Reise nach Jerusalem
Der US-Präsident Trump hat zum Jahresende 2017 beschlossen, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft dorthin zu verlegen.
Der US-Präsident Trump hat zum Jahresende 2017 beschlossen, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft dorthin zu verlegen.
Das verstößt zwar gegen alle internationalen UNO-Resolutionen, aber das macht nichts.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat nun auch Europa zur Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt aufgerufen. Präsident Josef Schuster nannte dies „einen naheliegenden Schritt“. Donald Trump habe, so der Präsident, mit seiner Anerkennung „eigentlich nur einen Punkt benannt, der sowieso schon Fakt ist.“ Das sieht der israelische Ministerpräsident Netanyahu genauso. Er zeigte sich hoch erfreut und bedankte sich für diesen längst überfälligen Schritt. US-Präsident Trump habe nur „die Fakten klar auf den Tisch gelegt“, indem er anerkannt habe, dass „Jerusalem seit 70 Jahren Hauptstadt Israels und seit 3.000 Jahren des jüdischen Volkes sei“, sagte Netanjahu. Es sei Zeit, dass auch „die Palästinenser den jüdischen Staat anerkennen und auch den Fakt, dass er eine Hauptstadt hat: Sie heißt Jerusalem“ (1).
Man möchte jetzt nicht kleinlich sein und fragen: Was machen wir aber, wenn vor 3.000 Jahren gar nicht der Anfang war? Wenn es etwas gegeben hat, das vor „yrwšlm“ existierte, also noch historischere Ansprüche auf besagtes Jerusalem erheben kann:
„Die ältesten bisher nachgewiesenen Spuren menschlicher Besiedlung des heutigen Stadtgebiets sind keramische Ausgrabungsfunde des Chalkolithikums (um 5.700 – 3.700 vor Christus) auf dem Berg Ophel. Dort wurden Jerusalems Vorläufer erbaut.“ (2)
Noch genauer geht eine Seminararbeit von Beat Andreas Schweizer dieser Frage nach:
„Die Geschichte der Stadt geht ins 4. Jahrtausend vor Christus zurück. Keramische Ausgrabungsfunde zeugen von einer Siedlung auf den Hügeln des heutigen Jerusalems. Um etwa 1900 v. Chr. wird Jerusalem erstmals als befestigte Stadt Uruschalim auf hieroglyphischen Beschriftungen von Tongefässen aus Ägypten, so genannten Ächtungstexten, erwähnt. Uruschalim bedeutet „Stadt des Schalim“, also des kanaanitischen Gottes der Morgenröte, oder übertragen auch „Stadt im Westen“. Das Wort ist auch mit „shalom“ verwandt, daher auch „Stadt des Friedens“. Somit ist Jerusalem eine der ältesten bekannten Städte der Welt. (…) Um 1900 v. Chr. wohnten in Jerusalem demnach die Jebusiter, ein Volk kanaanitischen Stammes, das unter ägyptischem Einfluss stand. Dennoch bemühten sie sich um möglichst grosse Selbstständigkeit für den Stadtstaat Jerusalem. Sie wurden später von den israelitischen Stämmen angegriffen, konnten sich aber behaupten. Erst König David gelang es, Jerusalem einzunehmen.“ (3)
Dazu führt ergänzend der „Bibelatlas“ aus:
„Vor dem Auftreten Israels: Vorderasien unter dem Einfluss Ägyptens (…) In Palästina ging es turbulent zu; kanaanäische Fürsten (…) erbitten verschiedentlich den Schutz Ägyptens. (…) Ägyptische Beamte hatten entscheidenden Anteil an Vorgängen in den kanaanäischen Stadtstaaten und führten dabei oft unmittelbar Befehle des Pharao aus.“ (4)
Damit lägen wir deutlich vor den 3.000 Jahren, die Jerusalem als Hauptstadt des jüdischen Volkes ausweisen.
Wer hat also wirklich den ersten Stein für das heutige Jerusalem gelegt?
Lassen wir einmal den Staub der Geschichte zur Ruhe kommen und nehmen die historische Prämisse des israelischen und US-amerikanischen Präsidenten zum Ausgangspunkt.
Natürlich werden die US-Regierung und die israelische Regierung nicht behaupten, dass es sich im Fall Jerusalem um exklusives Recht handele, das geschichtliche Verweise wie einen Malkasten benutzt.
Nehmen wir also diese Annahme zum Ausgangspunkt, schauen uns die Welt mit ihrer ebenfalls 3.000-jährigen Geschichte an und proben dies an ein paar Beispielen durch.
Fangen wir mit den USA an.
Sicherlich unbestritten waren die Bleichgesichter nicht zuerst auf diesem Kontinent. Wäre es folglich nicht höchste Zeit, dass die Ureinwohner Amerikas ihre Ansprüche geltend machen und wir ihnen freie Wahl dabei lassen, welche Stadt sie heute zu ihrer Hauptstadt machen werden?
Oder nehmen wir einmal das Osmanische Reich, das lange vor den Staaten existierte, die sich nach dessen Zusammenbruch dort gegründet haben. Es lässt sich sicherlich auch hier einen legitimen Rechtsnachfolger finden, um historische Fakten wieder ins rechte Licht zu rücken.
Auch Kurdistan ist um einiges älter, als die Staaten, die Kurdistan heute unter sich aufteilen. Wäre es nicht wunderbar, wenn endlich der Staat „Kurdistan“ anerkannt werden würde?
Oder kommen wir Europa einmal ein bisschen näher. Lange bevor sich dieses gegründet hat, gehörte Kleinasien „den Griechen“. Wird es nicht endlich Zeit, diesen historischen Fakten Rechnung zu tragen, was auch der gegenwärtigen griechischen Tragödie eine überraschende Wende geben würde?
„Millionen von Juden, die getötet wurden, weil sie kein Land hatten, blicken nun aus dem Staub der israelischen Geschichte auf uns und befehlen uns, ein weiteres Mal ein Land für unser Volk zu besiedeln und zu bebauen.“ (5)
Und die Moral der Geschichte?
Geschichte ist Vergangenheit. Und wenn sie von vorne auf uns zukommt, dann am allerwenigsten mit Fakten.
Quellen und Anmerkungen:
(1) welt.de, 11. Dezember 2017
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Jerusalem
(3) Beat Andreas Schweizer, Jerusalem: Hauptereignisse in der Geschichte der heiligen Stadt, 2008
(4) Herders großer Bibelatlas, S. 46, Verlag Hohe GmbH, 2007
(5) Mosche Dajan, ehemaliger israelischer Verteidigungsminister, 1956, aus: Die siebte Million, Tom Segev, Seite 660