Totenmesse mein Tinnitus nicht selten gänzlich (10).
Rekapitulation
Im Grunde wiederholen sich die Muster. Seit geraumer Zeit. Es kommt nichts Neues hinzu, auch wenn da noch eine „Impfprobe“ mit diesen oder jenen Partikeln, dort eine Obduktion mit diesem oder jenem Befund bekannt wird. Dass ein wesentlicher Teil der Injektionen nichts Wesentliches enthält, Kochsalz, Placebo, davon ist systemisch gesehen auszugehen und logisch war das gleichsam zu Beginn schon gegeben. Eine Impfung, der terminologisch und pandemisch global der Weg geebnet worden ist ― in nationalen Gesetzesregelungen, man denke etwa an die Änderungen von Impfdefinitionen, weiter mittels Neudefinitionen der Weltgesundheitsorganisation WHO und Notplänen philanthropischer Instanzen ― und die medizinisch nicht indiziert, jedoch politisch um jeden Preis gewollt ist, eine solche Impfung kann einzig eine Versuchsanlage sein. Ein Versuch, der eine Kontrollgruppe braucht, obgleich er strategisch bedingt total durchzuziehen ist. In Anschlag kann deshalb nur bei einem Teil kommen, was ausgetestet werden soll.
Auch im Bereich des Ungeheuerlichen sind Risikoabwägungen vonnöten. Zu verhindern ist bestimmt eine Kontrollgruppe aus Ungeimpften, denn eine solche könnte „Neben“-Wirkungen der „Impfungen“ freilegen.
Nicht freizulegen dagegen sind solche durch eine Kontrollgruppe von angeblich Geimpften, in der Tat aber mit Kochsalz Bedienten, denn Unterschiede bis hin zum Tod teilen sich so nicht entlang einer Linie geimpft-ungeimpft.
Bei Injektionen mit Inhalten kommt es mit Regelmäßigkeit zu Wirkungen, von Fachleuten abseits der Machtzentren ausgewiesen: Blutentnahme nach der Injektion, Obduktionen von Toten, die nach der Injektion verstorben sind. Dabei zeigen sich Wirkungen, von denen systemisch gesehen ausgeschlossen ist, dass sie „neben“ sind. Die Frage, ob beabsichtigt oder nicht, ist indes bereits obsolet angesichts der Verfahren, die angewandt wurden, um in einer ersten Phase die Opfer hervorzubringen, die es erlaubten, den Ruf nach der „Impfung“ zu orchestrieren.
Falschbehandlungen, vor allem Beatmungen, falsche Medikationen und bewusster Verzicht auf bekanntermaßen erfolgreiche Medikamente, flächendeckende Angsterzeugung und Schaffung von Lebensumständen, die für Immunsysteme toxisch sind, nicht zuletzt aber finanzielle Belohnungen für Testungen, die mittels einer vom PCR-Erfinder Kary Mullis (11) ausdrücklich nicht vorgesehenen Anwendung des Testes hohe Zahlen an Befallenen und Toten von Anfang an sicherstellten, sowie weitere Gaben für die Belegung von Intensivbetten in Kliniken ebenso für deren Leerstandsabbau und final natürlich für den Covid-Todesstempel.
Ich habe lange gezögert, dass hier nochmals auszuschreiben, nicht nur, weil, wie gesagt, keine neue Erkenntnis darin einlagert, zumindest keine neue Information, sondern weil die Maschinerie im Grunde nur mit einem syntaktischen Geschwür zu fassen ist, wie ich es nun eben fabriziert habe und das natürlich noch immer längst nur einen kleinsten Ausschnitt abbildet. Aber gerade dieses Sprachgeschwür, diese Metastasensyntax macht am Ende deutlich, womit wir es zu tun haben. Flankiert wurde das Ganze ― irgendwann werden Erklärungen wie „Zufall“ und „Versagen“ definitiv zu schal ― von einer Zahlendeuterei, die jede Wissenschaftlichkeit beleidigt, zumal diese Zahlen, von Institutionen in Monopolstellung über Statistiken der einfachsten Sorte feilgeboten, ohne jede Relation stets auf absolute Höhen hin aufgestellt wurden.
Der Versuch, empirische Untersuchungen und damit störende Erkenntnisse zu unterbinden („Untersucht keine Toten!“) vervollständigt das Bild dieser verästelten Pandemiemaschinerie, welche, über Medien expandiert, die Zivilisation geflutet hat und die von einem Justizwesen weitgehend abgeschirmt wurde und wird, das unabhängige Richter mit unabhängigen Urteilen von der Staatsanwaltschaft überfallen und durchsuchen lässt, während der Staat gleichzeitig neue Richterstellen fortwährend mit gläubigem Personal besetzt. Die erkenntnistheoretische Zerrüttung war allerdings schon über Jahrzehnte nachhaltig (endlich stimmt das Wort!) vorangetrieben worden, sodass die Maschine diesmal ― anders als bei Schweine- und Vogelgrippe ― nicht ins Stottern kommen konnte.
Hoch oben in einem Walliser Seitental setzt mein Kindheitsfreund neben seiner Alphütte eine Art Stall wieder instand, der nur wenige Meter neben der Hütte am Waldrand steht und von dem die Talbewohner sagen, es sei früher eine Maria-Kapelle gewesen. In diese einstige Kapelle von der Größe eines mittleren Hühnerhofes gehört die Totenmesse von Johannes Prioris, der von 1460 bis 1512 gelebt hat. Ungefähr, die Lebensdaten in der Renaissance sind zumeist bloß ermittelt. In diesem kleinen Raum hoch im Val d‘Hérémence nämlich käme die innige Kargheit dieser Missa pro defunctis zu ihrem Recht und da werde ich mich auf den Boden setzen, sobald mein Kindheitsfreund die Arbeit abgeschlossen hat, ein altes CD-Abspielgerät zur Seite, und die Messe zu Ende hören (12).
Einfach nur lesen
Erkenntnistheoretisch entfiel die Möglichkeit, dass es sich bei Corona um ein medizinisches Problem handelt, von allem Anfang an. Der Versuch, über Corona oder auch Sars-Cov-2 einen medizinischen Diskurs zu eröffnen, unternommen von teils hoch dotierten Fachleuten, musste scheitern. Kritische Beiträge wurden unsichtbar gemacht und Autoren, die sich allesamt rein medizinisch äußerten oder äußern wollten, diffamiert. Die Diffamierung setzte ein, und das ist entscheidend, bevor auch nur irgendein Argument diskursiv gewendet werden konnte. Hätte es sich um ein medizinisches Problem gehandelt, wären Beiträge von Fachleuten naturgemäß willkommen gewesen. Bei einem politischen Vorhaben konnten diese Beiträge naturgemäß nur stören.
Das hierbei beobachtbare Muster zog sich sodann durch den ganzen Pandemieverlauf und hält sich bis heute: Niemals wandte sich die exekutive Macht, niemals wandten sich Instanzen wie Faktenchecker und Korrektive, deren Existenz allein die totalitäre Mentalität zum Ausdruck bringt ― der behauptete Meinungsstreit in den Medien bezog sich stets nur auf das Ausmaß der Maßnahmen, in der Tat: Auch in Nazigremien hat man über Maßnahmen in KZs gestritten ― niemals also wandten sich diese Instanzen auf Argumente im Sinne einer Kenntnisnahme beziehungsweise, um sie möglicherweise in exekutives Handeln einzubauen. Vielmehr griffen von Anfang an die Muster des Aufspürens von Schädlingen, der Enttarnung von Systemfeinden.
