Räuberische Investoren
Die Privatisierung öffentlicher Güter nutzt wenigen und schadet vielen — sie geht zulasten der Menschen, denen diese Güter eigentlich gehören.
Mit dem Neoliberalismus wurde der Bereicherung einiger weniger an dem gesellschaftlichen Reichtum, der allen gehört, Tür und Tor weit geöffnet. Was in den späten 1970er-Jahren begann, wird bis heute rücksichtslos fortgesetzt. Das ist nur möglich, weil die Politiker das unterstützen. Sie haben den Staat, der den Bürgern dienen soll, zum Ausverkauf preisgegeben. Sie belohnen die Reichen, die sich weiter bereichern, noch mit Steuersparmodellen. Es bleibt weiter notwendig, dem Widerstand entgegen zu setzen. Auf Dauer hat die Bildung dabei eine wichtige Aufgabe.
Privatisierung hilft — den Reichen
Wer den einzigen Sinn seines Lebens allein darin sieht, ständig sein Geld zu vermehren, wie einst Dagobert Duck, ist ein bedauernswertes Geschöpf. Aber noch bedauernswerter sind die Menschen, die Opfer ihrer Geldgier werden. Früher hat man sich mittels einer Comic-Figur über diese Menschen lustig gemacht.
Seit der Ära von Ronald Reagan, Margret Thatcher und Helmut Schmidt wird Geldgier mit großen Steuersenkungen und vielen Schlupflöchern bei der Steuererklärung belohnt, als wenn es sich bei der reichsten Ente der Welt und ihren mensch-lichen Entsprechungen um Heilsbringer handelte. Getrieben von den Versprechungen der „Chicago School of Economics“, den Wirtschaftswissenschaftlern mit missionarischen Privatisierungstheorien, wird weltweit alles privatisiert, was eigentlich öffentliches Gut ist, das nicht dem Profit einzelner Menschen, sondern dem Wohl aller Bürger dienen soll: Bahn, Straßen, Post, Wasser, Elektrizität, Gesundheitswesen und Bildungswesen. Auch die Luft wird indirekt privatisiert. Sie dient der Industrie als Abfalldeponie.
Es gibt im Wesentlichen zwei Motive, die diese Privatisierung vorantreiben: Erstens die Theorie, dass Geldbesitzer die besseren Unternehmer sind, also ihr Geld besser einsetzen, besser damit wirtschaften, für innovativere Produkte und Dienstleistungen sorgen und damit bei mehr Bürgern für mehr Einkommen sorgen können als staatliche Bedienstete. Zweitens wird die Privatisierung aus einem ganz einfachen Motiv vorangetrieben: Die riesigen Geld-geschenke der Politiker, die nicht selten im Gegenzug dafür auf verschiedene Weise „belohnt“ werden, führen zu einem riesigen Geldstau. So lange die Dagobert Ducks dafür gute Zinsen erhielten, vermehrte sich ihr Geld ohne jede Arbeit automatisch, sozusagen im Schlaf. Man musste für dieses unverdiente Einkommen oft weniger Steuern zahlen als für wirklich verdienten Lohn.
Dann hat der Staat die Zinsen auf Null gesenkt, um seine eigenen Schuldenzahlungen zu verringern. Um ihr Geld zu vermehren, mussten die Dagobert Ducks nach Anlagemöglichkeiten suchen. Klassische Privatisierungen stießen an Grenzen. Fehlschläge, wie zum Beispiel die Investitionen in kommunale Wasserwerke, veranlassten sie, nach neuen Anlagemöglichkeiten Ausschau zu halten. Dadurch gerieten Gesundheits- und Bildungssystem ins Visier der Geldgierigen.
Wem nützt die „Gemeinnützigkeit“?
In einigen Ländern wurden dafür zusätzliche Anreize geschaffen, indem die Regeln für die steuersparende Gemeinnützigkeit so geändert wurden, dass „gemeinnützige“ Institutionen wie Stiftungen und Vereine mit und ohne Tricks Profite machen durften. Mit Tricks geht das so, dass ein profitorientiertes Unternehmen eine gemeinnützige Stiftung gründet und sich von ihr fördern lässt. So habe ich es bei der Wohnungsbaugesellschaft erlebt, deren Mieter ich war. So können wir es heute bei der Bill- und Melinda-Gates-Stiftung sehen, die Geld an die profitorientierten Firmen überweist, die Bill Gates gehören oder von denen er Aktien besitzt. Das ist alles legal, weil einige der demokratischen Politiker, die bei ihrer Amtseinführung schwören mussten, Schaden vom Volk abzuhalten, diese Schädlinge hegen und pflegen.
Private Investitionen in das Gesundheits- und Bildungswesen haben, solange der Schein gewahrt bleibt, eine höhere Reputation in der Bevölkerung und müssen daher kaum mit Opposition rechnen. Gesundheit und Bildung sind ja eindeutig positiv besetzte Güter, anders als Energie, wo private Investoren heute schnell Demonstrationen auslösen können.
