Profitables Blutvergießen

Die Beschränkungen für Waffenexporte in Krisengebiete werden in der Schweiz künftig nicht mehr so eng gesehen.

Wenn es regnet, feiern Frösche Hochzeit. Wenn Kriege regieren, klingeln die Kassen der Rüstungsindustrie und ihrer Helfershelfer, wie jetzt wieder bei den Massakern in der Ukraine, im Gazastreifen, im Sudan und andernorts. In der Schweiz soll der Export von Kriegsmaterial in Zukunft weniger restriktiv werden, fordern die Rüstungsindustrie und auch Politiker, um künftige Geschäfte mit dem Krieg nicht zu verpassen. Unter anderem soll die derzeit gültige Nichtwiederausfuhr-Bestimmung für Kriegsmaterial entschärft werden. Diese Bestimmung vermieste in letzter Zeit im Falle des Krieges in der Ukraine die Geschäfte der Kriegsgewinnler Helvetiens (1).

Rüstungskonzerne wollen im Geschäft mit dem Krieg bleiben

Die Schweizer Rüstungsindustrie gehört zum großen Teil ausländischen Konzernen, dem deutschen Rheinmetallkonzern (Kanonen und Granaten), dem US-Konzern General Dynamics (Mowag-Radpanzer) und der italienischen Firma Beretta (Munition). Durch die heutige Nichtwiederausfuhr-Bestimmung befürchten diese Firmen, dass ihre Produkte, die in der Schweiz produziert werden, in Zukunft nicht mehr gekauft werden. Deutschland, Spanien und Dänemark wollten nämlich in der Schweiz gekauftes Kriegsmaterial an die im Krieg stehende Ukraine weitergeben. Der Bundesrat in Bern verweigerte aber seine Zustimmung und blockierte so die Lieferungen. Der Druck auf die Schweiz war sehr groß: Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck, ein militanter militarisierter Grüner, warf der Schweiz laut der Neuen Zürcher Zeitung gar vor, sich mitschuldig zu machen an den Opfern der russischen Aggression.

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Um welche Waffen ging es? Deutschland hätte der Ukraine 12.400 Schuss 35-mm-Munition für den Gepard-Flugabwehrpanzer weitergeben wollen, Dänemark in der Schweiz hergestellte Piranha-III-Schützenpanzer. Spanien schließlich beantragte den Export von zwei Schweizer Flugabwehrkanonen Richtung Ukraine (2).

Aufweichung des Kriegsmaterialgesetzes geplant

Das Kriegsmaterialgesetz soll nun dahingehend angepasst werden, dass die Nichtwiederausfuhr-Erklärung für Staaten, die sich den Schweizer Werten verpflichten, auf fünf Jahre beschränkt wird.

Hat ein Land mit gleichen Werten Schweizer Kriegsmaterial vor mehr als fünf Jahren eingekauft, kann dieses grundsätzlich weiterverkauft werden. Zudem sollen Waffenexporte an menschenrechtsverletzende Regime möglich werden.

12. Februar 2025 — Der Bundesrat fordert in seiner Botschaft zu Motion 23.3585 das Recht, in Eigenregie alle konkreten Beschränkungen von Kriegsmaterialexporten für mehrere Jahre aufheben zu können. Insbesondere wären neu Exporte an Bürgerkriegsländer und Exporte an Länder möglich, die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen. Sollte die Vorlage in der aktuellen Form den parlamentarischen Prozess überstehen, werden die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) und andere Friedensorganisationen das Referendum ergreifen (3).

Nichtwiederausfuhr-Erklärung gilt nicht für anonyme Einzelteile

Wie andere Industrieprodukte werden Waffen zusammengesetzt aus Bestandteilen, die in verschiedenen Ländern produziert werden. Darauf nahm man in der Schweiz längst Rücksicht. „Auf die Nichtwiederausfuhr-Erklärung kann bei Einzelteilen oder Baugruppen von Kriegsmaterial verzichtet werden, wenn feststeht, dass sie im Ausland in ein Produkt eingebaut und nicht unverändert wiederausgeführt werden sollen, oder wenn es sich um anonyme Teile handelt, deren Wert im Verhältnis zum fertigen Kriegsmaterial nicht ins Gewicht fällt“, wurde im Kriegsmaterialgesetz festgehalten.