Auch das ist ein Merkmal totalitärer Regime, die nicht darauf erpicht sind, Opponenten einen Raum für Argumente zu bieten. Vielmehr arbeiten Machtinstanzen und deren Sprachrohre auf die Tilgung dieses Raums samt sozialer Tilgung von „entarteten“ und also die Solidarität störenden „Subjekten“ mithilfe von Diffamierungsbegriffen und Kontaktschuld hin.
Ich halte fest, ein letztes Mal: Hätte es sich um ein medizinisches Problem gehandelt, Stellungnahmen von weltweit führenden Medizinern wären naturgemäß diskursiv aufgenommen und abgeglichen worden. Allein, dass dies nicht geschah, schließt sowohl a priori wie auch a posteriori ein medizinisches Problem aus. In diesem Sinne fungieren unzählige weitere Muster, die sich einstellten, mediale Muster, Muster in Justiz und Politik. Es sind Muster der politischen „Seuchenbekämpfung“, Muster der Rhetorik. Muster, die sich nicht hätten einstellen können, hätte es sich um eine echte Pandemie gehandelt.
Eine der bekannten Totenmessen aus der Renaissancezeit stammt von Cristobal de Morales (1500-1553). In ihr kommt eine Eigenschaft besonders zum Tragen, die sich auch in anderen Kompositionen der Zeit findet: extensives Wiederholen. Zuweilen glaube ich in den ebenso monotonen, nicht selten voraussehbaren und, weil die Erwartung bedienend, gänzlich tief treffenden Harmonien das zu erkennen, was Hunderte Jahre später „Cluster“ genannt wird. Die Ergriffenheit ergibt sich aus der „langen Weile“ der Klänge, die stets im Dunkeln verhallen, sodass nie gewiss ist, ist da noch Klang, ist da Finsternis. Und weil die Musik mehr die Dunkelheit ist denn die Kerzen, die in ihr brennen, klingt sie weit über ihr eigenes Ende hinaus. Für Cristobal de Morales gibt es nur einen Interpreten: den ehrwürdigen Jordi Savall mit seiner Capella Reial de Catalunya und Hesperion XX (13).
Und weiter einfach nur lesen
Ist keine medizinische Ursache gegeben, so liegt die Ursache in andern Feldern. Die Analyse von Mitteilungen (14), gesetzt durch Institutionen, die sich als Steuerungsinstanzen während der Coronazeit etabliert haben, führt zum Ziel. Diese Mitteilungen zielen quer durch vordergründige Funktionen und globale Ziellinien auf die Zementierung von Machtverhältnissen, die demokratisch nicht legitimiert sind. Nun mag man einwenden, dass demokratische Verhältnisse überwiegend zum Schein und jedenfalls immer schon nur lückenhaft gegeben gewesen seien. Ja, das ändert an der Tatsache, dass die Mitteilungen, die exekutive Instanzen beziehungsweise ihre Sprachrohre abgaben und abgeben, durchgängig auf die Löschung von demokratischen Prozessen zielen, indes nichts.
Vielmehr ist nicht einmal mehr die Bemühung gegeben, Demokratie als Fassade zu halten. Anders ausgedrückt: In den Mitteilungen, wie sie unbescholtene Politiker von sich geben, über Grundrechte, Polizeigewalt, über Demonstrationen und Menschen, die sich daran beteiligen, herrscht eine Top-Down-Rhetorik. Die Sprache selbst legt die Absicht frei, insofern sie eine Lage zeichnet, in der die Geltung dessen, was mit der Steuerung der Pandemie und also durch die augenblicklich angewandte Rhetorik erreicht werden soll, bereits vor gesetzt und also implementiert wird. Perlokution vom Feinsten, so kann man das auch nennen (15).
Die Welt, die mit dieser Sprache geschaffen wird, ist eine Welt aus Steuerungsinstanzen. Es sind Machtgebilde, die für die Menschen nicht erreichbar sind und denen stattdessen zu danken ist. Wir steuern dein Leben. Sag Danke. Sagst du wohl danke! Klar. Thank you Bill for your leadership. Der TV-Philosoph Richard David Precht erbittet den Dank in Form von Arbeitsjahren, die dem Staat zu schenken sind.
Alles ist einfach
Lange muss man sich nicht mit diesen Texten der Pandemiebewältigung auseinandersetzen. Sie sind nicht mehrdeutig und stehen für keine unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen. Vielmehr herrscht darin die totale Alternativlosigkeit. Sie sind so global wie homogen und in sich austauschbar. Das heißt, dass hier Instanzen am Werk sind, die einen Plan, den sie qua Übung selber vorlegen, realisieren. Auch das ist keine Deutung, sondern eine Beschreibung.
Zu Beginn mögen sich in der Feinanalyse noch Unsicherheiten bezüglich der Funktion einzelner Inszenierungsbestandteile gezeigt haben. So mochte nicht gänzlich klar gewesen sein, über welches Element zur Hauptsache und im Kern das erreicht werden soll, was als Ziel ausgeschrieben ist, nämlich die globale Steuerung von Prozessen und Menschen. Dieses Mittel oder Instrument ist aber im Laufe der vergangenen Monate schnell deutlich geworden.
Dass die Testungen, dass Masken und sämtliche Einschränkungen der Bürgerrechte wie sogenannte Lockdowns nur ein Vorspiel sein konnten, ließ sich recht bald ablesen, insofern all diese Maßnahmen direkt auf die Impfung verwiesen beziehungsweise diese als Rettung aufbauten, sodass nun, da diese gentherapeutische Injektion in wesentliche Teile der Gesellschaft ab- und hineingespritzt ist, folgerichtig auch nach und nach die aufbauenden Instrumente, die zu keiner Zeit eine medizinische Funktion hatten, verräumt werden können, so zum Beispiel der Inzidenzwert, bald auch die Testungen.
Die Tatsache wiederum, dass bestimmte Maßnahmen für Ungeimpfte gleichwohl erhalten bleiben beziehungsweise gar verschärft werden und gewisse Länder wie Deutschland ― nach Bill Gates ein paradigmatisches Testfeld für die globale Entwicklung ― die Maßnahmen auch dann nicht vollständig aufheben, wenn „medizinisch gesehen“ selbst im Verständnis der Pandemie-Erzählung genügend Menschen „geimpft“ wären ― der Anteil dafür wurde ständig in die Höhe geschraubt, auch das ist ein Beleg für den politischen Charakter der Injektion ―, legt offen, dass es nicht um Gesundheit qua körperliches Wohlbefinden ging und geht, zumal die Impfung laut Narrativ ja zuverlässig vor der Ansteckung, neuerdings allerdings nur noch vor einem gefährlichen Verlauf schützen soll.
Auch diese Verzahnung von Injektion mit Maßnahmenaufhebung beziehungsweise -weiterführung zeigt, dass wir uns in einem gesellschaftspolitischen Krieg befinden, in welchem globale Kräfte die Steuerung sozusagen irreversibel an sich reißen wollen.
