Raus aus der Panik!
Mittels Realitätsprüfung können wir unsere Situation wieder selbstbewusster erfassen und gestalten.
Es ist oft sehr schwer, sich dem Sog massenhaften Verhaltens zu entziehen. Das Toilettenpapier-Hamstern ist nur das momentan am leichtesten erkennbare Beispiel dafür. Werden die Käufer befragt, können sie üblicherweise kaum andere Erklärungen angeben als: „Weil es andere auch machen“. Aber es gibt bessere Erklärungen. Und Auswege.
Gustave Le Bon hat in seiner bekannten „Psychologie der Massen“ geschrieben, „übermäßige Beeinflußbarkeit“ sei ein „allgemeiner Charakterzug“ der Massen, „woraus sich die blitzschnelle Gerichtetheit der Gefühle in einem bestimmten Sinne erklärt“.
Die Masse befinde sich
„meistens in einem Zustand gespannter Erwartung, der die Beeinflussung begünstigt. Die erste klar zum Ausdruck gebrachte Beeinflussung teilt sich durch Übertragung augenblicklich allen Gehirnen mit und gibt sogleich die Gefühlsrichtung an. Bei allen Beeinflußten drängt die fixe Idee danach, sich in eine Tat umzuformen. Ob es sich darum handelt, einen Palast in Brand zu stecken oder sich zu opfern, die Masse ist mit der gleichen Leichtigkeit dazu bereit. Alles hängt von der Art des Anreizes ab, nicht mehr, wie beim alleinstehenden einzelnen, von den Beziehungen zwischen der eingegebenen Tat und dem Maß der Vernunft, das sich ihrer Verwirklichung widersetzen kann. So muß die Masse, die stets an den Grenzen des Unbewußten umherirrt, allen Einflüssen unterworfen ist, von der Heftigkeit ihrer Gefühle erregt wird, welche allen Wesen eigen ist, die sich nicht auf die Vernunft berufen können, alles kritischen Geistes bar, von einer übermäßigen Leichtgläubigkeit sein. Nichts erscheint ihr unwahrscheinlich, und das darf man nicht vergessen, wenn man begreifen will, wie leicht die unwahrscheinlichsten Legenden und Berichte zustande kommen und sich verbreiten“ (1).
Le Bon hatte nicht nur manche rassistische und sexistische, sondern auch elitäre Auffassung: Er verachtete „die Massen“, über die er da schrieb. Seine Behauptung, dass größere Gruppen von Menschen so und nicht anders funktionieren, ist nachweislich falsch.
Das haben unter anderem Hunderttausende von DDR-Bürgerinnen und -Bürgern am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz im wahrsten Sinne des Wortes demonstriert.
Und es gibt, insbesondere herausgearbeitet von den Psychoanalytikern Erich Fromm und Wilhelm Reich, sozialwissenschaftlich begründete Widerlegungen der oben zitierten Betrachtungsweise, auf die ich vielfach an anderen Orten eingegangen bin.
Für Menschen im Zustand der Panik trifft allerdings manches von dem zu, was Le Bon 1895 an Verhaltensweisen beschrieben hatte.
Vorbedingungen für Panik
Klar ist: Einer Panik geht ein intensives Gefahrensignal voraus.
Im günstigen Fall würde das jedoch beim Einzelnen den Versuch auslösen, Quelle und Größe der signalisierten Gefahr realistisch abzuschätzen. Wenn das gegenwärtig bezüglich der „Corona“-Epidemie nicht geschieht, obwohl es doch möglich ist, dürfte es dafür zwei hauptsächliche Gründe geben.
Zum einen ist das unsere übliche autoritäre Erziehung.
Autoritär erzogene Menschen haben kaum noch Kontakt zu ihrer Innenorientierung, sondern sind darauf geprägt worden, erwartungsvoll nach „oben“ zu schauen, eben auf Autoritäten.
Dadurch — und das ist schon der zweite maßgebliche Faktor —, werden sie anfällig für Manipulation durch diese Autoritäten. Wie diese Manipulation heutzutage vonstattengeht, das hat nicht zuletzt Rainer Mausfeld analysiert.
Wird uns also, basierend auf der uns von Kindesbeinen eingetrichterten angeblichen Inkompetenz einigermaßen geschickt eine äußere Gefahr suggeriert, können viele von uns sich kaum dagegen wehren, in Panik zu verfallen.
Wer aber erst einmal im Zustand der Panik ist, kann nicht mehr klar denken, will nur noch eines: raus aus der Situation! Ist Flucht nicht möglich und erscheint Angriff als Alternative sinnlos, bleibt nur noch: Schreckstarre, Totstellen, Ohnmacht.
