Pharma lässt grüßen
Die Sponsoren einer Konferenz für Mikrobiologie und Infektiologie handeln keineswegs in selbstloser Absicht.
Es geht unter anderem um „Pilzkrankheiten in Zeiten des Klimawandels“. Um „innovative diagnostische Methoden“, „RNA-Biologie“ und um die „Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens“: Dutzende Vorträge stehen vom 5. bis 7. Juni 2024 auf dem Programm einer Würzburger Konferenz für Mikrobiologen und Infektiologen. Kritische Mediziner entrüsten sich. Denn die Veranstaltung, für die es 21 Fortbildungspunkte gibt, wird mit mehr als einer halben Million Euro von Pharmafirmen gesponsert.
Ausrichter des Kongresses sind die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) sowie die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM). Zum siebten Mal treffen sich die beiden Fachgesellschaften zu einer gemeinsamen Jahrestagung. Oder, wie kritische Ärzte sagen, zu einer von der Pharmaindustrie „verseuchten“ Werbeveranstaltung.
Jeder Arzt in Deutschland ist verpflichtet, sich fortzubilden. 250 Fortbildungspunkte müssen innerhalb von fünf Jahren mindestens erworben werden – im Durchschnitt also 50 pro Jahr. Nehmen Ärzte an der in Würzburg ausgerichteten „Werbeveranstaltung“ teil, ist ihr Fortbildungspensum für das erste Halbjahr 2024 knapp erfüllt.
Nahezu 70 Sponsoren unterstützen den Kongress mit insgesamt 515.000 Euro. Wofür das Geld verwendet wird, geht aus dem Internetauftritt des Kongresses nicht hervor. Anzunehmen, dass es trotz dieser erklecklichen Summe keine wirtschaftlichen Interessen gäbe, dass also die Teilnehmer vollkommen neutral informiert würden, wäre sicherlich naiv. Ohne das massive Pharma-Sponsoring sähe das Programm wahrscheinlich anders aus. Ohne die halbe Pharma-Million würden womöglich andere Referenten sprechen. Allein deshalb, weil es Wissenschaftler gibt, die sich strikt weigern, bei Veranstaltungen aufzutreten, die von Pharmafirmen gesponsert werden.
Pfizer sponsert nicht
Was auffällt: Pfizer findet sich nicht unter den Sponsoren. Schaut man jedoch hinter die Kulissen, wimmelt es nur so von Spuren des Konzerns. So ist die DGHM indirekt mit Pfizer verbandelt. Etwa durch Christof von Eiff, laut Homepage Mitglied der DGHM-Arbeitsgruppe „Klinische Mikrobiologie“.
Eiff arbeitet für die Pfizer Pharma GmbH. Das Unternehmen selbst informiert: „Prof. Dr. med. Christof von Eiff ist seit 2010 bei der Pfizer Pharma GmbH und leitet seitdem die Medizinische Abteilung Impfstoffe.“ Am 13. Mai diesen Jahres veröffentlichte Eiff einen langen Artikel mit der Überschrift „Vertrauen in Impfungen stärken“.
Hauptsponsor des Kongresses ist bioMérieux, ein französisches Unternehmen, das Reagenzien, Geräte, Software und Service für die In-vitro-Diagnostik herstellt. Als „Gold-Sponsor“ lässt das Unternehmen 20.800 Euro für den Kongress springen. Auch hier finden sich Verbindungen zu Pfizer. Nach eigener Aussage arbeitet bioMérieux mit großen Pharmaunternehmen wie GlaxoSmithKline, Novartis und Pfizer an der Entwicklung von THXID®-BRAF, einem molekularbasierten Diagnose-Test.
Vor wenigen Tagen, am 23. Mai 2024, gaben das Gesundheitsministerium von Malawi, bioMérieux und Pfizer ihre Zusammenarbeit bekannt. Es geht darum, Kapazitäten des öffentlichen Sektors für den Umgang mit antimikrobiellen Mitteln in der Infektionsprävention und -kontrolle, Diagnostik und Überwachung aufzubauen und den Einsatz von Antibiotika zu steuern.
„Lassen Sie sich impfen!“
Früh während der Coronakrise warb bioMérieux für die „Impfungen“ gegen COVID-19. Am 29. April 2021 erschien eine Pressemitteilung mit der Überschrift: „Tragen Sie Ihren Teil dazu bei, die COVID-19-Pandemie zu stoppen und lassen Sie sich impfen!“ Darin wurde behauptet:
„Alle derzeit in den USA erhältlichen COVID-19-Impfstoffe haben sich als sicher und wirksam bei der Vorbeugung von COVID-19 erwiesen. Auf der Grundlage von Daten über Impfstoffe für andere Krankheiten und ersten Daten aus klinischen Studien gehen Experten außerdem davon aus, dass eine COVID-19-Impfung dazu beiträgt, dass Sie nicht ernsthaft erkranken, selbst wenn Sie COVID-19 bekommen.“
Als „Bronze-Sponsor“ wurde die Bremer Bruker Daltonics GmbH & Co. KG gewonnen. 11.700 Euro fließen von hier in die Veranstaltung. Beim Mutterkonzern Bruker Corporation handelt es sich um eine US-amerikanische Unternehmensgruppe, die sich mit instrumenteller Analytik befasst. Auch hier gibt es Verbindungen zu Pfizer. So lädt Bruker am 12. März diesen Jahres zu einem „Watch on Demand“-Webinar über Anwendung der Lipidomik zur Erforschung von Stoffwechselkrankheiten ein.