Dabei ist nicht mehr bloß die Verhaltensebene angepeilt, der Kniefall vor Gesslers Hut war die Ouvertüre, vielmehr zielt der Eingriff diesmal in das letzte Geheimnis oder den letzten autonomen Raum: den menschlichen Körper, in den allerdings totalitäre Staaten immer schon gedrängt haben, gerade über Gesundheitsnarrative. Mit der „Impfung“ vollzieht sich nun aber ein „Weltexperiment“ (Alexander Kekule, 16) mit dem Ziel der direkten Steuerung auf zellulärer Ebene. Ohne diese Kernfunktion lässt sich das Beharren auf einer Impfung für alle Menschen auf Erden ― und wir dürfen uns immer weiter wundern, wie wörtlich das gemeint ist ― bei einem grippeähnlichen Virus mit einer Letalität von ungefähr 0,23 Prozent (17) in einem Modell, das die Wirklichkeit fassen soll, nicht erklären.
Auch in der Missa pro defunctis von Jacobus Clemens non Papa (ungefähr 1510 bis 1556) entfaltet sich das Requiem aeternam wie eine weiße Blüte der Nacht. Etwas schlichter der Gesang des Brabant Ensembles, zuweilen auch irdischer als der durchaus vergleichbare von Huelgas, das die Richafort-Messe singt. Vor allem in feinen, stillen Passagen jedoch unendlich präzise, kleinsten Figuren zu ihrem Recht verhelfend. Dass Machtmusik nicht mächtig daherzukommen braucht und dass sich aus dieser Macht zuweilen eine irritierende Nähe zum Himmlischen, vielleicht zu Gott selbst ergibt, das ist aus dieser Missa pro defunctis aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts herauszuhören (18).
Was zeigt sich im Innersten?
Es gilt also modellhaft in Perspektive zunehmen: nicht die Sonnenstrahlen des Herbstlichtes, für das mich mein Cousin sensibilisieren will (ich komme darauf zurück), sondern das, was mit diesen „Impfungen“ verknüpft ist und weswegen medizinische Ansätze der Problemlösung wie beispielsweise traditionelle Impfungen, vor allem aber die mannigfaltige Stärkung der Immunsysteme systematisch und global und mit aller Vehemenz bis zur Beseitigung von Hindernissen auch in Form von Menschen torpediert wurden. Recht abstrakt das Vorhaben. Die ganze Maschinerie als ausgeschriebene Syntax hier in diesem Text ebenso. Vor allem wenn man sich nicht eingeschränkt fühlt und also im Grunde keinen Anlass hat zu erkennen (19). Wann und wie die damals gemerkt hätten, dass sie in einer Diktatur lebten? Antwort: Man hat es nur gemerkt, wenn man dagegen war (20).
Diese Merkdistanz zur Macht vorausgesetzt ― und sie leitet sich nicht zuletzt aus Liberté, Égalité, Fraternité (21) ab, sie hätte sich allerdings auch aus der hirnrissigen und jeder Logik spottenden Weise, wie der Pandemiebetrieb durchexerziert worden ist, ergeben können, jedoch hat am Ende diese Hirnrissigkeit die Maschine noch gestärkt, wenn man beispielsweise das Wahlresultat eines Karl Lauterbach zum Grad- und Grabmesser nimmt (22) ―, diese Distanz also vorausgesetzt, hat sich aus dem Fokus, der sich mit der Aufgabenstellung der Modellbildung ergibt, mittlerweile die Antwort klar und deutlich aufgedrängt: Das Vernichtungslager heute ist kein Lager. Es ist aber auch nicht die Impfung selbst. Vielmehr ist es der weltweite, digitale Impfpass ― parallel und wohl weitgehend auch identisch angedacht mit der ID2020. Hierbei als technologischer Kern die Reduktion alles menschlichen Handelns, jeder Entität und am Ende des Seins selbst auf einen QR-Code, basierend auf der DNA. Biopolitik reloaded.
Mensch = Code = codegewordener Code
Das ist die Auslöschung der Individualität, die sich manche vielleicht auch erwünschen (23), allerdings auch der Würde, die mit ihr einhergeht, vor allem aber der Autonomie und der Emanzipation ― Nein, Donna Haraway, und nein, ihr alle, die vom neuen großen Mix träumt: Man sollte Kant nicht zu schnell aufgeben. Vor allem aber: Man sollte genau hinschauen, wofür man ihn aufgibt. Das Ende von Autonomie und Emanzipation indes ist gleichbedeutend mit dem Durchmarsch der Macht und nebenbei mit dem Tod eines jeden Geheimnisses, wie das Jacques Derrida als für den Totalitarismus bezeichnend herausgestellt hat (24). Über diesen QR-Code sich ins Bild zu setzen (25), wäre deshalb das emanzipative Vorhaben schlechthin.
In Fortsetzung ist weiter zu bedenken, dass der QR-Code in seiner verdinglichten Form bald schon obsolet wird, fungiert er am Ende doch immer noch als eine Art Übersetzung und damit als Entität zwischen einer molekularen Anordnung und einer Bündelung (fascis) von Handlungen eines sogenannten Individuums. Die angepeilte Nahtlosigkeit ist erst gegeben, wenn Funktionen gewissermaßen ohne Code gegeben sind, die „Identitäten“ bezeichnen, und vielmehr das ehemals menschliche Subjekt selbst der Code ist und als solcher allein noch sich bewegt. Smartphones und damit irgendwelche Codes, die über dieses vermittelt werden, entfallen sodann. Erst dies ist die Optimierung, die ersehnte Einsparung, das Heil und bedeutet die Nahtlosigkeit, die den Störfall ausschließt. Es ist die vollkommene Steuerung, im Rahmen derer dem Gesteuerten sämtliche Bestimmungen allein und einzig im Hinblick auf diese Steuerung zukommen. Außerhalb seines Daseins als Code zerfällt er. Oder sie. Oder es. Zerfällt alles.
Eugenik, Technologie und Krypto
Dass längst nicht alle ehemals biologisch-seelischen Subjekte oder eben Menschen in diese Welt aus Codes, die sich selbst sind, aufgenommen werden brauchen, versteht sich (wozu auch?). Hier schließen dann eugenische Überlegungen an. Als weiteres Muster, das der Auslöschung zuarbeitet, müsste auch die in „coronakritischen Kreisen“ verhaftete erkenntnistheoretische Naivität des Technizismus erwähnt sein. Nicht nur dass Technologiegläubigkeit weitgehend die Erkenntnis verhindert, dass der Kapitalismus und das, was mit Corona scheinbar über uns an Totalitarismus hereingebrochen ist, einander bedingen, vielmehr führt diese Naivität auch zu hochschwelgenden Kryptogeldträumen. Diese Träume haben die gleiche technologische Basis wie der QR-Code: Blockchain. Die Usurpation ist somit von allem Anfang an eingeschrieben und so findet sich wohl überrascht dann wieder an Bill Gates Brust, wer im Namen der Freiheit und bewaffnet mit Kryptogeld gegen das Pandemieregime losgezogen ist.