Das ist die große Stunde der (Ver-)Führer.
Und wenn diese uns nun sagen: „Ich muss euch leider gängeln, kontrollieren und einsperren — natürlich nur zu eurem Besten!“, dann dürften sich viele von uns wieder fühlen „wie zuhause“. Das heißt: wie kleine, existenziell abhängige Kinder, die nicht glauben können, dass ihre Eltern nicht so liebevoll behütend sind, wie es sich die Kinder zutiefst wünschten.
Wie kommen wir da raus?
Mal eben schnell eine Selbsttherapie — das funktioniert nicht. Allerdings geht es hier ja auch nicht um die gründliche Aufarbeitung psychischer Störungen, sondern nur um das aktuelle Überwinden lähmender oder panisch machender Angst.
Sehr sinnvoll kann sein: Atmen, tief, regelmäßig und ruhig atmen, in die Brust, in den Bauch. Ein, aus, ein, aus … Und so weiter, und so fort.
Vielleicht auch zusätzlich etwas anderes tun, was uns aus Panik oder Schreckstarre (er)löst: einer Meise beim Körnerpicken zusehen, an einem Märzveilchen riechen, einem Kinderlachen oder einem schönen Musikstück lauschen.
Für mich hat sich da zum Beispiel Ry Cooders „I Think It's Going to Work Out Fine“ oftmals bewährt. Ein Rocksong von „Karussell“ fällt mir noch ein, 1980 auf einer AMIGA-LP erschienen (2):
Halte durch
Halte durch in den Stürmen und Meeren.
Halte durch auf den Gipfeln aus Eis.
Du halte durch, wenn im Smog dir die Luft fehlt
und der Nachbar vom Nachbar nichts weiß.
Halte durch im Konzert der Gerüchte.
Halte durch, wo du Seligkeit übst.
Da halte durch, wenn Gemeinheit dich anfällt
aus den Augen der Frau, die du liebst.
Halte durch, dass dir nicht, dass dir nicht
irgendworan das Herz zerbricht.
Halte durch, dass dir kein, dass dir kein
Zustand zerstört das Menschlichsein.
Halte durch und lass krächzen die Raben.
Halte durch, jedes Durchhalten wiegt.
Halte durch, dass auf unserem Planeten
wie in dir selber die Menschlichkeit siegt.
Aber all das reicht natürlich nicht.
Wichtig ist: Massenhafte Panikreaktionen beruhen nicht zuletzt auf dem Verlust von Individualitätsgefühl. Wir „verlieren“ uns in einer Masse, werden scheinbar „Herdentiere“.
Also ist es ein Gegenmittel, sich wieder an diese Individualität zu erinnern: Wer bin ich? Was sind meine speziellen Erfahrungen, Fähigkeiten, Leistungen, Eigenschaften, inwiefern unterscheide ich mich diesbezüglich von anderen? Hat mein ganz individuelles Dasein eine Bedeutung, auch wenn ich weder reich noch mächtig noch berühmt bin?
Eine der berührendsten Antworten auf diese Frage stammt von Heinrich Heine:
„Ist das Leben des Individuums nicht vielleicht ebensoviel wert wie das des ganzen Geschlechtes? Denn jeder einzelne Mensch ist schon eine Welt, die mit ihm geboren wird und mit ihm stirbt, unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte.“
Sollte es uns möglich sein, uns auf diese Weise darauf zu besinnen, dass jeder und jede von uns ein einzigartiges menschliches Wesen ist, gelingt vermutlich auch der nächste Schritt. (Das tiefe Atmen weiter nicht vergessen!)
Realitätsprüfung
Auch wenn wir unsere Gefühle in Drucksituationen wie der gegenwärtigen sicher nur begrenzt steuern können, können wir uns ein Stück weit mit rationalem Denken behelfen, mit Logik, können versuchen, 1 und 1 zusammenzuzählen. Dazu können Entscheidungsfragen geeignet sein.
Ich nenne im Folgenden die Fragen, die mir geholfen haben, „Corona“-Panik zu vermeiden. Jeder und jede tut gut daran, diese durch die jeweils eigenen Fragestellungen zu ersetzen. Oder zumindest: eigene Antworten auf diese Fragen zu entdecken. Alles andere wäre ja wieder nur ein neues autoritäres Sich-Fügen.
1) Hat in der BRD das Wohl und die Gesundheit der Bevölkerung Priorität?
Meine Antwort: Nein. Das Wohlergehen von Bevölkerungen spielt in kapitalistischen Staaten wie dem unsrigen immer nur — bestenfalls — eine Nebenrolle. Zum anderen wurde das deutsche Gesundheitssystem systematisch zum Zwecke von Profitmaximierung heruntergefahren.