Dazu heißt es auf der Homepage:
„Tauchen Sie mit uns tief in die Lipidomik ein und erforschen Sie deren Möglichkeiten, die Geheimnisse von Stoffwechselkrankheiten zu entschlüsseln. Lipide: Diese allgegenwärtigen Moleküle sind weit mehr als nur gespeicherte Energie. Sie steuern die zelluläre Signalübertragung, Struktur und Funktion und sind der Schlüssel zum Verständnis verschiedener Stoffwechselstörungen. Doch die schiere Komplexität des Lipidoms mit seinen Tausenden von Arten stellt eine gewaltige analytische Herausforderung dar. Natalie Daurio, leitende Wissenschaftlerin bei Pfizer und renommierte Expertin auf dem Gebiet der Lipidomforschung, führt Sie durch die komplexe Materie.“
Bekanntlich spielen Lipide eine wichtige Rolle bei der Herstellung des COVID-19-„Impfstoffs“ von Pfizer-BioNTech. Lipidnanopartikeln bilden eine Schutzhülle um die mRNA, die auf diese Weise in die Zelle transportiert werden und in der Zelle freigesetzt werden kann.
Im Lobbyregister
Als weiterer „Bronze-Sponsor“ des Würzburger Kongresses tritt die Krefelder Cepheid GmbH auf. Sie entwickelt molekulardiagnostische Tests. Seit Februar 2022 ist das Unternehmen im Lobbyregister beim Deutschen Bundestag aufgeführt. Mindestens 40.000 Euro betrugen dem Register zufolge die „finanziellen Aufwendungen im Bereich der Interessenvertretung“ 2022.
Cepheid sponsert gerne. Beim Freiburger Infektiologie- und Hygiene-Kongress im Oktober 2019 unter der Schirmherrschaft von Gesundheitsminister Jens Spahn trat Cepheid als „Gold-Sponsor“ auf. Das Unternehmen lud unter anderem zu einem „Lunchsymposium“ ein. Dabei wurde über „nosokomiale Influenza-Infektionen” referiert, und es wurden „Tipps zur Einführung patientennaher Infektionsdiagnostik in der Klinik” gegeben.
Oliver Kurzai, Präsident der Würzburger Tagung, ist ebenfalls mit Pfizer verquickt. Während der 55. Wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft (DMykG) Ende September 2021 überreichte er Danila Seidel virtuell den mit Euro 2.000 dotierten, von Pfizer gestifteten Nachwuchsförderpreis der DMykG.
Vielfache Interessenkonflikte
2023 ist Oliver Kurzai in einer Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt mit dem Titel „Anstieg von Candida-auris-Fällen und erste nosokomiale Übertragungen in Deutschland“ zu finden. Jeder Autor des Artikels musste seinen Interessenkonflikt offenlegen. Bei „OK“ (Oliver Kurzai) war zu finden:
„OK erhielt finanzielle Förderung von EU, DFG, BMBF, Else Kröner-Fresenius Stiftung und dem Freistaat Bayern. Er wurde honoriert für Vorträge von BioMerieux, Fujifilm WAKO, Pfizer und Gilead. Zudem ist er Mitglied im Advisory Board von Mundipharma, im Vorstand von DMykG e. V., im NAK, im EUCAST-Antifugal Susceptibility Testing Subcommittee und bei DGHM. Studienunterstützung wurde ihm zuteil von Pfizer, Gilead, F2G, Fujifilm WAKO, Mast Diagnostika, MSD, Mundipharma, Virotech und Basilea.“
Kurzai gilt als ausgesprochener Befürworter der COVID-19-„Impfung. In einem Interview mit der Würzburger Tageszeitung erklärte er am 20. Januar 2021 auf die Frage, wie lange der Schutz durch die Corona-„Impfung” anhält:
„Das wissen wir momentan noch nicht. Die meisten Experten – und ich auch – vermuten, dass die Schutzwirkung mehrere Jahre anhalten sollte. Wenn sie dann nachlässt, könnte sie durch eine ‚Auffrischimpfung‘ wiederhergestellt werden.“
Auf die Nachfrage, „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Impfung nicht wirkt?”, erklärte er:
„In den Zulassungsstudien waren die jetzt verfügbaren Impfungen sehr wirksam – sogar deutlich besser, als sich die meisten Experten erhofft hatten. Insgesamt haben in den Studien weniger als fünf von 10.000 vollständig geimpften Personen eine SARS-CoV-2-Infektion bekommen. Was vielleicht noch wichtiger ist: Bei den geimpften Personen wurden eher milde Verläufe der Infektion beobachtet.”
Im Januar 2023 erschien ein Paper mit dem Titel: „Bivalente BNT162b2mRNA Original/Omicron BA.4-5 Booster-Impfung: Nebenwirkungen und Arbeitsunfähigkeit im Vergleich zum monovalenten COVID-19-Booster”. Oliver Kurzai gehörte zu den Autoren. Erstaunlich: Nur ein einziger Autor, nämlich Manuel Krone, erklärte, er erhalte außerhalb der eingereichten Arbeit Honorare von GSK und Pfizer:
„Alle anderen Autoren, also auch Kurzai, erklärten, dass sie keine potenziellen Interessenkonflikte haben.“