Es gibt, so viel ich weiß, nur eine Aufnahme des Requiems von Pierre Certon (um 1510 bis 1572). Sie stammt aus dem Jahre 2012 und es hallt wunderbar im Raum. Kirchenglocken inklusive. Versetzt mich die Aufnahme des Requiems von Févin mit dem Ensemble Organum in die buddhistischen Höhen Ladakhs, so erwache ich beim Erklingen der Totenmesse von Certon an einem frühzeitig heißen Sonntagmorgen (oder war es Samstag?) des Jahres 2000 im katholischen Stammesland. Zum Beispiel im Kloster San Antimo, einige Kilometer südlich von Montalcino, umgeben von gleißendem Licht, durch die hohen schmalen Fenster einfallend, und kühlenden Mauern. Der Chor, der singt, ist für uns Zufall. Wir haben von nichts gewusst, haben das Kloster einfach so betreten. Und sind nun ergriffen. Originell, gar individuell kann diese Musik nicht sein. Stattdessen spendet sie Trost. Gefährlich viel davon. Erfüllt, schwer, betrunken verlässt man die Kirche, wenn Certons Messe zu Ende ist (26).
Auslöschung und Geld
Wozu die Auslöschung? Weshalb wird sie vorangebracht? Nun, zunächst geht es in der Tat auch um Geld. Und doch, selbst wenn es um Geld geht ― das Finanzsystem kracht zusammen, und die, die dafür verantwortlich sind, wollen noch retten, was es zu retten gibt: banal ― selbst wenn es also in diesem Sinne ums Geld geht, geht es bereits um deutlich mehr als um Geld. Es geht um den verzweifelten Versuch, Stabilität zu halten, diesmal vonseiten der Eliten. Bestimmt geht es aber auch um Raffgier als solche, also um Irrationales, zumal Geld gerade auch für die, die es in diesem Fall retten wollten, jeder Anschauung entglitten ist.
Es geht um Raffgier als Geste, als Reflex gar und als Ursache, die Welt auszulöschen. Sie nennen es „das Klima retten“, die Philanthropen, vergessen wir das nicht. Das alles, wie gesagt, ist ziemlich banal und wird erst komplexer, wenn man die Strukturen mit in den Fokus nimmt, welche die Herausbildung von Eliten ermöglichen: bestimmt logozentrische, bestimmt kapitalistische Strukturen. Bestimmt auch Strukturen, welche die Anlage des Menschen zum Gehorsam bedienen. Denn diese Eliten sind nicht nur der Eliten wegen Eliten, sondern ebenso von der Masse herausgeformt. Dazu gehört die Machtverschleierung in allen Richtungen. Wer will schon Streit zum Feierabend, wer will sich Weihnachten versauen, das Fußballspiel ― oder den Zauber der Sonnenstrahlen im Herbst.
Keine Lust mehr
Ist dem Menschen das Menschsein verleidet? Oder reicht für das Ende des Menschen bereits, wenn gewissen Menschen das Menschsein verleidet ist? Den Mächtigen etwa, die es ― oh Wunder ― gibt? Verleidet, weil sie zum Menschsein nicht fähig wären, zur Sinnlichkeit, zur Schönheit, nicht bereit für die Dichte eines Augenblicks, für die Schönheit der Totenmessen? Weil ihnen Bäume nichts sagen und sie beim Streifen durch weite Wiesen stets nur an Zecken denken? Nicht fähig fürs Analoge? Klaus Schwab etwa, Angela Merkel, Wesen, die sich als Zombies oder Cyborgs wohler fühlten? Weil sie die Langeweile in sich haben und die ohne Auslöschung nicht wegbekommen? Nein, nicht Langweile: Leere und Hässlichkeit. Oder ist es ihnen am Ende gar nicht verleidet, das Menschsein, und sie hätten bloß einfach Angst? Lichterlohe Angst? Vorm Leben? Vorm Tod?
Die Missa pro defunctis von Jacobus Vaet (1529 bis 1567) stammt aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Sanctus, Agnus Dei und Lux aeterna: Das sind die Teile, die ich besonders hervorheben möchte, weil sie mir individueller scheinen als andere Kompositionen zur gleichen Zeit. Eigenartiger auch. Bestimmt geht dies auch auf den markanten Countertenor des Dufay Ensemble zurück, dessen kantiger Gesang einen zuerst missfällt. Wem es aber gelingt, in dieser Stimme das Kristallene zu hören, der erlebt eine Totenmesse hell und licht und fern von Angst (27).
Apparatepark
Gehe ich durch den Park und sehe die Menschen mit ihren Hunden, wie sie sich echauffieren über ihre Tiere, wie sie bei ihnen die Liebe suchen, wie sie ihnen den Meister zeigen, und vergegenwärtige mir gleichzeitig, was Google in diesem Augenblick, da sich diese Menschen in schrulligen Gesten echauffieren und ihren Hunden böse oder lieb zusprechen, was Google in diesem Augenblick mit allen seinen Denkfabriken gerade so treibt: Steuerung über Nanopartikel, Etablierung von Schnittstellen, Überwindung von Zeit, Eindringen in letzte Räume, Steuerung von Bewusstsein und Denken beziehungsweise von dem, was davon übrig geblieben ist; was Google also so treibt mit dem Wesen, das sich vor meinen Augen gerade fürchterlich aufregt, weil der Hund nicht apportiert, wie er sollte, so klafft da eine Lücke, an deren Füllung ich nicht mehr glauben kann. Indes, auch die, die bei diesen Projekten dabei sind, einige zumindest, gehen am Abend womöglich noch in den Park mit dem Hund Gassi. Der Park mag ihnen gehören, aber das verändert an ihren Gesten nichts.
Warte ich vorm Schulhaus auf meine Tochter und sehe sodann, wie Kinder und Jugendliche aus dem Gebäude strömen, mit welchen Gesten, mit welchen Blicken, mit welchen Wörtern (ich schnappe durchaus einiges auf), so denke ich gegen meinen Willen: Es sind Apparate. Um mich herum bloß Apparate. In einem Apparatetheater bin ich gelandet. Das denke ich. Und dann weiter: So haben sie sich bewegt, vor Jahrzehnten, so bewegen sie sich noch immer. Die Mädchen nun wieder bauchfrei und die Hosen gänzlich sonderbar und nach meinem Urteil unvorteilhaft weit nach oben gehievt. Und doch bleibt noch Platz für etwas freie Haut unterhalb der Brustpartie. Die Jungs allerdings schon äußerlich wenig auffällig, Transen erkenne ich keine.
Wenn ich das also sehe, so glaube auch ich zuweilen an keine Individualität und keinen Geist mehr, und denke, es muss nicht bloß einfach sein, sondern am Ende auch in sich stimmig, diese mechanistischen Figuren über Apps und QR-Codes einzufangen. Erst wie ich dann meine Tochter erkenne, sehe ich den Menschen wieder und dann geht mein politischer Kampf wieder los und weiter. Gleiches gilt vielleicht auch für die schlanke, langhaarige Frau gegenüber auf dem Bürgersteig, die ebenso auf ihr Kind wartet. Bloß gehört bei ihr meine Tochter mit zur Apparatur. Und wohl auch ich.