Ein Investor, der sich um unsere Gesundheit und Bildung kümmert, bekommt — immer noch — eine gute Presse, obwohl Gates, was Bildung angeht, massiv Schiffbruch erlitten hatte. Seine privat gemanagten Schulen hatten die selbst gesteckten Ziele nicht erreicht. Außer Spesen nichts gewesen.
Wer haftet für den angerichteten Schaden?
Auf dem „Gesundheitsmarkt“ hingegen sind Anleger, was die Aussichten auf große Profite angeht, momentan erfolgreicher unterwegs. Ihr erklärtes Ziel ist es, alle Menschen impfen zu lassen, weil das ungeheure Profite verspricht. Hier haben Gates und Mitstreiter wie Anthony Fauci, auch er Pharma-Milliardär und zudem oberster Epidemie-Chef in den USA, es geschafft, die Produkthaftung von der Politik durchlöchern zu lassen.
Wenn Sie, werter Leser, jemandem ein Fahrrad verkaufen und der Käufer damit einen Unfall baut, kann es sein, dass er Sie in die Haftungspflicht nimmt. Wenn Sie ihm aber irgendetwas in den Arm spritzen und erklären, es sei eine Impfung gegen eine schlimme Krankheit, dann müssen nicht Sie, sondern die Steuerzahler haften, falls ihr Opfer daran lebenslang erkrankt. Auch diese Beihilfe zur Geldgier leisten Politiker, die auf Dankbarkeit der Investoren hoffen können. Die Kritik einer vor Viren-Angst gelähmten Öffentlichkeit müssen sie nicht fürchten.
Das ist alles keine Theorie, sondern schon lange Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist nicht versteckt. Sie kann in den Medien nachgelesen werden. Aber mangels Einsicht auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Bildung und der Gesundheit verstehen die meisten Menschen diese Nachrichten nicht und können sie nicht für sich bewerten. Sie müssen sich auf die Medien und die Journalisten verlassen, die sie mit Nachrichten versorgen. Auch diese sind nicht selten der Geldgier als einzigem Lebensinhalt verfallen. Sie nehmen große Geldgeschenke von Investoren an, deren Tun sie eigentlich kritisch begleiten sollten.
Was tun?
Was tun? Kurzfristig müssen wir politisch mutiger werden. Wir müssen uns aus dem Schutzhäuschen hervorwagen, in das wir uns verkrochen haben, „bis die Sache hoffentlich vorbei ist“. Aber sie geht nicht vorbei, so lange nur die Investoren aktiv sind, die an unser Geld und unsere Gesundheit wollen, wir uns aber nicht verteidigen. Es gibt viele verschiedene Arten, mutig zu werden: an Abgeordnete schreiben, demonstrieren, mit Nachbarn reden, Informationen weiterleiten, Leserbriefe verfassen und so weiter.
Langfristig müssen wir für eine demokratische Bildung sorgen, die ihren Namen verdient: Sie muss die Menschen befähigen, die Informationen zu lesen und zu verstehen, die sie benötigen. Vor allem auf Gebieten wie Wirtschaft. Gesundheit, Psychologie und Demokratie weist der Lehrplan unserer Schulen große Defizite auf.
Hierbei darf aber nicht der doppelte Fehler gemacht werden, dass erstens in diesen Fächern nur Wissen vermittelt wird, das den Investoren und ihren Helfern in der Politik genehm ist, und dass zweitens diese Fächer dazu genutzt werden, die Heranwachsenden unter das Kommando einer Obrigkeit zu unterwerfen. Vielmehr müssen sie in ihrer Mündigkeit gestärkt werden. Das heißt konkret, dass der Unterricht in diesen Fächern sich an erklärten Interessen von Schülerinnen und Schüler orientiert, diese also mit entscheiden dürfen, was und wie unterrichtet wird, zum Beispiel im offenen Unterricht, und dass in demokratischen Kernfächern wie Politik und Ethik durch Benotung keine Unterwerfung unter die Obrigkeit stattfinden darf. Das wäre paradox.
Zudem muss die Schule, worauf ich nicht müde werde hinzuweisen, demokratische Kernkompetenzen fördern, wie die Fähigkeit, über wichtige Dinge denken, reden und zuhören zu können. Das, so betonen Philosophen wie Jürgen Habermas und Amartya Sen, ist entscheidend für das Gelingen des moralischen Ideals einer demokratischen Gesellschaft. Ich meine, dass Menschen, die ihre Macht ausnutzen, um uns aus niedrigen Motiven zu schaden, der Prozess gemacht werden muss. Aber ich denke auch, dass das nicht genügt, weil solche Prozesse niemanden wirklich abschrecken, so lange die Mehrheit der Bevölkerung nicht lernen darf, die bereitstehenden Informationen zu verstehen und zu erkennen, wie und warum diese Menschen ihnen Schaden zufügen.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst in dem Blog „Pädagokick“ (herausgegeben von Roland Güttner).