Vor Jahrzehnten betraf das in der Schweiz produzierte Feuerleitgeräte, die Tausende Franken kosteten. Sie wurden nach Deutschland ausgeführt und dort auf Panzer montiert, die dann irgendwohin exportiert wurden. Allein diese lasche Wiederausfuhrbestimmung für Einzelteile zeigt, dass die heutige Bewilligungspraxis für den Export von Kriegsmaterial bereits derzeit alles andere als restriktiv ist.

Aktuelle Bestimmungen für Kriegsmaterialexporte

Derzeit dürften Rüstungsgüter der Schweiz nach dem Kriegsmaterialgesetz nicht in Länder geliefert werden, die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind, in denen Menschenrechte systematisch verletzt werden, indem das Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird, oder wenn die Rüstungsgüter an einen unerwünschten Empfänger weitergegeben werden (4).

Wurde das Kriegsmaterialgesetz eingehalten?

Wie wurden die klaren Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes, keine Rüstungsgüter in Länder zu liefern, die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind, in der Praxis umgesetzt?

1975 bis 2024 für 22,452 Milliarden Franken Kriegsmaterialexporte zur Hauptsache an Krieg führende und menschenrechtsverletzende Staaten

Nach der offiziellen Statistik des Bundes, des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), exportierte die Schweiz von 1975 bis 2024 für 22,452 Milliarden Franken Kriegsmaterial. Verkauft wurden diese Rüstungsgüter zu einem großen Teil an Krieg führende Staaten, an NATO-Militärs, in Spannungsgebiete, an menschenrechtsverletzende Regimes und an arme Länder in der Dritten Welt, in denen Menschen hungern und verhungern. In den 22,452 Milliarden Franken sind die besonderen militärischen Güter nicht eingerechnet, die ebenfalls exportiert wurden, aber nicht in der offiziellen Statistik erscheinen.

Auch die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Banken erscheinen in diesen Zahlen nicht. Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen investierten in den letzten Jahren sogar in Firmen, die an der Atomwaffenproduktion, an der Herstellung von Antipersonenminen und Clusterbomben beteiligt waren. Laut dem Kriegsmaterialgesetz wäre aber die „direkte und indirekte Finanzierung“ von verbotenem Kriegsmaterial schon heute klar untersagt. Verbotene Waffen sind in der Schweiz chemische und biologische Waffen, Atombomben, Streubomben und Antipersonenminen. Aus Rücksicht auf die NATO weigert sich der Bundesrat jetzt auch, das Atomwaffenverbot zu unterzeichnen, obwohl das Parlament das vor einigen Jahren mehrheitlich beschlossen hat. Wie der Bundesrat früher schon erklärte, will er sich unter den Atomwaffenschutzschirm der NATO stellen, um die Schweiz im Kriegsfall zu beschützen. Auch deshalb ist der Bundesrat gegen ein Atomwaffenverbot.

Kriegsmaterialexporte des Jahres 2024

Die Schweizer Kriegsmaterialexporte des Jahres 2024, vom 1. Januar 2024 bis 30. September 2024, betrugen 465.499.472 Schweizer Franken. Deutschland erhielt Rüstungsgüter für 154,8 Millionen Franken, Italien für 28,3 Millionen, die Vereinigten Staaten von Amerika für 43,4 Millionen, Frankreich für 29,6 Millionen, Großbritannien für 16,7 Millionen und Saudi-Arabien für 3,9 Millionen Franken (5).

Die USA, Empfänger von helvetischem Kriegsmaterial, bombardierten im letzten Jahr wiederholt in Irak, Syrien und Jemen die Huthi-Rebellen. Die USA führten in Somalia und anderen Ländern, via Stützpunkt Ramstein in Deutschland, außergerichtliche Hinrichtungen mit Drohnen durch.

Viele Empfänger von Waffen aus der Schweiz wurden durch ihre Waffenlieferungen im Gazakrieg oder im Ukrainekrieg so selbst zu Kriegsparteien. Ohne die Waffen, namentlich aus den USA, Deutschland und Italien, hätte Israel nicht Krieg führen können. Ohne die Bomben, die Munition und anderes Kriegsgerät aus dem Ausland wäre es für Israel nicht möglich gewesen, den Gazastreifen zu zerstören und auch in der Westbank so große Verwüstungen anzurichten.