Wie sieht der Kampf aus? Widerstand, Krieg?
Ich kenne Politaktivisten. Sie suchen nach Tätern. Legen Verbindungen zu Finanzquellen offen, Verbindungen zwischen Konzernen, zu Verbrechersyndikaten, zur Eugenik. Ich dagegen weiß, womöglich eine der Totenmessen im Ohr, es ist nicht wichtig, welcher Virologe sich für welchen Teil der Ungeheuerlichkeit einspannen lässt. Nicht wichtig, welcher Politiker sich für welchen Lohn am Krieg beteiligt. Nicht wichtig, welcher Konzern welchen Beitrag zum QR-Code leistet. Die sind alle ebenso austauschbar wie die Schafe.
Ob nun die Mega-Group am meisten Geld beisteuert, ob Bill nach der Trennung von Melinda zu vergessen sei oder doch nicht, wer überhaupt die Fäden zieht, wer in welchem Labor zu welchem Zweck dies oder jenes forscht und entwickelt, diese oder jene Partikel in Injektionen mischt, welcher Geheimdienst nun besonders emsig koordiniert, MI6, Mossad oder doch CIA, ob nun die USA oder China das Ganze antreiben oder doch beide zusammen oder keiner von beiden ― das alles ist nicht wichtig. Denn der Widerstand geht nicht gegen Gates. Oder gegen China oder gegen ein Labor oder gegen jenen Konzern und die Mega-Group. Oder sieht ein Widerstand gegen Gates etwa anders aus als ein solcher gegen Schwab? Und wie kämpft man gegen einen QR-Code? Indem man gegen Schwab kämpft? Sein Haus anzündet?
Soll der Mensch, wie wir ihn zu kennen glauben, verteidigt werden gegen einen Cyborg ― es mag dieses Bild schon schief sein, aber ich spanne es gleichwohl auf ―, gegen einen QR-Code, ein Transenmodell, das es von der romantischen Androgynie abzutrennen gilt, so ist kein Krieg zu führen gegen jenen Konzern, gegen diesen Geheimdienst, gegen jene Pharmabande, jenes Labor, gegen diesen oder jenen Virologen, es gilt vielmehr ALL DAS zu durchschauen und zu überwinden.
Der Kampf für das Leben, was ich meine, nähme keine Richtung, indem er einmal gegen diesen Konzern, einmal gegen jenen Philanthropen loszöge. Auf dass die Menschen auf Verbrechen, so ungeheuerlich sie sein mögen, nicht mehr anspringen, nicht mehr hereinfallen, diese nicht mehr zu ihrem Narrativ machen.
Anzusetzen wäre demnach nicht bei den Mächtigen, sondern bei den Massen.
Maschine sehen, Radar unterlaufen: erste Lektion
Widerstand, der diesen Namen verdient, beginnt mit einem Bewusstsein für die Existenz der Maschine, deren Teil wir sind. Erst dieses Bewusstsein differenziert diese Maschine und lässt sie hervortreten. Das ist die Bedingung, um sich von ihr zu emanzipieren. Dieser Ausstieg aber kann nicht ein Austreten sein. Das wäre von einem sozialen Wesen zu viel verlangt. Vielmehr muss Sand rein, Sand ins Getriebe. Die Maschine zum Stocken bringen, zum Stehen. Den Gang mit der Zeit beendigen. Der Schlüssel hierzu ist das Unterlaufen des Radars beim Sandtragen, denn: Die Maschine wird es immer geben, auch wenn sie steht. Freiheit ist das Unterlaufen von Macht. Und die Grundlage dafür, die Grundlage jedes autonomen Tuns ist das Ende der Angst. Vorm Leben. Vorm Tod.
Wie wäre eine erste Schulstunde ― nein, ich bin nicht gegen Schule als Freiraum fürs Denken, aber den Begriff „Schule“ wäre als einer der ersten zu streichen ― anzulegen? Wie müsste sie aussehen? Eine Lektion, die nach Jahrzehnten der systematischen Aushöhlung und Stilllegung von Gehirnaktivitäten im frontalen Bereich über die Mittel des Spaßes und der Werbung Menschen wieder befähigen soll, wie sieht sie aus? Befähigen zur Vielschichtigkeit, zur Mehrperspektivität, zur Machterkennung, Kritik und Subversion? Zu Versuch und Irrtum? Irrtum vor allem? Das ist die Frage. Dabei könnten Ansätze wie etwa derjenige einer Donna Haraway, der auf naive, mitunter geschwätzige und dann wieder ansteckende Weise versucht, Zusammenleben neu zu fassen und das Anthropozentrische zu überwinden, bestimmt eine Rolle spielen.
Nicht um die Wiederherstellung alter Muster ginge es nämlich, nicht um bloße Bewahrung. Doch müsste ― das fehlt bei einer Haraway und anderen gendertreuen DenkerInnen weitgehend ― zuallererst überhaupt ein Instrumentarium geschaffen sein, um aus Manipulationen herauszutreten, und das bedingt: Instanzen, die manipulieren, eben zu erkennen. Nicht weil es darum ginge, sie in einem Krieg zu erledigen, sondern weil das Erkennen der Instanzen und das Erkennen der eigenen Manipuliertheit aneinander geknüpft sind. Ohne diese Dekonstruktion werden alternativ angedachte Modelle wie etwa Haraways Fadenspiele (28) als Metapher für neue Formen des Austauschs zwischen Lebewesen selbst zu einem Instrument der Machtzementierung.
Zu spät?
Allerdings hemmt ein Gedanke die Planung der Lektion: Kommt die Lektion nicht zu spät? Gehen die Prozesse, die eine Rettung des Geheimnisses und eine Öffnung hin zu autonomen Räumen unumkehrbar verunmöglichen, nicht zu schnell voran? Setzt die Technologie Möglichkeiten des Gehirns wie Kritik, Skepsis und Subversion nicht endgültig außer Kraft ― beispielsweise durch steuerbare Nanopartikel, die menschliches Handeln auf zellulärer Ebene glätten? Sind Umkehrprozesse noch einzuleiten oder müsste, weil die Zeit dafür nicht gegeben ist, erst mal doch ein strategischer Krieg her, um diese Zeit überhaupt zu bekommen? Wäre das Chaos, das zwecks blockwartmäßiger Herdenbildung hergerichtet worden ist, wäre die gezüchtete Angst nicht gar ins Lichterlohe zu vergrößern, rechtzeitig und sehr bald, auf dass die Prozesssteuerung den Eliten entglitte?
Die Missa pro defunctis von Duarte Lobo (1565 bis 1646) ist vielleicht das letzte Requiem der Renaissance. Komponiert in Portugal um das Jahr 1620, als man anderswo schon längst vom ätherischen Clustergesang Abschied genommen hat und zum dramatischen Schein des Barock übergangen ist und als sich nicht zuletzt Bachs Geburt am Horizont schon so bisschen abzuzeichnen begann. Neu ist denn auch nicht unbedingt, was der portugiesische Meister in seiner Totenmesse in Klänge setzt. Aber es erstrahlt noch einmal die geballte Schönheit des polyphonen, also mehrstimmigen Gesangs. Es ist die Schönheit, die sich aus tektonischen Verschiebungen, Ineinanderverwebungen und -verwehungen von Klängen ergibt, wie dies nur die Renaissance zu erzeugen vermochte. Giovanni Pierluigi da Palestrina und Orlando di Lasso und alles, was aus der machtnahen Ästhetik an Höfen und Kathedralen hervorgegangen ist, klingt noch einmal an, etwas verblichen durchaus, aber gerade deshalb schaudererzeugend. Etwa in den wunderbaren Figuren der hohen Stimmen im Kyrie (29).