Würde Gesundheit wichtig genommen werden, hätte zudem sowohl auf frühere, weit schlimmere Grippeepidemien als auch auf die zigtausenden jährlichen Toten durch Krankenhauskeime, Ärztepfusch oder Feinstaub ganz anders reagiert werden müssen. Wer ernsthaft eine Corona-Gefahr bekämpfen wollte, würde sich darüber hinaus bemühen, voneinander abweichende Untersuchungsergebnisse zu vergleichen und den Gründen für diese Abweichungen auf den Grund zu gehen.
Auch davon ist nichts zu spüren. Im Gegenteil: Gegen Wissenschaftler, die alternative Thesen vertreten, richten sich Rufmordkampagnen.
2) Aber ist der Corona-Aktionismus vielleicht ein Zeichen des Umdenkens, haben die wirtschaftlich-politischen Eliten dazugelernt, bereuen und korrigieren sie gerade ihre Fehler?
Meine Antwort: Nein. Es ist nichts zu hören von diesbezüglicher Selbstkritik oder einer staatlichen Initiative, die Privatisierung des Gesundheitssystems rückgängig zu machen. Hauptverantwortliche für diese Privatisierung werden nicht etwa aus ihren Positionen entfernt, sondern uns sogar als Retter präsentiert. Schon die Frage, die der Arzt Helmut Jäger in einem Rubikon-Beitrag stellt, ist entlarvend:
„Warum gehen verantwortliche PolitikerInnen einen der wichtigsten Kofaktoren bei Lungeninfektionssterblichkeit nicht an: das Rauchen? Es wäre doch ein Leichtes, den Tabakverkauf für die Zeitdauer der Pandemie zu verbieten oder wenigstens die Tabakwerbung...“
Damit bin ich mit zwei Fragen zumindest schon einmal zu einer anderen als der verbreiteten Sichtweise gelangt, habe mir so den Weg geöffnet, selbst zu urteilen. Das empfinde ich als „Lockerungsübung fürs Gehirn“: Es ist nicht unbedingt so, wie mir ständig gesagt wird — es lohnt sich also, mir eine eigene Meinung zu bilden.
3) Ist es sicher, dass „Corona“ gefährlicher ist als andere grippeähnliche Epidemien?
Meine Antwort: Sicher war das zu keinem Zeitpunkt. Mittlerweile mehren sich — selbst beim Robert-Koch-Institut — die Belege, dass in Deutschland bereits das Hoch der Neuerkrankungen überschritten sein könnte.
Und sogar Anthony Fauci, als Direktor des National Institutes of Health eine Art „oberster US-Seuchenberater“, schrieb mit anderen Autoren am 26. März 2020 im New England Journal of Medicine, einer der „der angesehensten medizinischen Fachzeitschriften“, es deute „darauf hin, dass die klinischen Gesamtfolgen von Covid-19 letztlich eher denen einer schweren saisonalen Grippe (mit einer Todesfallrate von etwa 0,1 Prozent) oder einer pandemischen Grippe (ähnlich denen von 1957 und 1968) ähneln als einer Krankheit wie SARS oder MERS, bei denen die Todesfälle 9 bis 10 Prozent bzw. 36 Prozent betrugen.“
4) Wenn es also nicht oder zumindest nicht in erster Linie darum geht, die Bevölkerung vor Schaden zu schützen, worum geht es dann, wenn die „Pandemie“-Maßnahmen beibehalten werden?
Meine Antwort: Um das weitere Aushebeln von Demokratie und Bürgerrechten. Auch dafür liegen diverse seriöse Hinweise vor. Die strikte Verweigerung führender Politiker, die in Deutschland anhaltend geringe und sich zumindest zuletzt sogar reduzierende Zahl von schweren Erkrankungen, die im Zusammenhang mit „Corona“ gesehen werden, zu diskutieren oder die Wirkung der Isolationsmaßnahmen evaluieren zu lassen, spricht ebenfalls Bände.
Wer bereit war, mir bis dahin zu folgen und meine Schlussfolgerungen teilen kann, der hätte natürlich immer noch ein gravierendes Problem, das Angst machen kann. Aber eben nicht mehr die Angst vor einem überdurchschnittlich gefährlichen unsichtbaren Virus, sondern vor einem sehr sichtbaren, übermächtigen Staat.
Dieser wäre freilich gar nicht übermächtig, wenn wir ihm nicht in Panik alle Verantwortung überlassen oder gar zuschieben würden.
Also: raus aus der Panik! — siehe oben.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Le Bon, Stuttgart 1982, Kröner, S. 22f.
(2) Text: Kurt Demmler, Musik: Reinhardt Huth. Ich zitiere nur Auszüge daraus.