Politische Prozesse und Plagiate
Am 24. April 2024 fand am Bonner Arbeitsgericht die Verhandlung der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot gegen ihre Kündigung durch die Universität Bonn statt. Sie verlor den dreimal verschobenen Prozess.
Der April macht, was er will: Am 24. April 2024 schien die Sonne vorm Amtsgericht Bonn, wenige Minuten später regnete und hagelte es abwechselnd. Hier fand am Vormittag die Verhandlung der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot gegen ihre Kündigung durch die Universität Bonn statt. Ihr wurde im März 2023 aufgrund mehrerer Plagiatsvorwürfe gekündigt. Mehr als ein Jahr später wurde nun das Urteil gesprochen: Die Kündigungsklage wurde vom Arbeitsgericht Bonn abgewiesen. Der Verein „Bonn zeigt Gesicht“ hatte eine Mahnwache organisiert, an der knapp 100 Menschen teilnahmen – trotz der Wetterkapriolen. Mehrere Stunden wurde vorm Arbeitsgericht gemeinsam gesungen und über Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit gesprochen. Die Stimmung war friedlich und optimistisch. Demonstranten schickten positive Gedanken zu Frau Prof. Dr. Ulrike Guérot in den Gerichtssaal. Aber die Stimmung folgte dem Wetter: Nach mehr als drei Stunden kam es zum Absturz. Frau Guérots Klage gegen ihre Kündigung wurde abgewiesen. Sie verließ mit ihren Anwälten mit versteinertem Gesicht wortlos das Gerichtsgebäude und fluchtartig das Gelände. Damit ist – auch ohne Kommentar – klar, dass die Verhandlung für sie nicht zufriedenstellend gelaufen war.
Der Prozessbeobachter Christoph Lövenich wurde von den Veranstaltern gebeten, das Geschehen kurz zusammenzufassen. Er berichtete, dass das Arbeitsgericht auf eine gütliche Einigung drängte und die beiden Streitparteien nochmals an den Verhandlungstisch bat. Beide hatten Bedingungen für einen Vergleich.
Die Universität Bonn schloss eine Weiterbeschäftigung Ulrike Guérots aus. Auf Guérots Bedingung, die Plagiatsvorwürfe zu relativieren oder abzuschwächen, ging wiederum die Universität nicht ein. Der vorsitzende Richter und die beiden Schöffen zogen sich dann für eine knappe halbe Stunde zur Beratung zurück und kamen zu dem Urteil, dass die Kündigungsklage Ulrike Guérots abgewiesen wurde.
Die Teilnehmer an der Mahnwache vor Ort glauben fest, dass es in diesem Prozess weniger um Guèrots Zitierfehler ging, sondern dass mit ihrer Kündigung ein Präzedenzfall geschaffen wurde. Ulrike Guérot soll abgestraft werden. Immerhin hat sie in der Coronazeit massiv Kritik an den politischen Maßnahmen geübt. Und mit ihrer offensiv vorgetragenen Meinung zum Ukrainekrieg hat sie sich endgültig aus dem politischen Mainstream herauskatapultiert.
Laut Deutscher Presse Agentur (dpa) erinnerte Ulrike Guérot daran, dass sie sich 2020 mit vielen wissenschaftlichen Artikeln und Büchern beworben hatte, die von der Universität geprüft worden seien. Die einzelnen problematischen Zitate aus ihrem Buch „Warum Europa eine Republik werden muss“ waren schon Jahre bekannt.
Guérot sagte nach dem Urteilsspruch, dass sie die Begründung für nicht schlüssig hält. Und sie sei optimistisch, dass das Landesarbeitsgericht den Beschluss in zweiter Instanz korrigieren werde.
Auch die Schauspielerin und Regisseurin Gabriele Gysi zeigte sich kämpferisch:
„Also ich hoffe, dass sie gefasst weitergeht. (…) Ja, es war klar, dass sie, wenn sie nicht in den Vergleich gehen, weitergehen.“
Gabriele Gysi hat sich als Herausgeberin der Schriftensammlung „Ulrike Guérot – Versuche einer öffentlichen Hinrichtung“ intensiv mit dem Fall beschäftigt und begleitete die Klägerin zu ihrer Verhandlung. Sie sieht das Urteil als politische Entscheidung und gibt zu bedenken:
„Also wir können ja mal einen anderen Fall annehmen. Du hast einen richtigen Hochstapler, der stapelt da vor sich hoch und würde Universitätsdirektor, weil niemand etwas prüft. Also entweder haben sie dieses Kriterium, dann müssten sie es selber prüfen. Weil sonst ihre Entscheidung gegenüber den ganzen anderen Bewerbern im Grunde sich selbst als politische Entscheidung darstellt. Und dann kann man sagen, haben sie Ulrike Guérot aus politischen Gründen eingestellt und aus politischen Gründen gekündigt.“
Der Verein „Bonn zeigt Gesicht“ verabschiedete die Menschen mit dem Appell, weiterhin, oder gerade nach diesem Urteil, für die Wissenschafts- und die Meinungsfreiheit einzutreten. Es soll weiterhin protestiert werden gegen die juristische Verfolgung regierungskritischer Intellektueller. Passend zur Stimmung regnete es sich in Bonn langsam ein, als die durchfrorenen und frustrierten Teilnehmer der Mahnwache die Veranstaltung beendeten und den Bereich vor dem Amtsgericht wieder freigaben.