Waffen für Kriege, die seit 1990/91 geführt wurden

Seit 1990/91 gab es fünf große, westlich geführte Kriege: 1990 im Irak, 1999 in Jugoslawien, 2001 bis 2021 in Afghanistan, 2003 bis 2012 erneut im Irak und 2011 in Libyen. Allein diese fünf Kriege haben mehrere Millionen Menschen das Leben gekostet und die entsprechenden Regionen in ein wirtschaftliches und soziales Desaster gestürzt. Diese Kriege haben auch Hunderttausende Kriegsinvalide und traumatisierte Menschen hinterlassen. Die Schweiz lieferte den Krieg führenden westlichen Staaten trotzdem laufend Rüstungsgüter, mit dem Segen der Regierung in Bern.

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Bedürfnisse der Landesverteidigung „erlaubten“ Waffenexporte an Krieg Führende

In der Schweiz wurde schon diese Bestimmung, kein Kriegsmaterial zu liefern an Staaten, „die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind“, außer Kraft gesetzt. Auch die Bewilligung von Waffenexporten zur Aufrechterhaltung der Bedürfnisse der Landesverteidigung und die an diese angepasste industrielle Kapazität wurden dazu benutzt, um die restriktiven Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes zu umgehen. Angenommen wird: Die einheimische Rüstungsindustrie ist darauf angewiesen, Krieg führenden Staaten Waffen zu verkaufen, unter anderem an NATO-Staaten, die immer wieder Kriege führen. Es soll also weiter möglich bleiben, unter „gewissen Umständen“, wie es heißt, Kriegsmaterialausfuhren nach Ländern, die in einen internen bewaffneten Konflikt verwickelt sind — und die auch foltern! —, zu bewilligen (6).

1972: Um ein Waffenausfuhrverbot zu verhindern, versprach der Bundesrat, das neu geschaffene, restriktive Kriegsmaterialgesetz streng zu handhaben.

Ein Rechtsstaat wie die Schweiz müsste eigentlich sein Kriegsmaterialgesetz einhalten und es nicht mit allerlei Schlupflöchern versehen und damit „legal“ lockern. Die restriktiven Bestimmungen im Gesetz bestehen im Wesentlichen seit 1972. Der Bundesrat hatte damals die Stimmbürger vor der Abstimmung über die Volksinitiative, die ein Verbot der Waffenexporte forderte, mit dem Gegenvorschlag beruhigt, das Kriegsmaterialgesetz zu verschärfen, und versprochen, das revidierte Gesetz dann streng zu handhaben. Damals bestand die Befürchtung, die Volksinitiative für ein Waffenausfuhrverbot, die nach dem Bührle-Skandal von der „Arbeitsgemeinschaft für Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot (ARW)“ eingereicht wurde, könnte angenommen werden (7).

Während des Biafrakriegs (1967 bis 1970, (8)) fanden in der Schweiz große Hilfsaktionen statt, um den Opfern des furchtbaren Bürgerkriegs und den Hungernden in Biafra (heute Nigeria) zu helfen. Plötzlich wurde bekannt, dass die Firma Bührle mit gefälschten Papieren dem Krieg führenden Nigeria Kanonen verkauft hatte. Flugzeuge des Roten Kreuzes mit Hilfssendungen an Bord wurden mit deren Schweizer Fliegerabwehrkanonen beschossen (9).

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Am 24. September 1972 kam diese Initiative der ARW zur Abstimmung und wurde nur sehr knapp verworfen. 49,7 Prozent der Stimmenden waren für ein Verbot von Waffenexporten. Das Volksmehr wurde nur um 8.000 Stimmen verfehlt. Spätere Volksabstimmungen für ein Verbot von Kriegsmaterialexporten waren nicht so erfolgreich, weniger als 40 Prozent stimmten später für ein Verbot.

Die neutrale, dem Frieden verpflichtete Schweiz, mit Sitz des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) in Genf, unser Land, das immer wieder engagiert bei Friedensverhandlungen war, sollte kein Kriegsmaterial mehr exportieren!