Letzte Worte
Ja, es gibt die Maschine. Und nein, man braucht das nicht alles planen. „Man kann das doch gar nicht alles planen, das könnte niemals geheim bleiben“, so der bekannte „erkenntnistheoretische Einwand auf Butterniveau“. Die eine Instanz, die alles setzt und alles durchposaunt bis in alle Verästelungen, gibt es nicht. Es gibt Zentren der Macht. Es gibt Interaktionen, Wechsel- und Zusammenspiele. Eine Entscheidung braucht keine Transparenz, schon gar nicht gegen unten. Es sind Abläufe und Prozesse, wie Franz Kafka sie im „Process“ und im „Schloss“ zeichnet, die das Geschehen bestimmen. Prozesse, die ohne Machtzentren nicht denkbar sind und die sich gleichzeitig weitgehend außerhalb der Zentren vollziehen.
Dass ein Großteil der Handlungen auf Antizipation von Macht beruht, zeigt Kafka ebenso. Vorauseilender Gehorsam, so könnte man reduzierend auch sagen.
Auschwitz ist zwar das ungeheuerlichste Produkt einer Top-Down-Rhetorik, aber selbst da gilt die Antizipation. Pflichterfüllung. Weisung von oben. In Kombination mit Solidarität sind damit 90 Prozent der Inszenierung erledigt. Die Inszenierung, die läuft, hat nicht einen Regisseur. Nicht einen David Lynch, einen Frederico Fellini. Solche treten auf, durchaus, in einzelnen Schichten sozusagen, in Settings, Modulen. Das Ganze aber, weil stets von unten gegengetragen, läuft über eingespielte Muster. Automatismen gar. Soziale Propaganda. Wer Kafka kennt und begreift, fasst sich an den Kopf, wenn Agenden mit dem Einwand, das wäre nicht zu planen, für Hirngespinste erklärt werden.
Ein zweites letztes Wort: Vernichtung tendiert dazu, als Reinigung verklärt zu werden. Eugenik. Die Aufhebung der Gleichheit, die Reimplementierung einer Linie, an der sich das Werte vom Unwerten scheidet, das Solidarische vom Egoistischen, das Gesunde vom Kranken, das Geimpfte vom Ungeimpften: Das hat eine Tradition und ich gehe nicht davon aus, dass sich diese Scheidung ausschließlich in logozentrischen Kulturen zeigt. Die Verklärungsformen mögen differieren, die Verklärung an sich nicht. Die Reinigung und damit die Verklärung ist von Politikern, die beflissen Order ausführen, von Hirten ― ausgenommen den Zynikern unter ihnen, die um das Ziel der Vernichtung wissen und weder sich noch anderen eine Erlösung einreden ― am Ende immer „gut gemeint“.
Das Böse ist in diesem Sinne nicht nur banal, es ist auch gut. Die Vernichtung ändert dadurch ihren Charakter qua Vernichtung aber nicht. Und es hat auch niemand die Absicht, diesen Charakter zu ändern, insofern es die Vernichtung ja braucht für die Reinigung beziehungsweise das Reine, Arische, Virenfreie, das angepeilt und qua Verklärtes offen postuliert wird. Das gilt für eine Angela Merkel, um für einmal Namen einzufüllen, wie für einen Adolf Hitler. Es gilt für alle. Im Muster, es braucht wieder mal eine richtige Katastrophe, ist es angelegt. Ebenso, wenn linke Ideologen Lockdowns zum Ende des Kapitalismus verklären, derweil die Gewinne eines Jeff Bezos und eines George Soros in alle Höhe schnellen.
Neandertaler
Ob am Ende mehr Tote aus der Coronareinigung hervorgehen als aus dem 2. Weltkrieg und seinen Säuberungen, das wird sich erweisen. Ausgeschlossen ist es nicht. Allerdings sollte es der Homozid sein, der nun tatsächlich folgt, so womöglich ohne eine Geschichte, ein Narrativ. Cyborgs nämlich werden dafür womöglich kein Interesse fassen. Wie auch nicht für erste Küsse, für geheime Verstecke in der Scheune hinterm Wald, nicht für Goethes Werther, nicht für Pink Floyd, nicht für Lammbraten und nicht für die Schönheit eines hölzernen Kneipentisches und der Totenmessen aus der Renaissance. Die Neandertaler hätten sich gewehrt, als sie verdrängt wurden. Ist mir gesagt worden. Sie wollten nicht unbemerkt verschwinden. Hofften auf ein Narrativ. Auf LeserInnen. Vielleicht ist es das.
„Auch Orazio Vecchis Totenmesse steht am Ende der Renaissance. In der Interpretation durch Graindelavoix mit Björn Schmelzer wird das unwichtig. Zeiten lösen sich auf. Kulturen ebenso. Korsisch, georgisch, baskisch, arabisch muten die Stimmen an, die erschallen und die Musik aus der ätherischen Schönheit der Renaissance abführen, um dieselbe Schönheit, nun aus einer Differenz dargeboten, aus nie gänzlich zusammenfindenden, sich indes im Ringen darum auf nie dagewesene Weise doch vereinigenden Stimmen sieben Etagen höher (oder weiter oder tiefer oder entfernter oder inniger) zurückzureichen. Es ist ein Vermächtnis, wie Graindelavoix diese Musik angeht, und ob es ein logozentrisches Vermächtnis ist, ein individuelles, anthropozentrisches, ein kaukasisches, ein abendlandfernes, ein weibliches, männliches, kindisches, begriffsloses: Die Frage danach wird im Oszillieren der Klänge unverständlich.
Nur eines ist sicher: Cyberstimmen sind das nicht. Wer verstanden hat, was hier abgeht, für den sind Versuche, die alten weißen Männer aus der Musikgeschichte zu verbannen, nicht einmal mehr lächerlich. Dabei schert sich diese Totenmesse, so dargeboten, in keinem Augenblick um all die Ungeheuerlichkeiten rund um politische Korrektheit und andere Korrekturen, Kontrollen und Zensur. Sie zeigt vielmehr, was in diesen Tönen liegt, und zieht das Unerhörte und jedem Zentrismus Abgewandte und Ferne in den Klang hinein. Und so bricht die Renaissance als gebrochene auf sich selber herein, die Schönheit mit ihr ebenso. Nein, nicht dass Orazio Vecchi (1550 bis 1605) ein schwaches Requiem geschrieben hätte, aber wenn Polyphonie so ungeglättet, so radikal offen angelegt ist, braucht es den Komponisten als Individuum bald nicht mehr, um mit einem gleißenden Lux aeternae die Welt zu fluten. Und nach Orazio Vecchi geht es weiter auf der CD und Graindelavoix singt Messeteile eines noch unbekannteren Komponisten und man weiß nicht mehr, wohin mit den Ohren, mit den Sinnen vor lauter Schönheit, Tod und Leben“ (30).
Lux aeterna
Die Requiems, die hier im Text erscheinen, stammen alle aus der Zeit der Renaissance. Die Verschmelzung von Schönheit und Macht ist da besonders ausgeprägt. Die Komponisten hängen vollumfänglich an den Fäden der Höfe und des Klerus. In diese Nähe hinein also ist die Betörung gesetzt, dieser polyphone, ätherische Gesang zu Ehren der Toten und aus allen Funktionen Abgegangenen. Nur die Musik ist ihnen noch. Die letzte Funktion der De functorum. Eine nie endende, selbst wenn kein Mensch mehr wäre, der liest, der hört.
Das Schöne sehen, das Schöne hören. Ich habe es getan. Ich tue es immer wieder. Orazio Vecchi. Mit Graindelavoix. Dieser Name! Und das ist nicht losgelöst von den Sonnenstrahlen im Herbst zu sehen. Ja, ich möchte den Cousin nicht leichtfertig der Teilnahme bezichtigen. Ich selbst nehme teil. Schönheit verzaubert nicht nur, blendet, sie schafft auch Bewusstsein, hilft Auschwitz zu erkennen: als Ort ohne Geheimnis, des Erbarmens (vielleicht) und der totalen Führung. Thank you Bill for leadership. Das wird mit zersetzt in den Totenmessen von Richafort, von Févin, von Ockeghem. Die Kunst dabei: Schönheit, erzeugt im Schatten der Macht, über diese zu erheben. Und sich nicht blenden zu lassen. Wer keine Angst hat, braucht keine Blendung. Lux aeterna: Das sind keine Scheinwerfer auf KZ-Gelände. Das ist ewiges Licht.
Quellen und Anmerkungen:
(1) CD Johannes Ockeghem: Requiem, Ensemble Organum, Marcel Pérès, 1993, aufgenommen in der Abbaye Royal de Fontevraud.
(2) Dass hier Komponenten einer Religion anzutreffen sind, hat beispielsweise der katholische Geistliche Carlo Maria Viganò erkannt. Und damit natürlich auch den Angriff auf den, aus seiner Sicht, wahren, echten Glauben. Corona als Ersatzglaube: Nur wenige kirchliche Würdenträger haben das so deutlich herausgestellt. Die meisten, so auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirchen Deutschlands Heinrich Bedford-Strohm, versuchen vielmehr, ihre eigene Kirche als Subsystem im Coronaglauben unterzubringen.
(3) Ein neuestes Beispiel: An einer Onlinekonferenz von Eltern einer Klasse und Schulleitung eines Kölner Gymnasiums wurde ein Kind mit Maskenbefreiung für den „Ausbruch“ von Corona in der Klasse verantwortlich gemacht. Die Vehemenz und das verwendete Vokabular, die bei dieser Zuweisung zum Anschlag kamen, liegen gänzlich auf der Linie der Schädlingsbekämpfung. In der Terminologie, die sowohl für dieses Kind als auch für dessen Mutter Anwendung fand, diese kurzerhand als Querdenkerin stempelnd, lag die ganze Wucht der Corona-Inszenierung, wie sie aus ARD und ZDF hervorbricht. Im Kern wurden sowohl das Kind als auch die Mutter durch die verwendeten Begriffe als autonome Subjekte gestrichen. Eine einzige mutige Votantin hielt dagegen und also gegen den Geist der Zeit. Immerhin ließ die abschließende Stellungnahme des Schulleiters durchblicken, dass er sich bei dieser Art der Schädlingsbekämpfung nicht wohlfühlte. Er bedankte sich bei der mutigen Votantin und erklärte die „Diskussion“ für beendet.
(4) Donna J. Haraway zeigt in ihrem Buch „Unruhig bleiben“ Möglichkeiten eines neuen Zusammenlebens von Lebewesen. Sie benutzt hierfür (ich nehme an als Bild) Fadenspiele, die sich durch eine Handlung, eine Bewegung stets neu konfigurieren. In diesen Fadenspielen sieht sie die Individualität, ein Merkmal der abendländischen-logozentrischen und explizit der Kant‘schen Philosophie, überwunden (Das Buch, das sie selber schreibt und das sie mit Donna J, Haraway anschreibt, gehört aber offenbar noch dem überwundenen Bereich an ...). Bestimmt kommt Haraway in vielerlei Hinsicht – zu nennen wäre etwa die Affinität für Genderkonzepte, für Cyborgs, für dekonstruktivistisch angehauchte Sprachspiele und die generell machtverschleiernde und insofern sedative Ausrichtung des Buches – gegebener Macht entgegen. Das Buch liegt insofern auf der Linie der Leitmedien und wurde auch so besprochen. Allerdings darf der darin enthaltende Versuch, Kommunikation zwischen Menschen und Tieren beziehungsweise zwischen Lebewesen überhaupt, die Haraway in der deutschen Übersetzung „Kritter“ nennt, neu anzudenken, nicht vorschnell gänzlich auf eine systemtreue Linie reduziert werden. Es finden sich darin durchaus Ansätze einer Kritik von Anthropozentrismus wie auch des Kapitalismus, die mit dem Verweis auf die offensichtlichen Mängel des Buches nicht mitverworfen werden sollten. Ich greife hier Haraway deshalb sozusagen stellvertretend für eine Haltung und eine Praxis auf, bei der Entwicklung eines Modells für das, was zurzeit in der Menschheit abgeht, auch Konzepte, die auf einen ersten Blick hin eng verknüpft mit Interessen der Macht und also des Totalitarismus scheinen, einzubeziehen und mitzudenken.
Donna J. Haraway, Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän, Campus-Verlag 2018, Originaltitel: Staying with the Trouble, 2016.
(5) Pierre de la Rue: Missa pro defunctis, auf CD High Renaissance, New London Chamber Choir, James Wood; musikalisch vorzuziehen ist die Live-Aufnahme auf YouTube mit dem Ensemble The Sound and the Fury.
(6) Es hat auch solche gegeben, welche die Nachricht geglaubt haben. Mit großer Wahrscheinlichkeit gehörte der spätere CIA-Chef und damalige Mitarbeiter der US-Botschaft in Bern Allen Dulles zu diesen. Er hat, wie David Talbot belegt, die Nachricht, die ihm durchgesteckt wurde, eine Zeit lang liegen lassen, vergleiche David Talbot: Das Schachbrett des Teufels. Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas heimlicher Regierung, Westend-Verlag 2017, original: The Devil´s Chessboard, 2015; nicht alles ist glaubwürdig belegt in diesem Text, die Hauptlinien allerdings schon.
(7) Genau von diesem Mechanismus zehrt die Gute-Nacht-Geschichte „Von Türmen, Gift und Gas“ von Teer Sandmann, die auf Rubikon und später im Band „Der Strick des Glücks“ publiziert wurde, vergleiche auch hier.
(8) CD Anthonius Divitis, Antoine de Févin: Lux perpetua, Organum, Marcel Pérès, 2012, aufgenommen in der Abbaye de Sylvanès.
(9) Vergleiche Kurt Hübner: Die Wahrheit des Mythos, München 1985.
(10) CD Jean Richafort: Requiem. In memoriam Josquin Desprez, Huelgas Ensemble, Paul van Nevel, 2002.
(11) Kary Mullis war ein US-amerikanischer Biochemiker (1944 bis 2019), der 1993 gemeinsam mit Michael Smith den Chemienobelpreis für die Entwicklung der Polymerasekettenreaktion (PCR) erhielt.
(12) CD Johannes Prioris: Missa pro defunctis, Capilla Flamenca, Joris Verdin. Es sind weitere geistliche Gesänge von Prioris enthalten sowie Orgelstücke von Hans Kotter, Jacobus Buus, Bonifacius Amerbach, Pierre Attaignant und Arnolt Schlick.
(13) CD Cristóbal de Morales, Officium defuncorum, Missa pro defunctis, La Capella Reial deCatalunya, Hesperion XX, Jordi Savall, 1992.
(14) Hierbei beziehe ich mich auf sämtliche Pandemie-Vorbereitungsübungen beziehungsweise die dazu greifbaren Texte oder auch Videoaufzeichnungen, angefangen bei „Event 201“ wenige Monate vor Ausbruch der Inszenierung bis zu jener der Rockefeller Stiftung im Jahre 2010 („Scenarios for the Future of Technology and International Development“) und weiter noch zurück zu „Dark Winter“, ebenso den WHO-Report „World at Risk“ aus dem Jahre 2019 und sein Update und das Strategie-Papier von Deloitte und Salesforce nach Start des Events im April 2020 mit dem Titel „The World Remade By Covid 19“ und dem noch bezeichnenderen Untertitel: „Scenarios for resilient leaders“ wie auch auf den wiederum von der Rockefeller Stiftung verfassten „National Covid-19 Testing Actionplan“. Ich belasse es an dieser Stelle bei dieser summarischen Erwähnung, im Detail diskutiert wird die totalitäre Rhetorik all dieser Texte in Teil 2, vor allem aber Teil 3 der im September 2020 bei Rubikon erschienenen Trilogie „Der Supergau“ von Teer Sandmann. Ebenso gut belegt sind diese Texte in Paul Schreyers mittlerweile in weiten Aufklärungskreisen bekannten Video „Planspiele“ und in seinem Buch „Chronik einer angekündigten Krise“, ebenso aus dem Jahr 2020 und von den Systemmedien fast unisono totgeschwiegen.
(15) „Perlokution“ ist ein Begriff aus der Sprechakttheorie. Vereinfacht besagt er: Indem man spricht, tut man etwas. Oder auch: Es gibt sprachliche Äußerungen, die „tun“ etwas, indem sie geäußert werden. Sie vollziehen das Gesagte.
(16) Alexander Kekulé, neben Hendrik Streeck immerhin ein zweiter eingebundener Mediziner Deutschlands mit einer gewissen Eigenständigkeit, spricht in seinem Podcast von der Impfung als einem „Weltexperiment“.
(17) Vergleiche die Studie von John Ioannidis und Cathrine Axfors aus diesem Jahr.
(18) CD Jacobus Clemens non Papa, Missa pro defunctis, The Brabant Ensemble, Stephen Rice, 2011. Mit weiteren geistlichen Werken von Jacobus Clemens.
(19) Hierfür hat Teer Sandmann ebenso in Supergau, Teil 2 die Figur „Roberto“ eingebaut. Sie steht für all jene, die sagen, mich schränken die Ausgangsbeschränkungen nicht ein, ich spüre keine Diktatur, meine Probleme sind andere.
(20) Ich referiere hier aus dem Gedächtnis heraus einen Vortrag von Ken Jebsen, im Rahmen dessen er wiederum auf Uli Gellermann Bezug nimmt, der seiner Mutter eben diese Frage gestellt und von ihr diese Antwort bekommen hätte. Als Zitat ist das nicht zu verstehen, ähnliche Fragen und Antworten sind auch mir schon durch den Kopf gegangen, allerdings finde ich diese Fassung doch sehr passend.
(21) Auf diese Losung der Französischen Revolution, vor allem auf die erstgestellte „liberté“ referiere ich in der vierteiligen Folge „Zivilisation im Korsett“, im Rahmen derer ich die Angst vor der Freiheit als eine wesentliche Erklärungsschicht für das linke Eingehen in den totalitär-faschistoiden Gehorsam dieser Tage freilege, siehe Teil 1. Eine modifizierte kürzere Fassung findet sich in dem, dieser Tage erschienen Buch „Schöne neue Welt Agenda 2030. Vom Fall der Demokratie und dem Aufstieg einer totalitären Ordnung“, herausgegeben von Ullrich Mies im ProMedia Verlag Wien.
(22) Siehe: https://de.rt.com/inland/124841-lauterbach-nach-direktwahlerfolg-im-gluck/
(23) Ich verweise hier für Interessierte nochmals auf das Buch „Unruhig bleiben“ von Donna Haraway (vergleiche Fußnote 4), in dem zwar in vielerlei Hinsicht gender- und cyborgkonform und doch mit einigen bedenkenswerten Ansätzen nach einer Überwindung des als logozentrisch begriffenen (und unter anderem mit der Philosophie Kants verknüpften) Konzepts der Individualität gesucht wird.
(24) „Der Totalitarismus ist das zerstörte Geheimnis“, vergleiche Klaus Englert, Ein doppelter Außenseiter ― zum 85. Geburtstag von Jacques Derrida, https://www.deutschlandfunkkultur.de/85-geburtstag-von-jacques-derrida-ein-doppelter-aussenseiter.1079.de.html?dram:article_id=325069, aufgerufen am 3. Februar 2021.
(25) Von Corey Linn findet sich hier, Teil 1, Teil 2, Teil 3 und Teil 4 eine sehr informative Darstellung, der allerdings in Teilen die Mängel des investigativen Journalismus anhaften, so zum Beispiel eine banale moralische Gegenschablone von Gut und Böse, die immer wieder über das Ausgeführte gelegt wird.
(26) CD Pierre Certon, Requiem a la Sainte-Chapelle, Vox Cantoris, Jean-Christophe Candau, 2012.Die Messe wird vervollständigt mit geistlichen Werken von Claudin de Sermisy, Jean du Moulin und Jean Mouton.
(27) CD 4er-Box Vaet, Sacred Music.CD 1: Requiem. Dufay Ensemble, Eckehard Kiem, 2016 als Box erschienen. Aufgenommen in den Jahren 2002, 2004 und 2007. Auch die anderen drei CDs enthalten geistliche Musik von Jacobus Vaet.
(28) Vergleiche hierfür auch Fußnoten 4 und 23.
(29) Duarte Lobo, Missa pro defunctis, auf der CD Manuel Cardoso/Duarte Lobo, The Sixteen, Harry Christophers, 1994 mit weiteren geistlichen Werken der beiden Komponisten.
(30) CD Orazio Vecchi, Requiem. Ruben‘s funeral and the Antwerp Baroque. Graindelavoix, Björn Schmelzer, 2017. Zusammen mit weiteren geistlichen Kompositionen von George de la Hèle, Pedro Ruimonte und Duarte Lobo, aufgenommen in der Abbaye Saint-Rémi de Franc-Waret, Belgien.